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Auf den Spuren von Sirona und Apollo-Grannus durch den Hunsrück

Sirona mit Sternendiadem, Palla, Schlange und Schale mit Eiern

Sirona mit Sternendiadem, Palla, Schlange und Schale mit Eiern

Heute möchten wir Euch auf einen Ausflug in den Hunsrück mitnehmen: Von der Ausoniusstraße zum Sirona- und Apollo-Grannus-Quellheiligtum von Hochscheid!

Einleitung: Antike Stätten?

Unser heutiger Reiseartikel fällt etwas aus dem Rahmen, denn es geht zwar um eines der wichtigsten und größten gallo-römischen Quellheiligtümer, aber einige Stationen auf unserer Reise fallen nur im weiteren Sinne unter die Kategorie „Antike Stätten„.

Daher stellte sich uns die Frage: wie gehen wir mit Orten um, die sich zwar auf eine antike Stätte beziehen (wie ein Pavillon im römischen Stil, in dem originalgetreue Repliken der Standbilder von Sirona und Apollo-Grannus aus dem Quellheiligtum bei Hochscheid stehen), die aber erst in der jüngeren Vergangenheit errichtet wurden?

Für den Cultor, das heißt, den heutigen Praktizierenden der Religio Romana, kann auch ein solcher Ort vom Numen der hier dargestellten Gottheiten erfüllt sein und als Tempel, Wegeschrein und Ort der Verehrung genutzt werden. Deswegen haben auch solche Orte für uns eine Berechtigung und gehören unserer Ansicht nach auch in die Auflistung „römischer Stätten“ auf unserer Website.

Gleichzeitig wollen wir bei unseren Ausflugszielen keine neue Kategorie einführen, auch, da die Grenzen nicht immer scharf zu ziehen sind, denn immerhin stehen die von uns bereisten Sirona- und Apollo-Grannus-Schreine in der unmittelbaren Umgebung des einstigen Quellheiligtums und erfahren heute durch Einheimische Pflege und Wertschätzung, dienen gleichzeitig dazu, die Erinnerung an eine so wichtige Pilgerstätte des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. wachzuhalten und archäologisch interessierten Besuchern Informationen zu vermitteln.

Blick vom Höhenrücken bei Belginum zum Moseltal und in die Eifel

Blick vom Höhenrücken bei Belginum zum Moseltal und in die Eifel

Insofern macht es eigentlich keinen Unterschied, ob sich (wie z.B. im Matronentempel in Nettersheim) originalgetreu replizierte Weihesteine an der originalen Stelle direkt neben den Fundamenten des alten Umgangstempels befinden, oder ob originalgetreu replizierte Statuen aus der Cella eines leider nicht mehr erhaltenen Heiligtums so nah wie möglich an die Originalstelle gebracht wurden, um dort die Bedeutung dieses Ortes zu würdigen. Die ganze, über 1000-jährige römische Geschichte hindurch wurden ständig neue Tempel und Orte für Götter errichtet, und auch heute laden wir wie damals die verschiedenen Gottheiten und anderen Wesen, wie Laren, Genius oder Juno, ein, in unserem heimischen Lararium Platz zu nehmen.

Wenn heute also neue Heiligtümer errichtet werden, selbst wenn sie eher der touristisch-archäologischen Wissensvermittlung dienen, als religiösen Zwecken, gibt es keinen Grund dafür, diese als „modern“ abzulehnen, das wäre eine absolut unrömische Haltung – wenn die Götter Gefallen daran finden und regelmäßig dort Wertschätzung erfahren (selbst durch christliche Einheimische, die Blumen vor ihre Statuen stellen), dann akzeptieren sie diesen Ort wie jeden anderen Tempel, Wegeschrein oder Hausschrein, der für sie errichtet wird. Und Sirona wird im Hunsrück tatsächlich noch heute sehr geehrt und ihre Pavillons werden nicht nur von römischen Heiden, sondern auch von Heiden anderer Richtungen besucht (z.B. von Celtoi, keltischen Rekonstruktionisten (CR) aber auch von Vertretern eines allgemeinen Neopaganismus verschiedenster Richtungen, wie z.B modernen Hexen, Vertretern der sog. Göttinnen-Spiritualität etc.).

Willkommen im östlichen Gallien, im Land der Treverer!

Willkommen im östlichen Gallien, im Land der Treverer!

