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Der Ritus christianus in der Religio Romana – Teil II: Aufstieg eines Mysterienkultes
Roma locuta, causa finita
Dieses bekannte „Zitat“ des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354–430), bedeutet „Rom hat gesprochen, der Fall ist beendet“ und soll verstanden werden im Sinne von „Wenn Rom gesprochen hat, ist die Diskussion über den Sachverhalt beendet, es gibt dazu nichts mehr zu sagen.“

Älteste Darstellung des Augustinus,
Mosaik an der Kapelle Sancta
Sanctorum in Rom, 6. Jh.
(Wikimedia, gemeinfrei)
Zwar hat Augustinus den entsprechenden Teil seiner Predigt aus dem Jahr 417 n. Chr. (Sermo 131, 10) über die Entscheidung des Papstes bezüglich der Lehren des Pelagius genau in diesem Sinne verstanden wissen wollen, aber er hat wörtlich nur das „causa finita“ benutzt.
Es ist mittlerweile aber ein geflügeltes Wort in der oben genannten, ergänzten Form und bringt so einen Punkt prägnant zum Ausdruck, den wir als Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen für wichtig erachten, nämlich die Tatsache, dass das Christentum ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Staatsreligion, zur Sacra Publica des Imperium Romanum geworden ist – ein Fakt, der sich nicht wegdiskutieren lässt.
Dies wurde also durch die Römer selbst entschieden – es geschah in ihrer Zeit und Lebenswirklichkeit, innerhalb der Kultur des römischen Reiches und eingebunden in den Kontext der traditionellen Kulte, was eine besondere Sichtweise auf Änderungen im öffentlichen religiösen Leben mit sich brachte. Deswegen stellt es für uns, die wir diese Geschichte studieren und anhand der Quellen zu verstehen versuchen, erst einmal nur einen weiteren organischen Schritt in der Entwicklung der römischen Geschichte dar, gegangen vom römischen Volk selbst.
Wir, die wir nach ihnen kommen, uns ihnen verbunden fühlen und in einer Kultur sozialisiert sind, die bereits selbst schon wieder einen weiteren Schritt in dieser fortlaufenden Geschichte und Kultur darstellt, müssen akzeptieren, dass wir in dieser historischen Entscheidung einerseits kein Mitspracherecht haben und wir sie andererseits auch nicht einfach ignorieren können.
Uns stellt sich nur die Frage, wie wir heute mit dieser Entscheidung derer, die vor uns waren, umgehen. Um hier zu einer befriedigenden Antwort zu kommen, gerade auch vor dem Hintergrund der Praxis der Religio Romana in unserer Zeit, ist es unabdingbar, sich von diversen Vorstellungen und Stereotypen zu verabschieden, die aus dem Blick auf die Geschichte durch eine quasi ideologische Brille erwachsen sind.
Wir müssen deshalb eine Perspektive einnehmen, die der entspricht, welche den religiösen wie politischen Entscheidungen im antiken römischen Staat zugrunde lag, um hierbei zu einer adäquaten Einschätzung kommen zu können.
Um diesen Punkt der Perspektive noch einmal konkret zu fassen, ist es wichtig zu betonen, Rekonstruktionismus ist keine Religion, auch nicht im Paganismus eine Denomination oder Konfession, sondern eine Herangehensweise, eine Methode.
Es geht dabei um die konstruktive Evaluation von Quellen, von tradiertem Wissen über eine Religion und Kultur, um diese in einem zeitgenössischen Kontext authentisch leben zu können. Im Rekonstruktionismus finden wir oft eine eher ganzheitliche Betrachtung, was aber besonders für den römischen Rekonstruktionismus gilt. Dies bedeutet, es geht nicht nur um den Teilaspekt der Religion, sondern grundsätzlich um die Kultur, um die „Romanitas“ von der die Religio – einschließlich der Sacra Publica – ein untrennbarer Teil ist.
Durch diese spezifische Betrachtungsweise kommt es naturgegebenermaßen zu einer natürlichen Einbeziehung von historischen Entscheidungen, die innerhalb der römischen Geschichte getroffen wurden und damit die Entwicklung des Römischen Reiches und der ihm zugrundeliegenden Kultur, wie auch der Aspekte, die in der Folge davon als römisches Erbe Europas immer noch aktuell sind, mitgestaltet haben. Durch diese Akzeptanz von historischen Entscheidungen kommt es generell zu einer anderen Sichtweise auf das Imperium Romanum, das wir zwar durch bestimmte Veränderungen in seiner historischen Entwicklung gekennzeichnet sehen, dem wir aber eine grundsätzliche Kontinuität zuschreiben, die kulturell bis heute nachwirkt.
Aus diesem Grunde sehen wir im Niedergang des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert nicht den „Untergang des Römischen Reiches“ schlechthin, denn auch wenn man gerne vom Byzantinischen Reich spricht, gab es ein solches nicht im Selbstverständnis der Römer, die sich auch im östlichen Teil des Reiches immer als solche betrachteten und bezeichneten (grch.: Ῥωμαῖοι / Rhōmaîoi). Es vollzog sich zwar im Ostteil des Reiches schon früh eine Vermischung der römischen Kultur mit griechisch-orientalischen Elementen (wobei aber auch im westlichen Teil des Imperiums Griechisch seit jeher die Sprache der Gebildeten war), eine stärkere Gräzisierung des Römischen Reiches fand allerdings erst nach dem Niedergang des westlichen Herrschaftsbereiches statt.

Byzantion wurde, nachdem Konstantin es für seine Neugründung Konstantinopel erwählt hatte, auf das Fünffache der ursprünglichen Fläche vergrößert, wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln errichtet und entsprechend der politischen und weltlichen Strukturen der alten Hauptstadt glanzvoll ausgebaut. So erhielt Konstantinopel ein Kapitol, einen dem Senat in Rom vergleichbaren Rat, einen Circus für 100.000 Zuschauer, ein Forum (Forum Constantini) und eine Hauptverkehrsachse in ost-westlicher Richtung. Es war das Zentrum der Wirtschaft, Kultur und Verwaltung des Oströmischen Reiches kontinuierlich von der Spätantike bis zum Beginn der Neuzeit. (Bild: Antoine Herbert, Portfolio Konstantinopel vom 4. bis 8. Jahrhundert, eine Bilderreihe zur Byzantinischen Architektur)
Das Oströmische Reich war also kein „Nachfolger“ des Weströmischen Reiches, wie man dies manchmal liest, sondern es gab immer nur ein einziges Imperium Romanum und die seit der sog. Reichsteilung 395 n. Chr. vollzogene Aufteilung in einen westlichen und östlichen Teil war im eigentlichen Sinne eine Herrschaftsteilung von 2 Kaisern, eine Aufteilung des „Imperiums“, also der höchsten exekutiven Macht im Staat, keine Aufteilung oder Trennung des Römischen Reiches an sich.
Das Imperium Romanum ging somit erst 1453 n. Chr. mit der Eroberung seiner Hauptstadt im Osten, Konstantinopel, entstanden durch den großzügigen Ausbau des ehemaligen Byzantion, tatsächlich als Staat zu Ende. Wir betonen dies, weil diese Kontinuität für unsere Herangehensweise an die römische Geschichte und Kultur entscheidend ist.
Die Wortverbindung „katholische Kirche“ wurde zwar bereits von Ignatius von Antiochien um das Jahr 110 n. Chr. verwendet, aber erst nachdem es unter Theodosius I. im Jahre 380 n. Chr. durch das Edikt Cunctos populos zur Erhebung und Einsetzung des Christentums – eben in seiner auf das Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr. zurückgehenden Form – als Sacra Publica kam und damit die Konsolidierung des Römisch-Katholischen belegte, wurde dieser nun christliche Charakter des Reiches später im Ostteil als staatlicher und kultureller Impuls weiter verstärkt (Zitat aus dem Wortlaut des Ediktes: „Hanc legem sequentes christianorum catholicorum nomen iubemus amplecti (…) / „Nur diejenigen, die diesem Gesetz folgen, sollen, so gebieten wir, katholische Christen heißen dürfen“) .
Die oft vorgetragene Idee, dass die Christianisierung des Imperium Romanum zu seinem Untergang im Westen führte oder diesen zumindest gefördert habe (betont bei Edward Gibbon in seinem Werk „The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire“ und in der Folge immer wieder von diversen Seiten aufgenommen, heute jedoch von der historischen Forschung als widerlegt betrachtet), wird natürlich alleine durch die Tatsache hinfällig, dass sich das später dezidiert christliche Oströmische Reich bis ins 15. Jahrhundert behaupten konnte, auch wenn es anfangs nicht in dieser Form existierte.
Denn Kaiser Konstantin förderte zwar das Christentum, aber sein Konstantinopel wurde nicht als eine Art „christliches Rom“ gegründet, wie man manchmal zu lesen bekommt. Die traditionellen paganen Riten bei der Gründung der Stadt wurden ebenso selbstverständlich beachtet, wie die Renovierung von paganen Tempeln gefördert wurde.
In Hoc Signo Vinces… oder Götterdämmerung?
Wie konnte es nun zu einer solch breiten Akzeptanz eines ursprünglich so kleinen Kultes wie des Christentums und schließlich sogar zu seiner Erhebung zur Staatsreligon im Römischen Reich kommen?
Eine ungewöhnliche Gallo-Römische Gottheit: Oceanus-Cernunnos
Heute möchten wir Euch eine gallo-römische Kuriosität vorstellen – eine ungewöhnliche Verschmelzung eines keltischen mit einem römischen Gott: Oceanus-Cernunnos.
Kurzer Exkurs: Interpretatio Romana
Dank der Interpretatio Romana ist die Identifikation fremder Gottheiten mit römischen Gottheiten eigentlich nichts Außergewöhnliches; viele Gottheiten anderer Völker, seien es gallische, afrikanische oder orientalische Götter hielten auf diese Weise Einzug in den römischen Pantheon, indem sie mit bekannten römischen Gottheiten identifiziert oder assoziiert wurden. Beispiele dafür sind die gallischen Heilgötter Apollo-Grannus und Lenus-Mars, landwirtschaftliche Götter wie Mars-Intarabus, der orientalische Soldatengott Jupiter-Dolichenus, der ägyptische Jupiter-Ammon oder die keltische Waldgöttin Diana-Arduinna.

Apollo-Grannus und Sirona, zwei beliebte gallo-römische Gottheiten
Andere fremde Götter wurden ohne römisches Gegenstück Teil der römischen Götterwelt, wie die keltischen Göttinnen Sirona, Rosmerta und – vor allem – Epona, die sich reichsweiter Beliebtheit erfreute.
In der Römischen Antike war es üblich, Lokalgötter aus den Provinzen des Imperiums durch funktionale Identifikation, d.h. aufgrund ihrer Attribute, Eigenschaften oder Zuständigkeiten, mit einer römischen Gottheit gleichzusetzen und dadurch in den eigenen Cultus aufzunehmen. Ausführliche Hintergrundinformationen zu dieser Praxis findet Ihr in unserem Artikel zur Interpretatio Romana, auf den wir an dieser Stelle verweisen möchten.
Ein römischer Meeresgott und der keltische Gehörnte?!
Da es, wie im verlinkten Artikel beschrieben, keine festen „Zuordnungstabellen“, Regeln oder gar Kommissionen gab, die bestimmten, welcher Gott mit welchem zu identifizieren sei, gab es in der Vermischung große persönliche Freiheiten und Interpretationsspielräume. Das führte dazu, daß wir heute auf Bildern, Weihesteinen oder Inschriften immer wieder auch auf ungewöhnliche Zuordnungen stoßen, die zwei Götter miteinander verschmelzen, deren Zusammenhang sich auf den ersten Blick nicht unmittelbar erschließt oder die aus den persönlichen Lebensumständen des Stifters zu deuten sind.
Ein Beispiel dafür ist auf einem großen Bodenmosaik in der Palastvilla von Bad Kreuznach zu bewundern, die wahrscheinlich einem erfolgreichen, einheimischen Geschäftsmann gallischer Herkunft und Händler für mediterrane Meeresfrüchte gehörte: er widmete das detailreiche Relief einem gallo-römischen Oceanus-Cernunnos.
Der Fundort

Modell der Palastvilla von Bad Kreuznach
Die römische Luxusvilla liegt in der heutigen Stadt Bad Kreuznach an der Nahe, zu römischer Zeit eine kleinere Ansiedlung (vicus) mit einem nahegelegenen Militärkastell.
Es handelte sich um eine der größten Villen in der Region, deren wohlhabender Besitzer vermutlich in der eine Tagesreise entfernten Provinzhauptstadt Mogontiacum (das heutige Mainz) arbeitete und sich dann und wann auf sein „Landschlößchen“ zurückzog. Der repräsentative Bau deutet darauf hin, daß er auch dazu diente, Gäste und Geschäftsleute zu empfangen, sich in den ausschweifenden Thermen standesgemäß zu entspannen oder sich anderen Vergnügungen hinzugeben, wie man es als „Superreicher“ zur römischen Zeit tat.
Die Villa lag auf einem Südhang des Ellerbachtals mit Panoramablick auf den Fluß und das ganze Tal. Sie war im Stil einer Peristylvilla erbaut, einem Gebäude, das im mediterranen Stil um einen zentralen Innenhof herum errichtet war. Entlang der gesamten Nordseite, über die das Haus betreten wurde, zog sich ein Porticus, eine Säulenhalle.
Die dreistöckige Villa hatte gigantische Ausmaße und verfügte allein im Erdgeschoß über 50 Zimmer. Die Fenster waren verglast. Die beiden repräsentativen Empfangssäle waren jeweils mit einer Hypokaust-Fußbodenheizung beheizt. Es gab Wasserspiele, die mit eigenen Wasserleitungen versorgt wurden, einen Küchentrakt und eine dreisitzige Toilette. Tonleitungen, die von einer Quelle oberhalb des Hangs bis zum Haus führten, deuten auf eine eigene Versorgung mit fließendem Wasser, sowie den steten Abfluß von Brauchwasser hin. Auch im Keller des Hauses lag eine eigene Quelle, deren Wasser durch Risse im Fels sinnvoll genutzt wurde, um Vorräte zu kühlen.

