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Der Ritus christianus in der Religio Romana – Teil II: Aufstieg eines Mysterienkultes
Roma locuta, causa finita
Dieses bekannte „Zitat“ des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354–430), bedeutet „Rom hat gesprochen, der Fall ist beendet“ und soll verstanden werden im Sinne von „Wenn Rom gesprochen hat, ist die Diskussion über den Sachverhalt beendet, es gibt dazu nichts mehr zu sagen.“

Älteste Darstellung des Augustinus,
Mosaik an der Kapelle Sancta
Sanctorum in Rom, 6. Jh.
(Wikimedia, gemeinfrei)
Zwar hat Augustinus den entsprechenden Teil seiner Predigt aus dem Jahr 417 n. Chr. (Sermo 131, 10) über die Entscheidung des Papstes bezüglich der Lehren des Pelagius genau in diesem Sinne verstanden wissen wollen, aber er hat wörtlich nur das „causa finita“ benutzt.
Es ist mittlerweile aber ein geflügeltes Wort in der oben genannten, ergänzten Form und bringt so einen Punkt prägnant zum Ausdruck, den wir als Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen für wichtig erachten, nämlich die Tatsache, dass das Christentum ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Staatsreligion, zur Sacra Publica des Imperium Romanum geworden ist – ein Fakt, der sich nicht wegdiskutieren lässt.
Dies wurde also durch die Römer selbst entschieden – es geschah in ihrer Zeit und Lebenswirklichkeit, innerhalb der Kultur des römischen Reiches und eingebunden in den Kontext der traditionellen Kulte, was eine besondere Sichtweise auf Änderungen im öffentlichen religiösen Leben mit sich brachte. Deswegen stellt es für uns, die wir diese Geschichte studieren und anhand der Quellen zu verstehen versuchen, erst einmal nur einen weiteren organischen Schritt in der Entwicklung der römischen Geschichte dar, gegangen vom römischen Volk selbst.
Wir, die wir nach ihnen kommen, uns ihnen verbunden fühlen und in einer Kultur sozialisiert sind, die bereits selbst schon wieder einen weiteren Schritt in dieser fortlaufenden Geschichte und Kultur darstellt, müssen akzeptieren, dass wir in dieser historischen Entscheidung einerseits kein Mitspracherecht haben und wir sie andererseits auch nicht einfach ignorieren können.
Uns stellt sich nur die Frage, wie wir heute mit dieser Entscheidung derer, die vor uns waren, umgehen. Um hier zu einer befriedigenden Antwort zu kommen, gerade auch vor dem Hintergrund der Praxis der Religio Romana in unserer Zeit, ist es unabdingbar, sich von diversen Vorstellungen und Stereotypen zu verabschieden, die aus dem Blick auf die Geschichte durch eine quasi ideologische Brille erwachsen sind.
Wir müssen deshalb eine Perspektive einnehmen, die der entspricht, welche den religiösen wie politischen Entscheidungen im antiken römischen Staat zugrunde lag, um hierbei zu einer adäquaten Einschätzung kommen zu können.
Um diesen Punkt der Perspektive noch einmal konkret zu fassen, ist es wichtig zu betonen, Rekonstruktionismus ist keine Religion, auch nicht im Paganismus eine Denomination oder Konfession, sondern eine Herangehensweise, eine Methode.
Es geht dabei um die konstruktive Evaluation von Quellen, von tradiertem Wissen über eine Religion und Kultur, um diese in einem zeitgenössischen Kontext authentisch leben zu können. Im Rekonstruktionismus finden wir oft eine eher ganzheitliche Betrachtung, was aber besonders für den römischen Rekonstruktionismus gilt. Dies bedeutet, es geht nicht nur um den Teilaspekt der Religion, sondern grundsätzlich um die Kultur, um die „Romanitas“ von der die Religio – einschließlich der Sacra Publica – ein untrennbarer Teil ist.
Durch diese spezifische Betrachtungsweise kommt es naturgegebenermaßen zu einer natürlichen Einbeziehung von historischen Entscheidungen, die innerhalb der römischen Geschichte getroffen wurden und damit die Entwicklung des Römischen Reiches und der ihm zugrundeliegenden Kultur, wie auch der Aspekte, die in der Folge davon als römisches Erbe Europas immer noch aktuell sind, mitgestaltet haben. Durch diese Akzeptanz von historischen Entscheidungen kommt es generell zu einer anderen Sichtweise auf das Imperium Romanum, das wir zwar durch bestimmte Veränderungen in seiner historischen Entwicklung gekennzeichnet sehen, dem wir aber eine grundsätzliche Kontinuität zuschreiben, die kulturell bis heute nachwirkt.
Aus diesem Grunde sehen wir im Niedergang des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert nicht den „Untergang des Römischen Reiches“ schlechthin, denn auch wenn man gerne vom Byzantinischen Reich spricht, gab es ein solches nicht im Selbstverständnis der Römer, die sich auch im östlichen Teil des Reiches immer als solche betrachteten und bezeichneten (grch.: Ῥωμαῖοι / Rhōmaîoi). Es vollzog sich zwar im Ostteil des Reiches schon früh eine Vermischung der römischen Kultur mit griechisch-orientalischen Elementen (wobei aber auch im westlichen Teil des Imperiums Griechisch seit jeher die Sprache der Gebildeten war), eine stärkere Gräzisierung des Römischen Reiches fand allerdings erst nach dem Niedergang des westlichen Herrschaftsbereiches statt.

Byzantion wurde, nachdem Konstantin es für seine Neugründung Konstantinopel erwählt hatte, auf das Fünffache der ursprünglichen Fläche vergrößert, wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln errichtet und entsprechend der politischen und weltlichen Strukturen der alten Hauptstadt glanzvoll ausgebaut. So erhielt Konstantinopel ein Kapitol, einen dem Senat in Rom vergleichbaren Rat, einen Circus für 100.000 Zuschauer, ein Forum (Forum Constantini) und eine Hauptverkehrsachse in ost-westlicher Richtung. Es war das Zentrum der Wirtschaft, Kultur und Verwaltung des Oströmischen Reiches kontinuierlich von der Spätantike bis zum Beginn der Neuzeit. (Bild: Antoine Herbert, Portfolio Konstantinopel vom 4. bis 8. Jahrhundert, eine Bilderreihe zur Byzantinischen Architektur)
Das Oströmische Reich war also kein „Nachfolger“ des Weströmischen Reiches, wie man dies manchmal liest, sondern es gab immer nur ein einziges Imperium Romanum und die seit der sog. Reichsteilung 395 n. Chr. vollzogene Aufteilung in einen westlichen und östlichen Teil war im eigentlichen Sinne eine Herrschaftsteilung von 2 Kaisern, eine Aufteilung des „Imperiums“, also der höchsten exekutiven Macht im Staat, keine Aufteilung oder Trennung des Römischen Reiches an sich.
Das Imperium Romanum ging somit erst 1453 n. Chr. mit der Eroberung seiner Hauptstadt im Osten, Konstantinopel, entstanden durch den großzügigen Ausbau des ehemaligen Byzantion, tatsächlich als Staat zu Ende. Wir betonen dies, weil diese Kontinuität für unsere Herangehensweise an die römische Geschichte und Kultur entscheidend ist.
