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Kultpraxis: Rituale am Lararium – Einleitung
Inhalt
- Rituale am Lararium – Einleitung
- Praktische Tipps, Tricks und Hinweise zur Durchführung eines Rituals im Larenkult
- Übersicht über die Larariums-Rituale
Weiterführende Infos auch in unserem Artikel: Anleitung zur Errichtung eines Larariums
Rituale am Lararium – Einleitung
Das Lararium und der damit verbundene Larenkult ist ein Grundpfeiler der Kultpraxis in der römischen Religion. Es ist ein zentraler Ort im Haushalt und spielt eine ebenso zentrale Rolle im Alltagsleben der Bewohner.
In der römischen Kultpraxis werden zahlreiche Handlungen, die Teil des Larenkults sind, sowohl vor dem Lararium als auch an anderen festgelegten Orten des Haushaltes vorgenommen. Nicht alle werden täglich praktiziert, einige finden nur zu besonderen Anlässen statt, andere können flexibel nach dem eigenen Zeitplan oder den eigenen Bedürfnissen täglich oder nur an bestimmten Tagen durchgeführt werden.
Im modernen Cultus spielt dieser zentrale Teil römischer Glaubenspraxis eine grundlegende Rolle; die Errichtung eines Larariums ist für den angehenden Cultor oft der erste (und beste) Einstieg in den römisch-heidnischen Rekonstruktionismus. Die lateinischen Formeln, die am Lararium gesprochen werden, sowie die Handlungen, die dabei durchgeführt werden, sind auf der Grundlage historischer Quellen rekonstruiert und werden möglichst exakt durchgeführt, da die Wahrung einer festen, vorgeschriebenen Form im römischen Cultus als extrem wichtig gilt.
Dies gilt jedoch vor allem im staatlichen, öffentlichen Cultus; daß im Privatkult in jeder Familie des Reichs, in jeder Provinz, von Rom bis Britannien, von Gallien bis Afrika die exakt gleichen Gebete verwendet wurden, ist höchst unwahrscheinlich. Tatsächlich gehen die Indizien eher dorthin, daß innerhalb einer Familie bestimmte Gebetsformen und Handlungen tradiert wurden, diese sich aber durchaus schon von den Formulierungen der Nachbarn unterscheiden konnten. In der Sacra Privata stehen dem Cultor deshalb größere Freiheiten zur Verfügung, die sich jedoch immer im bekannten rituellen Kontext und Ritualaufbau bewegen sollten.
Lediglich im Staatskult, der dem Wohle und Erhalt des römischen Staates und Volkes galt, war die absolute und strikte Einhaltung von Formulierungen, ja, bis zur kleinsten Handbewegung Pflicht. Versprach sich der Ritualleiter, verkleckerte der Diener etwas, verspielte sich der Musiker, wurde das Ritual abgebrochen und von vorn begonnen.
Im privaten Cultus, der auch von einfachen Leuten bis hin zu Sklaven praktiziert wurde, richtete man sich mit Anliegen auch ohne Kenntnis „offizieller Formulierungen“ an den Gott, der gerade zuständig war, ohne daß man jetzt Cato und Cicero gelesen hatte und wußte, wie im fernen Rom gebetet wurde. Es ist also durchaus legitim und auch römisch, eigene Gebete und Anrufungen zu verfassen, wenn man sich mit einem Anliegen an einen Gott wendet, sofern die Handgriffe und einzelnen Teile eines Rituals vorkommen und eingehalten werden und man auch die gängigen Floskeln einbaut, die überliefert sind.
Hinweis zum Latein der Ritualtexte
Wichtig ist der Hinweis, daß uns leider keine vollständigen Rituale aus der Antike erhalten sind; es gibt nur Bruchstücke, einzelne Formeln und Gebete. Die hier verwendeten Rituale wurden deshalb im Laufe der Zeit innerhalb des Cultus auf der Grundlage der vorhandenen Informationen rekonstruiert in einer „möglichst wahrscheinlichen“ Art und Weise, die die erhaltenen Texte und Formulierungen integriert.
Deswegen sind einige Formulierungen in einem archaischen Latein verfasst, wie z.B. im Morgenritual zu finden: zum Beispiel lautete der archaische Plural Genitiv „meum parentum“ und nicht, wie im klassischen Latein „meorum parentum“. Da das für heutige Lateiner irritierend sein kann (oder sich sogar fehlerhaft anhört), haben wir die klassische Variante in Klammern hinzugefügt; welche Version gewählt wird, steht dem Cultor frei.
Das Morgenritual
Insbesondere das tägliche Morgenritual, das bereits alle wichtigen Grundelemente eines römischen Rituals umfaßt (capite velato, Libation, Räucherung, Speiseopfer, bis hin zum Gebrauch der lateinischen Sprache), ist für Einsteiger sehr gut geeignet, um Routine in der religiösen Praxis zu bekommen und sich an die Handlungen, Bewegungen und das Aussprechen lateinischer Formeln zu gewöhnen.
Mit dem Morgenritual bittet man um Schutz und um einen guten Verlauf des Tages, trägt seine Anliegen für den Tag vor und ehrt Götter, Ahnen und Schutzgeister des Hauses (Laren und Penaten) mit Aufmerksamkeit. Es ist das wichtigste Ritual vor dem Lararium.
In der Antike wurde das morgendliche Ritual vom Hausherrn, dem Paterfamilias, mit der versammelten Familie (inklusive der anderen Bewohner, wie Bedienstete und Sklaven) vor dem zentralen Lararium des Haushaltes durchgeführt. Bei Zeitmangel oder Abwesenheit konnte er jedoch jede andere Person bestimmen, stellvertretend für ihn den Ritus durchzuführen.
Daneben gab es „private“ Lararien in anderen Räumen, zum Beispiel im Schlafzimmer, an denen der jeweilige Bewohner seinen eigenen Ritus durchführte und seine Anliegen für den Tag vortrug (oder sich abends für den Tag und erfolgreiche und angenehme Ereignisse bedankte).
Der morgendliche Ritus ist schnell und unkompliziert auszuführen und dauert im Idealfall (in der hier beschriebenen kurzen Form) nur maximal zehn Minuten, so daß er sogar problemlos sogar vor der Fahrt zur Arbeit durchgeführt werden kann.
Eine Erweiterung dieses Ritus um zahlreiche weitere Kulthandlungen, wenn man den Wunsch danach verspürt und die Zeit dafür hat, ist beliebig möglich. Daneben können auch andere Götter (die man – aus Platzgründen – ebenfalls im Lararium verehrt oder für die man ein eigenes Sacrarium errichtet hat), in den morgendlichen Ritus einbezogen werden, was flexibel und unkompliziert möglich ist. So hat man auch ihnen die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet, die man als Verpflichtung mit der Einrichtung eines heiligen Ortes für eine bestimmte Gottheit übernimmt und kann gleich auch seine Anliegen an die Götter für den Tag vortragen.
Hierbei muß allerdings beachtet werden, daß man – gleich, welche Götter man zusätzlich anruft -, immer als erstes Janus nennt und immer auch Vesta miteinschließt (die als letztes genannt wird).
Ist man zeitlich wirklich nicht in der Lage, täglich morgens ein kurzes Larariums-Ritual durchzuführen, sollte man dies zumindest an den Kalenden, Nonen und Iden jedes Monats versuchen. Grundsätzlich gehören die Laren und Penaten im römischen Verständnis zur Familie, da jedes verstorbene Familienmitglied zu den Manen (di manes) geht, welche oft mit den Laren (di lares) gleichgesetzt wurden. Dies bedingt, dass der Umgang mit ihnen auch familiärer war, als mit den Göttern so daß das tägliche Ritual am Lararium auch oft schlichter gehalten wurde. Ein vollständiges Ritual mit feststehenden Rezitationen, in capite velato wurde deswegen an normalen Tagen oft nicht durchgeführt, sondern eben an den Kalenden, Nonen und Iden, sowie an besonderen Feiertagen, darunter z.B. auch den Geburtstagen Verstorbener. Der tägliche Dienst am Lararium war ein symbolisches Teilen des Mahls, ein Trankopfer, ein freies Gebet – wichtig war und ist die tägliche Aufmerksamkeit, die man diesem spirituellen Fokus des eigenen Heims zukommen lässt.
Denn Vernachlässigung und mangelnde Aufmerksamkeit, sowohl für das Lararium als auch für Götter, denen man sich evtl. verpflichtet hat, sind im Cultus denkbar ungünstig und können im schlimmsten Fall dazu führen, daß sich die Götter und Geister ihrerseits auch nicht mehr an die Einhaltung von Verpflichtungen gehalten fühlen und den Ort nicht mehr aufsuchen (die Vernachlässigung von Göttern galt schon in der Antike als Unglück bringend, so daß hinter vorgehaltener Hand sogar die Einführung des Christentums als Staatsreligion und das damit einhergehende Verbot der alten Religion – und die damit verbundene Vernachlässigung der alten Götter – als eine der Ursachen für den Untergang des Römischen Reichs verantwortlich gemacht wurde). Titus Maccius Plautus hat in seiner Komödie Aulularia (Der Goldtopf) das Thema aufgegriffen, wie ein vernachlässigter Larendienst Unheil über die Bewohner eines Hauses bringen kann.