Die Römerhalle von Bad Kreuznach ist ein sehr sehenswertes Museum
An einigen Wänden fanden sich große, sehr hochwertig ausgeführte Wandmalereien, zum Teil mit Inschriftenresten, die auf Szenen griechischer Tragödien hindeuten und den hohen Bildungsanspruch des Besitzers darstellen sollen. Einige Wände sind mit echtem Marmor verkleidet, an anderen wiederum wurde Marmorimitat verwendet. Deckenmalereien mit Kassetten sind an stadtrömische Architektur angelehnt.
Zwei großflächige Mosaike (eines davon beheizt!) dienten dazu, den Reichtum des Besitzers zur Schau zu stellen – schon damals in gehobenen Kreisen überaus wichtig. Sie gehören heute zu den besterhaltensten Mosaiken nördlich der Alpen, zusammen mit dem Dionysos-Mosaik in Köln und dem Gladiatorenmosaik in der Villa Nennig.
Das erste Mosaik der Villa zeigt Gladiatorenszenen aller Art, wie sie überall im römischen Reich zu finden sind.

Mosaik mit eingelassenem Sechseckbrunnen
Das zweite Mosaik zeigt das Portrait eines Gottes, der als „Oceanus-Cernunnos“ angesprochen wird, da sich in seiner Darstellung Attribute beider Götter vereinigen. Zwar gibt es nirgendwo in der Villa eine Inschrift, in der er ausdrücklich so genannt wird, aufgrund der eindeutigen Ikonographie wird diese Deutung allerdings allgemein akzeptiert – zumal nichts dagegen spricht, daß ein romanisierter Kelte diese beiden Götter, die beide für ihn in seinem Privatleben eine wichtige Rolle spielen, miteinander verbindet.
Das war gängige römische Praxis; nur die Mischung zweier augenscheinlich vollkommen unterschiedlicher Götter ist es, die diese Kombination besonders interessant macht (wenn auch nicht einzigartig, denn es sind einige weitere Oceanus-Cernunnos-Verbindungen bekannt, unter anderem aus Verulamium und Colchester in Britannien).

Der vicus von Bad Kreuznach zur Römerzeit
Das Mosaik stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 234 n. Chr., worauf eine Konsularinschrift bezogen auf die Konsuln Maximus und Urbanus hindeutet.
Die Villa ist heute in die Römerhalle Bad Kreuznach integriert, ein sehenswertes Museum mit Freigelände, das auf 1000 Quadratmetern Funde der Umgebung aus keltischer und römischer Zeit zeigt, sowie Fluchtafeln und eine große Auswahl an Viergöttersteinen. Neben den beiden Mosaiken gehört eine Sammlung von Soldatengrabsteinen aus dem nahen Militärlager zu den wichtigsten Ausstellungsstücken, da diese, oft lebensgroßen und sehr detaillierten Darstellungen, Aufschluß über den soldatischen Alltag und das Aussehen der Auxiliartruppen in der Region geben.
Ikonographie des Mosaiks
Das 1966 gefundene, sehr gut erhaltene Fußbodenmosaik ist 68 Quadratmeter groß. In seiner Mitte befindet sich ein marmorverkleidetes sechseckiges Wasserbecken. Einlassungen im Mosaikboden deuten darauf hin, daß sich darauf ein steinernes Triklinum – eine Liegebank für gesellschaftliche Anlässe – befand.
Die detaillierten Darstellungen auf dem Mosaik gelten als Indiz dafür, daß es sich bei dem Besitzer der Villa um einen Händler von Fisch- und Meeresprodukten gehandelt hat, also teuren Luxusgütern in dieser weit vom Meer entfernten Region, die in der Hauptstadt der Provinz Germania Superior, Mogontiacum, sehr begehrt waren (Dies wird unter anderem in der Arbeit „Der Besitzer der Bad Kreuznacher Peristylvilla – ein Händler ostmediterraner Lebensmittel?“ von Ulrike Ehmig ausführlich untersucht (erschienen in: Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte, Bd. XXIV, 2, 2005).
Es handelt sich nicht um die sonst üblichen stilisierten Meeres- und Fischereiszenen, die allgemein als Sinnbild für ein glückliches Leben in ländlicher Idylle fernab von Verpflichtungen gelten, sondern um sehr konkrete Darstellungen von Schiffen, Amphoren und Gegenständen, von Handel und Transportszenen, sowie um wirklichkeitsgetreue Abbildungen von Meerestieren, mit denen der Hausherr wahrscheinlich gehandelt hat und die den Gästen in diesem Raum sicherlich auch serviert wurden. In erster Linie diente es also der Selbstdarstellung seines Unternehmens, modern ausgedrückt könnte man sagen, war dieses Haus Teil des Marketings des Besitzers .
Das Mosaik zeigt im Zentrum den nackten Oberkörper eines Gottes mit langen blonden, gelockten Haaren und blondem langem Schnurrbart. Aus seinem Kopf wächst ein rotes, verästeltes Geweih, das einige Laubblätter zieren. Seinen Hals ziert ein Halsreif oder Torque in Form einer Schlange im keltischen Stil.
Hinter den beiden Schultern des Gottes befinden sich zwei Hippocampen (mythologische Meerpferdchen mit dem Oberkörper eines Pferdes und dem Unterkörper eines Fisches).
Um den Gott herum befinden sich detaillierte Darstellungen von Handelstätigkeiten, zum Beispiel dem Kauf von Amphoren und dem Transport von Waren mit Schiffen, mediterrane Küstenlandschaften und zahlreiche Fische und Meerestiere.
Oceanus

Klassische Darstellung des Oceanus aus Petra (heute Jordanien)
Der römische Meeres- und Flussgott Oceanus wird für gewöhnlich mit Hummer- oder Krebsscheren auf dem Kopf dargestellt. Typisch römisch ist auch seine Darstellung mit wild gelocktem Haar. Oft werden bei den im ganzen römischen Reich beliebten Oceanus-Darstellungen die Enden des Schnurrbarts zu Meerestieren. Im Gegensatz zu Neptun, dem Meeresgott, der oft in aktiver Pose mit Dreizack dargestellt wird, ist Oceanus in der römischen Darstellung meist ruhig, allenfalls mit Anker oder einem Ruder, da er als Gott angerufen wird, wenn es um gute und ruhige Fahrt über ein Gewässer geht.
Seine häufige Darstellung und praktische Verwendung als Wasserspender an Brunnen sowie die Attribute Schilf und Quelle weisen auf seine Funktion als Flussgott hin. Durch die Nähe zum Rhein, eine Tagesreise entfernt, über den der Besitzer der Villa sicherlich zum großen Teil den Transport seiner leicht verderblichen Luxusgüter abwickelte, erklärt sich seine Verbundenheit zu einem Gott, der sowohl die Meere und dessen Bewohner repräsentiert, aber auch als Vater der Flüsse gilt. Seine zentrale Bedeutung für die Sacra Privata, den privaten Hauskult des Villenbesitzers, zeigt sich auch in einem weiteren Fund – Oceanus in Form eines fein gearbeiteten Türbeschlags.

Klassischer Ocenaus mit Krebsscheren auf dem Kopf, die Bartenden werden zu Delphinen (Cordoba, Spanien)
Die Abwandlung der klassisch römischen Darstellung des Oceanus in eine keltisch beeinflusste Form zeigt sich in der Umwandlung der Hummerscheren in ein Geweih. Zwar könnte man es aufgrund der roten Farbe auch als aus Koralle bestehend deuten, die Form und die daran haftenden Blätter identifizieren es aber eindeutig als Geweih.
Gleiches gilt für den Halsschmuck in Form eines typisch keltischen Halsreifs, der klassischerweise nichts an einem Oceanus zu suchen hat. Auch die Schlangen an seinen Enden entspringen nicht der Ikonographie des Ocenaus, sondern sind in der Gedanken- und Vorstellungwelt eines romanisierten Galliers zu verorten, der sich einerseits ganz dem römischen Lebensstil verschrieben hat, andererseits aber einen unkomplizierten Umgang mit der lokalen gallo-römischen Glaubenswelt pflegt und deshalb keine Probleme damit hat, einen für sein Volk wichtigen Gott mit einem für ihn persönlich wichtigen römischen Gott zu vermischen und ihre Attribute in einer völlig neuen Form zu kombinieren.
Daß ein Gallier von den Krebsscheren auf dem Kopf des Oceanus an das Hirschgeweih einer keltischen Geweihgottheit erinnert wird und diesen in einem heimischen Mosaik entsprechend darstellen läßt, ist im Rahmen des gallo-römischen Kontextes nicht weiter befremdlich. Ebensowenig verwundert es, daß er den Gott Oceanus mit dem in einheimischer Tracht üblichen Halsschmuck darstellt.
Cernunnos (?)

Cernunnos auf dem Kessel von Gundestrup, sicherlich die bekannteste Darstellung
Cernunnos, der keltische Gott des Waldes und der Waldbewohner, ist aufgrund der Überlieferungslage generell problematisch in der Deutung.
Der Name des Gottes, der aus einer bruchstückhaften Inschrift der Pariser Nautensäule stammt, wurde in der Neuzeit auf zahlreiche namenlose keltischen Gottheiten mit Hirschgeweih übertragen, ohne daß sichergestellt ist, daß es sich bei ihnen immer um ein und denselben Gott handelt und nicht vielmehr um lokale Gottheiten unbekannten Namens.
Es gibt keinerlei Erwähnung oder Beschreibung seiner Symbole, Kultpraxis oder Attribute in schriftlichen römischen Quellen, so daß bei diesem Gott viel (moderne) Interpretation im Spiel ist. So ist die Verwendung des Namens „Cernunnos“ für alle gallischen Geweihgottheiten an sich schon fragwürdig.
Cernunnos trägt auf seinen Darstellungen ein Hirschgeweih oder hat zuweilen sogar einen vollständigen Hirschkopf. Meist sitzt er in ruhiger, geradezu an eine Meditationshaltung erinnernde Pose und ist von Tieren umgeben. In den bekannten Darstellungen trägt er oft ebenfalls einen eng anliegenden Halsreif. In der Gundestrop-Darstellung hält er zudem eine Schlange in der linken Hand und einen Torque in der rechten. Diese Schlange findet sich in mehreren Darstellungen quer durch den gallischen Raum.
Die Schlange spielt allerdings auch in der römischen Vorstellungswelt eine wichtige Rolle als positives, glücks- und erfolgsverheißendes Symbol und Torques mit Enden in Form von Schlangenköpfen sind aus dem gallo-römischen Raum bekannt, zum Beispiel wurden sie gerne von Legionären getragen.
Daß sich Cernunnos im romanisierten Gallien auch zur Römerzeit noch großer Beliebtheit erfreute, belegen Weihesteine, Brunnenfunde, Figur- und Reliefdarstellungen, die bis in die späte Kaiserzeit hinein populär waren. Auf Inschriften wird er in latinisierter Form Cernenus, Cornunus oder Cornutus genannt, worin sich das lateinische Wort „Cornu“ (Horn) wiederfindet (daß der aus dem luxemburgischen Waldtempel im Alzettetal bekannte Cerunincus etwas mit Cernunnos zu tun hat, ist hingegen unwahrscheinlich).
Götterwelt: Arduinna
Herkunft, Bezeichnungen:

Diese Bronzefigur wird als Arduinna angesprochen; ob es sich bei ihr tatsächlich um diese Göttin handelt, ist nicht gesichert
Arduinna ist eine gallo-römische Berg- und Waldgottheit und Göttin des Ardennenwaldes. In der Interpretatio Romana wird sie der Göttin Diana zugeordnet.
Alternative Schreibweisen sind Ardbinna oder Ardvinna. In einer Weiheinschrift wird sie auch als Dea Ardbinna bezeichnet.
Als „Ardennen“ (Arduenna silva) bezeichneten die Römer das zusammenhängende Mittelgebirge und geschlossene Waldgebiet von den (heutigen) Ardennen in Belgien und Luxemburg über Hohes Venn, Eifel bis an die Mosel und den Rhein (Provinzen Belgica und Germania inferior). Dieses Gebiet war zur Zeit des Gallischen Krieges (54-53 v. Chr) vor allem von den Treverern und Eburonen besiedelt und diente als Rückzugsgebiet des eburonischen Königs Ambiorix. Eine ausführliche geographische Beschreibung findet sich bei Caesar, De bello gallico, V, 3; VI, 31. Auch Strabon beschreibt in seiner „Geographica“ (IV, 3, 5) die Ardennen und zählt die keltischen Stämme auf, die in diesem Gebiet leben.
Ähnlich wie die gallo-römische Berggöttin Abnoba (römisch: Diana-Abnoba) die Personifikation des Schwarzwaldes war, gilt Arduinna als Personifikation der Ardennen. Weihesteine und figürliche Funde sind aus mehreren Gegenden des Eifel-Ardennengebiets bekannt, jedoch ist die Fundlage spärlicher als bei Abnoba. Verehrung erfuhr sie vor allem im Nordwesten Galliens.

Replik des Weihesteins aus Gey
Ein Weihestein für Arduinna wurde in Gey (Hürtgenwald) gefunden, wo er heute auf dem Dorfplatz als Replik aufgestellt ist (das Original befindet sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn). Die Inschrift (CIL 13, 07848) lautet: „Deae Ardbi/nnae T(itus) Iuli/us Aequalis / s(olvit) l(ibens) m(erito)“ – „Der Göttin Ardbinna hat Titus Iulius Aequalis sein Gelübde froh, gerne und nach Gebühr eingelöst“.
Ihre Verehrung ist bis in das Jahr 565 n. Chr. belegt, als der langobardische Mönch und luxemburgische Säulenheilige St. Walfroy (Wulfilaïc) im belgischen Florenville eine Abkehr vom Kult der Arduinna forderte und ein Heiligtum der Diana zerstörte.
Zuständigkeiten, Attribute und Darstellungen:
Ein Weihestein (CIL 6, 46) ist aus Rom bekannt, den M. Quartinius Sabinus, Soldat einer römischen Kohorte, ein Gallier aus dem Stamm der Remer, mehreren Göttern stiftete – an erster Stelle zwei Lokalgöttern seiner Heimat, Ardvinne und Mars-Camulus. Da sein Weihestein neben einer Inschrift auch ein Relief enthält, wissen wir, daß Arduinna ikonographisch im klassischen römischen Stil wie Diana mit Bogen und Köcher dargestellt wurde.

