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Tierliebe im alten Rom?

Ein archäologischer Fundbericht über ein besonderes Grab im Gräberfeld „Auf der alten Eich“ in Mayen – in der Vulkaneifel, einem Gebiet, das wir auf unseren Reisen durch das Imperium gerne und oft aufsuchen – regt zum Nachdenken an, was die Beziehung der alten Römer zu Tieren betrifft.

Grundsätzlich herrscht oft das Bild vor, die Menschen der Antike hätten sich durch eine besondere Grausamkeit (nicht nur) zu Tieren ausgezeichnet, die auf Menschen unserer Zeit abstoßend wirke. Natürlich entspricht dies weder einer adäquaten Selbsteinschätzung, was unseren heutigen Umgang mit Tieren angeht, noch scheint es als Generalisierung „des Römers“ zu taugen.

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Tierkämpfe in der Arena

Sicherlich gab es Hinrichtungen Ad Bestias (also durch Zerfleischung durch wilde Tiere) und ebenso sind etwa die Berichte über die „Venationes“, also die Tierhetzen im Römischen Reich, die in den Arenen als Vorspiel von Gladitorenkämpfen oder auch in grösserem Stil als eigener Attraktionspunkt der Spiele stattfanden, korrekt und keinesfalls übertrieben. Wenn wir lesen, wie etwa zur Einweihungsfeier des Kolosseums 5000 Tiere durch Kaiser Titus für das Spektakel durch die Arena gehetzt wurden, mag das in der Tat heute schockieren – und dies war verglichen mit der Tierhatz durch Kaiser Trajan, der 11.000 Tiere in einer blutigen Schau präsentierte, die seinen Sieg über die Daker feiern sollte, quasi noch eine zurückhaltende Veranstaltung.

Trotzdem darf man nicht verdrängen, dass es solche Spiele heute immer noch gibt, angefangen von illegalen Hahnen- und Hundekämpfen, bis hin zu den Stierhetzen oder Stiertötungen in den spanischen, portugiesischen und französischen Arenen (wobei die Tiere dort auch noch mit Medikamenten vor dem Kampf betäubt und die Hörner abgeschliffen werden, damit der ‚mutige‘ Torero auch eine Chance hat).

Was uns heute also in dieser Hinsicht von den alten Römern unterscheidet, scheint eher ein quantitativer Unterschied denn ein qualitativer zu sein. Die Masse hat damals wie heute nach möglichst aufregender und gerne auch blutiger Bespaßung gerufen, heute wird das durch Tierschutzvereinbarungen vielleicht etwas eingeschränkt, aber generell besteht wenig Grund, sich über die alte Zeit erhaben zu fühlen, was den Umgang des Menschen mit Tieren angeht. Industrielle Massentierhaltung mit teils unerträglichen Quälereien, Delphinabschlachtungen in Japan, Walschlachtfeste auf den Faröer-Inseln, wo die Menschen in einem See aus Blut waten, brutales Erschlagen von Robbenbabies in Kanada, Abzapfen von Gallenflüssigkeit bei eingepferchten Bären in China, Haien denen die Flosse bei lebendigem Leib abgeschnitten wird usw. – die Liste an Grausamkeiten, die in unserer Zeit an Tieren begangen wird, ist ellenlang…

Man machte damals allerdings eine Unterscheidung zwischen wilden Tieren, die als gefährlich galten, die exotisch waren und die im Verständnis der Menschen eher zu den chaotischen Kräften der Natur gehörten, und den Nutz- und Haustieren. Auch wenn es keinen Tierschutz im alten Rom gab, so war doch das Verhältnis des einzelnen Menschen zu bestimmten Tieren ebenso vielfältig, wie es das heute ist.

