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Die Auspizien – Deuten des Götterwillens aus Zeichen

Die Wichtigkeit von Zeichen im römischen Cultus

Im römischen Cultus – sowohl im Privatkult als auch im Staatskult – spielten „Zeichen“ eine Schlüsselrolle. Eine Grundannahme der Religio Romana ist es, daß die Götter sich dem Menschen durch Zeichen mitteilen und dadurch ihre Zustimmung oder Ablehnung zu einem geplanten Vorhaben zum Ausdruck bringen.

Im Römischen Reich wurde keine politische oder zivile Entscheidung getroffen, kein Krieg begonnen, keine Schlacht geführt, kein Kaiser gekrönt, ohne daß die Götter zuvor nach Ihrer Meinung befragt wurden. Deswegen waren die Auguren, die Kultbeamten, die für die Betreuung der öffentlichen Auspizien zuständig waren, in einer bedeutenden Machtposition, denn von ihnen hing es ab, wie sich die Entscheidungsträger letztendlich entschieden. Waren sie korrupt und deuteten ein Zeichen so um, wie es dem Zahler des Bestechungsgeldes genehm war, konnte das fundamentale Auswirkungen auf den Staat haben.

Während im Staatskult nur die Priesterschaft der Auguren das Recht hatte, Auspizien durchzuführen, konnten diese im Privatbereich von jedermann gemacht werden, da sie eine Privatangelegenheit zwischen der individuellen Person und ihren Göttern war. Auspizien anläßlich von Familienangelegenheiten, wie Hochzeiten, größeren Investitionen oder Grundstücksverkäufen wurden in der Regel vom Paterfamilias durchgeführt. Auspizien in privaten Fragen, zur Entscheidungsfindung in persönlichen Angelegenheiten, machte jeder für sich selbst.

Auspicia – mehr als Vogelschau

Ein Augur mit verhülltem Kopf, Krummstab und Vogel

Augustus als Augur mit verhülltem Kopf, Krummstab und Vogel (Original in den Uffizien in Florenz, Bildarchiv: vroma.org)

Der Begriff „Auspizien“ kommt vom lateinischen Wort „auspicia“ (Plural, Singular: auspicium). Der Begriff setzt sich zusammen aus „avis“ (Vogel) und „spectare“ (schauen), bedeutet übersetzt also „Vogelschau“. Im englischen Sprachraum ist die Praxis als „Augury“ nach den durchführenden Auguren benannt. Die Übertragung des Amtes des Auguren auf seinen Nachfolger wurde „inaugoratio“ genannt, ein Begriff, der sich im Wort „Inauguration“ für die feierliche Einführung in ein Amt bis heute erhalten hat.

Hierbei ist die Deutung der Zeichen jedoch nicht auf die Vogelschau, das heißt, auf das Verhalten und den Flug von Vögeln, beschränkt, sondern es werden vielfältige Zeichen gedeutet, auch Wettererscheinungen wie Wolken und Blitze.

Die Auspizien sind jedoch streng von Wahrsagen oder Zukunftsdeutung zu unterscheiden, da sie nicht die Zukunft voraussagen, sondern ausschließlich dem Zweck dienen, die Zustimmung oder Ablehnung der Götter zu einem geplanten Vorhaben einzuholen. Sie sind das Mittel der Wahl, den Willen der Götter zu erfahren oder auch um herauszufinden, ob ein Ritual oder Opfer akzeptiert wurde oder nicht. Ohne göttliche Zustimmung unternahm ein Römer nichts, und sei es noch so profan, so daß die Deutung von Zeichen, sowohl im öffentlichen als auch privaten Bereich, eine zentrale Bedeutung im Cultus innehatte. In jedem Ritual, in dem man die Meinung (und natürlich Gunst) der Götter zu einem Vorhaben erbittet, gehören die Auspizien zum Abschluß, um unmittelbar zu erfahren, ob die Götter die geplante Handlung befürworten oder ablehnen.

Um mit dem römischen Geschichtsschreiber Titus Livius zu sprechen: Der Augur sagt nicht voraus, wie gehandelt werden soll, sondern er schaut nach Zeichen, ob eine bereits begonnene oder geplante Handlung unter dem Segen der Götter steht und fortgesetzt – oder aufgegeben – werden sollte.