Neben dem Morgenritual (dem man, wenn man wirklich nur die Gelegenheit hat, eine Kulthandlung pro Tag auszuführen, immer den Vorzug geben sollte), gibt es weitere tägliche Kulthandlungen im Privatkult, die man zum Beispiel nach dem Aufstehen, beim Waschen vor dem eigentlichen Morgenritual, durchführen kann, sowie Rituale beim Verlassen des Hauses, bei der Heimkehr nach Hause, während der Einnahme der Mahlzeiten, oder ein Abendritual am Lararium, bei denen man sich für den Tag bedankt.
Davon unbenommen sind zusätzliche Rituale, zum Beispiel anläßlich von Familienfeiern, Geburtstagen, Geburt und Tod und an speziellen Feiertagen, sowie Rituale für Götter und Göttinnen, die nichts mit dem Larenkult zu tun haben. Inwieweit und wie oft man diese Rituale durchführt, bleibt Privatsache.
In dieser Reihe stellen wir Anleitungen für Larariums-Rituale vor, die zu den verschiedenen Anlässen abgehalten werden können.
Praktische Hinweise, Tipps und Tricks zur Durchführung eines Rituals im Larenkult
- Capite Velato: das verhüllte Haupt
Rituale im Larenkult werden im Ritus Romanus und damit capite velato, d.h. mit verhülltem Haupt durchgeführt. Der Sinn der Bedeckung des Hauptes (die von Männern wie Frauen gleichermaßen durchgeführt wird), ist weniger Respekt oder ein anderer kultureller Grund, wie man es aus anderen Religionen kennt, sondern ganz praktischer Natur: die Verhüllung dient als Schutz vor negativen Zeichen und Omen, die während des Rituals ansonsten aus dem Augenwinkel wahrgenommen werden könnten.
Im Idealfall wird das Ritual in Toga bzw. Palla durchgeführt, die über den Kopf gezogen werden kann. Nun trägt man aber relativ selten derart aufwendige Kleidungsstücke, schon gar nicht morgens vor der Arbeit, so daß hier eine pragmatische Alternative gewählt wird (wer in Stimmung ist und Zeit hat, dem sei die Durchführung eines Rituals in vollem römischen Ornat jedoch unbenommen).
Es wird aber nicht erwartet oder vorausgesetzt, daß der Larenkult (der ein täglicher Alltagskult war und sich in das Leben von beschäftigten Leuten mit wenig Zeit integrieren mußte), mit derartigem Aufwand betrieben wird, ganz im Gegenteil wäre ein solcher Aufwand – zumindest für den Alltagskult – eher unüblich. Auch war der Larenkult von den höchsten aristokratischen Kreisen bis zu den einfachsten, ärmsten Bewohnern des Reichs verbreitet, die mit vielen Personen in finsteren, engen Mietskasernen hausten und weder Toga noch ein aufwendiges Lararium besaßen. Hier gilt deswegen wieder der römische Grundsatz des Pragmatismus.
Zwar kann jedes Tuch verwendet werden, das geeignet ist, das Haupt zu verhüllen. Für die Durchführung der Rituale empfiehlt es sich jedoch, sich ein spezielles Tuch zu kaufen, das nur kultischen Zwecken dient und nicht in der Freizeit noch als Schal oder Handtuch verwendet wird. Das hilft auch dabei, sich mit dem Hervorholen dieses Tuches und dem Verhüllen des Hauptes in eine entsprechende Stimmung zu versetzen.
Hierbei sind der farblichen Phantasie zwar keine Grenzen gesetzt, wir bevorzugen jedoch einfarbige Tücher in gedeckten Farben oder in weiß, eventuell noch mit einem farbig abgesetzten Rand, anstatt mit bunt-grell gestreiften, modernen Mustern – auch, um sich gemäß dem Anspruch des römischen Rekonstruktionismus um römische Zurückhaltung und Würde zu bemühen, anstatt um modische Gimmicks (Neonfarben zum Beispiel sind ein absolutes no-go).
Das Tuch muß nicht schwer und lichtundurchlässig sein; ein einfaches leichtes Tuch, wie man es als Schal oder Halstuch trägt, erfüllt vollkommen seinen Zweck. Wer besonders authentisch sein möchte, kann beim Material darauf achten, etwas zu wählen, daß es bereits zu römischen Zeiten gab (also keine Synthetik oder Baumwolle), aber da Römer sich auch nicht dem technischen Fortschritt verschlossen, ist ein Baumwolltuch heute vollkommen ausreichend.
Das Tuch wird erst glatt über die Schultern gelegt, so daß es auch die Hälfte der Oberarme bedeckt, wie eine Art Umhang oder Schultertuch. Dann wird einfach der Teil des Tuchs, der auf dem Rücken liegt, bis über den Kopf hochgezogen. Das sorgt für eine einfache und dennoch stilvolle Bedeckung des Hauptes.
Das Haupt wird vor dem Beginn des Rituals verhüllt, so daß man bereits mit verhülltem Haupt vor das Lararium tritt. Das Tuch wird nicht erst dort hochgezogen.
- Vorbereitung des Trankopfers (Libation)
In einem Ritual des Larenkults werden in der Regel zwei Dinge benötigt: ein Trankopfer (Wein) und ein Speiseopfer.
Beim Wein spielt es keine Rolle, ob es sich um Rot-, Rosé- oder Weißwein handelt. Auch ist nicht notwendig, daß für das Opfern der edelste und teuerste Tropfen verwendet wird; einfacher Wein erfüllt seinen Zweck. Denn, wie schon Plutarch in „Numa“ schrieb, wird nicht erwartet, daß Opfergaben übertrieben kostspielig sind und gar die eigenen Mittel übersteigen, (“…sondern aus Mehl, Wein und den am wenigsten kostspieligen Opfergaben bestehen“, Plutarch, Numa 8.8).
Wer ohnehin immer eine offene Flasche Wein im Kühlschrank stehen hat oder plant, eine Flasche Wein im Anschluß oder am Abend ohnehin zu leeren, füllt davon vor dem Ritual etwas in die Flasche, aus der später das Trankopfer gegossen wird (Gutus).
Wer den Wein extra für die Libation verwendet, für den bietet sich an, die heute überall (z.B. bei Aldi) erhältlichen kleinen 25 cl-Weinfläschchen, die recht günstig zu haben sind, zu kaufen. Diese reichen für das Trankopfer mehrerer Tage, sind aber klein genug, daß der Wein nicht übergeht, wenn man ihn nicht abends weitertrinken möchte. Außerdem sind sie preisgünstig und in mehreren Sorten erhältlich.
Der Wein wird vor dem Ritual in die Flasche oder Kanne gefüllt, die für das Trankopfer bestimmt ist. Hierbei empfiehlt es sich, um Flecken zu vermeiden, den Wein in der Küche einzufüllen, idealerweise mit einem Trichter, denn es ist zu vermeiden, Wein zu verschütten. Es genügt, so viel Wein einzufüllen, wie später in die Opferschale paßt, in die der Wein gegossen wird. Die Flasche muß nicht randvoll gemacht werden.
Die volle Flasche wird anschließend zum Lararium mitgenommen und dort für das Ritual bereit gestellt; nach dem Ritual wird die gefüllte Schale nach draußen getragen und die leere Flasche gespült. Sie sollte nicht leer beim Lararium stehenbleiben, sondern sofort gespült werden, damit sich keine Weinreste festsetzen oder im Sommer gar Fruchtfliegen angezogen werden.
Der Wein wird nach dem Ritual idealerweise zum Teil getrunken und zum Teil draußen auf den Erdboden gegeben. Ist das Trinken nicht möglich, weil man danach z.B. noch mit dem Auto zur Arbeit fährt oder man keinen Alkohol trinken darf, wird alles draußen verschüttet. Ideal ist ein Verschütten auf Erdboden, bei Pflanzen oder Bäumen oder in Beeten oder Büschen oder Wald anstatt auf einen zuasphaltierten Grund. Ein Hof oder Garten, der zwar mit Steinen gepflastert ist, zwischen denen jedoch noch das Versickern von Flüssigkeiten möglich ist, ist ebenfalls ausreichend. Ist das Verschütten nicht möglich (weil man zum Beispiel im zehnten Stock eines Hochhauses wohnt und es nicht aus dem Fenster auf den asphaltierten Parkplatz gießen möchte), muß alles getrunken werden; den Wein anschließend in den Ausguß zu kippen, gilt als nicht angemessen.