Deswegen soll dieser Reisebericht ein Kompromiss sein: Er ist zwar in der Kategorie „Antike Stätten“ gelistet, folgt in seinem Aufbau aber nicht dem üblichen Schema. Stattdessen möchten wir Euch heute eine kleine Reiseroute vorschlagen, auf der Ihr selbst auf den Spuren der gallo-römischen Heilgötter Sirona und Apollo-Grannus wandeln könnt und auch Gelegenheit habt, Euch mit Anliegen an diese beiden Gottheiten zu wenden und ihnen Opfergaben darzubringen – etwas, was die Menschen, die vor uns in dieser Region unterwegs waren resp. hier lebten, seit alters her getan haben.

Als Bonus streift unsere Route auch einige „echte“ antike Stätten in situ und zwei Archäologische Parks. Dabei schlagen wir einen weiten Bogen von der vor-römischen, keltischen Vergangenheit des vom Stamme der Treveri bewohnten Teil Ostgalliens bis in die römische Spätantike.

Übersicht über unsere Reiseroute auf google Maps

Die Reise ist mit dem Auto an einem Tag gut und ohne Hektik zu bewältigen. Wer die Stätten zu Fuß erwandern will, zum Beispiel über den hier verlaufenden „Sirona-Weg“, sollte zwei Tage einplanen.

Hintergrundinformation: Das Quellheiligtum von Hochscheid

Die keltischen Hügelgräber im Gräberfeld von Belginum

Die keltischen Hügelgräber im Gräberfeld von Belginum

Bevor wir mit unserer Reisebeschreibung beginnen, ein paar Worte, um die Bedeutung des gallo-römischen Quellheiligtums von Hochscheid darzustellen.

Hochscheid liegt im Hunsrück am Fuße des 745 Meter hohen Idarkopfes im Landkreis Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz. Ganz in der Nähe verläuft die Hunsrückhöhenstraße, eine Bundesstraße, die hier noch heute der alten römischen Fernstraße zwischen Trier (Augusta Treverorum) und Bingen (Bingium) folgt. Die zweispurig ausgebaute „Ausoniusstraße“ aus römischer Zeit war eine wichtige Schnellreiseroute, die die zweitgrößte Stadt des Reichs – Trier – mit dem Rhein verband und dadurch in der Verlängerung über Bingen bis nach Mainz reichte, das als Mogontiacum eine wichtige Provinzhauptstadt am Rhein war.

Ein wichtiger Handelsknotenpunkt auf dieser Schnellstraße durch den Hunsrück war die Siedlung vicus Belginum, die ein Zentrum des Fernhandels auf dieser West-Ost-Achse war, durch den Waren aus dem Mittelmeerraum und dem westlichen Gallien bis hoch in den Norden transportiert wurden, wie Olivenöl aus Spanien und Afrika. Gleichzeitig gelangten über Händler regionale Produkte und hier anstehende Rohstoffe wie der hochwertige Hunsrück-Schiefer und Metalle in den Süden und Westen des Reichs.

Im keltisch-römischen Gräberfeld von Belginum

Im keltisch-römischen Gräberfeld von Belginum

Der vicus Belginum zeichnete sich durch reges Markttreiben, Handel, Pferdewechselstationen, Herbergen und Tavernen aus – sprich, er bot alles, was ein Fernreisender benötigte. Daneben gab es hier einen großen Tempelkomplex mit Kulttheater und mehreren Umgangstempeln, in denen unter anderem die gallo-römische Göttin Epona verehrt wurde, die Schutz auf Reisen gewährte, aber auch eine Patronin aller war, die mit Pferden zu tun hatten. Sie war eine der wichtigsten Gottheiten der hier lebenden Treverer.

Daneben gab es in Belginum alle Arten von Handwerkern, die an einer solchen Fernstraße ein Geschäft machen konnten: Sattler, Wagen- und Radmacher, Schmiede.

In etwa 5 km Entfernung dieses vicus befand sich das Quellheiligtum beim heutigen Ort Hochscheid. Es war ein überregional bedeutsames Pilgerheiligtum, zu dem man oft von weither pilgerte, um Heilung von Krankheiten zu erbitten.

Überblick über die Gebäude des Quellheiligtums von Hochscheid (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)

Überblick über die Gebäude des Quellheiligtums von Hochscheid (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)

In ihm wurde das keltische Götterpaar Sirona und Grannus – zwei Heilgötter – in ihrer gallo-römischen Form als Sirona und Apollo-Grannus verehrt, wie durch Weiheinschriften, aber auch gut erhaltene Statuen und Figuren einwandfrei belegt ist. Diesen Ort kann man sich wie ein Kur- oder Heilbad vorstellen: es gab Umgangstempel, Heilquellen, Pilgerherbergen, Priesterwohnungen und Wandelgänge. Beheizbare Becken erlaubten es, Heilbäder zu nehmen, aber auch Trinkkuren wurden durchgeführt. War eine Heilung erfolgreich oder wurde ein Anliegen erhört, pilgerte man erneut dorthin, um sein gegebenes Versprechen einzulösen, das zum Beispiel in der Stiftung einer Weihetafel bestand, oder darin, eine unbenutzte Münze zu opfern oder in der Opferung kleiner Terrakottefiguren, Schmuck oder anderer Weihegaben. Die Größe und Art der „Bezahlung“ für die geleistete Hilfe richtete sich nach den finanziellen Mitteln der Hilfesuchenden und dem kulturellen Kontext.