Die Wälder und engen Täler der Ardennen (hier: Blick von der Burg in Esch-sûr-Sure)
Eine weitere Darstellung der Arduinna ist in Form einer kleinen, aus römischer Zeit stammenden Bronzestatuette erhalten, die eine jugendliche Göttin mit Pfeil und Bogen zeigt, die auf einem Eber reitet und eine kurze, gegürtete Tunika trägt und wahrscheinlich diese Göttin zeigt.
Der Fundort dieser Figur ist unbekannt, ebenso kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, daß es sich bei dieser Figur tatsächlich um Arduinna handelt, da keine begleitenden Inschriften gefunden wurden. Die Zuordnung zu dieser Göttin stammt aus dem 19. Jahrhundert und erfolgte durch den Antiquaren, der sie entdeckte – möglicherweise aufgrund der Tatsache, daß das Wappentier der Ardennen der Eber ist. Die Figur befindet sich heute im Musée des Antiquités Nationales in Saint-Germain-en-Laye.
Durch ihre Identifikation mit Diana wird sie als Natur-, Jagd- und Waldgöttin angesprochen, daneben durch ihren Bezug zu den Ardennen und Parallelen zu Abnoba als Berggöttin und Beschützerin der Region, die sie als Lokalgöttin personifiziert.
Sonstiges:

In den Ardennen sind wir gerne und häufig unterwegs. Hier: Blick vom Chateau La Roche
Zu Arduinna ist (anders als bei den gallischen Gottheiten Sirona oder Rosmerta) kein Begleiter bekannt.
Es sind keine Orte oder Tempel erhalten oder bekannt, an denen sie verehrt wurde.
Kultpraxis: Geburtstagsritual am Lararium

„Statuetten opfernder Männer und Frauen“ im RGM Köln. Oder Larariumsfiguren von Genius und Iuno? Fundort: Köln
Wie wir in unserem Einleitungsartikel „Der Geburtstag in der römischen Antike“ beschrieben haben, unterschieden sich römische Geburtstagsbräuche kaum von unseren heutigen – mit einem Unterschied:
Neben Essen, Trinken und Feiern nutzte man den Tag auch, um in einem Ritual am Lararium, dem Hausschrein, seines Genius / seiner Iuno zu gedenken, sich bei den Göttern für das vergangene Lebensjahr zu bedanken und mit einem Gelübde ihre Unterstützung für das kommende Lebensjahr zu erbitten. Hierbei wird immer Jupiter Optimus Maximus eingeschlossen, aber zusätzlich auch jeder andere Gott, der in der eigenen Sacra Privata eine Rolle spielt.
Dieses Ritual stellte die rituelle Eröffnungshandlung am eigenen Geburtstag dar und wird deswegen auch heute in der Religio Romana als Teil der Feierlichkeiten praktiziert.
Der Zweck dieses Rituals ist denkbar pragmatisch: sicherzustellen, daß man auch seinen nächsten Geburtstag erlebt.
Vorbemerkung zu Quellen und Authentizität:
Informationen zu Anrufungen des Genius und der Götter, zu typischen Opfergaben (wie Kuchen, Weihrauch) und zu Opferhandlungen (wie dem Schmücken der Figur des Genius) sind uns, wie im Einleitungsartikel bereits erwähnt, aus zahlreichen Quellen überliefert. Auch gibt es erhaltene antike Texte, die Geburtstags-Segenswünsche enthalten oder Anrufungen und Gelübde aus dem Staats- und Kaiserkult anläßlich des Geburtstags des Kaisers.
Texte, die ein vollständiges Geburtstagsritual im privaten Cultus, in der Sacra Privata beschreiben, sind allerdings nicht bekannt. Deswegen muß ein solches Ritual aus den Fragmenten an erhaltenen Informationen und aus den überlieferten Texten rekonstruiert werden.

Pontifex, Sacerdos, Quaestor und tief in der Religio Romana bewanderter Cultor Cn. Cornelius Lentulus führt eine Opferzeremonie anläßlich der Floralia 2015 durch (Foto mit freundlicher Genehmigung des Aquincum Museums Budapest http://www.aquincum.hu/)
Das hier im folgenden aufgeführte Ritual wurde uns freundlicherweise von Pontifex Cn. Cornelius Lentulus, einem der erfahrensten heute praktizierenden Cultores, zur Verfügung gestellt – genauer gesagt, zum Geburtstag geschenkt 🙂
Er ist zudem Lateindozent an der Universität Budapest und sehr bewandert in der antiken Quellenlage, so daß sein Versuch einer Rekonstruktion dieses Geburtstagsrituals nach bestem Wissen und Gewissen erfolgte, mit dem Anspruch, ein Ritual zu gestalten, das einem römischen Ritual aus der Antike so nahe wie möglich kommt und möglichst wahrscheinlich und authentisch ist.
Die Gelübde im Ritual orientieren sich an den überlieferten Gelübden der Arvalbrüder, des 12-köpfigen römischen Priesterkollegiums, anläßlich des Geburtstages des Kaisers. Die Opfergaben und Handlungen im Bezug auf den Genius entstammen den recht genauen Beschreibungen in den zahlreichen erhaltenen Texten über antike Geburtstagsfeiern, unter anderem von Ovid, Cicero und Tibull.
Ergänzt wurde der Ritualtext von uns durch praktische Handlungsanleitungen, die ebenfalls den antiken Quellen entnommen sind.
So stammt das folgende Ritual zwar nicht aus einer original römischen Quelle, ähnelt aber nach heutigem Kenntnisstand weitestgehend den Kulthandlungen, die Römer wahrscheinlich zu ihrem Geburtstag am Hausaltar abgehalten haben, so daß man es als heutiger Cultor und römischer Rekonstruktionist guten Gewissens in seine Sacra Privata einbinden kann.
Durchführung des Rituals
Vorbereitungen:
Wer eine Figur des Genius / Iuno in seinem Lararium hat, schmückt diese mit einem Kranz. Das Lararium kann zu diesem Anlaß auch mit frischen Blumen bedacht werden.
Neben einer Mischung aus honiggesüßtem Wein und Milch wird Räucherwerk benötigt. Hierzu wird Weihrauch verwendet, so daß man zur Vorbereitung Kohle entzünden und vorglühen sollte. Weihrauch zu räuchern, ist ein originär römischer Brauch, der bis heute seine Fortsetzung in den Bräuchen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche gefunden hat.
Da nur wenig Weihrauch benötigt wird, genügt auch ein kleines Stück Räucherkohle (die Kohletabletten lassen sich problemlos halbieren und vierteln) – es werden pro Rauchopfer jeweils nur ein paar kleine Stücke Weihrauch auf die Kohle gelegt und keine gewaltigen Rauchschwaden erzeugt, wie oftmals irrigerweise angenommen. Insofern gibt es keinen Grund auf Weihrauch als traditionelles Rauchopfer zu verzichten, auch wenn man in einer kleinen Wohnung lebt, zumal auch die Atmosphäre durch Weihrauch eine gänzlich andere ist, als durch die üblichen Räucherstäbchen.
Optional ist die Verwendung von Opferbrot (Libum) oder einem Stück des Geburtstagskuchens.
Bekleidung:
In der Antike war es üblich, daß man sich an seinem Geburtstag weiß kleidete (Ovid, Tristia V 5,8). Weiße Kleidung ist daher authentisch; wichtig ist aber vor allem, daß man saubere und ordentliche Kleidung trägt und das Ritual nicht im Schlafanzug oder Putzshirt durchführt.
Wie bei römischen Ritualen nach dem Ritus Romanus üblich, wird das Ritual capite velato, d.h. mit verhülltem Haupt durchgeführt. Anrufungen erfolgen stehend, manu supina (mit erhobenen Händen).
Opfergabe:
Als Opfergabe wird in diesem Ritual durch Honig gesüßter Wein mit Milch verwendet. Wenn man möchte, kann man den Wein durch Libum (Opferbrot) ersetzen oder ihn damit ergänzen. In diesem Fall muß im Text der Ausdruck „vino lacte melleque mixto“ durch das Wort „libo“ ersetzt werden.
Ansprache des Genius / der Iuno:
Der Geburtstag eines Menschen ist auch der Geburtstag seines „Schutzgeistes“, der bei Männern „Genius“, bei Frauen „Iuno“ genannt wird. Frauen ersetzen im Ritual das Wort „Genius“ deshalb einfach durch „Iuno“ (also im Vokativ „Geni“ durch „Iuno„.)
Sprache:
Es gilt in der Religio Romana die Vorstellung, daß Latein den Göttern besonders gefällt und sie positiv stimmt (was ja insbesondere bei persönlichen Anliegen nie schaden kann). Grundsätzlich gilt Latein als sakrale Sprache mit besonderer Wirkung und Macht.
Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, daß auch im römischen Vielvölkerstaat Gebete und Rituale durchaus in den vielen lokalen Sprachen (oder, insbesondere in der Osthälfte des Reichs, auf Griechisch) durchgeführt wurden, so daß nichts dagegen spricht, ein Ritual in seiner eigenen Muttersprache abzuhalten.
Unsere Präferenz ist die Durchführung in lateinischer Sprache.
Durchführung:
Dieses Ritual war und ist nicht „geheim“ oder privat (wie eigentlich kein römisches Ritual, solche, die in den Mysterien zur Anwendung kamen, einmal außen vor), sondern wenn man möchte, kann man Familienangehörige und andere Mitglieder des Haushalts, auch Geburtstagsgäste, daran teilnehmen oder zuschauen lassen.
Natürlich kann man es auch für sich alleine abhalten, um sich auf seine Anliegen und die Kulthandlungen zu konzentrieren; wir möchten nur darauf hinweisen, daß es in römischen Haushalten normal war, rituelle Handlungen sowohl gemeinsam, als auch alleine an seinem Lararium und Sacrarium durchzuführen.
I. PRECATIO IOVI (Gebet an Jupiter Optimus Maximus)
Am eigenen Geburtstag, nach dem Aufstehen, Waschen und Anziehen, tritt man vor sein Lararium.
Anrufung des Jupiter Optimus Maximus, vor dem Lararium stehend, capite velato und manu supina.
Jupitergigantensäulen – eine gallo-römische Neuschöpfung