Ebenfalls zu unterscheiden von den Auspizien sind die Haruspizien, die Eingeweideschau der geschlachteten Opfertiere. Diese ging zwar im Staatskult oft gleichzeitig mit den Auspizien einher und hatte ebenfalls das Ziel, zu ermitteln, ob das Opfer angenommen wurde und wie die Götter gegenüber dem Anliegen eingestellt waren. Sie wurden aber von einem anderen Priester, dem Haruspex durchgeführt und spielten im privaten Cultus keine Rolle, da die Kunst, die Eingeweide zu lesen, nicht so einfach von jedermann auszuüben war wie die Beobachtung von Wetter und Vögeln.

Die Auspizien waren keine „Geheimlehre“ oder geheime Wissenschaft, sondern die Praktiken und Interpretationen allgemein zugängliches Wissen, über das von zeitgenössischen Autoren wie Cicero auch publiziert wurde.

Auspicia publica – die öffentlichen Auspizien

Etruskische Wandmalerei eines Auguren im Grab des Phersu, 500 v.Chr

Etruskische Wandmalerei eines Auguren im Grab des Phersu, 500 v.Chr

Auspizien (und Haruspizien) wurden bereits von den Etruskern durchgeführt und schon seit den Anfangszeiten des Römischen Reichs von den Römern übernommen. Die römischen Auguren waren Staatsbeamte, die dem Priesterkollegium angehörten. Sie waren allerdings keine Priester (sacerdos) im eigentlichen Sinne, da sie keine Opfer durchführten. Es konnte jedoch vorkommen, daß ein Sacerdos in einer Doppelfunktion auch zum Auguren ernannt wurde. Ihr Amtszeichen war der Krummstab (lituus).

Zu Beginn gab es in Rom drei Auguren (die zudem alle dem Stand der Patrizier angehören mußten). Später wurde die Zahl nach und nach erhöht und ab 300 v. Chr. wurden auch Plebejer im Amt zugelassen. Unter Sulla (138 – 78 v.Chr.) wurde die Zahl schließlich auf 15 festgeschrieben. Einer der berühmtesten Auguren der römischen Geschichte war Marcus Tullius Cicero.

Die Auspizien mußten vor allen wichtigen Entscheidungen des Staates durchgeführt werden, die die drei Grundsäulen des römischen Staates betrafen: Pax, Fortuna und Salus (Frieden, gutes Schicksal, Wohlstand). Alle wichtigen politischen Aktionen, wie das Einsetzen eines neuen Magistraten, Entscheidungen der Volksversammlung, Einführung neuer Gesetze sowie Kriege und Feldzüge durften nur nach einem positiven Ergebnis der Auspizien umgesetzt werden.

Hierbei wurden die Auspizien jedoch nicht von den Auguren allein durchgeführt, vielmehr war es Aufgabe der Magistraten, da diese das ius augurii, das Recht zu den Auspizien, innehatten und für die letztendlichen Entscheidungen zugunsten von Pax, Fortuna und Salus die Verantwortung trugen. Die Auguren unterstützten sie durch die Erklärung und Deutung der Zeichen, doch das letzte Wort hatten die Magistraten, die die letztendliche Freigabe für ein geplantes Vorgehen erteilten. Sie hatten sogar das Recht, der Deutung des Augurs nicht zu folgen und einen gegenteiligen Entschluß zu fassen. Außerdem konnte die Entscheidung vor Gericht angefochten werden, was inbesondere in der späten Republik öfter vorkam, um unliebsame politische Entscheidungen oder die Wahl eines Gegners zu verhindern.

Die falsche Deutung eines Zeichens durch einen Augur oder das Ignorieren eines Zeichens wurde als Beleidigung der Götter aufgefaßt. Man glaubte, daß dies katastrophale Konsquenzen haben würde, die so lange andauerten, bis der Fehler korrigiert war und die Entscheidung der Götter angenommen wurde. Den Zeichen zu folgen, sicherte den Pax deorum, die Einhaltung des Schutzvertrages für das Römische Reich zwischen den Menschen und Göttern sowie das gute Verhältnis zwischen ihnen.

Da das Wort der Auguren so große Macht besaß, daß es fundamentale Entscheidungen des Staates lähmen oder sogar umkehren konnte, bis hin zur Ablehnung entscheidender Gesetze, bezeichnete Cicero das Amt des Auguren als mächtigstes Amt im Staat.

Über die öffentlichen Auspizien und die Auguren gibt es zahlreiche Quellen, insbesondere Cicero, Titus Livius und Varro haben darüber Abhandlungen verfaßt. Die Auguralformel selbst ist von Varro überliefert.