Denn der Tempelkomplex wurde sowohl von einheimischen Kelten aus dem ganzen Hunsrück, Eifel- und Moselraum aufgesucht, die den Ort wahrscheinlich schon in vorrömischer Zeit als Quellheiligtum nutzten (daher auch die dort verehrten lokalen, keltischen Gottheiten und keine römischen Äquivalente wie Aesculapius oder Hygieia), als auch von zugezogenen oder durchreisenden Römern oder Besuchern aus anderen Teilen des Reichs.

Beide Heilgötter spielten in der gallo-römischen Mischform der hier praktizierten Religion eine große Rolle; überall in der Region, in Hunsrück, Eifel- und Moselraum, finden sich Quellheiligtümer und Widmungen für Sirona alleine oder in Kombination mit Apollo-Grannus.

Rekonstruktion der Pilgerherberge

Rekonstruktion der Pilgerherberge

Der Tempel im Quellheiligtum war ein Umgangstempel, wie er typisch für den gallo-römischen Kulturraum ist (südlich der Alpen ist diese Form nicht üblich, es gibt ihn nur nördlich der Alpen bis hoch nach Britannien). Er trägt den speziellen keltischen Kultbedürfnissen Rechnung, indem die Gottheit in einer zentralen Cella verortet wird (dargestellt durch ein oft überlebensgroßes Standbild), die von Gläubigen nicht betreten wird. Um die Cella herum gibt es einen überdachten Säulengang (als offener Portikus) oder einen geschlossenen Umgang. In diesem wird von den Gläubigen die Cella umrundet oder umschritten, woher auch die Bezeichnung „Umgangstempel“ stammt.

Dieser Umgangstempel war nach römischem Geschmack weiß verputzt und wahrscheinlich mit dem örtlichen Schiefer gedeckt, wie die meisten Gebäude in dieser Region.

Das Quellheiligtum wurde im Jahr 1939 bei der Erschließung von Quellen für die örtliche Wasserversorgung entdeckt. Es lag in 645 Metern Höhe. Das Zentrum bildete der quadratische Umgangstempel, in dessen Cella sich eine gemauerte Vertiefung aus Sandstein- und Quarzitblöcken fand, aus der eine Quelle des hier fließenden Koppelbachs trat. Im Gegensatz zu sonstigen Umgangstempeln, war das Betreten der Cella hier nicht nur erlaubt, sondern sogar zum Schöpfen des Wassers erforderlich. Im Brunnen wurden zahlreiche Becherscherben und Scherben anderer Trinkgefäße gefunden.

Blick auf das Grabungsgelände, bevor es verschüttet wurde

Blick auf das Grabungsgelände, bevor es verschüttet wurde

Ab 1962 wurde die Stätte durch das Landesmuseum Trier archäologisch genauer untersucht. Hierbei kamen die wahren Dimensionen des Tempelkomplexes zum Vorschein: eine Pilgerstätte mit angeschlossenem Kur- und Heilbad. Durch die unmittelbare Nähe zum vicus Belginum geht man davon aus, daß dieses Heilbad als Kultstätte zum Ort gehörte.

Das große Badehaus verfügte über Kaltbad, Laubad, Heißbad, Fußwaschbecken, Ankleideräume, einen großen offenen Raum nach Südwesten, Heizräume und mehrere Räume für das Personal.

Für den Cultor interessant sind vor allem die Gottheiten, die in diesem Heilbad angerufen und verehrt wurden. Hauptgötter waren, wie bereits beschrieben, Sirona und Apollo-Grannus. Von beiden wurden sehr gut erhaltene, lebensgroße Statuen aus gelbem Sandstein im Tempel gefunden, deren Attribute eindeutig zuzuordnen sind (die Originale befinden sich heute im Landesmuseum Trier): Sirona trägt ihr Sterndiadem, ein langes Gewand, um ihren Arm schlägelt sich eine Schlange, deren Kopf in einer Schale in ihrer Hand endet, in der sich drei Eier befinden – eine typische Darstellung. Apollo-Grannus ist auf klassisch-römische Art als nackter Jüngling dargestellt, der sich auf eine Kithara stützt, das ihm zugeordnete Musikinstrument, und neben ihm liegt ein Greif. Ihre Namen sind zudem durch Weihealtäre und Inschriften belegt, die Pilger im Tempel hinterlassen haben.