- Vorbereitung des Speiseopfers
Es galt als übliche Vorstellung, daß die Laren und Penaten an den Mahlzeiten teilnahmen.
Alles, was versehentlich zu Boden fiel, gehörte automatisch den Laren. Ansonsten sind für sie typische Speiseopfergaben der zuvor beschriebene Wein, Getreide und Trauben.
Für die Penaten ist es ausreichend, ihnen etwas von dem „abzugeben“, was ohnehin gerade auf dem Tisch ist (nach dem Ritual wird es verzehrt, damit es nicht verkommt). Sollte es – zum Beispiel beim Morgenritual – noch zu früh für Frühstück sein, wird ihnen Nahrung zum Opfern bereitgestellt. Hierbei ist für die Penaten vor allem Wein, Milch, Ritualkuchen oder Ritualbrot gut geeignet.
Es ist für ein tägliches, kurzes Morgenritual nicht nötig, ausschweifende Opfergaben zu suchen oder gar selbst herzustellen. Zwar ist es schön, selbst Opferbrot nach altem römischen Rezept zu backen und dieses dann am Lararium anzubieten. Hat man aber nicht die Zeit oder Gelegenheit dazu, können auch Speisen des alltäglichen Gebrauchs aus der eigenen Küche angeboten werden. Auch hier gilt: Pragmatisch sein. Muß man für das morgendliche Speiseopfer erst aufwendige Vorarbeiten leisten oder spezielle Geschäfte aufsuchen, wird man bald die Lust verlieren und immer seltener ein Ritual durchführen. Dabei tut es im Zweifelsfall auch ein Stück Toastbrot aus dem eigenen Vorrat. Denn die Laren und Penaten brauchen gar keine Sonderbehandlung, sondern sind mit den Speisen zufrieden, die man selbst auch ißt.
Wer es gerne stilvoller mag, kann ganz einfache, dünne Opferbrote (im Stile von Oblaten) selbst aus einer Mischung aus Mehl, Salz und Wasser herstellen. Zu dünnen, runden Fladen gewalzt (etwa in der Größe von Backoblaten) und zehn Minuten im Ofen gebacken, sind schnell hergestellt, halten ewig und machen natürlich mehr her als eine halbe Scheibe Toast (sie sind auch die Vorläufer der in der Kirche verwendeten Hostie in Oblatenform).
Auch aufwendigeres Opferbrot, das mit Olivenöl, Honig und anderen Zutaten gebacken wird, kann natürlich auch im Lararium verwendet werden, es ist allerdings sinnvoller, das für Rituale am Sacrarium zu verwenden, wenn man es Göttern und Göttinnen opfert (die oft aufwendigere Opfer verlangen).
Einfachheit und Pragmatismus am Lararium sind keine Schande, sondern helfen, das Morgenritual effizient und unkompliziert durchzuführen. Es ist nicht zu befürchten, daß die Hausgeister und Ahnen zürnen, wenn man ihnen nur ein Stück Weißbrot oder eine Backoblate opfert, als wenn man ihnen mit Mola Salsa rituell gebackene Brote reicht.
Wie lange die Speise nach dem Ritual auf dem Lararium liegenbleibt, kann individuell entschieden werden. Wenn es verderbliches Essen ist, das von einer aktuellen Mahlzeit abgegeben wurde, wird es im Anschluß sofort verzehrt. Ist es ein trockenes Opferbrot, eine kleine Flade, eine Oblate, kann sie bis zum nächsten Opfer liegenbleiben. Manche Cultores ziehen es vor, diese Speisen direkt nach dem Ritual oder vor dem Beginn des nächsten Rituals zu verzehren.
Ist es ein speziell gebackenes Opferbrot, das (geschmacklich) nicht unbedingt zum Verzehr geeignet ist, oder ist es so hart, daß man es nicht essen kann, so wird es nicht in den Müll geworfen, sondern draußen dort deponiert, wo Vögel es finden und fressen können. Brote aller Art nach dem Ritual draußen zu entsorgen und es damit Vögeln zugänglich zu machen (die als Boten der Götter gelten und deren Zeichen übermitteln), ist generell wünschenswert, allerdings nicht immer möglich. Auch ist eine Entsorgung dort in Ordnung, wo das Speiseopfer, sei es Brot oder Frucht, zurück in den natürlichen Kreislauf gelangt und anderen Tieren als Nahrung dient, zum Beispiel im Kompost.
Auch kann das Speiseopfer (oder Teile davon) auf dem Altar verbrannt werden, wenn man die Möglichkeiten dazu hat.
Die zu opfernden Speisen werden, zusammen mit dem Wein, vor dem Ritual zum Lararium gebracht und dort deponiert. Nach dem Ritual sind alle Reste und Krümel aus den entsprechenden Gefäßen und im Lararium selbst zu entsorgen und dafür Sorge zu tragen, daß keine Lebensmittel im Lararium übergehen.
- Räucherungen
Im Rahmen eines Rituals am Lararium wird immer auch geräuchert. Römer liebten Räucherungen und verwendeten diese nicht nur im Lararium, sondern auch exzessiv in ihren Wohnungen, auch außerhalb eines Rituals, sowie bei allen Interaktionen mit Göttern.
Die traditionelle Räucherweise sieht den Gebrauch eines Räuchergefäßes (Turibulum) vor, das ganz nach den persönlichen Vorlieben aus Keramik, Metall oder Ton gefertigt sein kann. Darin können im Rahmen des Rituals auf Sand und Kohle Weihrauch, Kräuter, Harze und Teile von Speiseopfern verbrannt werden. Wie aufwendig man eine solche Räucherung gestaltet, bleibt einem selbst überlassen, wichtig ist, daß man Rauch erzeugt, der „nach oben steigt“ und damit die Aufmerksamkeit erregt.
Für das Lararium ist kein sonderlich aufwendiges Rauchopfer mit bestimmten Zutaten notwendig, wie es zum Beispiel für ein Ritual für einen bestimmten Gott erforderlich ist, dem bestimmte Harze oder Pflanzen oder Kräuter zugeordnet sind. Laren und Penaten schätzen Rauchopfer, egal um was es sich dabei handelt, und wieder gilt die Devise: es müssen keine kostbaren, aus dem Orient importierte oder in einem Kloster handgefertigten Räucherwerke sein, die am Morgen verbrannt werden. Diese sollte man sich für besondere Anlässe oder die Götter aufheben.
Auch sollte beachtet werden, daß es zeitlich immer aufwendiger ist, erst Kohle zum Glühen zu bringen und darauf dann Harze oder andere Räucherungen zu verbrennen. Nicht zuletzt ist es allein aus Gründen der Wohnverhältnisse (empfindliche Nachbarn, Brandmelder) nicht unbedingt möglich, große Weihrauchgefäße zu füllen oder gar Speisen oder Wein innerhalb einer Mietwohnung in offene Flammen zu geben.
Hat man es morgens eilig und will nur ein tägliches Alltagsritual durchführen, spricht in der heutigen Zeit auch gar nichts gegen die schnelle Verwendung von Räucherstäbchen anstatt dem Verbrennen von anderen Materialien auf Kohle und Sand. Auch hier gilt schon wieder: Pragmatisch schauen, was zur Situation paßt. Muß ich immer erst am Morgen Kohle entzünden und dort Harze und Pflanzen verbrennen, wird das tägliche Ritual zwischen Aufstehen und Fahrt zur Arbeit schnell zu aufwendig und dadurch irgendwann vernachlässigt. Entzünde ich auf die Schnelle ein Räucherstäbchen, das ich im Anschluß an das Ritual wieder lösche, fällt es mir viel leichter, eine Konstanz und Regelmäßigkeit beizubehalten und das Ritual auch dann durchzuführen, wenn ich es wirklich eilig habe. Verwendung von Räucherstäbchen wird weder Laren noch Penaten noch Götter erzürnen.
Nur in einem speziellen Ritual, bei dem man wirklich wichtige Anliegen vorträgt oder besondere Anlässe feiern möchte, sollte einer aufwendigen Räucherung mit speziellen Materialien der Vorzug gewesen werden. Im Alltagsritus eines schnellen und unkomplizierten Rituals kann man zwar auch aufwendig räuchern, muß es aber nicht.