Öffentliche Auspizen wurden auf erhöhtem Grund durchgeführt, idealerweise auf einem der Hügel Roms. Der Legende nach führten Romulus und Remus Auspizien zur Gründung Roms durch, wobei Romulus auf dem Palantin stand und Remus auf dem Aventin.

Der Magistrat, der die Auspizien durchführte, wurde „Auspex“ genannt und von den Auguren unterstützt. Während des Rituals waren Tibiaspieler anwesend, die die ganze Zeit über musizierten. Das Spiel auf der Doppelflöte hatte dabei mehrere Funktionen, einerseits sollte es Singvögel anziehen, außerdem sollte es verhindern, daß der Magistrat potentielle negative Zeichen in der Umgebung hören konnte. Zudem war man der Ansicht, daß Flötenspiel generell den Göttern gefiel, so daß es Teil vieler römischer Zeremonien war.

Vögel spielten eine wichtige Rolle als Boten der Götter (Museum Saalburg)

Vögel spielten eine wichtige Rolle als Boten der Götter (Museum Saalburg)

Das Ritual begann stets mit einem Trankopfer (Libation) an Jupiter, denn man war der Ansicht, daß es Jupiter war, der bei den öffentlichen Auspizien die Vögel schickte (bei privaten Auspizien konnte man sich an jeden Gott oder jede Göttin wenden) (Cicero, Von der Wahrsagung). Anschließend wurde der Anlaß verkündet, aus dem die Auspizien abgehalten wurden und die Frage gestellt, die man von den Göttern beantwortet haben wollte bzw. die Bitte geäußert, zu der die Götter ihre Zustimmung gewähren mögen.

Dann wurde mit dem lituus ein Bereich des Himmels festgelegt (templum) und durch Ost-West sowie Nord-Süd-Linien in vier Bereiche unterteilt (dextera, sinistra, antica und postica), die ihren Spiegel in auf dem Boden gezogenen Linien haben. Insgesamt wurde der Bereich des Himmels in 16 Quadranten eingeteilt, wie es auch bei der Untersuchung der Leber in der etruskischen Eingeweideschau üblich war, bei der  jeder Quadrant einer bestimmten Gottheit zugeordnet war.

Nachdem der Himmel entsprechend aufgeteilt war, erfolgte eine Anrufung an Jupiter. Hierbei war es auch möglich, die Zeichen zu spezifizieren, die man sich zur Bestätigung des Anliegens wünschte. Außerdem konnte der Magistrat auch festlegen, welche Zeichen er zu ignorieren wünschte. Dann wurde der Himmel beobachtet und auf das gewünschte Zeichen gewartet.

Einige besondere Anlässe erforderten auch spezielle Auspizien. Das augurium salutis wurde einmal jährlich vor der Bevölkerung Roms abgehalten, um das Wohlergehen des römischen Volkes zu erbitten. Das augurium canarium verlangte nach der Opferung eines roten Hundes. Es handelte sich dabei offenbar um ein Ernteritual, das nach der Aussaat abgehalten wurde, bevor die Ähren reif waren. Auch die vernisera auguria scheint ein Ernteritual gewesen zu sein.

Das System, nach dem in Rom die offiziellen Auspizien abgehalten wurden, wurde in den Libri Augurales niedergeschrieben. Zudem führte jeder Augur ein Buch, in dem er seine eigenen Deutungen niederschrieb.

Grundlagen der Auspizien

Egal, ob es sich um die nach einem besonderen Ritus durchgeführten öffentlichen Auspizien in Staatsangelegenheiten handelte, oder um Auspizien im Privatbereich – die interpretierten Zeichen waren die gleichen.

Es wurde zwischen zwei Gruppen von Zeichen unterschieden: Zeichen, die vom Menschen erbeten worden waren und Zeichen, die spontan aus eigener Initiative von den Göttern geschickt wurden.