Der Umgangstempel

Der Umgangstempel mit Außen-Altar

Ein Altar, der vom freigelassenen Sklaven Tiberius Claudius Reburrus gestiftet wurde, ist Apollo geweiht. Ein zweiter Altar enthält eine Weiheinschrift für Apollo-Grannus und „Sancta Sirona“.

Neben diesen beiden Hauptgottheiten wurden etwa 30 kleine Terrakotten als Opfergaben gefunden. Hierbei waren folgende zweifelsfrei bestimmbar (die anderen waren so bruchstückhaft, daß eine Zuordnung nicht vorgenommen werden konnte): Merkur, Apollo mit Kithara, Silvanus mit Hiebmesser an einem Baum, Minerva, Diana, Venus, Fortuna mit Füllhorn, mehrere sitzende Muttergottheiten oder Matronen mit auffälligem Kopfschmuck, die auf ihrem Schoß Tiere oder kleine Kinder halten.

Das Wasser schöpften die Pilger mit Glasflaschen oder Tongefäßen; zu den bemerkenswertesten Funden gehört die Unterseite einer Glasflasche, in die ein kleiner Merkur geprägt ist.

Vor dem Tempel stand ein Altar aus Sandstein, der – wie die anderen Steine des Tempels – aus dem in der Region anstehenden Sandstein der Tholeyer Schichten (Unterrotliegendes) stammt. Altäre standen immer außerhalb des Tempels vor der Cella, so daß jeder sie für seine Kulthandlungen nutzen konnte, denn Religion und damit verbundene kultische Handlungen waren in der römischen Kultur eine öffentliche Angelegenheit für jeden und wurden – von Mysterienkulten einmal abgesehen – nicht versteckt oder im Geheimen fernab der Augen anderer praktiziert – was im Übrigen auch der Grund dafür war, das die neuen Mysterienkulte vom römischen Staat und von den Vertretern der angestammten römischen Religion oft beargwöhnt wurden.

Rekonstruktionszeichnung des Quellheiligtums (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)

Rekonstruktionszeichnung des Quellheiligtums (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)

Die erste Fassung der Quelle wurde auf die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert, als auch die erste Herberge errichtet wurde. Weitere Umbauten und Erweiterungen der Anlage erfolgten im 2. Jahrhundert, hier unter anderem erwähnenswert die Erbauung des großen Heilbades. Auch an der in Fachwerktechnik gebauten Herberge wurden in dieser Zeit großangelegte Erweiterungen vorgenommen, an denen abzulesen ist, daß die Pilgerströme nicht mehr von die bisherigen Unterkünfte aufgenommen werden konnten. Die Wände der Herberge waren bemalt und es gab Holzfußböden. Auch bezeugten die Ausgrabungen verschiedene Qualitätsstufen der Gästezimmer – gefunden wurden einfache Sammelräume bis hin zu Luxuszimmern, so daß Pilger aller Gesellschaftsschichten entsprechend ihrem Stand und ihrem Geldbeutel übernachten konnten.

Die Blüte des Quellheiligtums von Hochscheid lag im 2. Jahrhundert n. Chr.. Im Laufe des 3. Jahrhunderts zeigten sich erste Verfallserscheinungen, die einerseits auf das harsche Klima im Hunsrück zurückzuführen sind – der 645 Meter hoch gelegene Tempel im Idarwald war im Winter oft durch Schnee von der Außenwelt abgeschnitten. Andererseits bedingt durch die ab dem 3. Jahrhundert einsetzenden Germaneneinfälle, als etwa die Alamannen die Region heimsuchten, was dazu führte, daß die Bevölkerung abwanderte. Es gab zahlreiche sicherere und besser zu erreichende Quellheiligtümer in der Region (zum Beispiel die Bäder von Aachen, Aquae Granni, oder die Thermalquellen von Bad Bentrich – Bentriacum). Auch das nahe Belginum wurde durch Germaneneinfälle gebeutelt. Nach dem 3. Jahrhundert geriet das Heiligtum in Vergessenheit und wurde offenbar nicht mehr aufgesucht.

Der Tempelkomplex verfiel, wurde aber nie von Germanen verwüstet, weil er wahrscheinlich zu abgelegen lag. Eine mutwillige Zerstörung der Anlage fand erst später statt, wahrscheinlich im Zuge der Christianisierung, indem Statuen zerstört und die Quelle verstopft und damit zum Überlaufen gebracht wurde. Das ganze Gebiet wurde überflutet, so daß sich über dem Tempel ein Hochmoor bildete. Diesem haben wir es allerdings zu verdanken, daß die Statuen bei ihrer Entdeckung in einem so guten Erhaltungszustand waren.