Tiere waren als Nutztiere geschätzt und wurden als solche sicherlich zum Teil unter besseren Bedingungen gehalten, als in der heutigen Massentierhaltung. Natürlich wurde in der Antike Fleisch gegessen (sofern man es sich leisten konnte, denn Fleisch war – wie auch zu späteren Zeiten – für die arme Bevölkerung oft unerschwinglich). Rinder, Geflügel (Hühner, Enten, Kapaune, Pouladen, Gänse), Schweine, Schafe, Ziegen, Hasen, Kaninchen, Fisch und Meeresfrüchte waren typische Speisetiere. Daneben war man in gehobenen Kreisen auch immer auch interessiert an exotischeren Genüssen aus den fernen Provinzen, so daß auch Tiere auf dem Teller landeten, die in unseren Kreisen heute eher Abscheu auslösen würden. Lediglich Pferde zu essen (wie es bei den Kelten, zum Beispiel den Galliern und in Britannien üblich war) galt als barbarisch und wurde abgelehnt.

Neben der Rolle als Speiselieferant waren Nutztiere auch in anderen Bereichen unverzichtbar. Rinder lieferten Milch, die zwar nicht getrunken wurde, aber für Käseproduktion eine wichtige Rolle spielte. Pferde, Esel und Ochsen waren aus dem Transportwesen und der Kriegsführung nicht wegzudenken.

Eine ebenfalls entscheidende Rolle spielten Tiere im religiösen Kultus – vor allem als Opfertiere. Jeder Gottheit waren bestimmte Tiere heilig und geweiht, so daß es üblich war, einem Gott ein bestimmtes Tier zu opfern. Das konnte von kleinen Fischen für Vulcanus bis hin zu schwangeren Säuen für Maia reichen. Anläßlich großer Feste wurden im öffentlichen Staatskult durchaus zahlreiche Tiere (wie Stiere, Schafe oder Schweine) gleichzeitig geopfert und anschließend kostenlos als Speisung an die Bevölkerung ausgegeben.

Andere Tiere betrachtete man als Zeichen, die von den Göttern selbst geschickt wurden, um anzuzeigen, ob ein Opfer oder ein Ritual akzeptiert wurde oder nicht. Insbesondere Vögel spielten hier eine zentrale Rolle, deren Flug und Verhalten von Auguren und auch Privatleuten (die nach einem Opfer am heimischen Altar ebenfalls auf ein Zeichen hofften) akribisch beobachtet wurde.

Daneben gibt es jedoch archäologische Beweise, daß Tiere im alten Rom eben nicht nur der Bespaßung der Massen, der Nutztierhaltung, dem Nahrungsgewinn und dem religiösen Kultus dienten, sondern daß Tiere durchaus auch als Haustiere gehalten – und wie heute, als solche geliebt wurden. Ein Beispiel dafür ist der Grabfund in Mayen:

Tierliebe und ein sehr enges persönliches Verhältnis von Mensch und Tier war nicht unbekannt und ging oft über den Tod des geliebten Begleiters hinaus:

„Daher kann festgestellt werden, dass dem Mayener Hund eine ganz außergewöhnliche Wertschätzung zuteil wurde. Dies gilt umso mehr, da mit dem verzierten Terra-Rubra-Teller ein Fein- und Tafelgeschirr einem Hund (aufgrund fehlender anderer Gebrauchsspuren wohl) als Erstnutzer im Dies- und Jenseits zugeeignet wurde. Diese Würdigung wird noch unterstrichen durch die Tatsache, dass der Hund (sozusagen gleichberechtigt) auf einem Friedhof der Menschen bestattet wurde.“

Der Bericht „Eine römische Hundebestattung mit zugehörigem Fressnapf aus Mayen“  ist im Archäologischen Korrespondenzblatt des Römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz veröffentlicht worden.

Allerdings ist dies nicht der einzige Beleg für Tierliebe im Römischen Reich, zu erwähnen etwa sind ein Grabgedicht aus dem 2. Jhd. n. Chr., welches man in Augusta Ausciorum, der heutigen Stadt Auch in Frankreich gefunden hat:

Quam dulcis fuit ista, quam benigna,
quae, cum viveret, in sinu iacebat
somni conscia semper et cubilis.
O factum male, Myia, quod peristi.
Latrares modo, si quis adcubaret
rivalis dominae, licentiosa.
O factum male, Myia, quod peristi.
Altum iam tenet insciam sepulcrum,
nec saevire potes nec insilire,
nec blandis mihi morsibus renides.

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Wie süß war sie, wie freundlich,
die, als sie lebte, im Schoße lag,
Mitwisserin des Schlafes immer und des Lagers.
O des schlimmen Geschehens, Fliege, dass du hingegangen bist!
Würdest du nur bellen, wenn irgendein Rivale
bei der Herrin läge, ohne Schranken bellen!
O des schlimmen Geschehens, Fliege, dass du hingegangen bist!
Das tiefe Grab schon birgt dich, die du’s nicht mehr merkst.
Weder wüten kannst du noch anspringen
noch tust du mir freundlich mit liebkosenden Bissen.

Jeder Hundefreund dürfte diese Gedanken des Besitzers der Hündin Myia (in der mir vorliegenden Übersetzung als „Fliege“ wiedergegeben, wobei ich dafür nur das Wort musca kenne) nachfühlen können, der sich hier so sehnlichst wünscht, er könne das Bellen wieder hören (über das er sich zu ihren Lebzeiten wahrscheinlich oft geärgert hat)…

Oder auch ein Gedicht des Marcus Valerius Martialis, der dies für seinen Freund Publius über dessen Schoßhund Issa geschrieben hat:

Issa est passere nequior Catulli,
Issa est purior osculo columbae,
Issa est blandior omnibus puellis,
Issa est carior Indicis lapillis,
Issa est deliciae catella Publi.
Hanc tu, si queritur, loqui putabis;
sentit tristitiamque gaudiumque.
Collo nixa cubat capitque somnos,
ut suspiria nulla sentiantur ;
et desiderio coacta ventris
gutta pallia non fefellit ulla,
sed blando pede suscitat toroque
deponi monet et rogat levari.
Castae tantus inest pudor catellae,
ignorat Venerem; nec invenimus
dignum tam tenera virum puella.
Hanc ne lux rapiat suprema totam,
picta Publius exprimit tabella,
in qua tam similem videbis Issam,
ut sit tam similis sibi nec ipsa.
Issam denique pone cum tabella:
aut utramque putabis esse veram,
aut utramque putabis esse pictam.

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Den schuldbewußten Hund gab es schon in der Antike... wie dieses  römische Mosaik aus Alexandria beweist...

Den schuldbewußten Hund gab es schon in der Antike… wie dieses römische Mosaik aus Alexandria beweist…

Issa ist neckischer als der Sperling Catulls,
Issa ist reiner als der Kuß der Taube,
Issa ist zärtlicher als alle jungen Mädchen,
Issa ist kostbarer als indische Perlen,
Issa ist das Lieblingshündchen von Publius.
Jault sie, dann meint man, sie rede;
sie empfindet Trauer und Freude mit.
An seinen Hals gelehnt, ruht sie und schläft ein,
ohne dass man dabei ihren Atem spürt;
selbst wenn ein leibliches Bedürfnis sie zwingt,
hat sie noch nie mit einem Tropfen die Decken beschmutzt,
vielmehr weckt sie mit sanfter Pfote, mahnt,
sie vom Lager hinunterzulassen, und bittet, dass man sie dann wieder hochnehme.
So viel Scham steckt in dem keuschen Hündchen,
dass es von der Liebe nichts weiß: Wir fanden
noch kein Männchen, das einer so feinen Geliebten würdig gewesen wäre.
Damit ihr letzter Tag sie ihm nicht völlig entziehe,
ließ Publius sie in einem Gemälde abbilden,
auf dem man eine so große Ähnlichkeit mit Issa feststellen kann,
dass sie nicht einmal sich selbst so ähnlich ist.
Setze Issa nur einmal neben das Bild:
Entweder wirst du beide für echt
oder beide für gemalt halten.

