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Einleitung: Römisches Essen und Trinken
In loser Folge wollen wir in unserem Blog Rezepte für römisches Essen und Trinken veröffentlichen, denn natürlich darf auch auf unserem Tisch ein kräftiges Moretum oder ein würziger Mulsum nicht fehlen 🙂
Vorher möchten wir Euch jedoch einen kurzen Überblick darüber geben, was in der römischen Antike überhaupt gegessen und getrunken wurde. Und woher wissen wir das überhaupt?
Über 1000 Jahre römische Esskultur
Das Römische Reich existierte über 1000 Jahre lang und erstreckte sich in seiner Blütezeit von Afrika bis Britannien, von Spanien bis in den Nahen Osten. Kontakte bestanden bis nach Indien, woher Gewürze importiert wurden. Das bedeutet, daß sich die römische Küche in einer so langen Zeit natürlich auch weiterentwickelte, die Geschmäcker und Vorlieben sich veränderten. Mit jeder neuen Provinz kamen neue Einflüsse, neue Rezepte und Zutaten in das Reich, die bald auch in anderen Regionen beliebt wurden und die man kreuz und quer über den Kontinent transportierte.
Aus diesem Grund gibt es „die“ römische Küche nicht; tausend Jahre Esskultur lassen sich ebensowenig zu ein paar Rezepten und Grundregeln zusammenfassen wie tausend Jahre mittelalterliche und neuzeitliche Essgewohnheiten in Mitteleuropa aus der Zeit Karls des Großen bis zur industriellen Revolution.

Die Bratwurst ist keine deutsche Erfindung – sondern die Lukanische Wurst war schon zu römischer Zeit ein beliebtes Fastfood!
Was wir jedoch feststellen können, unabhängig von der betrachteten Epoche römischer Geschichte, ist, was es in der römischen Küche zu keiner Zeit gab: es gab keine Pizza, keine Pasta, keine Tomatensauce, keine Kartoffelgerichte, keine Gerichte mit Truthahn oder Mais und keine Gerichte mit Paprika. Völlig unitalienisch und nicht das, was wir uns heute als „typisch mediterran“ vorstellen! Der einfache Grund dafür war, daß Amerika noch nicht entdeckt war und man deswegen keine Produkte aus der Neuen Welt kannte.
Das hieß aber nicht, daß die römische Küche nicht vielseitig war, ganz im Gegenteil. Römer liebten vor allem intensive Geschmackserlebnisse und starke Würzungen. Hierbei kombinierten sie auch gerne verschiedene und gegensätzliche Geschmacksrichtungen, wie süß und salzig oder sauer miteinander. Intensiver Gebrauch von Gewürzen gehörte ebenso dazu wie der nahezu durchgehende Gebrauch von Garum, dem sogenannten „Römer-Maggi“, das sich in nahezu allen Rezepten findet und als Würze jeden Essens nicht wegzudenken war.
Woher wissen wir, was die Römer aßen?
Bevor wir uns im Detail damit beschäftigen, was in der römischen Geschichte auf den Tisch kam, bleibt die berechtigte Frage: woher wissen wir das alles überhaupt?
Es gibt zweierlei Quellen für die römische Küche: archäologische Befunde und schriftliche / bildliche Quellen.
Die Archäologie, mit ihren Hilfswissenschaften Zoologie und Paläobotanik, liefert uns einen guten Einblick in die Speisepläne im römischen Reich, sowohl in der Hauptstadt als auch in den Provinzen. So wurden zum Beispiel auf den großen Gutshöfen, Großbauernhöfen (villa rustica), zum Beispiel bei uns, in der gallischen Provinz, in den Küchenabfällen viele Hinweise darauf gefunden, was auf den Tisch kam. Neben Tierknochen aller Art fanden sich auch Getreidereste, Pollen und Pflanzenreste, sowie andere Abfälle wie Austernschalen, die uns Aufschluß über die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner geben.
Weitere wichtige Informationen gibt es aus dem städtischen Umfeld, vor allem aus sehr gut erhaltenen archäologischen Stätten wie Pompeji, aus dem uns allein 30 Bäckereien samt erhaltener Brotlaibe überliefert sind. Kuppelbacköfen wurden an zahlreichen Orten in Italien und in den Provinzen gefunden, daneben Amphoren mit Flüssigkeiten wie Wein, Garum und Olivenöl. Küchenzubehör, Schalen, Werkzeuge, Kessel, Töpfe, Pfannen, Backöfen, Herde geben Aufschluss darüber, wie Nahrung zubereitet wurde. Große Getreidemühlen, die von Eseln oder Wasserkraft bewegt wurden sind ebenso erhalten wie die Handmühlen der Legionäre. So kennen wir die Getreidesorten, die bevorzugt gegessen wurden, ebenso wie die bevorzugten Weisen, das Getreide zuzubereiten.