Heute ist vom Tempelkomplex nichts mehr zu sehen, da das ganze Gelände nach dem Abschluß der Grabungen und Untersuchungen wieder zugeschüttet wurde, um die Fundamente zu konservieren und vor Witterung zu schützen. Es gibt keine Beschilderung oder Beschriftung, so daß der Ort heute im Gelände nicht mehr erkennbar ist.

Auf den Spuren von Sirona und Apollo-Grannus rund um Hochscheid

Der Archäologiepark Belginum sollte die erste Station sein

Der Archäologiepark Belginum sollte die erste Station sein

Wer heute die Gegend des ehemaligen Quellheiligtums besucht, sollte mit der Reise im Archäologiepark Belginum beginnen. Hier gibt es gute Hintergrundinformationen zur Bedeutung der Region, die schon in keltischer Zeit ein wichtiger Verkehrsweg und Handelszentrum war. Ein Highlight ist hier das fast 800 Jahre lang kontinuierlich genutzte keltische und römische Gräberfeld vor Belginum, das mit seinen über 2500 Gräbern den Wandel der Bestattungsbräuche von der keltischen zur gallo-römischen Epoche zeigt. Insbesondere die alten keltischen Hügelgräber sind sehenswert.

Eine ausführliche Beschreibung des Archäologieparks Belginum mit praktischen Tipps zur Anreise findet Ihr in unserem Belginum-Artikel!

Nach einem Besuch von Belginum empfiehlt sich die Weiterfahrt zum 5 km entfernten Dorf Hochscheid. Hierzu muß man nur der Hunsrückhöhenstraße weiter folgen, Hochscheid ist der nächste Ort.

Hochscheid

Die Göttin Sirona auf dem Dorfplatz von Hochscheid

Die Göttin Sirona auf dem Dorfplatz von Hochscheid

In Hochscheid gibt es in der Ortsmitte eine lebensgroße, detaillierte Replik der im Quellheiligtum gefundenen Statue der Sirona. Sie steht an der Kreuzung der Hauptstraße mit der Römerstraße, in der Nähe der Bushaltestelle und schräg gegenüber der Gaststätte „Römerstube“ (ja, man pflegt sein römisches Erbe im Hunsrück 😉 ). Parken ist am Wegesrand möglich, hier ist nicht sonderlich viel Verkehr.

Die Statue steht in einem Holzunterstand, wo sie vor Regen geschützt ist. Darin hängt auch eine kleine Informationstafel, die leider sehr verwittert ist und eine Generalüberholung vertragen könnte. Sie ist eine verkleinerte Kopie der Informationstafel zum Quellheiligtum Hochscheid des Fernwanderwegs „Sirona-Weg“, die in der Umgebung aber noch mehrere Male zu finden ist.

Das Wappen von Hochscheid bezieht sich auf das Quellheiligtum: Kithara und Lorbeer des Apollo über dem Wasser der Quelle

Das Wappen von Hochscheid bezieht sich auf das Quellheiligtum: Kithara und Lorbeer des Apollo über dem Wasser der Quelle

Uns gefiel gut, daß die gepflegte und schön inszenierte Statue hier im Dorf offenbar Respekt genießt. Eine Pflanzschale mit frischen, leuchtenden Blumen steht neben der Göttin, so daß man sieht, daß das Dorf sein römisches Erbe pflegt. Das Wappen des Dorfes zeigt die Attribute des Apollo-Grannus, die Kithara und Lorbeer, darunter das Wasser der Quelle.

Nach dem Besuch der Sirona im Inneren des Ortes folgt man der Hauptstraße weiter nach Süden aus dem Ort hinaus, in Richtung Stipshausen. Die Straße schlägelt sich etwa 8 Kilometer durch den dichten Hunsrückwald.

Sirona-Hütte an der Landstraße nach Stipshausen

Hier, an der Landstraße, etwa auf halber Strecke zwischen beiden Dörfern, befindet sich die sogenannte „Sirona-Hütte„. Ab dem Ortsausgang Hochscheid sollte man seine Augen offenhalten und den Waldrand auf der linken Seite beobachten. Immer wieder zweigen Forstwege und Wanderwege ab, von denen man sich nicht beirren lassen darf. Es empfiehlt sich, nicht mit Vollgas über diese Straße zu brettern, da man das nächste Ziel auf der Reise sonst leicht übersieht, da es etwas versteckt liegt. Langsames Fahren ist aber auch kein Problem, wir waren die einzigen Autofahrer weit und breit auf dieser entlegenen Landstraße.