Praktische Alternative: Räucherstäbchen, hier in einem Tongefäß mit Schlange (die in keinem Lararium fehlen darf)
Falls für den Hausgebrauch Räucherstäbchen anstelle von „richtigen“ Räucherungen verwendet werden, empfehlen wir Räucherstäbchen der Marke Auroshika. Diese Marke zeichnet sich durch vielfältige Sorten aus, die durch die Verwendung von natürlichen Harzen, Pflanzen, Hölzern und Gewürzen sehr klare und differenzierte Aromen abgeben. Die Rohstoffe werden mit Wasser zu einer Paste gemixt, um Bambusstöcke handgerollt und an der Luft getrocknet, anstatt mit billigem Kleber zu Räucherstäbchen geformt zu werden. Deswegen sind sie durch die in Genf ansässige IFRA zertifiziert und frei von Giftstoffen, wie sie oft von anderen asiatischen Räucherstäbchen abgegeben werden. Außerdem ist die Firmenpolitik der in Indien ansässigen Firma, die ein wichtiger Arbeitgeber in der Region ist und dort sehr viele soziale Projekte fördert, sehr transparent, es wird garantiert ohne Kinderarbeit gearbeitet und die Arbeiter sind vergleichsweise gut sozial abgesichert. Durch die vielen verfügbaren Sorten dürfte für jeden Geschmack etwas dabei sein, außerdem sind sie in Deutschland gut erhältlich.
Die zweite empfehlenswerte Marke sind die Räucherstäbchen von Holy Smokes Blue Line, die ebenfalls in Indien schadstofffrei von Hand mit natürlichen Zutaten gefertigt werden und fair gehandelt sind. Auch hier gibt es viele ausgezeichnete Sorten.
Weihrauch beziehen wir persönlich direkt aus den in unserer Umgebung liegenden Klöstern wie Abtei Mariawald bei Heimbach in der Eifel oder Kloster Maria Laach am Laacher See, die beide immer einen Ausflug wert sind und vor Ort in ihren Klostershops eine gute Auswahl an Räucherzubehör, Räuchergefäßen und Räucherungen haben.
- Handhaltung und Geste
Anrufungen im römischen Ritus werden nicht, wie beim Beten im Christentum oder in der Buddhistischen Meditation, mit gefalteten, ineinander- oder aneinander gelegten Händen durchgeführt (ganz im Gegenteil ist das Falten der Hände sogar verboten, weil diese Geste bedeutet, daß man etwas zu verbergen hat und das Gesagte nicht so meint, sondern es durch das Kreuzen der Finger direkt wieder aufhebt).
Stattdessen gibt es unterschiedliche Handhaltungen bei der Ansprache von Göttern und anderen Wesen, die sich nach der Richtung orientieren, in der man den Angesprochenen vermutet. Gottheiten, die im Himmel bzw. „oben“ angesiedelt sind, werden Manu supina angerufen, d.h. mit erhobenen Händen, Handflächen leicht nach oben gerichtet, Finger zusammen und den Blick ebenfalls nach oben gewendet (Macrobius, Saturnalia 3.9.10-12, Virgil Aeneid XII.195,6).
Da im Larariums-Ritual immer auch Janus und Vesta angerufen werden, ist diese Geste immer dann zu verwenden, wenn man sich an diese beiden Götter richtet. Auch Laren werden Manu supina angerufen (Horaz, Oden III, 23).
Götter und Wesen, die der irdischen Sphäre zugeordnet sind, werden mit nach unten gedrehten Handflächen angerufen oder die Handflächen werden in die Richtung gehalten, in der sich der Altar oder Schrein oder ein anderer zugeordneter Ort befindet. Silvanus, zum Beispiel, wird mit den Händen in Richtung Wald angerufen, Neptun mit Händen in Richtung des nächsten Gewässers oder Meeres.
Analog dazu werden Götter und Wesen, die der Unterwelt zugeordnet sind (Dii Inferi), mit der nach unten gerichteten rechten Hand (Manus prona) angerufen, die über den Altar, den Boden, ein Erdloch oder eine Erdspalte gehalten wird. Das sollte im alltäglichen Larariums-Ritual keine Rolle spielen.
Opfergaben werden mit der jeweils anderen Hand dargereicht. Mit der rechten Hand werden Opfergaben an himmlische und irdische Götter oder Laren dargereicht, mit der linken Hand Opfergaben für Unterweltgötter (damit die andere Hand wie oben beschrieben die Richtung angeben kann).
Es gibt historische Darstellungen (zum Beispiel von Kaiser Marcus Aurelius), der im Rahmen eines Triumphzuges ein Trankopfer durchführt und dabei die rechte Hand geschlossen, aber Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt hält. Diese Darstellung findet sich öfter in alten Bildern, unter anderem im Kalender des römischen Kalligraphen Filocalus. Auch gibt es Darstellungen, bei denen die Opferschale (Patera) auf diese Weise gehalten wird. Diese Geste ist besonders in späteren Darstellungen häufig und weit verbreitet, aber bislang ist unklar, ob es sich um eine Gebetsgeste handelt und in welchem Zusammenhang sie verwendet wurde (sie wurde später als segnende Geste des Bischofs von den Christen übernommen).
Das Ritual am Lararium wird abgeschlossen mit der Adoratio, die zwar bei allen religiösen Praktiken gängig ist und von vielen Autoren beschrieben wird, deren genaue Durchführung aber bis heute umstritten ist. Antike Quellen (z.B. Sallustius) beschreiben zwei Kernelemente: eine Drehung des Körpers und das Küssen der rechten Hand.
Es ist die gängige Praxis, daß man, wenn man sich dem Lararium nähert oder es nach dem Ritus verläßt, zumindest die rechte Hand in Richtung des Larariums küßt. Hierbei ist jedoch nicht geklärt (und bleibt deswegen einem selbst überlassen), ob man die Innenseite der Fingerspitzen wie bei einem modernen Kuß-Zuwerfen küßt und dann in Richtung des zu grüßenden Ortes zeigt, oder ob man auf dem Handrücken den Kuß zwischen die Knöchel von Zeige- und Mittelfinger platziert und dann mit der Hand zum Altar zeigt. Da es keine definitive Antwort gibt, bleibt es dem persönlichen Geschmack des Cultors überlassen, welche Variante er bevorzugt (diese Kußgeste wird übrigens auch verwendet, wenn man an einem Altar, Tempel, Schrein oder der Statue eines Gottes vorbeigeht und diesen Ort grüßen möchte). Es ist durchaus üblich, nur die Kußgeste ohne Drehung zu verwenden (Minucius Felix, Octavius, II)
Die gesteigerte Version dieser Geste, die vor allem empfohlen wird, wenn man ein wichtiges Opfer durchführt, sich dem Grab eines Angehörigen nähert (Plutarch, Roman Questions, 14) oder ein größeres Ritual praktiziert, ist, daß man diese Kußgeste mit einer einmaligen Rotation des Körpers um die eigene Achse kombiniert (das Haupt bedeckt) und dann in Richtung des Altars oder Ortes mit der Drehung endet, um dort das Ritual durchzuführen. Die Richtung der Drehung scheint dabei keine Rolle zu spielen, Plinius weist nur darauf hin, daß bei den Galliern die Vorstellung herrscht, daß eine Linksdrehung stärker wirkt (Plinius, Naturalis Historia, 28.25).
Sofern der Raum es zuläßt, ist auch die Umrundung des Altars üblich, die gefolgt wird von der Rotation des Körpers und der Kußgeste.
- Sprache und Auswendig-Lernen
Im Ritual am Lararium wird (wie allgemein im römischen Cultus üblich) laut gesprochen, die Worte werden also nicht (wie ein stummes christliches Gebet) nur im Stillen gedacht oder leise vor sich hin gemurmelt.
Wir bieten in unseren Ritualbeschreibungen sowohl den lateinischen Text als auch die deutsche Übersetzung an. Es wird empfohlen, das Ritual auf Latein durchzuführen, da entweder davon ausgegangen wird, daß Latein die Sprache der Götter ist und diese erfreut oder wer eine mehr prosaische Begründung sucht, es die durch Tradition geadelte Kultsprache ist. Außerdem ist die Durchführung auf Latein authentischer und stimmungsvoller. Natürlich ist es auch in Ordnung, das Ritual in seiner eigenen Landessprache durchzuführen. Hier sollte aber zumindest in Erwägung gezogen werden, zusätzlich den lateinischen Text zu verwenden und die deutsche Übersetzung dann quasi für sich selbst und das bessere Verständnis hinzuzufügen.
Es ist nicht nötig, das Ritual auswendig und freihändig zu praktizieren. Es ist durchaus in Ordnung, sich die Anleitung auszudrucken und dann Schritt für Schritt abzulesen. Mit der Zeit wird man von selbst feststellen, daß man bestimmte Teile auswendig kann und immer weniger auf das Blatt schauen muß. Das Endziel sollte sein, frei zu sprechen, damit man sich auf den Inhalt und die Handlungen konzentrieren kann, wobei der Text nur noch Stütze im Hintergrund ist. Pauken der Texte sollte aber nicht nötig sein und schon gar nicht sollte man sich dadurch, daß man sie noch nicht auswendig kann, daran hindern lassen, einfach anzufangen. In alter Zeit wurden Riten grundsätzlich abgelesen, um die Gefahr eines Versprechers oder anderen Fehlers in der Rezitation zu minimieren, der das ganze Ritual ungültig gemacht hätte, so das man es von vorne beginnen musste.