Die rekonstruierte Jupitergigantensäule von Schwarzenacker (Foto von Lokilech, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)
Die Jupitersäule – eine Säule, auf deren Sockel vier klassische römische Götter abgebildet sind, darüber Wochengötter, Jahreszeiten und zuletzt der oberste römische Gott selbst, der auf seinem Thron sitzend auf die Welt hinabblickt: wer vermutet dabei nicht, daß es sich um eine der ur-römischsten Darstellungsformen der römischen Götterwelt handelt?
Tatsächlich aber sind die Jupitersäulen, und insbesondere ihre gallische Unterart, die Jupiter-Gigantensäulen, ein Phänomen, das südlich der Alpen nahezu unbekannt ist und das ein spannendes Zeugnis der Verschmelzung keltischer und römischer Glaubensvorstellungen darstellt. Sie ist deswegen ganz typisch für den gallo-römischen Cultus, wie er hier, in unserer Region, praktiziert wurde, wo Hunderte dieser Säulen auf engem Raum gefunden wurden.
Der Cultus um die Jupitergigantensäulen gilt als eines der besten Beispiele für eine neue, von Italien und dem Kernland losgelöste Form und eigenständige Entwicklung der römischen Religion – Religio Romana – nördlich der Alpen, auf die vor allem keltische, zum Teil aber auch orientalische Einflüsse einwirkten.
Die „klassische“ Jupitersäule, gekrönt von einem auf dem Thron sitzenden Jupiter, wie man ihn auch von Darstellungen der kapitolinischen Trias aus Rom kennt, entstand in Obergermanien im Raum Mainz und verbreitete sich von dort aus entlang des Mittelrheins bis hinauf an den Niederrhein, im nördlichen Gallien und Britannien.
Die Jupiter-Gigantensäule, als eigene Unterart, findet sich vor allem im östlichen Gallien, in Gallia Beligica, im Raum von Eifel, Mosel und Ardennen.
Einleitung: Was ist eine Jupitersäule?
Jupitersäulen (hier genutzt als Oberbegriff inklusive aller Unterarten) sind, vereinfacht gesagt, mehrere Meter hohe Säulen, auf deren Spitze sich eine Darstellung des Gottes Jupiter befindet – daher der Name.
Der Sockel einer Jupitersäule wird immer von einem „Viergötterstein“ gebildet, einem Quader, auf dessen vier Seiten vier Götter als Reliefs abgebildet sind. Die weitaus häufigste Götterkombination ist hierbei Herkules, Merkur, Minerva und Juno. Daneben treten auch Varianten mit anderen Göttern auf, z.B. mit Victoria, Fortuna, Apollo, Mars oder Proserpina.
Oberhalb des Sockels folgt ein kleinerer Sockel, der als „Wochengötterstein“ bezeichnet wird. In vielen Fällen enthält er Reliefs der klassischen Wochentags- oder Planetengötter Sol, Luna, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn. Oft aber finden sich hier auch andere Götter in beliebigen Kombinationen, wie z.B. Vulcanus, Apollo oder die Dioscuren.
Über diesem Sockelstein folgt oft ein Zwischenblock, in den die Weiheinschrift „IOM“ gemeißelt ist – die Abkürzung für den Namen des höchsten Gottes, Iupiter Optimus Maximus.
Es folgt eine mehrere Meter hohe Säule, deren Höhe zwischen 4 Metern bis hin zu 9 Metern (bei der höchsten bisher gefundenen Jupitersäule aus Mogontiacum/Mainz) variiert.
Es gibt dabei zwei Ausprägungen der Zwischensäule: beim „klassischen“ Typ, wie in Mainz, besteht die Säule aus einzelnen Säulentrommeln oder -blöcken, in die ebenfalls Bilder und szenische Darstellungen von Göttern gemeißelt sind.
Bei der gallischen Variante, der Jupitergigantensäule, sieht die Säule wie ein Baumstamm aus, es findet sich mehrheitlich ein markantes Schuppenmuster, seltener Eichenlaub, Weinranken oder andere Blätterdarstellungen.
Das korinthische Kapitell der Säule, auf dem der Abschlußstein ruht, ist mit Akanthusblättern verziert. Manche Kapitelle zeigen vier weibliche Gesichter an den vier Seiten, die als die vier Jahreszeiten gedeutet werden.
Auf dem Kapitell thront der Abschlußstein. Auf diesem befindet sich, je nach Region, eine von vier Jupiterdarstellungen. In Obergermanien und am Niederrhein bis nach Britannien zeigt diese Darstellung meist einen auf dem Thron sitzenden Jupiter, der ein Blitzbündel in der Hand hält. Auf den im ostgallischen Raum verbreiteten Jupitergigantensäulen ist Jupiter reitend auf dem Pferd dargestellt, wie er einen Giganten – oft in Form einer Schlange – niederreitet. Zwei seltenere Darstellungen zeigen Jupiter nackt und stehend, mit einem Blitz in der Hand, oder in einem von zwei Pferden gezogenen Streitwagen, der Biga. Oft trägt er dabei auch eine Rüstung, einen sogenannten Feldherrenpanzer.
Auf diese Darstellungen kommen wir später noch im Detail zurück.
Jupitersäulen waren in der Antike – wie auch andere Säulen, Statuen, Reliefs, Figuren, Grabsteine und Gebäude-, bunt bemalt, wodurch die dargestellten Götter und Szenen plastisch wurden. Eine nach historischem Vorbild rekonstruierte und bunt bemalte Jupitersäule befindet sich im Archäologischen Park Schwarzenacker und zeigt, wie eindrucksvoll und anschaulich eine solche Säule gewirkt haben mag.
Verbreitung der Säulen
Wie eingangs bemerkt, sind Jupitersäulen ein ausschließlich aus den Nordwestprovinzen des Römischen Reichs bekanntes Phänomen. Die weitaus größte Zahl wurde im Gebiet zwischen Obergermanien und Ostgallien gefunden. Einzelne Funde gibt es aus dem Donauraum. Eine einzige Säule soll in Rom vor dem Jupiterheiligtum auf dem Kapitol gestanden haben, diese ist jedoch nur aus der Erwähnung einer schriftlichen Quelle bekannt und archäologisch nicht erhalten.
Die größte und spektakulärste Jupitersäule wurde in Mainz gefunden, der ehemaligen Hauptstadt der Provinz Germania superior (Mogontiacum). Man geht davon aus, daß sie als Vorlage und Inspiration für die daraufhin überall entstehenden Säulen diente, die dann meist von lokalen Bildhauern kopiert und nach regionalen Vorlieben weiterentwickelt wurden.
Jupitersäulen fanden sich an verschiedenen Orten des öffentlichen Lebens, an den zentralen Plätzen von Ortschaften und Städten (im römischen Köln und Trier oder im belgischen Atuatuca Tungrorum), in ländlichen Siedlungen (wie z.B. im vicus von Bad Kreuznach, im vicus Belginum), vor allem in den Handwerkervierteln, in der Nähe von Militärkastellen (wie an der Saalburg), aber die meisten befanden sich tatsächlich im privaten Besitz und wurden von Einzelpersonen gestiftet und aufgestellt.
Die häufigsten Funde stammen von römischen Landgütern und Gutshöfen (villa rustica), wo sie oft vor dem Haupt-Wohngebäude oder im Eingangsbereich des Geländes zu finden waren. Das beweist, daß sie keine staatliche Einrichtung waren, die mit Staats- oder Kaiserkult in Verbindung stand, sondern daß sie auch eine wichtige Rolle im privaten Cultus, der Sacra Privata der Stadt- und Landbewohner spielten.
Oft standen Jupitersäulen auch in Tempelanlagen für andere Götter, wie zum Beispiel im Merkur-Tempelkomplex von Tawern. Viele dieser Heiligtümer waren lokalen, einheimischen Gottheiten geweiht, wie das Apollo-Grannus-Heiligtum von Alzey.
Vor der Säule befand sich oft ein Altar, auf dem Kulthandlungen vollzogen wurden. Auch standen die Säulen gelegentlich in eigenen, umgrenzten Arealen, in denen sich weitere Götterbilder, Reliefs oder Statuen befanden, wie für Epona oder den Genius loci des Ortes..
Die berühmte Mainzer Säule stammt aus dem Jahr 59 n. Chr. und wurde anläßlich eines vereitelten Attentats auf Kaiser Nero errichtet. Daher ist ihre Datierung sehr exakt möglich.
Die frühesten Gigantenreiter stammen aus der flavischen Kaiserzeit (ab 69 n. Chr.), der Höhepunkt ihrer Beliebtheit und Verbreitung lag jedoch zwischen 170 und 240 n. Chr..
Es gibt zahlreiche archäologische Funde gut erhaltener Säulenteile. Im Verbund erhaltene Säulen sind leider selten, meist sind die Säulen zertrümmert oder in verschiedene Teile zerbrochen. Auch die Mainzer Säule wurde aus zahlreichen Einzelstücken in aufwendiger Kleinarbeit wieder zusammengesetzt. Aufrecht stehende Säulen sind in Deutschland nicht erhalten; die einzige oberirdisch erhaltene Jupitergigantensäule Galliens stammt aus Cussy-la-Colonne in Frankreich.
Am häufigsten finden sich ihre Sockel – die Viergöttersteine -, die aufgrund ihrer symmetrischen Form oft bis ins Mittelalter hinein als beliebtes Baumaterial genutzt wurden, vor allem beim Bau von Kirchen. Als sogenannte „Spolien“ (wiederverwertete Teile von Bauwerken älterer Kulturen) fanden sich gut erhaltene Viergöttersteine in Altären (wo sie oft zu Darstellungen von Heiligen umgedeutet wurden oder den Sieg des Christentums über die heidnischen Götter demonstrierten) und in den Wänden mittelalterlicher Kirchen und Kapellen. Ein Beispiel dafür ist der Viergötterstein in der Dorfkirche von Hottenbach im Hunsrück, der erst Teil des Altars war und nach der Reformation als Baumaterial oberhalb der Kirchentür verwendet wurde.
Aber auch geschuppte Säulen und Kapitelle sind in großer Zahl erhalten, ebenso wie die verschiedenen Jupiterdarstellungen auf dem Abschlußstein.
Die vielen gut erhaltenen Funde von Säulenteilen erlauben einen guten Überblick über die räumliche und zeitliche Verteilung der Jupitersäulen, sowie über die geographische Verbreitung der unterschiedlichen Darstellungsformen.
Die Jupitergigantensäule – germanisch oder keltisch?
Schon früh fielen interessierten Forschern die Jupitergigantensäulen mit ihren schuppigen, baumstammartigen Säulen und dem berittenen Jupiter auf der Spitze auf, die so gar nicht zu typisch römischen Darstellungen des höchsten aller Götter passten.
Während der auf dem Thron sitzende Jupiter aus dem Raum Mainz noch eindeutig von der Darstellung der kapitolinischen Trias aus Rom übernommen worden war, wußte man mit dem berittenen Jupiter, der den Giganten vom Pferd aus niederreitet, zuerst nichts anzufangen. Zwar ist die Niederschlagung der rebellierenden Giganten durch Jupiter – unterstützt von Herkules – ein klassisches Thema der griechisch-römischen Mythologie, aber in keiner einzigen Darstellung südlich der Alpen oder gar in Rom selbst wurde Jupiter jemals auf einem Pferd reitend dargestellt. Ein reitender Jupiter entspricht einfach so gar nicht der traditionellen römischen Ikonographie dieses Gottes.
Im 19. Jahrhundert, im Rahmen der Germanen-Romantisierung, deutete man die schuppigen Säulen als Irminsul, den heiligen Baum der Sachsen, und vermutete germanische Wurzeln in der Darstellung des reitenden Jupiter als Odin mit seinem Pferd Sleipnir oder als blitzeschleudernder Donnergott Thor. Abgesehen davon, daß diese beiden skandinavischen Götter nicht wirklich etwas mit dem Glauben der hier ansässigen Südgermanen zu tun hatten, sprachen auch archäologische Siedlungsbefunde in den Verbreitungsgebieten dieser Säulen gegen einen germanischen Einfluß oder gar eine germanisch-römische Synkretisierung aus Donar-Herkules, Donar-Jupiter oder Wodan-Jupiter samt Irminsul, die man gerne hineininterpretierte.
Stattdessen wurde die überwältigende Mehrzahl der Jupitergigantensäulen auf eindeutig keltisch besiedeltem Gebiet gefunden, die meisten davon in Gallien und im eindeutigen Kontext von typisch keltischen und gallo-römischen Siedlungsspuren.