Der römische Dichter Gaius Valerius Catullus weiß davon zu berichten, wie sich seine Freundin Lesbia grämt, als ihr Sperling gestorben ist:

Lugete, o Veneres Cupidinesque,
et quantumst hominum venustiorum!
passer mortuus est meae puellae,
passer, deliciae meae puellae
quem plus illa oculis suis amabat:
nam mellitus erat suamque norat
ipsam tam bene quam puella matrem,
nec sese a gremio illius movebat,
sed circumsiliens modo huc modo illuc
ad solam dominam usque pipiabat.
qui nunc it per iter tenebricosum
illuc, unde negant redire quemquam.
at vobis male sit, malae tenebrae
Orci, quae omnia bella devoratis:
tam bellum mihi passerem abstulistis.
o factum male, quod, miselle passer,
tua nunc opera meae puellae
flendo turgiduli rubent ocelli!

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Weint, ihr Grazien und ihr Amoretten,
Und was Artiges auf der Welt lebt! meines
Mädchens Sperling ist tot, des Mädchens Liebling,

Der ihr lieb wie der Apfel in den Augen,
Und so freundlich, so klug war und sie kannte
Wie ein Töchterchen seine Mutter kennet;
Er entfernte sich nie von ihrem Schoße,
Sondern hüpfte nur hin und wieder, piepte,
Seiner Herrin das Köpfchen zugewendet. –
Ach! nun wandert er jene finstere Straße,
Die man ewiglich nicht zurücke wandert.
O! wie fluch ich dir, finstrer alter Orkus,
Der du alles, was schön ist, gleich hinabschlingst!
Uns den Sperling zu nehmen, der so hübsch war!
Welch ein Jammer! O Sperling, Unglückselger!
Hast gemacht, dass mein trautes Mädchen ihre
Lieben Äugelchen sich ganz rot geweint hat.

Neben diesen dichterischen Reflektionen über die Beziehung von Mensch und Tier findet sich eine Vielzahl von Geschichten und Fabeln, die Tiere als der Empathie fähig beschreiben und entsprechend ihre emotionale Seite hervorheben.

Sei es der alte Hund Argos, der 20 Jahre auf die Rückkehr seines Herrn Odysseus wartet und dann endlich nach dessen Rückkehr sterben kann, oder auch die Geschichte des Sklaven Androklus, der wegen übler Behandlung durch seinen Herrn die Flucht ergreift, auf dieser einem verletzten Löwen begegnet und ihm einen Stachel aus der Pfote zieht. Als er später gefangen wird und zur Strafe in die Arena geschickt wird um ad bestias hingerichtet zu werden, steht er diesem Löwen gegenüber, der ebenfalls gefangen wurde – und sich seiner erinnert, ihm die Hand leckt statt ihn anzufallen. Das wiederum rührt das Publikum und beide, Androklus und der Löwe werden begnadigt und letzterer wird ihm geschenkt.

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Cave Canem – hüte Dich vor dem Hund!

Es gibt viele solcher Erzählungen und Fabeln aus dieser Zeit und es spielt weniger eine Rolle, ob sie auf wahren Begebenheiten beruhen oder nicht, als vielmehr die Tatsache, dass in ihnen das Denken des jeweiligen Autors wie auch seiner Leser deutlich wird. Grundsätzlich gab es ein Verständnis der Menschen, die in einem Tier sehr wohl ein Individuum erkennen konnten, gab es Tiere, die man nicht nur fürchtete, jagte, in die Arena schickte, im Tempel opferte, oder als reine Nutztiere sah, sondern die man als persönlichen Begleiter und Freund wahrnahm.

Wie in so vielen Dingen, war es im ‚alten Rom‘ auch in diesem Fall ganz genauso wie heute.

Was im übrigen auch für fanatische und falsch verstandene Tierliebe und Vermenschlichung gilt. Es war Kaiser Gaius Caesar Augustus Germanicus, in späteren Zeiten besser bekannt als Caligula, der seinem Rennpferd Incitatus so verfallen war, dass er ihm einen eigenen Palast bauen ließ, Einladungen in seinem Namen verschickte, ihm Wein aus goldenen Pokalen zu trinken gab, bei Staatsakten eine offizielle Schwurformel „auf das Wohlergehen und das Vermögen von Incitatus“ abwandelte, sowie es schließlich sogar zum Konsul ernennen und ihm einen ständigen Sitz im Senat verleihen wollte. 😉