Übersicht über die Rituale im Larenkult
- Tägliches Morgenritual am Lararium. Ideal für Einsteiger als erstes Ritual, das man erlernt. Götter können flexibel einbezogen werden. Minimum, das im Larenkult praktiziert werden sollte (idealerweise täglich, mindestens an Kalenden, Nonen und Iden)
- Reinigungsritual zu Reinigen und Fokussieren
- Ritual beim Verlassen des Hauses
- Ritual bei der Rückkehr nach Hause
- Abendritual
- Rituale anläßlich von Familienfeiern und anderen besonderen Anlässen im Haushalt (Umzug, Einzug, Geburt, Tod, Geburtstag)
- Rituale anläßlich der jährlichen Feiertage und Feste für Laren und Penaten
- Neujahrsritual für Janus
Götterwelt: Die Laren
Zuständigkeiten und Bezeichnungen:
Die Laren (Lateinisch: „Lares“, Singular: „Lar“) waren römische Schutzgötter oder Schutzgeister, die unterschiedliche Funktionen und Zuständigkeitsgebiete hatten. Innerhalb ihres Wirkungs- und Zuständigkeitskreises war es ihre Aufgabe, alles darin zu beobachten, zu beschützen und darauf Einfluß zu nehmen. Da Laren quasi überall ansässig waren – vom kleinsten Heim bis hin zum gesamten Staat -, war der Larenkult für den Römer von zentraler Bedeutung.
Laren werden in drei große Obergruppen unterteilt:
- Lares Familiares:
Die Lares Familiares (Singular: „Lar Familiaris“) galten als die Schutzgötter einer Familie und waren grundlegender Bestandteil der sacra privata, der privaten Kultausübung jedes Römers.

Lararium aus Pompeji. Typische Elemente: die Laren links und rechts, in der Mitte der Genius, darunter die Schlange
Sie waren Grundlage des römischen Ahnenkultes, denn sie wurden als die verstorbenen Ahnen angesehen, die auch nach ihrem Tod Teil der Familie blieben (nicht nur zwingend die eigenen Ahnen, sondern sie konnten auch ortsgebundene Geister anderer Herkunft sein). So wurden sie auch selbstverständlich in alle Familienfeiern und das tägliche Mahl eingebunden. Sie nahmen als Zeugen an allen wichtigen Ereignissen der Familie teil, an Geburten und Todesfällen, an Hochzeiten und Adoptionen (die im Römischen Reich alltäglich waren).
Die Lares Familiares brachten dem Haushalt finanziellen Wohlstand und Wohlergehen. An ihrem Schrein, dem „Lararium„, fand ein wichtiger Teil des gemeinsamen Familienlebens statt und er war sozialer Treffpunkt der Familie, selbst wenn sie sich sonst im Laufe eines Tages kaum zu Gesicht bekam. Beim Betreten des Hauses begrüßte man die Laren wie lebende Verwandte, beim Verlassen des Hauses verabschiedete man sich mit der Bitte, daß sie am Tag über einen wachten. Ihr Schrein stand für gewöhnlich in der Nähe des Herdes oder in einer Ecke der Eingangshalle. Reiche römische Familien hatten mehrere Lararien, ein repräsentatives an einem gut sichtbaren Ort wie vor dem Eingang oder in der Empfangshalle, und ein privates beim Herd oder im Schlafzimmer. Ärmere Familien hatten nur eine kleine Nische oder ein Regalbrett, das diese Funktion erfüllte.
Die Praxis der Verehrung der Lares Familiares wird immer zusammen mit der Verehrung des Genius paterfamilias, des Genius loci und der Penaten, durchgeführt, die die direkten Schutzgötter des Hausherrn und seiner engsten Familienangehörigen waren, während die Lares Familiares für alle zuständig waren, die unter seinem Dach in diesem Haus lebten, inklusive der Sklaven und Angestellten. Das „Familiaris“ bezieht sich hier also nicht auf die Familie als solche, sondern bezeichnet den Schutz dieses Geistes, den er über die Familie an ihrem Wohnort ausübt, deshalb wurden diese Laren auch Lares Domestici (Laren des Hauses) genannt. Im Gegensatz zu den Penaten, den Manen (den eigentlichen Ahngeistern) und den Genien der Familienmitglieder, die alle ihre Präsenz an die Familie resp. an Personen binden, sind die Lares loci und die Lares Familiares an den Ort gebunden, das heißt, sie konnten bei einem Umzug nicht mit umgesiedelt werden, sondern man musste sich an einem neuen Wohnort an die dort bereits präsenten Laren wenden.
Verantwortlich für die Kultpraxis im Haushalt war der Paterfamilias, das Familienoberhaupt (der allerdings aus praktischen Gründen auch die Möglichkeit hatte, bei Zeitmangel die Fürsorge für die Laren auf ein anderes Mitglied des Haushalts, Familienmitglieder oder Bedienstete, zu übertragen). Vernachlässigte man jedoch die Verehrung der Laren, so wandten diese sich ab und sorgten nicht länger für ein gutes Schicksal der Bewohner, halfen diesen nicht mehr und kümmerten sich nicht um sie, genauso wenig, wie sich die Familie um ihre Laren kümmerte.
Als absolutes Minimum sollte man zumindest an den Iden, Kalenden und Nonen jedes Monats Kulthandlungen für die Laren durchführen. Für viele Römer gehörte es aber zu den täglichen Handlungen jeden Morgen, oft auch jeden Abend, zumindest kurze Rituale am Larenschrein abzuhalten. Die Kultpraxis, um den Laren die gewünschte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ist nicht aufwendig und erfordert nur wenige Minuten am Tag, ist also sehr alltagstauglich, was typisch für die praktisch veranlagten Römer war.
- Lares Loci und Lares Publici:
Die Lares Loci („Laren des Ortes“) waren keiner bestimmten Familie zugehörig, sondern wachten über einen besonderen Ort oder Platz. Das reichte vom heimischen Lararium, in dem der Lar Loci (oft auch als Genius Loci bezeichnet) lebte, der die Stelle bewachtete, an der das Haus einst gebaut worden war (und der beim Umzug der Familie auch nicht mitzog), bis hin zu Lares Loci, die Straßen (Lares Viales), Seewege, Kreuzungen (die als gefährlich galten), öffentliche Plätze, Städte und Dörfer, Äcker (Lares Rurales), Viehherden, bis hin zum Staat und dem Militär (Lares Militares) bewachten. Die Übergänge zwischen den Lares Loci und Lares Publici sind hier fließend, weil beide Gruppen zahlreiche Untergruppen beinhalten, die sich nur in Größe der von ihnen beschützten Bereiche unterschieden.
Laren, die ganze Ortschaften bewachten, wurden auch Lares Publici genannt. Sie wurden an Kreuzungen verehrt, an denen Compitales (Kreuzungsschreine) aufgestellt waren; diese waren an nahezu allen wichtigen Kreuzungen zu finden und Teil des sozialen, politischen und religiösen Geschehens vor Ort (die in katholischen Gegenden bekannten Flur- oder Wegekreuze stehen noch in dieser Tradition). Gewartet und verwaltet wurden sie von Kreuzwegvereinen. Im Gegensatz zu anderen Gottheiten, durften darin sogar Sklaven und Freigelassene (Libertini) religiöse Funktionen ausüben, da Laren Gefallen daran hatten, wenn Sklaven für sie tätig waren. Diese Laren (zusammengefaßt als Lares Compitalicii) spielten eine so zentrale Bedeutung im Cultus, das ihnen sogar ein eigenes Fest gestiftet wurde: die Compitalia, die jedes Jahr im Winter nach den Saturnalien abgehalten wurden.
Während der Compitalia stellten alle Familien Statuen der Unterweltgöttin Mania (die als „Mater Larum„, Mutter aller Laren galt) vor die Tür, zudem wurden kleine männliche und weibliche Figuren aus Wolle an die Türen gehängt. Damit verband man die Hoffnung, daß die Laren und Mania mit diesen Figürchen zufrieden waren und die Bewohner des Hauses im Gegenzug verschonten. Sklaven opferten keine menschenähnlichen Figuren, sondern Bälle aus Wolle. Neben diesen privaten Bräuchen wurden während der Compitalia auch Theaterstücke aufgeführt, zum Teil mit recht subversivem und provokativem Charakter, denn an diesem Fest waren die Regeln gelockert und es war erlaubt, seine Meinung zu sagen. Selbst Sklaven konnten für einen Tag tun und lassen, was ihnen gefiel. Insbesondere beim einfachen Volk war dieses Fest sehr beliebt.
Auch die Stadt Rom wurde von ihren eigenen Lares Publici beschützt, die in einem zentralen Tempel verehrt wurden, genau wie auch jeder Stadtteil Roms noch einmal seine eigenen Laren mit eigenen Schreinen besaß.