Im 19. Jahrhundert, im Zuge der Germanen-Romantisierung, deutete man den Gigantenreiter gerne als Odin auf seinem Pferd Sleipnir
Heutzutage ist der keltisch-römische Hintergrund der Jupitergigantensäulen in der Forschung unstrittig, auch wenn es aus dem neuheidnischen germanischen Lager immer wieder Stimmen gibt, die es gerne anders sehen würden. Aber eine massenhafte Verbreitung der sächsischen Irminsul in den Weiten Galliens, in gallo-römischen Gutshöfen und Ansiedlungen, in eindeutig keltischen Siedlungsgebieten an der Mosel, in der Eifel und in Luxemburg, macht selbst bei oberflächlicher Betrachtung keinen Sinn.
Die Darstellung des Blitze schleudernden Gottes auf dem galoppierenden Pferd interpretiert als Odin auf Sleipnir, Wotan, Thor oder Donar ist in germanischen Kreisen nach wie vor ein beliebtes Diskussionsthema, wobei man sich hier bezüglich der Entsprechungen – die meist aus der Germania von Tacitus abgeleitet werden – nicht ganz einig ist. Denn einerseits wird Wodan mit Merkur gleichgesetzt, während Donar die Entsprechung von Jupiter, aber auch von Herkules ist. Da die Jupitersäulen – auch aus der Inschrift IOM – eindeutig als dem höchsten römischen Gott geweihte Säulen zu erkennen sind, wären sie nach germanischem Verständnis Donar-Säulen und keine Wodan-Säulen. Diese Spekulationen überlassen wir an dieser Stelle aber denjenigen, denen es ein Anliegen ist, ein antikes, vereintes und religiös in sich geschlossenes Germanentum im gesamten Raum links des Rheins zu beweisen 😉
Wir halten uns an die provinzial-archäologischen Befunde und das, was für uns – als Praktizierende des Cultus Deorum Romanorum mit gallo-römischem Schwerpunkt – als im wissenschaftlichen Kontext historisch wahrscheinlich und damit sinnvoller erscheint.
Die „klassische“ Jupitersäule aus Obergermanien
Die fast 10 Meter hohe Jupitersäule von Mainz, deren Repliken heute sowohl vor dem Mainzer Landtag als auch bei der Saalburg im Taunus zu bestaunen sind, gilt als die „Mutter aller Jupitersäulen„. Sie löste einen regelrechten Trend aus und führte zu einem fast explosionsartigen Auftauchen weiterer, meist jedoch deutlich kleinerer Säulen, rund um Mainz im Raum Obergermanien.
Diese Form mit dem sitzenden Jupiter und den bildlich gestalteten Säulen verbreitete sich schnell nördlich entlang des Rheins bis nach Niedergermanien und schaffte auch den Sprung nach Britannien.
Die Darstellungsweise des auf dem Thron sitzenden Jupiters ist, wie bereits erwähnt, typisch römisch und stammt aus dem Kapitol in Rom. Sie ist an die klassisch griechische Darstellung des Zeus angelehnt und betont Jupiters Funktion als Göttervater, der an der Spitze der römischen Götter steht – als Iupiter Optimus Maximus meist dargestellt in der Trias mit seiner Frau Juno und seiner Tochter Minerva.
Diese sitzende Darstellung als Teil der kapitolinischen Trias entspricht auch der Darstellung des Jupiter, wie er im römischen Staats- und Kaiserkult, vor allem in den Städten und Fahnenheiligtümern der Legionen verehrt wurde. Daß diese enge Verbindung des Jupiter zum Kaiserkult auch in den nördlichen Provinzen eine wichtige Rolle spielte, beweist die ab dem 3. Jahrhundert häufig auftretende Weiheformel „IHDD“, „In Honorem Domus Divinae“ – „zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses“, die oft in Verbindung mit IOM zu finden ist.
Das Militär in den Provinzen, vor allem in den Limeskastellen wie in der Saalburg, verehrte Jupiter als IOM Stator, als „Jupiter, der die flüchtenden Heere zum Stehen bringt“ und demnach als Schlachtengott den Sieg bringt.
Das Blitzbündel in seiner Hand betont seine Funktion als Gewitter-, Donner- und Blitzgott, der in den Erscheinungsformen von Jupiter tonans („dem Donnernden“) und Jupiter fulgur („dem Blitzenden“) auftritt.
Diese Jupitersäulen zeigen, im Gegensatz zu den mit Schuppen oder Blättern dekorierten Jupitergigantensäulen, oft reiche bildliche Darstellungen weiterer Götter oder anderer vergöttlichter Elemente (wie der Genius des Kaisers Nero in Mainz) auf den Säulentrommeln.
Der stehende Jupiter als Himmelsgott
Eine zweite Darstellungsweise des Jupiter, die in den Nordwestprovinzen vorkommt, folgt ebenfalls der klassischen römischen Ikonographie.
Hier wird Jupiter als Göttervater und Himmelsgott stehend dargestellt, bärtig, nackt und nur mit einem Schulterüberwurf bekleidet. In seiner rechten ausgestreckten Hand sitzt ein Adler, in der linken Hand hält er eines seiner anderen typischen Attribute, entweder Zepter, Patera (Opferschale) oder das Blitzbündel.
Diese Darstellung ist weitaus seltener als die klassische sitzende, kapitolinische Form und der Jupitergigantenreiter.
Der Jupitergigantenreiter
Eindeutig nicht-römischer Herkunft ist die Darstellung des Jupitergigantenreiters, der sich auf zahlreichen Säulen im östlichen Gallien findet.
Jupiter sitzt hier auf einem galoppierenden Pferd, das einen Giganten in Form eines Riesen oder einer Schlange niedertrampelt, wobei der Gott oft ein Blitzbündel schleudert. Mit der anderen Hand hält er oft ein Rad, in dessen Speichen er greift.
Die Darstellung eines auf einem Pferd reitenden Jupiters ist aus dem südlichen Bereich des Römischen Reichs nicht bekannt, sondern entstammt keltischen Vorstellungen. Ebensowenig gehört das Rad zu Jupiter, es ist ebenfalls ein typisch keltisches Symbol.
Bevor wir uns dieser keltischen Variante des Jupiters zuwenden, betrachten wir die ebenfalls keltische Darstellung der Säulen mit ihrem Schuppen- oder Blätterbewuchs.
Es gibt mehrere römische und griechische literarische Quellen, die eine Verbindung zwischen Jupiter (oder seiner griechischen Entsprechung Zeus) und einem keltischen Baumkult herstellen.
Schon im 2. Jahrhundert v. Chr. berichtete der Grieche Maximos von Tyros, daß die „Kelten als Götterbild des Zeus eine hohe Eiche verehren“. Auch der römische Dichter Valerius Flaccus beschreibt um 70 n. Chr. in seiner „Argonautica“ einen einheimischen Stamm an der unteren Donau, der Baumstämme mit der Statue Jupiters darauf verehren würde („truncae Iovis simulacra coumnae„). In beiden Quellen wird eine baumartige Säule mit dem Gott Jupiter in Verbindung gebracht.
Daß für die Kelten Bäume in ihrer kultischen Praxis eine wichtige Rolle spielten, ist unumstritten. Der nemetom – die keltische Bezeichnung für einen Kultplatz, etymologisch verwandt mit dem griechischen νέμος / némos (Waldung) und dem lateinischen nemus (Hain) – wird oft als Wald- oder Baumheiligtum gedeutet, auch wenn die Kelten, entgegen populärer romantischer Vorstellungen ihre Religion nicht nur im „Heiligen Hain“ praktizierten, sondern durchaus auch fest errichtete Tempelgebäude nutzten und ihre Oppida – Großsiedlungen – städtische Formen hatten, so daß mit nemetom vielfältige Formen einer „geheiligten Stätte“ gemeint sein können.
Auch wird oft eine Verbindung zwischen den Druiden mit einem Eichenkult postuliert; Plinius der Ältere vermutete, daß die Bezeichnung auf das altgriechische Wort für „Eiche“ zurückgeht. Auch die keltische Wurzel „dru“ für „Eiche“ steckt in dem Wort, so daß die Übersetzung des Wortes „Druide“ als „Eichenkundiger“ in der Wissenschaft heute gängig ist.
Ein gutes Beispiel für diese Übertragung keltischer Kultvorstellungen ist die 1964 gefundene Jupitergigantensäule aus Hausen an der Zaber, deren Säulentrommeln statt mit Schuppenbewuchs mit Eichenlaubblättern geschmückt sind.
Hierbei muß jedoch auch beachtet werden, daß die Eiche nicht nur ein typisch keltisches Symbol ist, sondern auch Jupiter selbst – beziehungsweise seinem griechischen Äquivalent Zeus – als heiliger Baum gilt, der in der Mythologie eine wichtige Rolle spielt, da Zeus im Orakel von Dodona aus dem Rauschen der Blätter einer Eiche weissagt. Insofern paßt die Verzierung einer Säule mit Eichenlaub zu beiden Kulturkreisen und kann in beide Richtungen gedeutet werden.
Die Baumstamm- und Schuppensymbolik der gallischen Jupitergigantensäulen ist deswegen zwar ein gut belegbares Indiz für einen Zusammenhang mit keltischem Baumkult, eindeutiger auf keltische Einflüsse hinweisend ist jedoch die Darstellung des Jupiters mit dem Rad.
Jupiter mit dem Rad
Die Verbindung Jupiters mit dem Rad ist auch von anderen bildlichen Darstellungen aus dem gallo-römischen Raum bekannt. In Alzey gibt es die Darstellung eines auf dem Thron sitzenden Jupiters, dessen Thron an der Seite ein Radsymbol zeigt.
Das Rad gilt generell als ein Himmelssymbol, wobei es nicht nur als Sonnenrad auftritt, sondern auch als Donnerrad, was sich aus dem rumpelnden Geräusch eines fahrenden Wagens leicht erklären läßt.
Ein Mosaik aus einem Landgut aus St.-Romain-en-Gal zeigt einen Mann und eine Frau, die vor einer Jupitersäule ein Opfer an Jupiter frugifer darbringen, um für gute Ernte zu bitten. Die dargestellte Jupitersäule zeigt auf der Spitze einen stehenden Jupiter, der in der rechten Hand ein Blitzbündel hält und mit der linken Hand auf ein Rad gestützt ist.
Die eindeutigste Verbindung stammt jedoch aus Köln, wo auf einem Jupiteraltar mit der Inschrift IOM ein achtspeichiges Rad abgebildet ist. Es gibt auch Bildnisse ohne Jupiterfigur, wo nur das Rad in Kombination mit dem Blitzbündel dargestellt ist. Der mit Blitz und Rad assoziierte Gott wird in allen erhaltenen Inschriften als Jupiter identifiziert und ist deswegen eindeutig.
Auf den Spuren von Sirona und Apollo-Grannus durch den Hunsrück
Heute möchten wir Euch auf einen Ausflug in den Hunsrück mitnehmen: Von der Ausoniusstraße zum Sirona- und Apollo-Grannus-Quellheiligtum von Hochscheid!
Einleitung: Antike Stätten?
Unser heutiger Reiseartikel fällt etwas aus dem Rahmen, denn es geht zwar um eines der wichtigsten und größten gallo-römischen Quellheiligtümer, aber einige Stationen auf unserer Reise fallen nur im weiteren Sinne unter die Kategorie „Antike Stätten„.
Daher stellte sich uns die Frage: wie gehen wir mit Orten um, die sich zwar auf eine antike Stätte beziehen (wie ein Pavillon im römischen Stil, in dem originalgetreue Repliken der Standbilder von Sirona und Apollo-Grannus aus dem Quellheiligtum bei Hochscheid stehen), die aber erst in der jüngeren Vergangenheit errichtet wurden?
Für den Cultor, das heißt, den heutigen Praktizierenden der Religio Romana, kann auch ein solcher Ort vom Numen der hier dargestellten Gottheiten erfüllt sein und als Tempel, Wegeschrein und Ort der Verehrung genutzt werden. Deswegen haben auch solche Orte für uns eine Berechtigung und gehören unserer Ansicht nach auch in die Auflistung „römischer Stätten“ auf unserer Website.
Gleichzeitig wollen wir bei unseren Ausflugszielen keine neue Kategorie einführen, auch, da die Grenzen nicht immer scharf zu ziehen sind, denn immerhin stehen die von uns bereisten Sirona- und Apollo-Grannus-Schreine in der unmittelbaren Umgebung des einstigen Quellheiligtums und erfahren heute durch Einheimische Pflege und Wertschätzung, dienen gleichzeitig dazu, die Erinnerung an eine so wichtige Pilgerstätte des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. wachzuhalten und archäologisch interessierten Besuchern Informationen zu vermitteln.
Insofern macht es eigentlich keinen Unterschied, ob sich (wie z.B. im Matronentempel in Nettersheim) originalgetreu replizierte Weihesteine an der originalen Stelle direkt neben den Fundamenten des alten Umgangstempels befinden, oder ob originalgetreu replizierte Statuen aus der Cella eines leider nicht mehr erhaltenen Heiligtums so nah wie möglich an die Originalstelle gebracht wurden, um dort die Bedeutung dieses Ortes zu würdigen. Die ganze, über 1000-jährige römische Geschichte hindurch wurden ständig neue Tempel und Orte für Götter errichtet, und auch heute laden wir wie damals die verschiedenen Gottheiten und anderen Wesen, wie Laren, Genius oder Juno, ein, in unserem heimischen Lararium Platz zu nehmen.
Wenn heute also neue Heiligtümer errichtet werden, selbst wenn sie eher der touristisch-archäologischen Wissensvermittlung dienen, als religiösen Zwecken, gibt es keinen Grund dafür, diese als „modern“ abzulehnen, das wäre eine absolut unrömische Haltung – wenn die Götter Gefallen daran finden und regelmäßig dort Wertschätzung erfahren (selbst durch christliche Einheimische, die Blumen vor ihre Statuen stellen), dann akzeptieren sie diesen Ort wie jeden anderen Tempel, Wegeschrein oder Hausschrein, der für sie errichtet wird. Und Sirona wird im Hunsrück tatsächlich noch heute sehr geehrt und ihre Pavillons werden nicht nur von römischen Heiden, sondern auch von Heiden anderer Richtungen besucht (z.B. von Celtoi, keltischen Rekonstruktionisten (CR) aber auch von Vertretern eines allgemeinen Neopaganismus verschiedenster Richtungen, wie z.B modernen Hexen, Vertretern der sog. Göttinnen-Spiritualität etc.).
Deswegen soll dieser Reisebericht ein Kompromiss sein: Er ist zwar in der Kategorie „Antike Stätten“ gelistet, folgt in seinem Aufbau aber nicht dem üblichen Schema. Stattdessen möchten wir Euch heute eine kleine Reiseroute vorschlagen, auf der Ihr selbst auf den Spuren der gallo-römischen Heilgötter Sirona und Apollo-Grannus wandeln könnt und auch Gelegenheit habt, Euch mit Anliegen an diese beiden Gottheiten zu wenden und ihnen Opfergaben darzubringen – etwas, was die Menschen, die vor uns in dieser Region unterwegs waren resp. hier lebten, seit alters her getan haben.
Als Bonus streift unsere Route auch einige „echte“ antike Stätten in situ und zwei Archäologische Parks. Dabei schlagen wir einen weiten Bogen von der vor-römischen, keltischen Vergangenheit des vom Stamme der Treveri bewohnten Teil Ostgalliens bis in die römische Spätantike.
Übersicht über unsere Reiseroute auf google Maps
Die Reise ist mit dem Auto an einem Tag gut und ohne Hektik zu bewältigen. Wer die Stätten zu Fuß erwandern will, zum Beispiel über den hier verlaufenden „Sirona-Weg“, sollte zwei Tage einplanen.
Hintergrundinformation: Das Quellheiligtum von Hochscheid
Bevor wir mit unserer Reisebeschreibung beginnen, ein paar Worte, um die Bedeutung des gallo-römischen Quellheiligtums von Hochscheid darzustellen.
Hochscheid liegt im Hunsrück am Fuße des 745 Meter hohen Idarkopfes im Landkreis Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz. Ganz in der Nähe verläuft die Hunsrückhöhenstraße, eine Bundesstraße, die hier noch heute der alten römischen Fernstraße zwischen Trier (Augusta Treverorum) und Bingen (Bingium) folgt. Die zweispurig ausgebaute „Ausoniusstraße“ aus römischer Zeit war eine wichtige Schnellreiseroute, die die zweitgrößte Stadt des Reichs – Trier – mit dem Rhein verband und dadurch in der Verlängerung über Bingen bis nach Mainz reichte, das als Mogontiacum eine wichtige Provinzhauptstadt am Rhein war.
Ein wichtiger Handelsknotenpunkt auf dieser Schnellstraße durch den Hunsrück war die Siedlung vicus Belginum, die ein Zentrum des Fernhandels auf dieser West-Ost-Achse war, durch den Waren aus dem Mittelmeerraum und dem westlichen Gallien bis hoch in den Norden transportiert wurden, wie Olivenöl aus Spanien und Afrika. Gleichzeitig gelangten über Händler regionale Produkte und hier anstehende Rohstoffe wie der hochwertige Hunsrück-Schiefer und Metalle in den Süden und Westen des Reichs.
Der vicus Belginum zeichnete sich durch reges Markttreiben, Handel, Pferdewechselstationen, Herbergen und Tavernen aus – sprich, er bot alles, was ein Fernreisender benötigte. Daneben gab es hier einen großen Tempelkomplex mit Kulttheater und mehreren Umgangstempeln, in denen unter anderem die gallo-römische Göttin Epona verehrt wurde, die Schutz auf Reisen gewährte, aber auch eine Patronin aller war, die mit Pferden zu tun hatten. Sie war eine der wichtigsten Gottheiten der hier lebenden Treverer.
Daneben gab es in Belginum alle Arten von Handwerkern, die an einer solchen Fernstraße ein Geschäft machen konnten: Sattler, Wagen- und Radmacher, Schmiede.
In etwa 5 km Entfernung dieses vicus befand sich das Quellheiligtum beim heutigen Ort Hochscheid. Es war ein überregional bedeutsames Pilgerheiligtum, zu dem man oft von weither pilgerte, um Heilung von Krankheiten zu erbitten.

Überblick über die Gebäude des Quellheiligtums von Hochscheid (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)
In ihm wurde das keltische Götterpaar Sirona und Grannus – zwei Heilgötter – in ihrer gallo-römischen Form als Sirona und Apollo-Grannus verehrt, wie durch Weiheinschriften, aber auch gut erhaltene Statuen und Figuren einwandfrei belegt ist. Diesen Ort kann man sich wie ein Kur- oder Heilbad vorstellen: es gab Umgangstempel, Heilquellen, Pilgerherbergen, Priesterwohnungen und Wandelgänge. Beheizbare Becken erlaubten es, Heilbäder zu nehmen, aber auch Trinkkuren wurden durchgeführt. War eine Heilung erfolgreich oder wurde ein Anliegen erhört, pilgerte man erneut dorthin, um sein gegebenes Versprechen einzulösen, das zum Beispiel in der Stiftung einer Weihetafel bestand, oder darin, eine unbenutzte Münze zu opfern oder in der Opferung kleiner Terrakottefiguren, Schmuck oder anderer Weihegaben. Die Größe und Art der „Bezahlung“ für die geleistete Hilfe richtete sich nach den finanziellen Mitteln der Hilfesuchenden und dem kulturellen Kontext.
Denn der Tempelkomplex wurde sowohl von einheimischen Kelten aus dem ganzen Hunsrück, Eifel- und Moselraum aufgesucht, die den Ort wahrscheinlich schon in vorrömischer Zeit als Quellheiligtum nutzten (daher auch die dort verehrten lokalen, keltischen Gottheiten und keine römischen Äquivalente wie Aesculapius oder Hygieia), als auch von zugezogenen oder durchreisenden Römern oder Besuchern aus anderen Teilen des Reichs.
Beide Heilgötter spielten in der gallo-römischen Mischform der hier praktizierten Religion eine große Rolle; überall in der Region, in Hunsrück, Eifel- und Moselraum, finden sich Quellheiligtümer und Widmungen für Sirona alleine oder in Kombination mit Apollo-Grannus.
Der Tempel im Quellheiligtum war ein Umgangstempel, wie er typisch für den gallo-römischen Kulturraum ist (südlich der Alpen ist diese Form nicht üblich, es gibt ihn nur nördlich der Alpen bis hoch nach Britannien). Er trägt den speziellen keltischen Kultbedürfnissen Rechnung, indem die Gottheit in einer zentralen Cella verortet wird (dargestellt durch ein oft überlebensgroßes Standbild), die von Gläubigen nicht betreten wird. Um die Cella herum gibt es einen überdachten Säulengang (als offener Portikus) oder einen geschlossenen Umgang. In diesem wird von den Gläubigen die Cella umrundet oder umschritten, woher auch die Bezeichnung „Umgangstempel“ stammt.
Dieser Umgangstempel war nach römischem Geschmack weiß verputzt und wahrscheinlich mit dem örtlichen Schiefer gedeckt, wie die meisten Gebäude in dieser Region.
Das Quellheiligtum wurde im Jahr 1939 bei der Erschließung von Quellen für die örtliche Wasserversorgung entdeckt. Es lag in 645 Metern Höhe. Das Zentrum bildete der quadratische Umgangstempel, in dessen Cella sich eine gemauerte Vertiefung aus Sandstein- und Quarzitblöcken fand, aus der eine Quelle des hier fließenden Koppelbachs trat. Im Gegensatz zu sonstigen Umgangstempeln, war das Betreten der Cella hier nicht nur erlaubt, sondern sogar zum Schöpfen des Wassers erforderlich. Im Brunnen wurden zahlreiche Becherscherben und Scherben anderer Trinkgefäße gefunden.
Ab 1962 wurde die Stätte durch das Landesmuseum Trier archäologisch genauer untersucht. Hierbei kamen die wahren Dimensionen des Tempelkomplexes zum Vorschein: eine Pilgerstätte mit angeschlossenem Kur- und Heilbad. Durch die unmittelbare Nähe zum vicus Belginum geht man davon aus, daß dieses Heilbad als Kultstätte zum Ort gehörte.
Das große Badehaus verfügte über Kaltbad, Laubad, Heißbad, Fußwaschbecken, Ankleideräume, einen großen offenen Raum nach Südwesten, Heizräume und mehrere Räume für das Personal.
Für den Cultor interessant sind vor allem die Gottheiten, die in diesem Heilbad angerufen und verehrt wurden. Hauptgötter waren, wie bereits beschrieben, Sirona und Apollo-Grannus. Von beiden wurden sehr gut erhaltene, lebensgroße Statuen aus gelbem Sandstein im Tempel gefunden, deren Attribute eindeutig zuzuordnen sind (die Originale befinden sich heute im Landesmuseum Trier): Sirona trägt ihr Sterndiadem, ein langes Gewand, um ihren Arm schlägelt sich eine Schlange, deren Kopf in einer Schale in ihrer Hand endet, in der sich drei Eier befinden – eine typische Darstellung. Apollo-Grannus ist auf klassisch-römische Art als nackter Jüngling dargestellt, der sich auf eine Kithara stützt, das ihm zugeordnete Musikinstrument, und neben ihm liegt ein Greif. Ihre Namen sind zudem durch Weihealtäre und Inschriften belegt, die Pilger im Tempel hinterlassen haben.
Ein Altar, der vom freigelassenen Sklaven Tiberius Claudius Reburrus gestiftet wurde, ist Apollo geweiht. Ein zweiter Altar enthält eine Weiheinschrift für Apollo-Grannus und „Sancta Sirona“.
Neben diesen beiden Hauptgottheiten wurden etwa 30 kleine Terrakotten als Opfergaben gefunden. Hierbei waren folgende zweifelsfrei bestimmbar (die anderen waren so bruchstückhaft, daß eine Zuordnung nicht vorgenommen werden konnte): Merkur, Apollo mit Kithara, Silvanus mit Hiebmesser an einem Baum, Minerva, Diana, Venus, Fortuna mit Füllhorn, mehrere sitzende Muttergottheiten oder Matronen mit auffälligem Kopfschmuck, die auf ihrem Schoß Tiere oder kleine Kinder halten.
Das Wasser schöpften die Pilger mit Glasflaschen oder Tongefäßen; zu den bemerkenswertesten Funden gehört die Unterseite einer Glasflasche, in die ein kleiner Merkur geprägt ist.
Vor dem Tempel stand ein Altar aus Sandstein, der – wie die anderen Steine des Tempels – aus dem in der Region anstehenden Sandstein der Tholeyer Schichten (Unterrotliegendes) stammt. Altäre standen immer außerhalb des Tempels vor der Cella, so daß jeder sie für seine Kulthandlungen nutzen konnte, denn Religion und damit verbundene kultische Handlungen waren in der römischen Kultur eine öffentliche Angelegenheit für jeden und wurden – von Mysterienkulten einmal abgesehen – nicht versteckt oder im Geheimen fernab der Augen anderer praktiziert – was im Übrigen auch der Grund dafür war, das die neuen Mysterienkulte vom römischen Staat und von den Vertretern der angestammten römischen Religion oft beargwöhnt wurden.
Die erste Fassung der Quelle wurde auf die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert, als auch die erste Herberge errichtet wurde. Weitere Umbauten und Erweiterungen der Anlage erfolgten im 2. Jahrhundert, hier unter anderem erwähnenswert die Erbauung des großen Heilbades. Auch an der in Fachwerktechnik gebauten Herberge wurden in dieser Zeit großangelegte Erweiterungen vorgenommen, an denen abzulesen ist, daß die Pilgerströme nicht mehr von die bisherigen Unterkünfte aufgenommen werden konnten. Die Wände der Herberge waren bemalt und es gab Holzfußböden. Auch bezeugten die Ausgrabungen verschiedene Qualitätsstufen der Gästezimmer – gefunden wurden einfache Sammelräume bis hin zu Luxuszimmern, so daß Pilger aller Gesellschaftsschichten entsprechend ihrem Stand und ihrem Geldbeutel übernachten konnten.
Die Blüte des Quellheiligtums von Hochscheid lag im 2. Jahrhundert n. Chr.. Im Laufe des 3. Jahrhunderts zeigten sich erste Verfallserscheinungen, die einerseits auf das harsche Klima im Hunsrück zurückzuführen sind – der 645 Meter hoch gelegene Tempel im Idarwald war im Winter oft durch Schnee von der Außenwelt abgeschnitten. Andererseits bedingt durch die ab dem 3. Jahrhundert einsetzenden Germaneneinfälle, als etwa die Alamannen die Region heimsuchten, was dazu führte, daß die Bevölkerung abwanderte. Es gab zahlreiche sicherere und besser zu erreichende Quellheiligtümer in der Region (zum Beispiel die Bäder von Aachen, Aquae Granni, oder die Thermalquellen von Bad Bentrich – Bentriacum). Auch das nahe Belginum wurde durch Germaneneinfälle gebeutelt. Nach dem 3. Jahrhundert geriet das Heiligtum in Vergessenheit und wurde offenbar nicht mehr aufgesucht.
Der Tempelkomplex verfiel, wurde aber nie von Germanen verwüstet, weil er wahrscheinlich zu abgelegen lag. Eine mutwillige Zerstörung der Anlage fand erst später statt, wahrscheinlich im Zuge der Christianisierung, indem Statuen zerstört und die Quelle verstopft und damit zum Überlaufen gebracht wurde. Das ganze Gebiet wurde überflutet, so daß sich über dem Tempel ein Hochmoor bildete. Diesem haben wir es allerdings zu verdanken, daß die Statuen bei ihrer Entdeckung in einem so guten Erhaltungszustand waren.
Heute ist vom Tempelkomplex nichts mehr zu sehen, da das ganze Gelände nach dem Abschluß der Grabungen und Untersuchungen wieder zugeschüttet wurde, um die Fundamente zu konservieren und vor Witterung zu schützen. Es gibt keine Beschilderung oder Beschriftung, so daß der Ort heute im Gelände nicht mehr erkennbar ist.
Auf den Spuren von Sirona und Apollo-Grannus rund um Hochscheid
Wer heute die Gegend des ehemaligen Quellheiligtums besucht, sollte mit der Reise im Archäologiepark Belginum beginnen. Hier gibt es gute Hintergrundinformationen zur Bedeutung der Region, die schon in keltischer Zeit ein wichtiger Verkehrsweg und Handelszentrum war. Ein Highlight ist hier das fast 800 Jahre lang kontinuierlich genutzte keltische und römische Gräberfeld vor Belginum, das mit seinen über 2500 Gräbern den Wandel der Bestattungsbräuche von der keltischen zur gallo-römischen Epoche zeigt. Insbesondere die alten keltischen Hügelgräber sind sehenswert.
Eine ausführliche Beschreibung des Archäologieparks Belginum mit praktischen Tipps zur Anreise findet Ihr in unserem Belginum-Artikel!
Nach einem Besuch von Belginum empfiehlt sich die Weiterfahrt zum 5 km entfernten Dorf Hochscheid. Hierzu muß man nur der Hunsrückhöhenstraße weiter folgen, Hochscheid ist der nächste Ort.
Hochscheid
In Hochscheid gibt es in der Ortsmitte eine lebensgroße, detaillierte Replik der im Quellheiligtum gefundenen Statue der Sirona. Sie steht an der Kreuzung der Hauptstraße mit der Römerstraße, in der Nähe der Bushaltestelle und schräg gegenüber der Gaststätte „Römerstube“ (ja, man pflegt sein römisches Erbe im Hunsrück 😉 ). Parken ist am Wegesrand möglich, hier ist nicht sonderlich viel Verkehr.
Die Statue steht in einem Holzunterstand, wo sie vor Regen geschützt ist. Darin hängt auch eine kleine Informationstafel, die leider sehr verwittert ist und eine Generalüberholung vertragen könnte. Sie ist eine verkleinerte Kopie der Informationstafel zum Quellheiligtum Hochscheid des Fernwanderwegs „Sirona-Weg“, die in der Umgebung aber noch mehrere Male zu finden ist.

Das Wappen von Hochscheid bezieht sich auf das Quellheiligtum: Kithara und Lorbeer des Apollo über dem Wasser der Quelle
Uns gefiel gut, daß die gepflegte und schön inszenierte Statue hier im Dorf offenbar Respekt genießt. Eine Pflanzschale mit frischen, leuchtenden Blumen steht neben der Göttin, so daß man sieht, daß das Dorf sein römisches Erbe pflegt. Das Wappen des Dorfes zeigt die Attribute des Apollo-Grannus, die Kithara und Lorbeer, darunter das Wasser der Quelle.
Nach dem Besuch der Sirona im Inneren des Ortes folgt man der Hauptstraße weiter nach Süden aus dem Ort hinaus, in Richtung Stipshausen. Die Straße schlägelt sich etwa 8 Kilometer durch den dichten Hunsrückwald.
Sirona-Hütte an der Landstraße nach Stipshausen
Hier, an der Landstraße, etwa auf halber Strecke zwischen beiden Dörfern, befindet sich die sogenannte „Sirona-Hütte„. Ab dem Ortsausgang Hochscheid sollte man seine Augen offenhalten und den Waldrand auf der linken Seite beobachten. Immer wieder zweigen Forstwege und Wanderwege ab, von denen man sich nicht beirren lassen darf. Es empfiehlt sich, nicht mit Vollgas über diese Straße zu brettern, da man das nächste Ziel auf der Reise sonst leicht übersieht, da es etwas versteckt liegt. Langsames Fahren ist aber auch kein Problem, wir waren die einzigen Autofahrer weit und breit auf dieser entlegenen Landstraße.
Götterwelt: Sirona
Herkunft, Zuständigkeit, Bezeichnungen:
Die Göttin Sirona ist eine Quell- und Heilgöttin keltischen (gallischen) Ursprungs. Sie wurde auch als Dea Sirona oder Sancta Sirona angesprochen.
Anders als bei ihrem Begleiter Grannus, der in der Interpretatio Romana mit Apollo identifiziert wird, erfolgte bei Sirona keine Gleichsetzung mit einer römischen Göttin, so daß ihr Name immer alleine steht.
Da es von ihrem Namen in Inschriften verschiedene Schreibweisen gibt (Sirona, Thirona, Đirona), ist davon auszugehen, daß ihre Aussprache mit lateinischen Buchstaben schwierig wiederzugeben war. Sprachwissenschaftlich wird deswegen angenommen, daß ihr Name mit dem „Tau Gallicum“ (Đ) begann, einem Laut, der nur in der keltischen / gallischen Sprache existierte, nicht aber im Lateinischen. Das Đ wird wie ein scharfes, zischendes ß oder ts ausgesprochen, so daß die korrekte Aussprache des Namens wahrscheinlich „Tsirona“ oder „ßirona“ war.
Die Göttin Sirona ist aus zahlreichen Inschriften bekannt. Es existieren jedoch keine anderen schriftlichen Quellen über sie und sie wird auch von keinem antiken römischen Autor beschrieben, so daß ihre Mythologie und ihre Herkunftsgeschichte unbekannt sind. Dadurch, daß sie (ebenso wie die keltischen Göttinnen Rosmerta oder Epona) nie mit römischen Göttinnen gleichgesetzt wurde, ist davon auszugehen, daß keine Göttin ihr von der Mythologie und Hintergrundgeschichte her ähnlich genug war, um mit ihr identifiziert zu werden.

Sirona war vor allem im Stammesgebiet der keltischen Treverer sehr beliebt (Rekonstruierte Keltensiedlung Bundenbach im Hunsrück)
9 Weiheinschriften sind für Sirona alleine bekannt, hinzu kommen 15 Inschriften, in denen sie gemeinsam mit Apollo-Grannus genannt wird.
Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist das östliche und mittlere Gallien, vor allem die Provinzen Gallia Belgica (Großraum Westschweiz – Ostfrankreich – Moselraum – Ardennen – Vogesen – Luxemburg – Südbelgien – Trier – südliche Eifel) und Germania Superior (Rheingebiet südlich des Vinxtbaches – Südwestdeutschland – Teile Frankreichs und der Schweiz). Einzelne Inschriften gibt es auch aus Gallia Celtica, Raetium, Noricum, Pannonia, Dacia, Budapest, Wiesbaden sowie eine Inschrift aus Rom.
Besonders großer Beliebtheit erfreute sie sich bei den gallischen Treverern, die im Mosel- und Hunsrückraum heimisch waren. Sie war eine reine keltische Festlandsgöttin, es sind keine Funde aus Britannien bekannt.
Eines ihrer größten und wichtigsten Heiligtümer und Pilgerstätten lag bei Hochscheid im Hunsrück, wo Ausgrabungen neben Badehäusern auch einen Umgangstempel, Priesterhaus und Pilgerherbergen zum Vorschein brachten. Von hier stammen auch die fast vollständig erhaltenen Statuen von Sirona und Apollo-Grannus, durch die wir eine sehr gute Vorstellung der Ikonographie dieser Göttin haben.
Ein gut erhaltenes Sironabad befindet sich auch in Nierstein am Rhein.Hier sind sogar die Heilquellen noch intakt und das Wasser gilt bis heute als wirksam.
Inschriften für Sirona wurden meistens bei Heilquellen und Quellheiligtümern gefunden. Oft handelt es sich dabei um schwefelhaltige Quellen. Ihre Funktion als Heilgöttin, die eben vor allem in Bädern und an Quellen wirkte, ist aus den Inschriftentexten und dem Fundzusammenhang belegbar. Neben dem Tempelkomplex bei Hochscheid sind weitere Tempel für sie bekannt, sowohl Umgangstempel als auch Heilbäder mit Badeanlagen, die über Quellen oder Aquädukte mit Wasser versorgt wurden. In Nierstein wurden neben Trinkkuren und Bädern auch Dampf- und Tropfbäder mit dem schwefelhaltigen Wasser durchgeführt
In einigen Weiheinschriften bedanken sich die Stifter ausdrücklich für die Heilung einer bestimmten Person oder für ihre eigene Heilung, so daß ihre Funktion und Zuständigkeit gut belegt sind.
Begleiter:
Sirona tritt in der überwiegenden Anzahl der bekannten Inschriften in Kombination mit dem ebenfalls keltischen Heilgott Grannus in seiner Form als Apollo-Grannus auf.
Das große Heiligtum in Hochscheid war beiden Gottheiten geweiht. Apollo-Grannus war überregional im ganzen römischen Reich als Heilgott bekannt und beliebt, Kaiser Caracalla selbst wandte sich an ihn, als die anderen Heilgötter (in diesem Fall Aesculapius und Serapis) ihm nicht halfen. Caesar beschreibt in seinem De Bello Gallico, daß die Gallier „zur Vertreibung von Krankheiten zu Apollo beten“ (De Bello Gallico, 6,17); auch hier ist der keltische Heilgott Grannus gemeint, der in der gallo-römischen Form der Religio Romana zu Apollo-Grannus verschmolz.
Attribute und Darstellungen:
Die Darstellung der Sirona sowie ihre typischen Attribute sind gut bekannt, weil von ihr fast vollständig erhaltene, lebensgroße Statuen gefunden wurden. Die bekannteste und besterhaltene Statue stammt aus dem Tempelkomplex von Hochscheid, wo sie zusammen mit einer Figur des Apollo-Grannus aufgestellt war. Die Originale stehen heute im Landesmuseum Trier, aber lebensgroße Replikate dieser Sirona-Statue finden sich heute an zahlreichen Orten in dieser Hunsrück-Region, unter anderem in der Dorfmitte von Hochscheid und, gemeinsam mit einer Statue des Apollo-Grannus, in einem römischen Pavillon in Stipshausen.
Bei den Galliern waren zu vorrömischer Zeit figürliche und naturalistische Darstellungen ihrer Götter unüblich. Wenn überhaupt, waren Götterfiguren abstrakt oder grob modelliert. Deswegen gibt es keine Quellen oder Belege der keltischen Form dieser Göttin aus vorrömischer Zeit.
Sirona wird in ihrer gallo-römischen Form in typisch römischer Weise als junge Frau dargestellt, die in eine Palla gekleidet ist, das typische römische, bodenlange Übergewand. Darunter trägt sie ein Gewand mit freien Unterarmen, das unterhalb der Brust gegürtet ist. In ihren Händen trägt sie oft einen Korb oder eine Opferschale mit Äpfeln, Trauben, Ähren oder Eiern (3 Eier in Hochscheid). In manchen Darstellungen, wie in Hochscheid, windet sich eine Schlange um ihren Arm, die aus einer Schale in ihrer Hand trinkt. Damit ist ihre Ikonographie ähnlich der der römischen Heilgöttin Hygieia, Tochter des Aesculapius, die ebenfalls eine Schlange trägt und wurde wahrscheinlich von ihr übernommen. Auf dem Kopf trägt die Sirona von Hochscheid eine Kopfbedeckung mit einem Sternendiadem. Das wird als Hinweis für die (nicht unumstrittene) sprachwissenschaftliche Wurzel ihres Namens abgeleitet vom gallischen Wort für „Stern“: ser oder syr angenommen.
Eine Darstellung von den Schwefelquellen bei Alzey in Rheinhessen zeigt sie mit einer Opferschale, einer Patera, in der rechten Hand und einem Zepter in der linken Hand. Auch diese Darstellung ist durch die Inschrift eindeutig als Sirona zu identifizieren.
Eine Darstellung der Sirona auf einem Viergötterstein in Frankreich zeigt sie mit einem sternengeschmückten Diadem, von dem ein Schleier herabfällt. Hier hält sie in ihrer linken Hand ein Füllhorn, während sie in der rechten Hand eine Patera hält, zu der sich eine Schlange an ihrem Arm herabwindet.
Eine Bronzefigur aus Frankreich, die zusammen mit einer Figur des Apollo-Grannus mit Kithara gefunden wurde, zeigt Sirona nackt bis zur Hüfte und einer Schlange, die sich um ihren linken Arm windet.
Opfergaben:
Untersuchungen in Quellheiligtümern brachten verschiedene Opfergaben für Sirona zum Vorschein. Es schien üblich zu sein, daß Geheilte eine frisch geprägte, unbenutzte Münze in die Quelle legten (möglicherweise nach erfolgter Heilung, um den Zeitpunkt ihrer Heilung zu dokumentieren). Daneben fand man kleine Figuren, oft aus Terrakotta, die wahrscheinlich in den dem Tempel zugehörigen Devotionalienläden oder bei örtlichen Töpfereien gekauft werden konnten. Auch Keramik- und Glasscherben von Trinkgefäßen wurden gefunden, da man das Heilwasser aus der Cella (die in Hochscheid das Becken enthielt und von den Besuchern, anders als bei einem Umgangstempel, betreten werden durfte) selbst schöpfte.
In einem Brunnen in Pforzheim wurde eine Sirona-Statuette zusammen mit Keramiken, einer Wasserkelle, Nadeln und zahlreichen Tierknochen gefunden, sowie mit 8 menschlichen Skeletten. Die Deutung dieser Fundstätte ist nicht abschließend geklärt; einerseits war das Versenken von Opfergaben in Brunnen ein keltischer Brauch, andererseits ist aus dem wüsten Verfüllungszustand des Brunnens nicht eindeutig ein zeitlicher Zusammenhang zu konstruieren, so daß die menschlichen Skelette auch in der Folge der Alamanneneinfälle in den Brunnen gelangt sein könnten. Eine Deutung dieser Fundstätte in kultischer Hinsicht sollte deswegen, auch wegen der Ausnahmesituation, nicht vorgenommen werden.
Typische Opfergaben für Sirona im heutigen Cultus Deorum sind Äpfel und Münzen.
Feiertage:
Ein bestimmter Feier- oder Ehrentag für Sirona im römischen Kalender ist nicht überliefert.
Sonstiges:
Im Hunsrück befindet sich der 106 km lange „Sirona-Weg„, der ein Wandern auf keltischen und römischen Spuren ermöglicht. Er führt unter anderem durch die antike Siedlung Belginum und durch die Dörfer Hochscheid und Stipshausen, in denen Sirona noch heute große Wertschätzung erfährt. In diesen Orten befinden sich mehrere lebensgroße Standbilder der Sirona, die die Einheimischen pflegen und auch mit Blumen schmücken.
Der Sirona-Weg ist zur Zeit lt. Auskunft der Verbandsgemeinde auf dem Prüfstand, weswegen Schilder und Wegabschnitte nicht mehr ganz so gut gepflegt werden. Auch die offizielle Website ist zur Zeit offline. Wer auf den Spuren von Sirona wandeln möchte, kann aber trotzdem problemlos nach Belginum, Hochscheid und Stipshausen fahren, auch wenn der Tempelkomplex nach Fundaufnahme aus Angst vor Raubgräbern verfüllt wurde und nicht mehr an der Oberfläche zu sehen ist. Dennoch ist es interessant, wie lebendig Sirona in dieser Region noch ist und wie sehr sie auch von den Einheimischen noch heute geschätzt wird, auch ohne das sie eine Christianisierung erfahren hat.
Alternativ bietet sich eine Besichtigung des Sironabades in Nierstein an, sowie ein Besuch im Rheinischen Landesmuseum Trier, in dem die Originalstatuen der Sirona und des Apollo-Grannus aus Hochscheid ausgestellt sind.
Antike Stätten: Caiva-Tempel bei Gerolstein
Anschrift:
Der Tempel liegt auf einem Dolomit-Felsplateau oberhalb von Gerolstein. Keine postalische Anschrift.
Anfahrt:
Gerolstein liegt in der Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz. Es ist vor allem bekannt durch seine Sprudelquellen, die bereits von den Kelten und Römern genutzt wurden.
Eine direkte Anfahrt des Tempels „bis vor den Tempeleingang“ ist nicht möglich. Der Tempel befindet sich oberhalb von Gerolstein auf dem Dolomitplateau „Hustley“ und ist nur zu Fuß zu erreichen. Direkt am Tempelkomplex führen sowohl der Vulkanweg des Eifelvereins als auch der Eifelsteig vorbei, so daß er über zwei gut markierte Wege erwandert werden kann.

Die „Munterley“, die Dolomitfelsen oberhalb von Gerolstein, sind die erste Station auf dem Weg zum Tempel
Der Tempel auf dem Plateau kann von zwei Richtungen aus erreicht werden: durch einen Aufstieg aus Gerolstein-Mitte hinauf auf das spektakuläre Munterley-Dolomitplataeu oder vom anderen Ende der Hochfläche aus, wo sich die Kasselburg mit einem Adler- und Wolfspark befindet.
Wir empfehlen, den Tempel aus Gerolstein über die Munterley zu erwandern, da der Weg weitere attraktive Sehenswürdigkeiten bietet. Außerdem dient die Munterley als Aussichtspunkt über die Umgebung, die für den archäologisch interessierte Besucher auch einen Blick auf die gegenüber liegende, 617 m hohen Dietzenley erlaubt, eine 240 Meter lange keltische Höhenfestung auf einem steilen Basaltfelsen – der höchsten Erhebung im Gerolsteiner Land.
Für körperlich oder gesundheitlich eingeschränkte Personen ist der Weg über die Kasselburg geeigneter, da der Weg über die Munterley wegen der Felsen und schmalen Pfade stellenweise anspruchsvoll ist. Er ist auf keinen Fall für Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen geeignet!
Die Anreise erfolgt nach Gerolstein, wo man an einem der zentralen Parkplätze (am „Rondell“ oder an der Kyll) parken kann. Die Parkplätze sind montags bis samstags gebührenpflichtig, sonntags ist das Parken kostenlos.
Auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Gerolstein sehr gut zu erreichen. Es gibt einen Bahnhof, der regelmäßig von den Regionalzügen aus Köln und Trier angefahren wird.
Wanderung zum Tempel
Da der Tempel erwandert werden muß und unser empfohlener Weg an einigen interessanten Wegmarken vorbeiführt, weichen wir in diesem Artikel einmal von unserem üblichen Aufbau ab und beschreiben den Weg zum Tempel ausführlicher. Der Tempel selbst wird wie gewohnt in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Unser Tipp: Vor dem Aufstieg kann man die Gelegenheit nutzen, im nahen Park an der öffentlichen Zapfstelle „Helenenquelle“ seine Wasserflasche mit frischem (kostenlosem) Gerolsteiner Sprudel aufzufüllen.
Eine Bemerkung vorweg: der Aufstieg zur Munterley ist zwar nicht sehr lang, aber relativ steil (es müssen in kurzer Zeit 195 Höhenmeter überwunden werden). Er folgt schmalen Pfaden und über Dolomitfelsen. Wanderschuhe bzw. festes Schuhwerk ist unbedingt erforderlich.
Von Gerolstein-Mitte aus überquert man zu Fuß die Eisenbahnbrücke in Richtung der markanten Dolomitfelsen, die den Ort überragen. Zwischen dem „Cafe Dolomiten“ und einem Eiscafe führt ein beschilderter Fußgängerweg durch ein Wohngebiet hoch in Richtung des Felsplateaus. Hier folgt man den Schildern „Munterley“, die die erste Station auf dem Weg zum Tempel darstellt. Der Tempel selbst, der im Volksmund „Juddekirchhof“ genannt wird, ist nicht ausgeschildert, so daß man sich am besten an Schildern in Richtung „Munterley“, „Papenkaule“ und Buchenlochhöhle“ orientiert, die alle auf dem Weg zum Tempel liegen.
Das Wohngebiet wird schon nach wenigen Aufstiegen über Straßen und Treppen zurückgelassen; stattdessen führt der Weg in den Wald hinein. Hier orientiert man an Abzweigungen immer nach oben. Kurz unterhalb der Munterley-Felsen teilt sich der Weg in den (beschilderten) Wanderweg und einen steilen Fußweg, der unmittelbar nach oben führt. Dieser Fußweg ist eine sehr gute Abkürzung, die in wenigen Minuten hoch auf das Felsplateau führt. Hier ist jedoch Trittsicherheit und gelegentlich sogar Zuhilfenahme der Hände an den Dolomitfelsen notwendig. Der Weg wird jedoch regelmäßig genutzt und ist nicht zu übersehen oder zu verlieren.
Wer es gemächlicher (aber auch langwieriger) mag, folgt aus Gerolstein-Mitte dem „G“-Symbol, das den Gerolsteiner Dolomitenweg kennzeichnet und der in vielen Serpentinen auf den Gipfel hinaufführt.
Die Munterley, das markante, mit einer Schutzhütte und einer Flagge markierte Felsplataeu, ist die erste Station auf dem Weg und ein toller Aussichtspunkt. Hier gibt es eine Tafel, auf der die Umgebung und die Entstehung der Dolomiten erläutert wird. Die Gegend, die von den keltischen Treverern besiedelt war, ist reich an keltischen Spuren, wie der Höhenfestung auf dem Felsplateau der Dietzenley, die von der Munterley aus gesehen werden kann. Die Dietzenley selbst lohnt sich ebenfalls als Ausflugsziel für den (keltisch interessierten) Wanderer; auf ihrem Gipfel steht ein hölzerner Aussichtsturm.
Von der Munterley aus folgt man dann der Beschilderung zur „Papenkaule“, einem Trockenmaar, und der „Buchenlochhöhle“, einer begehbaren, etwa 30 Meter tiefen Höhle im Felsgestein, die steinzeitlich besiedelt war. Nach etwa 10 Minuten folgt ein weiterer Aussichtspunkt über die Eifellandschaft.
Der Weg zur Buchenlochhöhle führt durch Wald und an spektakulären Felsen entlang, ist aber nicht mehr so steil oder unwegsam wie der eigentliche Aufstieg, sondern zeichnet sich durch milde Steigungen und Gefälle aus, die sich abwechseln.
In die Buchenlochhöhle führt eine Holztreppe (mit einer Fledermauszählanlage). In der Höhle kann man sich frei bewegen. Sie ist konstant 8 Grad kalt und feucht. Weitere Informationen liefern die Infotafeln der Geo-Route, die an markanten Punkten aufgestellt sind.
Nach der Höhle folgt man dem Weg weiter in Richtung der Papenkaule. Nach Wald und Fels erreicht man das unbewaldete, offene Hochplateau, das im Sommer wenig Schatten bietet und im Frühjahr und Herbst recht windig sein kann. Der Weg führt an dem markanten Vulkankrater entlang, der bis vor 10.000 Jahren aktiv war. Der mit Gras und niedrigen Pflanzen bewachsene kreisrunde Krater ist im Gelände sehr gut erkennbar.
Hinter dem Krater trifft der Fußweg auf einen asphaltierten Weg, dem man bis zum Tempel folgt. Hier an der Kreuzung liegt ein Grillplatz und damit verbunden leider auch die negativen Begleiterscheinungen – Müll, wohin das Auge sieht. Der Grillplatz selbst sowie die umliegenden Büsche und Wege sind mit diversen Abfällen übersät, leider fühlen sich offenbar nicht nur die Grillenden gehalten, hier einfach ihren Müll liegenzulassen, sondern auch andere Leute nutzen die Gelegenheit, hier unerwünschtes Zeug loszuwerden. Leider verbreitet sich dieser Müll durch Wind und Wetter dann auch im weiteren Umfeld des Grillplatzes; hier ist auch die Stadt gefragt, etwas stärker für Ordnung und Kontrollen zu sorgen, was offenbar nicht konsequent erfolgt.
Am Grillplatz wendet man sich auf dem asphaltierten Weg nach links. Bereits hinter der nächsten Kurve sieht man in der Ferne den Tempelkomplex liegen. Der Weg schlängelt sich über die offene Hochfläche, bis er das Tempelgelände erreicht, das einen eigenen kleinen Zuweg hat. Der Tempel selbst ist umzäunt und mit einer Schranke versehen. Er ist so weithin sichtbar, daß er von diesem Punkt aus nicht verfehlt werden kann.
Da es sich nicht um einen Rundweg handelt, hat man nach dem Tempelbesuch die Wahl, den gleichen Weg zurück zu nehmen, wobei wir hier von der Munterley aus den Abstieg über den gemächlicheren, aber längeren „G“-Weg empfehlen, oder man setzt den Weg zur etwa 2,5 km entfernten Kasselburg fort (wo man den Adler- und Wolfspark besuchen kann) und geht dann im Tal am Fluß Kyll entlang zurück nach Gerolstein. Wir bevorzugen den Rückweg über die Munterley, da er landschaftlich spannender ist, als im Tal zurückzuwandern. (mehr …)
Kultpraxis: Götterstatuen und -figuren im römischen Cultus
Irgendwann ist es so weit: der römische Cultor entdeckt auf einem Römerfest, bei einem Replikenmacher oder in einem Museum die Replik einer Götterfigur, ein Relief oder eine Statue, die sich perfekt im Sacrarium oder Lararium machen würde!
Immer wieder geschieht es, daß wir solchen Gottheiten, die eine besondere Rolle in unserem privaten Cultus spielen, auf unseren Reisen durch das römische Reich begegnen – zum Beispiel in Form einer handgefertigten bronzenen Replik einer winzigen Mercurius-Larariumsfigur aus dem pfälzischen vicus Eisenberg bis hin zu Museumsrepliken lokaler oder überregional bedeutsamer Gottheiten (wie z.B. dem kleinen Matronen-Weihestein im Eifelzentrum Nettersheim, oder einer Figur der Sirona im Landesmuseum Trier) oder anderen Statuetten und Figuren.
Als römischer Cultor hat man neben dem Lararium, das das Kernelement des privaten Cultus, der Sacra Privata (auch Cultus Domesticus, also häuslicher Kult, genannt), bildet, meist noch einen oder mehrere persönliche „Hausgötter„, die man dem weiteren Kreis seiner Penaten zurechnet und in seinen Cultus integriert. Beispiele dafür sind Tutelargottheiten oder regionale (wie gallo-römische) Gottheiten, die in der Gegend eine wichtige Rolle spielen, in der man lebt, oder einige der „großen“ römischen Götter, denen man sich verbunden fühlt und die man in seinen persönlichen Cultus integrieren möchte.
Die Sacra Privata war schon in römischer Zeit, wie der Begriff nahelegt, Privatsache, in die der Staat sich nicht einmischte und für die es keine allgemeinverbindlichen Regeln, Vorschriften oder Verpflichtungen gab. Welchen Cultus man daheim praktizierte, welche Götter im persönlichen Leben eine Rolle spielten, war nicht geregelt und stand jedem frei. Lediglich der öffentliche Staatskult war durch feste Vorschriften reglementiert und von allen Einwohnern zu akzeptieren, da er Garant für die Einheit und den Frieden des Römischen Reichs mit den Göttern – und für ihre Schutzgewährung war, den Pax Deorum.
So lange man in seiner privaten Praxis nichts tat, was dem Staatskult zuwiderlief oder diesen gar ablehnte, war man frei darin, welche Götter man daheim verehrte und welche Praktiken man vollzog. Ausnahmen bildeten Praktiken, die gegen Gesetze verstießen, wie Menschenopfer, oder Magie, Schadenszauber und Verfluchungen (wie man es z.B. aus dem Kybele-Kult kennt), die in der Geschichte zeitweilig ebenfalls strafbar waren, weil sie die öffentliche Ordnung gefährdeten oder Kulte, deren Praktiken ebenfalls als Ordnungsstörung galten, wie der zeitweilig verbotene orgiastische Bacchus-Kult.
Es sprach theoretisch nicht einmal etwas dagegen, im heimischen Lararium eine Statue von Jesus Christus aufzustellen (Kaiser Alexander Severus soll dies getan haben), so lange man nicht mit seiner Ansicht an die Öffentlichkeit trat, daß der „eine Gott“ der einzig wahre sei und die römischen Götter nicht existierten und man sich weigerte, am Staats- und Kaiserkult teilzunehmen – denn auch das gefährdete den Pax Deorum.
Unser Artikel zu diesem Thema beschäftigt sich mit folgenden Fragen:
- Bedeutung der Götterfiguren im Privathaushalt
- Wo finde ich Figuren römischer Götter?
- Wohnt der Gott schon in der Statue oder muß ich ihn hineinrufen, invozieren?
- Wie wird eine Gottheit in eine Figur oder Statue invoziert?
- Wie sieht es mit synkretisierten Gottheiten aus, z.B. im gallo-romanischen Kontext, wie Lenus-Mars?
- Kultpraxis: Anleitung zur Durchführung des Rituals zur Invokation einer Gottheit
Der Gallo-Römische Cultus – die Religion im „Römischen Germanien“
Heute möchten wir mit einem weitverbreiteten Mißverständnis aufräumen, das sich im Zuge der – vor allem im neuheidnischen Spektrum angesiedelten – Vorstellungen der „Religion unserer Ahnen“ oder der „ursprünglichen, vorchristlichen Religion in Deutschland“ verbreitet und Verwirrung stiftet.

Der gallische Gott Intarabus, gleichgesetzt mit Mars (bzw. dessen Erscheinungsform als Mars-Silvanus)
Den Folgen dieser Verwirrung begegnen wir gerade bei „Neueinsteigern“, die sich für den heidnischen römischen Rekonstruktionismus interessieren, leider immer wieder. Die allgemeinen Vorstellungen über vorchristliche Religion in Deutschland sind heutzutage so sehr durchsetzt von einem neuheidnischen Konglomerat aus „ur-germanischer“ Religion, Wikingerkulten aus Skandinavien, sowie modernen nicht-rekonstruktionistischen Strömungen, daß Ratsuchende, die sich speziell für die polytheistische Religion in „Roman Germany“ interessieren, mit einer ganzen Batterie aus ahistorischen und aus allen Richtungen zusammengeklaubten Vorstellungen bombardiert werden, deren Sinn und Authentizität, oder Mangel daran, sie noch nicht beurteilen können.
So braut man sich daraus oft eine eigene Mischung zusammen, die zwar eine persönlich befriedigende Religion darstellen mag (auf Neudeutsch nennt man diese Selfmade-Religionen heutzutage euphemistisch UPG -„Unverified Personal Gnosis“), vom Römischen Rekonstruktionismus ist man damit jedoch abgekommen, noch bevor man die ersten Schritte auf diesem Weg gemacht hat. Wenn man sich dann allerdings dem intensiven Quellenstudium widmet und sich intensiv mit Geschichte und Archäologie auseinandersetzt, fällt schnell auf, daß romantische Vorstellungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert wenig mit der religiösen Wirklichkeit im romanisierten Teil Germaniens zu tun haben.

Epona, ursprünglich eine keltische Göttin, war im ganzen Reich sehr beliebt als Schutzgöttin der Pferde, Reiter, Reisenden und Fuhrleute
Nachdem wir kürzlich an einer ausgiebigen Diskussion teilnahmen, in der all diese Mißverständnisse wieder zutage traten, fanden wir es an der Zeit, einen Artikel zu dem Thema zu schreiben – der Informationsbedarf ist ganz offensichtlich da. Denn wenn sich diese Diskussionen immer nur im nicht-öffentlichen Rahmen abspielen, in persönlichen Unterhaltungen, per Email-Austausch oder geschlossenen Mailinglisten, dann führt das nur dazu, daß man die gleichen Diskussionen gebetsmühlenhaft wiederholen muß.
Dieser Artikel soll deshalb die immer wieder an uns herangetragenen Fragen und in epischer Länge von uns verfassten Antworten nun an einer zentralen Stelle zusammenfassen. Wir hoffen, dass dies sowohl ratsuchenden Neueinsteigern als auch generell interessierten Lesern (Heiden wie Nichtheiden) hilft, geschichtliche Entwicklungen und religiöse Vorstellungen im korrekten historischen Kontext zu verstehen.
Eine Frage – und viele verworrene Antworten
Kürzlich führten wir eine Diskussion mit einem Amerikaner, der sich für die heidnische Römische Religion – den Cultus Deorum Romanorum oder Religio Romana – interessierte. Da er sich einerseits stark für das Antike Rom und die damit verbundene Geschichte, Kultur und Religion begeistert, daneben aber deutsche Vorfahren hat, suchte er nach Informationen über und Rat oder Erfahrungen bezüglich der „synkretistischen Religion des Römischen Germaniens„, wie er das nannte. Sich mit dieser speziellen, lokalen Form der Religio Romana zu beschäftigen, sah er als idealen Weg an, sowohl das antike Rom, als auch seine Wurzeln zu ehren und beides auf harmonische Weise miteinander zu verbinden.

Der Celius-Stein ist der einzige (!) archäologische Hinweis auf die Varusschlacht. Mit dieser Niederlage endete die römische Präsenz in Germanien (Bonn, 2014)
Seine Frage bezog sich deshalb ausdrücklich auf das „Römische Germanien“, das heißt, auf die Provinzen des Römischen Reichs, die westlich des Limes und vor allem westlich des Rheins lagen und auf deren romanisierte Einwohner.
Was daraufhin geschah, war typisch. Er erhielt Antworten, die vollkommen an seiner Frage vorbeigingen, irrige Vorstellungen über den Begriff „Germanien“ demonstrierten und die üblichen geografischen, politischen und religiösen Mißverständnisse wiederholten, auf die wir immer wieder stoßen – übrigens nicht nur bei Amerikanern oder Bewohnern anderer Länder, die nicht auf dem Gebiet des ehemaligen römischen Reichs liegen (wie Lateinamerika, Asien oder dem Pazifikraum), sondern durchaus auch bei Europäern, insbesondere Deutschen, von denen man erwarten würde, daß sie sich besser mit der Geschichte ihres Landes auskennen sollten, zumindest, wenn sie sich gehalten fühlen, ihre Vorstellungen über „Germanien“ und „Germanische Religion“ in der Öffentlichkeit zu verbreiten.
Unqualifizierte Diskussionsbeiträge bezüglich der Römer, die (wie die Christen angeblich auch) die ursprüngliche germanische Religion mit Gewalt und Schwert „ausgerottet“ haben, kamen dabei wie selbstverständlich auch. Dieses Thema zu diskutieren, erfordert oft einen gewissen Langmut aufgrund der doch sehr verzerrten Sichtweise mancher Heiden, die mehr an emotional wirkenden Feindbildern interessiert sind, als an geschichtlichen Tatsachen, so daß ich das an dieser Stelle einmal höflich und dezent unter den Tisch fallen lassen möchte.
Eine der Antworten war zumindest „gut gemeint“. Sie stammte von einer jungen Frau aus Lateinamerika, die zugab, ebenfalls (wie der Fragesteller) neu im rekonstruktionistischen Cultus Deorum zu sein. Zwar bemüht sie sich redlich, den traditionellen römischen Riten und Praktiken zu folgen (wie Rituale am Lararium abzuhalten) und dabei auch die authentischen Quellen zu berücksichtigen und zu beachten. Daneben bezieht in ihre Sacra Privata, das heißt, in ihre persönliche religiöse Praxis, „germanische Götter“ ein und versucht, sie in ihre Kultpraxis zu integrieren, mixt dabei aufgrund ihrer eigenen, undifferenzierten Vorstellungen jedoch Elemente hinein, die aus rekonstruktionistischer Sicht nicht als authentisch betrachtet werden – etwas, auf das im Cultus Deorum jedoch Wert gelegt wird.

Apollo-Grannus, gallo-römischer Heil- und Quellgott. Darstellung mit Krug und Heilwasser (Bonn, Rheinisches Landesmuseum, 2014)
Die Integration fremder Götter ist aus Sicht der Religio Romana erst einmal überhaupt nicht verwerflich, sondern vollkommen in Ordnung. Die heidnische römische Religion zeichnete sich durch große Flexibilität und Aufnahmefähigkeit aus, was ein Grund für ihren Erfolg im gesamten Reich war – von Afrika bis Kleinasien, von Britannien bis Spanien. Römer leugneten niemals die Existenz anderer Götter, – ganz im Gegenteil – sie gingen davon aus, daß diese in ihren angestammten Siedlungsgebieten mächtig waren und Einfluß hatten. Diese einheimischen Göttern zu missachten, war nicht im Interesse Roms, weswegen man immer bestrebt war, diese Götter zu besänftigen, oder sogar auf die Seite Roms zu ziehen. Ihnen wurden Tempel errichtet und viele, ursprünglich lokale Gottheiten wie die ägyptische Isis, kleinasiatische Gottheiten wie Mithras und Kybele oder die gallische Epona gelangten im ganzen Reich zu großer Popularität und erhielten sogar Tempel in Rom selbst.
Jeder Einwohner des römischen Reichs war frei in seiner Religionsausübung und konnte privat im heimischen Kult verehren, wen auch immer er wollte, natürlich auch seine eigenen, lokalen Götter – wenn er sich an die gesetzlichen Grundregeln hielt, das hieß, keine Menschenopfer durchführte, die öffentliche Ordnung nicht gefährdete und die römische Staatsreligion respektierte. Viele lokale Gottheiten wurden mit römischen Gottheiten gleichgesetzt, wie der keltische Grannus, der zu Apollo-Grannus wurde, oder der germanische Magusanus, der als Hercules-Magusanus vor allem in Niedergermanien entlang des Rheins verehrt wurde. Details zur Integration „fremder“ Götter in die römische Religion finden sich in unserem ausführlichen Artikel zur „Interpretatio Romana„.