Die Auspizien wurden wie schon erwähnt, bereits von den Etruskern durchgeführt. Allerdings unterschieden sich die römischen Auspizien inhaltlich bald deutlich vom etruskischen Vorbild. Zu Beispiel vertauschten die Römer die Himmelsrichtungen, welche als günstig und ungünstig galten, oder änderten die Interpretationsweise von Vogelgesang. (Cicero: Von der Weissagung, Cicero: Von der Natur der Götter). Außerdem reduzierten die Römer die Anzahl der Götter, die als Urheber von Blitzen in Betracht kamen, erheblich – von den etruskischen elf Göttern auf nur vier: Jupiter, Veiovis, Minerva und Summanus (Plinius erkennt in seiner „Naturgeschichte“ sogar nur zwei Götter, Jupiter und Summanus, an). Im Gegensatz zu den Griechen, bei denen Orakel als die Botschafter der Götter galten, galt im römischen Kult die Vorstellung, daß der göttliche Wille durch die Entsendung von Vögeln verkündet wurde.

In den Auspizien wurden vor allem Zeichen am Himmel interpretiert (allerdings nicht ausschließlich). Dabei spielten die Himmelsrichtungen deshalb eine wichtige Rolle, da ihnen bestimmte Themenbereiche zugeordnet waren. Der Osten war die Richtung des Lichts und des Lebens, der Westen der Bereich der Dunkelheit und des Todes. Der Norden galt als der Wohnsitz der Götter, während der Süden mit den „niederen Bereichen“ der Erde und der Unterwelt assoziiert wurde.

Generell gab es zwei Klassen von Zeichen (signa): Die erbetenen Zeichen (auguria impetrativa) und unerwünschten Zeichen (auguria oblativa).

Da es sehr viele unterschiedliche Zeichen gab, von denen einige auch gleichzeitig auftreten konnten (und sich unter Umständen sogar widersprachen), wurde eine „Rangliste“ der Zeichen festgelegt (so war ein Adler ein stärkeres Zeichen als ein Specht und ein Tier, das in einer bestimmten Region seltener ist, ist ein besseres Zeichen als ein Tier, das dort häufig vorkommt).

Die Art und Weise, wie die Beobachtungen durchzuführen waren, waren genau festgelegt und mußten unbedingt beachtet werden. So war während des Beobachtungszeitraums absolutes Schweigen zu wahren.

Die Zeichen unterteilen sich in verschiedene Gruppen, wobei nur die ersten zwei Kategorien in den offiziellen Staatsriten verwendet wurden. Die anderen wurden zwar auch von den staatlichen Auguren interpretiert, fanden aber eher in anderen Zusammenhängen Beachtung, wie zum Beispiel im Rahmen eines Feldzuges im Militärlager. Im privaten Bereich wurden alle Arten von Zeichen verwendet.

  • Ex caelo (aus dem Himmel)

Hierunter fallen alle Arten von Wettererscheinungen, insbesondere Donner und Blitz (wobei hier die Richtung des Blitzes eine wichtige Rolle spielt). Wurde vom Augur ein (von Jupiter gesandtes) Gewitter während der Auspizien gemeldet, konnte die Volksversammlung nicht abgehalten werden.

Ebenfalls in diese Kategorie gehören die unterschiedlichen Wolkenformen wie Cirruswolken, Nimbus oder Cumulus, Niederschläge wie Regen, Hagel, Graupel oder Schnee und Lichterscheinungen wie Regenbogen, Sterne, Sternschnuppen, Sonnen- und Mondfinsternisse.

  • Ex avibus (von den Vögeln)

Von Vögeln wurde sowohl der Flug als auch der Gesang oder Ruf gewertet. Allerdings galten nicht alle Vögel als Zeichen der Götter, sondern nur bestimmte Vogelarten.

Die Oscines waren die Vögel, deren Gesang oder Ruf als Zeichen galt. Hierzu zählten unter anderem Eulen, Krähen, Raben und Hühner. Alle Rufe konnten, je nach Richtung des Auftretens, als gutes oder schlechtes Omen gewertet werden.

Von den Alites wurde der Flug und die Zugrichtung gedeutet. Hierzu zählten unter anderem Adler, Geier, der Beinbrechervogel (avis sanqualis, ossifragus), Falke, Habicht.

Einige Vogelarten, wie Specht wurden sowohl zu den Oscines als auch zu den Alites gerechnet.

  • Ex tripudiis (vom „Tanz“ der gefütterten Vögel)
Hühnerkäfig des Hühnerbewahrers

Hühnerkäfig des Hühnerbewahrers

Diese Kategorie wurde vor allem während militärischer Feldzüge verwendet, weniger zu offiziellen Staatsauspizien. Hierbei wurde die Bewegungsweise, d.h. der „Tanz“ von Hühnern bei der Fütterung interpretiert, obwohl nach Cicero auch andere Vögel beim Fressen das Tripudium, d.h. den heiligen Tanz aufführen und diese Kategorie deshalb nicht auf Hühner beschränkt sein muß.