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Götterwelt: Apollo-Grannus

Darstellung mit Krug und Heilwasser (Bonn, Rheinisches Landesmuseum)

Darstellung mit Krug und Heilwasser (Bonn, Rheinisches Landesmuseum)

Herkunft, Zuständigkeiten, Bezeichnungen:

Apollo-Grannus ist ein gallo-römischer Heilgott, der gallischen Ursprungs ist.

Grannus galt als einer der am weitesten verbreiteten keltischen Götter. In der Interpretatio Romana wurde er mit Apollo gleichgesetzt und erfuhr weite Verehrung auch im Römischen Reich.

Bei den Kelten war Grannus (auch Granus Mogounus Amarcolitanus) ein Gott, der mit Quellen, Heilbädern, Mineral- und Thermalquellen und der Sonne assoziiert wurde. Die heißen Thermalquellen von Aachen (Latein: Aquae Granni, „Wässer des Grannus“) wurden schon vor den Römern (nachweisbar ab der Hallstatt-Zeit, 6. Jahrhundert v. Chr.) von den Galliern zu Heilzwecken benutzt.

Während es aus keltischer Zeit keine Darstellungen oder schriftlichen Aufzeichnungen zu diesem Gott gibt, existieren aus römischer Zeit zahlreiche Inschriften, Weihesteine und Darstellungen, die die Beliebtheit und weite Verbreitung dieses Gottes demonstrieren. Das Hauptverbreitungsgebiet lag im Bereich des östlichen und nördlichen Galliens mit einem kultischen Schwerpunkt im Raum Aachen, wo sein Zentralheiligtum vermutet wird.

Auch sind Inschriften und Weihesteine unter anderem aus Arnhem, Alzey, Augsburg, Bonn, Rheinzabern, Speyer, Trier und Bitburg bekannt. Im bayerischen Faimingen an der Donau (Phoebiana) stand ein großer römischer Apollo-Grannus-Tempel, der von Kaiser Caracalla im Jahre 212 errichtet worden war. Wie der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio im 77. Buch seiner „Römischen Geschichte“ berichtet, war Caracalla während des Krieges gegen die Alamannen erkrankt (er ging davon aus, von germanischen Zaubersprüchen und Zaubern krank gemacht worden zu sein) und reiste nach Aachen, um dort „den keltischen Gott Apollo-Grannus“ um Heilung zu bitten. Daneben suchte er auch (allerdings vergeblich) die Kultstätten von Serapis und Asklepius auf.

Apollo und Sirona aus einem Quellheiligtum im Hunsrück

Apollo und Sirona aus einem Quellheiligtum im Hunsrück

Apollo-Grannus ist auch aus anderen römischen Provinzen bekannt. Inschriften fanden sich von der Donau bis nach Schottland, in Elsaß und Vogesen, von Spanien bis nach Ephesus, in Österreich, Ungarn, England und Rumänien. Ein großes Kultzentrum wird auch im Trierer Tempelbezirk im Altbachtal vermutet.

Viele der Tempel, wie der erst kürzlich entdeckte Tempel bei Neuenstadt am Kocher in Baden Württemberg, sind typisch gallo-römische Umgangstempel. Oft sind sie an Quellen und Heilbäder angeschlossen, in denen Kultbäder und Trinkkuren durchgeführt wurden.

Daneben gibt es Hinweise auf besondere Feste, die diesem Gott zu Ehren gefeiert wurden. Eine Inschrift aus dem 1. Jahrhundert aus Limoges weist auf ein Fest hin, das 10 Nächte lang dauerte:

POSTVMVS DV[M]
NORIGIS F(ilius) VERG(obretus) AQV
AM MARTIAM DECAM
NOCTIACIS GRANNI D(e) S(ua) P(ecunia) D(edit)

Übersetzung:

„Vergobretus Posthumus, Sohn des Dumnorix, stiftete von seinem eigenen Geld die Aqua Martia (Wasser des Mars, wahrscheinlich ein Aquädukt) für das zehn Nächte dauernde Fest des Grannus.“

Auch das Amphitheater des französischen Ortes Grand (dessen Name sich möglicherweise von Grannus herleitet) war Apollo-Grannus gewidmet.

Begleiter:

Apollo Grannus-Tempel in Faimingen, gestiftet von Kaiser Caracalla

Apollo Grannus-Tempel in Faimingen, gestiftet von Kaiser Caracalla

Eine häufige Begleiterin des Gottes ist die gallische Heil- und Quellgöttin Sirona, deren Ikonographie von der Göttin Hygieia übernommen wurde, die allerdings ihren Eigennamen behielt und unter diesem auch von den Römern verehrt wurde. In zahlreichen Inschriften treten Sirona und Apollo-Grannus als Paar auf, auch gibt es Tempel und Quellheiligtümern, die beiden gewidmet sind (unter anderem in Hochscheid, Augsburg, Bitburg, Rom und Baumberg sowie das Sironabad bei Nierstein am Rhein).

Weitere Begleiter, die aus Inschriften bekannt sind, sind Quellnymphen, Diana, Hygieia und Kybele (Faimingen), Sol (Grand in Frankreich), Mars, Serapis und Isis (Astorga).

Attribute und Darstellungen:

Weihestein für Apollo-Grannus

Weihestein für Apollo-Grannus

Darstellungen aus vor-römischer Zeit sind nicht bekannt, da erst mit den Römern die bildliche Darstellung von Göttern in keltischen Gebieten Einzug hielt. Wie Apollo, so wird auch Apollo-Grannus häufig als Kithara-spielender Jüngling dargestellt. Dabei ist er häufig nackt oder nur mit einem Mantel bekleidet, der an seinem Rücken befestigt ist und über seinem Unterarm hängt. In einigen Darstellungen ist er gelockt und steht mit gekreuzten Beinen da. In der anderen Hand, die bei figürlichen Darstellungen oft nicht erhalten ist, hält er wahrscheinlich ein Plektrum, mit dem er das Instrument spielt.

Auch die Darstellung mit einem Krug, aus dem Wasser fließt, wie aus dem Altbachtal in Trier, zeigt ihn als einen Gott der Heilquellen.

Weiterführende Informationen:

Götterwelt: Lenus-Mars

Zuständigkeiten, Herkunft, Bezeichnungen:

Schreibweisen: Lenus, Laenus

(Moderne) Holzstatue des Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

(Moderne) Holzstatue des Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Der gallo-römische Heil- und Stammesgott Lenus des keltischen Stammes der Treverer war einer der wichtigsten und bedeutsamsten einheimischen Götter im Eifel- und Moselraum bis nach Luxemburg. Seine Bedeutung in diesem Teil Galliens war so groß, daß sein Kult sich bald auch großer Beliebtheit unter den Römern erfreute. Im römischen Reich verbreitete sich Lenus-Mars auch über das Stammesgebiet der Treverer hinaus, was Weiheinschriften in Britannien belegen.

Im romanisierten Gallien wurde Lenus durch die Interpretatio Romana mit dem römischen Gott Mars identifiziert, was zu seiner Ausprägung als Lenus-Mars führte. Die besondere Bedeutung des Gottes ist auch durch die ungewöhnliche Tatsache ersichtlich, daß sein gallisches Epitheton zuerst genannt wird, während es ansonsten bei romanisierten Göttern üblich war, zuerst den römischen Namen zu nennen („Apollo Grannus“, „Merkur Cissonius“, „Jupiter-Ammon“).

In seiner Hauptfunktion ist Lenus-Mars ein Heilgott. Für ihn gab es gewaltige Heiligtümer mit medizinischen Heilquellen in Trier (der Kaiserstadt Augusta Treverorum, die seinerzeit die zweitgrößte Stadt des römischen Reichs war – deswegen auch „Rom des Nordens“ genannt) und auf dem Martberg (Mons Martis, „Marsberg“) an der Mosel. Beide Tempel wurden im römischen Reich zu überregional bedeutsamen Pilgerstätten, ihre Orte waren aber schon zu keltischer Zeit bedeutsame Heiligtümer. Das Quellheiligtum in Trier („Am Irmenwingert“) war schon vor der römischen Zeit ein religiöses Zentrum der Treverer, in dem neben dem Stammesgott Lenus auch Iovantucarus (in der Interpretatio Romana ebenfalls mit Mars gleichgesetzt), Ancamna (eine gallo-römische Quellgöttin) und die Xulsigiae (dreifache gallo-römische Quell- und Fruchtbarkeitsgöttinnen), später auch die Göttin Victoria verehrt wurden.

Ortschaften wie Cardena (das heutige Treis-Karden an der Mosel) am Fuße des Martbergs entstanden und blühten durch den Pilger-Tourismus. Cardena war ein Töpferort, in dem sich eine Töpferei an die nächste reihte, um in Massenproduktion Opfergaben wie billige Öllämpchen und Votivfiguren des Lenus-Mars zu produzieren. Auch das verdeutlicht die große Bedeutung dieses Heilgottes.