Opfergaben:
Den Laren wurde Getreide, Honigkuchen, Honigwaben, Trauben, Wein und Räucherwerk geopfert. Außerdem gehörte alles, was bei Tisch versehentlich auf den Boden fiel, automatisch ihnen. Zu ganz besonderen Anlässen opferten ihnen wohlhabendere Haushalte ein Schwein (möglicherweise eine trächtige Sau).
Darstellung und Attribute:
Ursprünglich waren die Laren gestaltlos; es existieren keine Darstellungen aus frührepublikanischer Zeit. Erst in der frühen Kaiserzeit nahmen die Laren ihre heute bekannte Gestalt an (möglicherweise unter griechischem Einfluß).
Analog zur Darstellung des Zwillingspaars Romulus und Remus werden Laren oft paarweise als männliche, bartlose Jünglinge dargestellt. Sie tragen eine einfache, kurze Tunika mit Gürtel. Ihre Körperhaltung ist tanzend, entweder auf Zehenspitzen und balancierend auf einem Bein.
Eine Hand ist oft erhoben und leer, oder hält ein Rhyton, ein Gefäß für Trankopfer und deutet damit das Anbieten des Trankopfers (Libation) an. Die andere Hand trägt ein Füllhorn (Cornucopia) oder eine Opferschale (Patera) .
Lares Familiares treten im Lararium sowohl paarweise auf, wobei die Figuren spiegelbildlich dargestellt sind, oder es gibt eine einzelne Figur, die diesen besonderen Schutzgeist der Familie symbolisiert. In Malereien in antiken Lararien (wie man es zum Beispiel aus Pompeji kennt) posieren Laren oft links und rechts von einer zentralen Figur, die den Genius darstellt.
Grundsätzlich liegt dieser Anordnung aber eher eine Konvention zugrunde und keine starre Regel, die irgendwie ‚theologisch‘ begründet wäre. So findet sich im ‚Haus der roten Wände‘ (Casa delle Pareti rosse, VIII 5, 37 [dies bezieht sich auf ein System, um die Fundstellen in Pompeji konkret in Bezug auf regio, insula und domus anzugeben) in Pompeji ein grosses Lararium, an dessen Rückwand der Genius flankiert von zwei tanzenden Laren aufgemalt ist. Man fand aber davor auch zwei Bronzefiguren die Laren darstellen, die ganz offensichtlich ursprünglich im Lararium standen, so das es dort 4 Laren gab.
Bei den Lares Loci und Lares publici kann die Anzahl ebenfalls schwanken; manchmal wird nur ein einziger Lar verehrt, bei anderen Typen (wie den sehr speziellen Lares Grundules) können es bis zu 30 sein.
Der Lar loci bzw. Genius loci des Hauses, der ebenfalls im Lararium verehrt wird, wird in Form einer Schlange dargestellt, wobei es auch hier manchmal 2 Schlangen sind, die etwa ihre Köpfe über einem religiösen Symbol erheben und einander zugewandt sind.
Herkunft:
Gemeinsam mit den Lemuren und Larvae werden die Laren zu den Manes gerechnet, den Unterwelt- oder Totengeistern und damit zu den Dii inferi. Während aber die Lemuren und Larvae bösartig und rachsüchtig sind und nach ihrem Tod keine Ruhe finden, zum Beispiel, weil sie nicht angemessen bestattet wurden, gelten die Laren als die „guten“ und wohlwollenden Geister, die jedoch ihre Freundlichkeit auch verlieren können, wenn man sie missachtet.
Der Ursprung des Larenkultes ist nicht ganz geklärt, er geht wahrscheinlich bereits auf die Etrusker zurück, die einen sehr ähnlichen Haus- und Ahnenkult praktizierten. Das Wort „Lar“ stammt vom etruskischen „Lar“ oder „Larth“, was „Gebieter“ oder „Herrscher“ bedeutet.
Der mythologische Hintergrund der Laren ist sehr spärlich und es gibt keine traditionelle und systematische Theologie, die ihre Natur und ihre Funktion erklärt. Das ist der Grund, weswegen die Entwicklung der vielen verschiedenen Typen von Laren und ihrer vielen Aufgaben überhaupt erst möglich wurde. Selbst unter den römischen Autoren herrscht Unklarheit über ihre Zugehörigkeit und Natur. Sextus Pompeius Festus schrieb im 2. Jahrhundert, daß die Laren Ahnen-Genii wären (der Genius bezeichnete den individuellen Anteil der göttlichen Natur in jeder Person, Sache oder Ort). Apuleus hielt sie für wohlwollende Ahnengeister, die sowohl zur Unterwelt als auch zu festen Orten der Welt der Menschen gehörten, und nichts mit dem Genius oder auch den bösen umherwandernden Lemuren zu tun hatten. Varro bezeichnet sie als einst menschliche Geister aus der Unterwelt und damit Ahnengeister und Manen, gleichzeitig als Luftgötter, die zur Oberwelt gehörten. Tatsache ist, daß die Übergänge zwischen Laren und Genien fließend waren bzw. es Überschneidungen gibt, wie beim Genius loci.
Feiertage:
Feiertage für die Laren sind (neben den Compitalia, deren Termin schwanken konnte, aber immer nach den Saturnalien Ende Dezember-Anfang Januar lag), der 27. Juni und der 22. Dezember.
Sonstiges:
Die Larenverehrung wurde im November 392 durch den Kaiser Theodosianus I verboten, inoffiziell wurde der Kult aber noch bis in die Spätantike nachgewiesenermaßen praktiziert.
Cultus Deorum Romanorum: Einsteiger-FAQ
Auf dieser Seite sammeln wir Fragen (und natürlich auch Antworten!) zum Thema „Cultus Deorum Romanorum “ bzw. „Religio Romana„. Diese FAQ-Sammlung soll insbesondere Anfängern, die den Wunsch verspüren, die vorchristliche römisch-polytheistische Religion zu praktizieren, bei ihren ersten Schritten helfen.
Wenn Ihr Fragen habt, die hier noch nicht aufgeführt sind, könnt Ihr sie gerne unten als Kommentar hinterlassen!
Übersicht
- Was ist der „Cultus Deorum Romanorum“?
- Was ist der Unterschied zwischen „Cultus Deorum Romanorum“ und „Religio Romana“ oder was ist die richtige Bezeichnung für diese Religion?
- Ich finde die römischen Götter und Göttinnen ansprechend, möchte sie aber auf meine eigene Weise verehren und nicht nach engen festgelegten Vorschriften und Ritualen. Geht das auch?
- Glauben Römer nur an „römische“ Götter? Was ist mit all den anderen Göttern dieser Welt?
- Ich möchte mich gerne dem Cultus Deorum Romanorum anschließen. Was muß ich tun, muß ich irgendwo eintreten oder unterschreiben oder gibt es ein Aufnahmeritual?
- Gibt es eine Art „Bibel“ oder andere heilige Schrift, in der die Grundsätze und Regeln der Religion und der Lebensführung zusammengefaßt sind? Was muß ich vorher wissen, bevor ich loslegen kann?
- Wenn es keine „Heilige Schrift“ oder niedergeschriebene religiöse Dogmen gibt, kann dann jeder glauben, was er will?
- Wie ist es mit der Rolle der Frau im Cultus?
- Was ist mit anderen gesellschaftlichen Themen, wie Sklaverei oder Diktatur?
- Ich will Cultor werden. Wie fange ich an zu praktizieren?
- Muß ich Latein können, um den Cultus zu praktizieren?
- Werden noch andere Sprachkenntnisse empfohlen?
- Warum ist dieser Blog auf Deutsch? Würde er auf Englisch nicht viel mehr Interessierte erreichen?
- Wo finde ich andere Praktizierende, mit denen ich mich austauschen kann?
- Wie baue ich mir ein Lararium oder Hausschrein?
- Finde ich irgendwo Rituale für Einsteiger, mit denen ich anfangen kann?
- Welche Feiertage muß ich beachten?
- Sind all diese Rituale authentisch und uralte originale Überlieferungen aus dem Alten Rom?
Was ist der „Cultus Deorum Romanorum“?
Unseren ausführlichen Einführungsartikel zum Thema findet Ihr hier. Diese Einführung solltet Ihr unbedingt als erstes lesen, da einige der hier auftauchenden Begriffe dort erklärt werden.
Was ist der Unterschied zwischen „Cultus Deorum Romanorum“ und „Religio Romana“ oder wie ist die richtige Bezeichnung für diese Religion?
Es gibt keinen Unterschied, beide Begriffe werden synonym verwendet.
Praktizierende nennen sich „Cultores„, Einzahl: Cultor (oder, wer lateinisch besonders exakt sein möchte, die weibliche Form ist „Cultrix„). Aus praktischen Gründen sprechen wir in unserem Blog in der Regel vom „Cultor“ oder der neutralen Mehrzahl „Cultores„, meinen damit aber natürlich Angehörige beider Geschlechter.