Vor allem aus der vulkanische Osteifel sind zahlreiche römische Steinbrüche bekannt, in denen die Mühlsteine abgebaut wurden (wie das Mayener Grubenfeld). Von hier aus wurden sie – vor allem über den Rheinhafen in Antunnacum (dem heutigen Andernach) – in das ganze Reich exportiert. Vor allem der Mayener Mühlstein war überregional bekannt, da seine Qualität so gut war, daß er sowohl zu runden Mühlsteinen verarbeitet wurde, als auch für Handmühlen verwendet wurde. Minderwertigere Steine führten dazu, daß beim Getreidemahlen immer auch Gesteinskrümel ins Mehl kamen, die dem Essen eine gewisse Knirschigkeit verliehen und die Zähne schädigen konnten.
Uns sind sogar die Namen und Kennzeichen von Bäckern oder Garum- und Olivenölherstellern bekannt, die ihre Zeichen auf Broten und Amphoren hinterließen, so daß auch Handelswege und Verbreitung bestimmter Produkte gut nachvollzogen werden können.

In der römischen Antike gab es Großbäckereien. Hier eine rekonstruierte große Getreidemühle, die von einem Esel angetrieben wurde (Saalburg)
Auch die Analyse menschlicher Ausscheidungen, wie sie in Pompeji gemacht wurden, war überaus informativ: der Vesuv konservierte den Kot quer durch die Bevölkerungsschichten, von arm und reich und verschiedenen Berufsgruppen und brachte eine erstaunliche Erkenntnis: es wurde quer durch alle Schichten gut, vielseitig und abwechslungsreich gegessen – das kann man natürlich nicht auf das ganze römische Reich übertragen, denn es bildet nur den Ausschnitt einer wohlhabenden, modernen römischen Stadt ab und es mag in der Provinz im Norden ganz anders ausgesehen haben. Die Informationen, die diese Analysen brachten, decken sich aber mit den anderen Befunden darüber, was im römischen Reich auf der Speisekarte stand.
Neben den archäologischen Quellen haben uns die Römer selbst vielfältige schriftliche Aufzeichnungen darüber hinterlassen, was sie gegessen und getrunken haben. Zum einen existieren komplette Inventarlisten (u.a. von Händlern und beim Militär) über bestellte Lebensmittel, die uns Aufschluß über die Menge und die Nahrungsmittel geben, die zum Beispiel eine Legion verbrauchte.
Es existieren viele Erwähnungen von Speisen und Informationen über die Zubereitung von Speisen, über Tischsitten, Anbaumethoden und angebaute Produkte sowie über Viehzucht und Kleintierhaltung, unter anderem im dreibändigen Werk „über die Landwirtschaft“ (Res rusticae) von Varro, „vom Landbau“ (de agri cultura) von Cato und die satirisch übertriebene Schilderung eines Fressgelages (Cena Trimalchionis) von Petronius. Römer übernahmen auch ältere Anbaumethoden und Produkte (zum Beispiel von den Griechen und Etruskern) und entwickelten sie weiter, zum Beispiel den Anbau von Spargel oder Wein.
Daneben ist uns aus der Antike etwas erhalten geblieben, was uns den perfekten Einblick in die (gehobenen) römischen Ernährungsgewohnheiten der Kaiserzeit bietet: eine Sammlung von ca. 400 Kochrezepten, De re coquinaria, die auf Caelius Apicius zurückgeführt wird. Der Text stammt aus dem 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr.. Da jedoch mehrere Römer dieses Namens bekannt sind, die allesamt als Feinschmecker bekannt waren, wird in der heutigen Forschung davon ausgegangen, daß diese Rezeptsammlung keinen einzelnen Autor hat, sondern über die Jahre gesammelt und immer wieder erweitert wurde. Auch sind die Rezepte im „Apicius“ nicht unbedingt das, was der normale Einwohner tagtäglich auf dem Tisch hatte, sondern sie fallen schon unter die Haute Cuisine der Römerzeit – die Küche der Reichen und Schönen zu besonderen Anlässen.