Weihestein für Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Weihestein für Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Nach römischer Sitte wurden an den einheimischen Heiligtümern steinerne Tempelanlagen errichtet. Beim Tempel auf dem Martberg handelt es sich um einen typisch gallo-römischen Umgangstempel, der die keltische Kultpraxis integrierte, ein Heiligtum zu umschreiten und dadurch die Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung zu erhöhen. Die gallo-römische Kultanlage in Trier gilt in der Archäologie als „treverisches Nationalheiligtum mit monumentaler Ausstattung“. Neben Pilgerherbergen, Prozessionsstraße, Bädern, Tempel und Schreinen gab es sogar ein Kulttheater, das bei Kultfesten der Darstellung von Göttermythen diente.

Weitere Fundorte sind Welschbillig und Mersch (Luxemburg), wo der Militärtribun gleichzeitig die Funktion des Lenus-Mars-Priesters ausübte.

Lenus-Mars wird, trotz seiner Identifikation mit Mars, in erster Linie als Heilgott angesprochen. Neben Gesundheit, Heilung von Krankheiten und Verletzungen ist er auch generell für Glück und gutes Schicksal zuständig. Die Identifikation mit dem kriegerischen Mars und die Darstellung mit Rüstung, Schild und Speer wird so gedeutet, daß er seine Waffen und Kraft benutzt, um Krankheiten zu bekämpfen und abzuwehren, als auch vor Krankheit und Tod zu schützen.

Neben den Heiligtümern mit Heilquellen und Bädern belegen auch die Inschriften auf Weihetafeln die Funktion als Heilgott. Auf einem Weihestein auf dem Martberg bedankt sich Tychikos dafür, daß er von einem schweren Leiden geheilt wurde.

Eine Deutung des Ursprungs des Namens „Lenus“ liegt in den keltischen Worten „li-n-a“ („schmutzig, verschmutzen“), „li-no“ (Eiter), „li-no“ (Leinen) und „linomn“ (reinigen, entfernen). All diese Worte sind mit Wunden und Wundinfektionen assoziiert sowie dem Behandeln und Verbinden dieser Wunden. Der Ursprung des Lenus wird deshalb in einem Gott angenommen, der für die Heilung und Reinigung (infizierter) Wunden zuständig war, was seine Bedeutsamkeit sowohl für die ländliche Bevölkerung als auch für das Militär erklärt.

Attribute und Darstellungen

Neben Weiheinschriften wurden auch Statuen und Figuren des Lenus-Mars gefunden. Eine Bronzestatuette vom Martberg zeigt ihn als klassischen Krieger mit korinthischem Helm, Speer, Schild und Rüstung. Ein Relief aus Chedworth, Britannien zeigt ihn mit Axt und Speer.

Das Sockelfundament einer Statue aus Britannien zeigt, daß Lenus von einem großen Vogel begleitet wurde, möglicherweise einer Gans. Weitere Funde aus dieser Region belegen eine Verbindung des Gottes mit einer widderköpfigen Schlange, was ebenfalls als Symbol seiner Funktion als Heilgott gedeutet wird.

Opfergaben

Opfergaben für Lenus-Mars, gefunden auf dem Martberg (Stiftsmuseum Treis-Karden)

Opfergaben für Lenus-Mars, gefunden auf dem Martberg (Stiftsmuseum Treis-Karden)

Zahlreiche Funde auf dem Martberg zeigen, daß der keltische Opferbrauch, Münzen und Schmuck zu opfern, auch zu römischer Zeit fortgesetzt wurde. Es wurden Tausende von Münzen, Fibeln und Schmuckgegenständen gefunden. Daneben hielt der römische Brauch Einzug, tönerne Miniaturgefäße (wie Öllampen) und Figuren zu opfern, wovon zahlreiche Tonscherben zeugen.

Nach erfolgter Heilung war es unter wohlsituierteren Bürgern üblich, einen Weihestein zu stiften, auf dem man seinen Dank zum Ausdruck bringt (wie man es noch heute von Weihetafeln aus katholischen Kirchen kennt („Maria hat geholfen“).

Sonstiges

Während von der Tempelanlage in Trier nichts mehr zu sehen ist, wurde der Tempel auf dem Martberg teilrekonstruiert. Der Umgangstempel wurde komplett wieder aufgebaut und auch von innen im römischen Stil bemalt. Es gibt eine (moderne) Holzstatue des Lenus-Mars sowie einen Weihealtar, auf dem Opfergaben, vor allem Münzen, abgelegt werden können (und werden). Auf dem Bergrücken, der einst ein bedeutendes keltisches Oppidium war, sind neben den römischen Tempelgebäuden auch rekonstruierte keltische Bauten in einen kleinen archäologischen Park integriert. Für weiterführende Informationen empfehlen wir Euch unseren Artikel zum Martberg.