Durchführung eines Rituals zur Eröffnung einer römischen Veranstaltung, um die Gunst der Götter zu erbeten (Haltern, 2014)
Im modernen Sprachgebrauch existiert auch die Bezeichnung „Römisches Heidentum„, jedoch haben die Römer selbst das Wort „Heidentum“ niemals für die Beschreibung ihrer eigenen Religion verwendet, weswegen wir diesen (z.T. negativ belegten) Begriff vermeiden.
Ein römischer Begriff, den man in der Antike für die Beschreibung seiner eigenen Religion verwendete, ist „Cultus“ (u.a. belegt durch Cicero). Hierbei umfaßt „Cultus“ jedoch deutlich mehr als das heutige Wort „Kult“, es beinhaltet Aspekte wie „kultivieren“, „Kultur“, „nähren“ und beschreibt das sich gegenseitig nährende und fördernde, ausgeglichene und gesunde Verhältnis, das zwischen Menschen und Göttern herrscht.
Der Zusatz „Deorum Romanorum“ stammt aus moderner Zeit (denn natürlich hatten die Römer es nicht nötig, zu betonen, daß ihr Cultus „römisch“ war). Es wird vom modernen Cultor hinzugefügt, um zu spezifizieren, welchem rekonstruktionistischen heidnischen Weg man folgt – denn unter den heidnisch-rekonstruktionistischen Bewegungen gibt es noch weitere die sich auf antike Kulte rückbesinnen, zum Beispiel den Hellenistischen Cultus, d.h. die Rekonstruktion der Religion des antiken Griechenland, von denen sich der römische Cultor abgrenzen möchte, da sich die Kulte in Glaubensvorstellungen und Praxis voneinander unterscheiden und auf keinen Fall „in einen Topf“ geworfen werden sollten.
Ich finde die römischen Götter und Göttinnen ansprechend, möchte sie aber auf meine eigene Weise verehren und nicht nach engen festgelegten Vorschriften und Ritualen. Geht das auch?
Der Cultus Deorum Romanorum wird stets innerhalb eines größeren, umfassenden römischen Kontextes praktiziert, so daß neben den Göttern auch die römische Kultur, Philosophie, Werte und Vorstellungen eine wichtige Rolle spielen.
Eine bloße Verehrung der römischen Götter, losgelöst aus diesem Kontext und ohne Beachtung der notwendigen Hintergründe und vor allem der extrem wichtigen Form, entspricht nicht der Richtung des Rekonstruktionismus, zu denen der Cultus Deorum Romanorum zählt, sondern wird in synkretistischen-eklektischen Glaubensgemeinschaften praktiziert.
Wer sich nur von den Göttern angesprochen fühlt, aber mit dem dazugehörigen rekonstruktionistischen Ansatz nichts anfangen kann, wird sicherlich bei neuheidnischen Gruppen wie Wicca oder im Reclaiming glücklicher, da er hier alle Möglichkeiten hat, sich mit diesen Göttern zu befassen und sie auf individuelle Weise zu verehren und mit ihnen zu arbeiten, aber dies ohne den römisch-kulturellen Rahmen und die vorgeschriebene Kultpraxis tun kann. Mit dem Cultus Deorum Romanorum jedoch werdet Ihr in dem Fall sicher nicht glücklich! Hexengruppen vor Ort, in Camps oder Workshops helfen hier gerne weiter.
Der Cultus Deorum Romanorum ist, wie andere rekonstruktionistische Gruppen, strikt von neuheidnischen, synkretistischen Glaubensgemeinschaften zu trennen, da er einen grundlegend anderen Ansatz verfolgt und mit diesen deswegen in der Kultpraxis auch nicht kompatibel ist.
Glauben Römer nur an „römische“ Götter? Was ist mit all den anderen Göttern aus aller Welt?
Nein, Römer haben niemals geglaubt oder behauptet, daß die Götter ihres Pantheons die einzig existierenden Götter wären. Ganz im Gegenteil haben sie niemals die Existenz anderer Götter ausgeschlossen. Sie glaubten nicht einmal, daß ihnen alle Götter ihrer eigenen Götterwelt überhaupt bekannt waren und schlossen nicht aus, daß es darunter auch Gottheiten gab, von denen niemand Namen, Geschlecht oder Funktion kannte.
Die römische Götterwelt beinhaltete neben ur-römischen Göttern ohne außer-römische Entsprechung schon von Anbeginn an auch Götter früherer Kulturen, die zum Beispiel von den Etruskern und Sabinern übernommen wurden. Auch fanden im Zuge der allgemeinen Bewunderung von griechischer Kultur auch viele griechische Götter Einzug in den römischen Pantheon. Zwar wurden viele dieser Götter schnell romanisiert, umbenannt, von ihrer Mythologie entkleidet und ihnen andere Zuständigkeitsbereiche zugesprochen, aber dennoch sorgten sie von Anfang an für eine Bereicherung der römischen Götter- und Glaubenswelt, die ansonsten in erster Linie von animistisch-gestaltlosen Elementen, den Numina, und einer reichen Geisterwelt mit einem sehr spezifischen Ahnenkult geprägt war. Römische Gottheiten, adoptierte Gottheiten und die Geisterwelt existieren gleichberechtigt nebeneinander und stellen für den Römer keinerlei Problem oder Widerspruch dar.
Die Götter fremder Völker waren sogar gefürchtet, da man davon ausging, daß sie ihre Völker natürlich beschützen und etwa in der Schlacht unterstützten. Man glaubte auch, daß einheimische Götter in ihrem eigenen Land natürlich besonders mächtig waren und viel Einfluß hatten, mehr vielleicht sogar als die römischen Götter selbst. Belagerte man also Städte oder zog man in Feldschlachten gegen fremde Völker, war das Ritual der „Evocatio“ („Herausrufen“) üblich. Dabei beschwor man am Vorabend der Schlacht die fremden Götter und „bestach“ sie mit dem Versprechen, ihnen schöne Tempel zu bauen und sie zu verehren und ihnen zu opfern, wenn sie die Seiten wechselten und zu den Römern überliefern. Waren die Römer siegreich in der Schlacht (was aufgrund ihrer überlegenen Armeen häufig der Fall war), so galt das als Zeichen, daß die fremden Götter ihr Volk verlassen und zu den Römern übergelaufen waren. Da Römer sehr darauf bestrebt waren, Verträge mit den Göttern einzuhalten, wurde ihnen anschließend entsprechend der versprochene Tempel gebaut und fortan waren sie Teil des römischen Kultgeschehens und ihnen wurden Opfer gebracht. Einige dieser „auswärtigen“, übergelaufenen Götter erlangten später große Popularität im Reich.
Daß fremde Götter über fremde Völker wachten, war für den Römer eine ganz normale Vorstellung – nur hatte er den Vorteil, daß er die Mittel und Wege kannte, diese Götter auch in seine eigene Religion einzubinden und zu „romanisieren“. Diesen Vorgang nennt man „Interpretatio Romana.“
War ein solcher Gott romanisiert oder wurde erkannt, daß er nur ein Aspekt eines bereits bekannten römischen Gottes war (wie der keltische Lenus-Mars der Treverer oder Mercurius als Personifikation des gallischen Teutates oder des germanischen Wotan), wurde er selbstverständlich Teil des religiösen Kultgeschehens und von romanisierten Bewohnern der neuen Provinzen auch auf friedlichem Weg in die römische Glaubenswelt eingebracht. Selbst exotische Kulte wie der persische Mithraskult, der ekstatische Bacchus-Kult oder die ägyptische Isis wurden von den Römern problemlos in ihren eigenen Kult übernommen, auch wenn die Verehrungspraxis sicher nicht der Praxis in Persien oder Ägypten entsprach, sondern einen römischen Stempel trug.
So war in unserer Region – in den römischen Provinzen westlich des Rheins – der Gallo-Römische Cultus, die Mischform aus einheimischen keltischen Vorstellungen und der römischen Religion, die hier praktizierte Variante der Religio Romana. Zahlreiche einheimische Gottheiten, wie Epona, Sirona, Grannus, Intarabus, Rosmerta oder Lenus, fanden auf diese Weise Einzug in den römischen Pantheon. Die hier überall anzutreffende spezielle Form der Tempel als „Umgangstempel“ (die es nur nördlich der Alpen im Raum Gallien bis Britannien gibt), trug dem keltischen Kultverständnis Rechnung. So entwickelten sich in den unterschiedlichen Provinzen auf ganz natürliche Weise Sonderformen des Cultus, die lokale Vorstellungen und Gottheiten in einen römischen Kontext brachten und miteinander verschmolzen, was wiederum die Romanisierung der hier lebenden Einheimischen erleichterte.