Die Hühner wurden in Käfigen unter der Aufsicht eines pullarius gehalten, dem „Bewahrer der Auspizien-Hühner“. Wenn die Hühner befragt werden sollten, ließ er sie aus dem Käfig und warf ihnen Brotkrumen zu. Dann wurde beobachtet, wie sich die Hühner verhielten: kamen sie nicht aus dem Käfig, verweigerten sie das Brot, flatterten sie mit den Flügeln oder kreischten sie, oder flogen sie gar weg, galt das als ungünstiges Zeichen. Fraß das Huhn etwas von dem Brot und fiel danach etwas davon auf den Boden, galt das als gutes Zeichen (tripudium solistimum oder tripudium quasi terripavium solistimum, von „solum“, „der Boden“).

  • Ex quadrupedibus (von den Vierfüßlern)

Diese Kategorie wurde nicht für staatliche offizielle Auspizien verwendet, ist als Zeichenkategorie aber überliefert. Hierbei wurde das Verhalten von auf vier Beinen laufenden Tieren beobachtet, besonders Wolf, Fuchs, Hund und Pferd, wenn diese den Weg kreuzten (zu vergleichen mit der bei uns heute bekannten „schwarze Katze von links“) oder an einem ungewöhnlichen, unerwarteten Ort zu finden waren. Die Interpretation dieser Zeichen oblag der individuellen Entscheidung des Auguren.

  • Ex diris (von Zeichen)

Diese Kategorie umfaßt alle Arten von Zeichen, die in keine der obigen Kategorien passen. Sie umfassen insbesondere alle ungewöhnlichen Ereignisse oder Vorkommnisse, bis hin zu so profanen Dingen wie Stolpern, die als Zeichen der Willensäußerung eines Gottes gedeutet werden konnten.

Die Arten der Zeichen und Vogelarten unterschieden sich je nach Ort und Anlaß, an dem die Auspizien abgehalten wurden.

Es gab außerdem offiziell anerkannte Strategien, wie mit ungünstigen Zeichen umgegangen wurde beziehungsweise wie man dafür sorgte, daß man gar nicht erst ungünstige Zeichen empfing.

Erschien ein ungünstiges Zeichen, konnte man folgendes tun: Zuerst wurde aktiv versucht, es nicht zu sehen. Gelang das nicht, wurde eine Handbewegung gemacht, die eine Verweigerung darstellte, es wahrzunehmen (repudiare). Mit dem non observare wurde vorgegeben, ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Durch einen bewußt gewählten Zeitpunkt, wann die Beobachtung „galt“ und wann nicht, konnte ebenfalls ein Zeichen ausgeblendet werden (tempestas). Es wurde auch bewußt unterschieden, wann die eigentliche Beobachtung stattfand und wann man sich im Ritual drumherum befand (renunciatiatio). Eine gängige Strategie war, Fehler in der Durchführung anzumerken, die das Ritual ungültig machten (vitia) und die ganze Prozedur zu wiederholen.

Auch schützte die Tatsache, daß man das Ritual capite velato, d.h. mit verhülltem Haupt durchführte, davor, negative Zeichen aus dem Augenwinkel wahrzunehmen.

„Aves admittunt!“ – „Die Vögel erlauben es!“ wurde ausgerufen, wenn ein gutes Zeichen empfangen wurde. „Alio Die!“ – „An einem anderen Tag!“ war die Ankündigung eines negativen Zeichens. In dem Fall konnten die Auspizen an einem folgenden Tag wiederholt werden.

Wenn gar kein Zeichen empfangen wurde, egal ob positiv oder negativ, bedeutete das, daß die Götter der Frage gleichgültig gegenüberstanden und keine Meinung dazu hatten. In diesem Fall konnte die Handlung ohne Zustimmung der Götter vorgenommen oder die Befragung an einem anderen Tag wiederholt werden.

Einen Artikel über die Unterscheidung zwischen den Auspizien als öffentlich anerkannte Botschaften der Götter und „abergläubischen“ magischen Praktiken im römischen Verständnis findet sich in Teil II dieser kleinen Serie: „Auspizien vs. Aberglaube im römischen Cultus„.

Praktische Hinweise und Tipps zu privaten Auspizien und dem Deuten von Zeichen findet Ihr in Teil III dieser Serie: Kultpraxis: Auspizien im privaten Cultus.


2 Kommentare

  1. Annabelle sagt:

    Liebe Autoren des Artikels!
    Ich hätte ein Anliegen. Denn ich schreibe meine Facharbeit gerade über das Thema Schicksalserkundungen bei den Römern, und ein großer Überpunkt sind die Auspizien. Ich habe mich durch viele Bücher gelesen, doch nie eine so gute und ausführliche Beschreibung der Auspizien, wie hier, gefunden. Doch müsste ich, um diesen Text als seriöse Quelle angeben zu können, wissen von wem er geschrieben wurde und vielleicht auf welchen Werken der Artikel basiert Und/ oder wie der Autor auf dieses Thema gekommen ist (beruflich oder als Hobby). Ihr würdet mir wahnsinnig helfen und ich danke euch schon jetzt für eure Bemühungen!
    Liebe Grüße,
    Annabelle

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    • Hallo Annabelle,

      vielen Dank für Deine Nachricht! Wir freuen uns, daß Dir unsere Website gefällt!

      Da wir, wie Du unserer Website vermutlich entnommen hast, nicht nur ÜBER diese Themen schreiben, sondern selbst den Cultus Deorum Romanorum (Religio Romana) praktizieren, entstammen einige Informationen (vor allem im 3. Teil der Auspizien-Reihe zur praktischen Anwendung) unserer Praxis, wie es innerhalb der Religio Romana heute praktiziert und auch vermittelt wird, d.h. aus mündlichem oder schriftlichem Erfahrungsaustausch, „experimenteller Archäologie“ (was im religiösen Rahmen natürlich ein etwas schwammiger Begriff ist) und einfach der alltäglichen Kultpraxis.

      Aber ich denke, Dir geht es in der Facharbeit vermutlich eher um die historischen Fakten, als um die praktische Anwendbarkeit 😉

      Der Artikel wurde deswegen vor allem vor „praktischem“ Hintergrund geschrieben, um Einsteigern und Interessierten an der Religio Romana diesen wichtigen Teil der kultischen Handlung vorzustellen und praktische Anleitungen für die eigene religiöse Praxis zu geben – so wie wir uns auf unserer ganzen Seite bemühen, fundierte Artikel zu schreiben, allerdings nicht aus einer außenstehenden Perspektive_über_ die Religio Romana und andere römische (bzw. gallo-römische) Themen, sondern aus der spezifischen Sicht des polytheistisch-römischen Cultors als zentrale deutschsprachige Seite für diese Nische innerhalb des heidnischen Rekonstruktionismus.
      Ob das für eine Facharbeit als „seriöse Quelle“ gilt, kannst nur Du entscheiden, auch wenn uns für unsere Artikel sehr an fundierten Informationen und Quellenstudien gelegen ist.

      Als römische Rekonstruktionisten sind unsere wichtigsten Quellen immer die antiken Originalquellen, und erst in zweiter Linie Sekundärquellen, obwohl es natürlich auch hier sehr gute Fachliteratur gibt (die vor allem wiederum wegen ihrer weiterführenden Literaturhinweise sehr wichtig ist, vor allem in Bezug auf sehr spezielle oder spezifische Aufsätze oder Monographien zu Spezialthemen).

      Die wichtigsten Originalquellen zu den Auspizien sind für uns auf jeden Fall:

      Cicero (der ja selbst Augur war): De Divinatione (Von der Weissagung)
      Cicero: De natura deorum (Vom Wesen der Götter)
      Titus Livius: Ab urbe condita (Von der Gründung der Stadt, u.a. Buch IV, VI und X)

      Weiterhin stammen Informationen aus der Erwähnung der Auspizien oder Referenzen dazu in:

      Cicero: De legibus (über die Gesetze)
      Plinius der Ältere: Historia Naturalis
      Tacitus: Annalen (u.a. II)

      Gute moderne Quellen sind:

      Religions of Rome: Vol. I: A History; Vol. II: A Sourcebook, Mary Beard, John North, and Simon Price
      Roman Augury & Etruscan Divination, Edited by: W. R. Connor
      An Introduction to Roman Religion, John Scheid (hier gibt es im Anhang auch gute weiterführende Literaturhinweise).

      Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen!

      Viele Grüße und vale!

      Q. Albia Corvina

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