Die Wortverbindung „katholische Kirche“ wurde zwar bereits von Ignatius von Antiochien um das Jahr 110 n. Chr. verwendet, aber erst nachdem es unter Theodosius I. im Jahre 380 n. Chr. durch das Edikt Cunctos populos zur Erhebung und Einsetzung des Christentums – eben in seiner auf das Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr. zurückgehenden Form – als Sacra Publica kam und damit die Konsolidierung des Römisch-Katholischen belegte, wurde dieser nun christliche Charakter des Reiches später im Ostteil als staatlicher und kultureller Impuls weiter verstärkt (Zitat aus dem Wortlaut des Ediktes: „Hanc legem sequentes christianorum catholicorum nomen iubemus amplecti (…) / „Nur diejenigen, die diesem Gesetz folgen, sollen, so gebieten wir, katholische Christen heißen dürfen“) .
Die oft vorgetragene Idee, dass die Christianisierung des Imperium Romanum zu seinem Untergang im Westen führte oder diesen zumindest gefördert habe (betont bei Edward Gibbon in seinem Werk „The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire“ und in der Folge immer wieder von diversen Seiten aufgenommen, heute jedoch von der historischen Forschung als widerlegt betrachtet), wird natürlich alleine durch die Tatsache hinfällig, dass sich das später dezidiert christliche Oströmische Reich bis ins 15. Jahrhundert behaupten konnte, auch wenn es anfangs nicht in dieser Form existierte.
Denn Kaiser Konstantin förderte zwar das Christentum, aber sein Konstantinopel wurde nicht als eine Art „christliches Rom“ gegründet, wie man manchmal zu lesen bekommt. Die traditionellen paganen Riten bei der Gründung der Stadt wurden ebenso selbstverständlich beachtet, wie die Renovierung von paganen Tempeln gefördert wurde.
In Hoc Signo Vinces… oder Götterdämmerung?
Wie konnte es nun zu einer solch breiten Akzeptanz eines ursprünglich so kleinen Kultes wie des Christentums und schließlich sogar zu seiner Erhebung zur Staatsreligon im Römischen Reich kommen?
Neue Heiden und Müll an alten Stätten

Ausgebrannte Plastik-Öllichter, leere Sektflaschen und Grillreste sollte man nach dem Ritual aus dem Tempel entfernen
Wir haben ja gar nichts dagegen, daß Angehörige aller Glaubensgemeinschaften in den alten römischen Tempeln feiern und dort ihre Rituale abhalten. Ob Wicca, Germanen oder Hexen – die Tempel, als heilige Orte mit einer ganz besonderen Atmosphäre, sind schließlich für alle da.
Wofür wir allerdings überhaupt kein Verständnis haben ist, daß wir uns mittlerweile (insbesondere nach Jahreskreisfesten) bei einem Tempelbesuch gezwungen sehen, gleich einen Müllsack mitnehmen zu müssen, um die rituellen Hinterlassenschaften diverser Gruppierungen aufzusammeln.
Am gestrigen Wochenende waren wir nach der Winterpause seit langem mal wieder in den römischen Matronentempeln von Zingsheim und Pesch.
In Pesch wurde (von Münzen, Steinkügelchen oder Muscheln einmal abgesehen), fast nur „vergängliches“ Opfergut hinterlegt, wie Blumen, Kürbisse, Tannenzapfen und Zweige. Ob zu güldenen Kugeln zusammengerollte Alufolie, wie sie um Süßigkeiten gewickelt ist, eine gute Opfergabe ist, um sie einer Matrone in den Schoß zu legen, ist fragwürdig. Immerhin befinden sich diese Tempel tief im Wald und die Opfergaben können (oder sollen) von Tieren gefressen werden. Ich glaube nicht, daß Kügelchen aus goldener Alufolie sonderlich bekömmlich sind.
In Zingsheim jedoch, wo – den Dekorationen und Opfergaben zufolge – ganz offensichtlich irgendeine neuheidnische Gruppe (vermutlich zur Tagundnachtgleiche) ein größeres Ritual abgehalten hat, löste der Anblick des Tempels bei uns eher Irritation bis Verärgerung aus. Es ist ja noch unproblematisch, daß man dort Stoffbänder in Bäume und an die vier Ecken der Cella bindet, auch wenn dies nach einiger Zeit ziemlich zerfleddert aussieht. Auch kann man ja durchaus seine Opfergaben auf den Weihesteinen hinterlassen,wie Räucherwerk, Schalen mit Früchten, Tannenzweigen, Münzen und Muscheln, Granatäpfeln und anderen Pflanzen, wie wir sie dort vorgefunden haben.
Was allerdings nicht akzeptabel ist: Da das Ritual offenbar bei Abend oder Nacht stattgefunden hat, standen überall verkokelte und leere Plastik-Grablichter herum, die durch den Wind natürlich auch in der Gegend herumgeblasen wurden. Plastikmüll in der Cella ist nicht sonderlich ansprechend. Genauso wenig wie herumliegende leere Sektflaschen und andere Zeugen eines wilden Festes.
Auch muß es nicht sein, daß die Weihesteine über und über mit Wachs – und, schlimmer noch, dieser Ölmischung aus den Grablichtern -bekleckert werden. Kein anderer Besucher will mit Wachs beschmierte Matronen oder Götterstatuen sehen und außerdem tut das den Weihesteinen auch nicht sonderlich gut. Wir verbrachten einige Zeit damit, die öligen Wachsreste wieder abzuknibbeln, ohne dabei den Stein zu beschädigen.
Also, wenn Ihr schon nach barbarischer Sitte in römischen Tempeln feiert, dann bitten wir Euch eindringlich, danach zumindest alles mitzunehmen, was aus Plastik oder anderen unvergänglichen Materialien besteht (wie Alufolien-Kugeln) und von Tieren gefressen werden könnte.
Wir wissen nicht, ob Ihr glaubt, daß die ausgebrannten Kerzen und Öllichter nach einigen Wochen „von selbst“ aus dem Tempel wandern und sich in Luft auflösen. Sie tun es nicht. Es gibt auch keine Priester mehr, die (wie in römischer Zeit) regelmäßig die Opfergaben abräumen und entsorgen. Nein, sie werden einfach von Wind und Wetter durch die Gegend geblasen und fliegen dann im und um den Tempel herum, bis sich jemand erbarmt und sie aufsammelt und wegwirft.
Keiner will Eure leeren Alkoholflaschen und Müllreste rund um das Feuer entsorgen und Ihr wollt schließlich auch einen ansprechenden, sauberen Ritualplatz vorfinden. Und wenn Ihr schon mit Kerzen auf und in den Weihesteinen arbeitet, dann seht zumindest zu, daß sie nicht überlaufen und alles mit dicken Wachsschichten beschmieren.
Deswegen an dieser Stelle ein super innovativer Tipp von uns – und zwar gratis! Es wäre überaus freundlich und sicher nicht zuviel verlangt, wenn Ihr einfach eine Rolle Müllbeutel mit zu Eurem Ritual nehmt und Euren Müll danach einsammelt.
Denn es kann ja nun nicht angehen, daß der römische Cultor jedes Mal beim Tempelbesuch einen Müllbeutel mitnehmen muß, um die Überreste Eurer Festivitäten zu entsorgen. Das fördert weder die gegenseitige Toleranz, noch wird es die Götter sonderlich erfreuen, wenn man sie erst mit großem Tamtam anruft, und danach ihren Tempel als Plastik- und Flaschenmüllkippe hinterläßt.
Verbindlichen Dank für Eure Aufmerksamkeit.
Nachtrag:
Das ist die aktuelle Ausbeute unseres Tempelbesuchs im Oktober:

Daß Elektro-Grablichter 2 dicke Batterien enthalten, die im Wald nichts verloren haben, scheint unbekannt zu sein

Durchdringend riechende Pfirsich-Duftteelichter verbreiten nicht nur chemische Gerüche, auch die Wachsflecken sehen nicht gerade einladend aus
https://incipesapereaude.wordpress.com/2014/03/19/kultpraxis-auspizien-im-romischen-cultus/