Barbarische Götter zu verehren, die nicht Teil des Cultus waren, sondern im Gegenteil zu fremden, verfeindeten Völkern gehörten, wäre einem Römer hingegen nicht in den Sinn gekommen. Das bedeutete aber nicht, daß er deren Existenz verneinte, sie waren nur nicht Teil seiner Religion und seiner Kultpraxis.
Ansonsten war das Römische Reich extrem tolerant und im Prinzip konnte jeder die Götter verehren, die er wollte – so lange er daneben den Staatskult akzeptierte. Lokale Götter in den Gebieten, in denen man wohnte, wurden gerne integriert und wenn Auxiliartruppen, die in der römischen Armee dienten, ihre einheimischen Götter weiterhin verehrten, war das ebenfalls kein Problem. Das führte zu solchen Phänomenen wie der germanischen Göttin Germangabis, die von germanischen Hilfstruppen nach Britannien importiert wurde oder lokalen Kombinationen wie Apollo-Grannus oder Mercurius-Gebrinius, der ausschließlich aus Bonn bekannt ist.
Ich möchte mich gerne dem Cultus Deorum Romanorum anschließen. Was muß ich tun, muß ich irgendwo eintreten oder unterschreiben oder gibt es ein Aufnahmeritual?
Wer den Wunsch verspürt, auf den Spuren seiner Ahnen zu wandeln und den polytheistisch-römischen Cultus zu praktizieren, kann sofort damit beginnen. Natürlich gibt es Gruppen, Organisationen und Zusammenschlüsse praktizierender Cultores, aber sich diesen anzuschließen, ist keine Voraussetzung, um ein Cultor zu werden.
Wer dem Cultus Deorum Romanorum folgen möchte, tut das am besten, indem er einfach beginnt.
Gibt es eine Art „Bibel“ oder andere heilige Schrift, in der die Grundsätze und Regeln der Religion und der Lebensführung zusammengefaßt sind? Was muß ich vorher wissen, bevor ich loslegen kann?
Der Cultus ist eine Religion der Orthopraxie („rechtes Handeln“), nicht der Orthodoxie („rechte Lehre“), das heißt, Handeln und praktische Durchführung sind wichtiger als theologische Theorien und Gedankengebäude und man muß sich, anders als bei den großen Weltreligionen, nicht erst in eine komplizierte und komplexe Theologie einarbeiten, bevor man „auch“ praktische Aspekte nutzen kann.
Die Kultpraxis steht bei den Römern immer im Vordergrund und es gibt keine dahinterstehende einheitliche, dogmatische Theologie. Gottesvorstellungen und -erklärungen standen nie im Zentrum des Interesses des durchschnittlichen Römers, auch wenn es natürlich – für denjenigen Cultor, der sich auch dafür interessiert – zahlreiche Schriften antiker Schriftsteller und Philosophen gibt, die sich damit ausgiebig auseinandersetzen. Weiterführende Informationen finden sich in unserer Rubrik „Stoa„. Empfehlenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Briefe des Cicero an seinen Sohn Marcus in der Sammlung „De Officiis„, die weitreichende Ausführungen zur rechten Lebensführung auf der Grundlage der stoischen Grundsätze und Weltsicht enthält.
Eine einheitliche „Bibel“ oder ein anderer „inspirierter“ Text existiert nicht. Eine angemessene Lebensführung wird nicht durch religiöse Dogmen vorgegeben („du sollst nicht…“), sondern durch die gesellschaftlichen Normen und Werte aus Kultur und Philosophie.
Wichtig ist, sich darüber klar zu sein, daß trotzdem einige Vorarbeit geleistet werden muß, die einem aber niemand abnehmen kann, denn ohne Grundwissen zum römischen Kontext kann kein Bezug zum rekonstruktionistischen Ansatz der heute praktizierten Religio Romana hergestellt werden.
Da dieser Ansatz bestrebt ist, die Religion unserer Vorfahren in möglichst authentischer und originalgetreuer Weise wiederzubeleben, ist Quellenstudium unbedingte Voraussetzung.
Da der römische Kontext fundamentaler Bestandteil der praktischen Ausübung der Religion ist, ist es zudem notwendig, sich auch darüber hinaus mit dem Thema zu befassen, sei es mit der Geschichte des Römischen Reichs, Philosophie oder einfachen Aspekten des täglichen Alltagslebens. Zum Glück waren die Römer sehr schreibfreudig und haben uns viele detaillierte Aufzeichnungen hinterlassen. Wir sammeln in unserer Rubrik „Ad Fontes“ Büchertipps und sogar Links zu kostenlosen ebooks (viele Klassiker wie Cicero, Varro oder Cato gibt es zum kostenlosen Download, was den Einstieg erleichtert).
Daneben helfen Museumsbesuche, Reisen zu antiken Stätten und Tempeln und das Besuchen von Römerfesten, zum Beispiel den Römertagen in der Villa Borg, wo es viele praktische Tipps und Hintergrundinformationen gibt, sowie die Möglichkeit, sich mit einem Grundstock an Gegenständen für die Kultpraxis einzudecken. Lesen, lesen, lesen ist aber auf jeden Fall der beste Rat!
Ansonsten gilt: Legt einfach los! Tipps für Anfänger, wie man die ersten praktischen Schritte als Cultor macht, findet Ihr hier in unserem Blog.
Wenn es keine „Heilige Schrift“ oder niedergeschriebene religiöse Dogmen gibt, kann dann jeder glauben, was er will?

Sehr populär bei einheimischen Kelten und Germanen sowie Römern, Legionären wie Zivilisten in der Eifel: Die Matronen. (Nettersheim / Eifel, September 2011)
Das Römische Reich war ein Vielvölkerstaat und auch die Glaubenspraxis seiner Bürger in den verschiedenen Provinzen hatten starke regionale Färbungen. Es wurden auch spezielle Kulte innerhalb der Religio Romana praktiziert (z.B. Isiskult, Mithraskult oder Mater Magna-Kult, die allesamt Einweihungs- und Mysterienkulte waren).
Auch gab es lokale Unterschiede, so hatte in Gallien der Cultus andere Ausprägungen und Schwerpunkte als in Nordafrika, indem jeweils lokale, in die römische Götterwelt „eingemeindete“ Gottheiten bevorzugt wurden, die vor Ort eine große Bedeutung hatten, überregional aber kaum bekannt waren. Die römische Religion ist in dieser Hinsicht sehr flexibel und aufnahmefähig.
Das bedeutet aber nicht, daß jeder machte und glaubte, was er wollte. Tatsächlich waren alle Anhänger der römischen Religion durch einen reichen Schatz an historisch gewachsenen Glaubensgrundsätzen, Vorstellungen und Konzepten verbunden, die sich – unabhängig davon, welcher Gottheit nun der individuelle Schwerpunkt innerhalb der Region oder sogar der Familie eingeräumt wurde – im ganzen Reich nicht voneinander unterschieden.
Die grundsätzlichen Vorstellungen über die Götterwelt, den Aufbau unserer Welt und die Beziehungen zwischen Menschen und Göttern waren einheitlich. Auch wenn die Kultpraxis in einigen Regionen kulturelle Färbungen annehmen mochte, so teilte man doch die grundsätzlichen Glaubensvorstellungen, die dem Cultus zugrunde lagen.
Diese Mischung sorgte dafür, daß der Cultus über die Jahrhunderte, in denen das Römische Reich existierte, flexibel und gleichzeitig verbindend genug war, um sich dem steten Wandel in der römischen Gesellschaft anzupassen und die Entwicklungen mitzumachen – bis auf das Christentum, das von seinen Glaubensvorstellungen und Grundsätzen so im Widerspruch mit den römisch-heidnischen Vorstellungen stand, daß es nicht mehr integriert werden konnte (und sich auch nicht integrieren lassen wollte).
Auch heutzutage unterscheidet sich die Kultpraxis innerhalb des Cultus Deorum Romanorum genauso, wie sie es schon zur römischen Zeit tat – ein Cultor in Germanien mag zum Beispiel die regional bedeutenden Matronen in den Fokus seiner Kultpraxis rücken, während andere Cultores sich eher an den „Großen 12“ (Dei Consentes) orientieren, oder sich an romanisierte, ehemals keltische Gottheiten wenden, die in ihrer Region besonders verbreitet waren. Auch eine besondere Beziehung zu afrikanischen (wie ägyptischen) Gottheiten mag vorliegen und zu einem entsprechenden Schwerpunkt in der Kultpraxis werden, natürlich in einer romanisierten Form, wie es schon zu antiker Zeit üblich war.
Die Religio Romana ist nach wie vor eine organische, lebendige Praxis und kein angestaubtes, erstarrtes Museumsstück mit Mummenschanz aus der Antike, auch wenn man bestrebt ist, ihn nach den originalen Grundsätzen, Regeln und in der authentischen Form zu praktizieren.
Es herrscht auch heute – wie damals – ein einheitlicher Konsens unter den Anhängern der Religio Romana über grundsätzliche Glaubensfragen: