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Antike Stätten: Jupiteraltäre und römisches Kastell, Kirche St. Peter und Paul Remagen
Anschrift:
Kirchstraße 32, 53424 Remagen
Anfahrt:
Der kleine Ort Remagen liegt an der B9 zwischen Bonn und Koblenz.
Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul befindet sich inmitten der historischen Altstadt des Ortes Remagen am Rhein und ist nicht zu übersehen.
Parkmöglichkeiten bestehen rund um die Kirche, an der Rheinpromenade (Parken 2 Stunden kostenfrei) oder auf dem großen kostenpflichtigen Park & Ride-Parkplatz an der B9 hinter dem Bahnhof.
Die Kirche ist auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen, da Remagen einen gut angeschlossenen Bahnhof hat, an dem Züge des Nah- und Fernverkehrs entlang der Rheinschiene zwischen Köln und Koblenz halten. Als Nahverkehrszüge halten hier der Rheinexpress (Emmerich bis Koblenz), die Ahrtalbahn (Bonn bis Ahrbrück) und die Mittelrheinbahn (Köln bis Mainz).
Es gibt auch mehrere Buslinien, die Remagen anfahren, diese fahren jedoch große Umwege über die umliegenden Dörfer an Rhein und in der Eifel, so daß wir die Anreise mit dem Zug oder dem Auto empfehlen.
Hintergrund:
Remagen (Rigomagus) war zu römischer Zeit ein Hilfstruppenkastell am Rhein in Niedergermanien (Germania inferior). Es wurde um 43 n.Chr. gegründet, als mit dem Eroberungsfeldzug in Britannien die Verteidigung des strategisch wichtigen Rheins umorganisiert wurde.
Das Kastell beherberte eine etwa 500 Mann starke Besatzung aus Infanterie und Kavallerie, deren Truppen fast ausschließlich aus den römischen Provinzen Thrakien, Spanien und Pannonien stammten. Im Jahr 69 n. Chr. wurde das Kastell im Rahmen des Bataveraufstandes zerstört, aber erneut aufgebaut und schließlich bis ins 3. Jahrhundert zu einer Festung ausgebaut. Diese Befestigung war so stark, daß sie sogar dem großen Germaneneinfall im Jahr 355 n. Chr. standhielt.
Auch wenn die Stadt im 2. Weltkrieg durch die Kämpfe um die Brücke von Remagen fast vollständig zerstört wurde, sind an vielen Orten im Stadtgebiet römische Spuren erhalten geblieben, so die Fundamente von Gebäuden, Wasserleitungen, Hypokausten und Gräberfelder.
Viele römische Funde aus Rigomagus sind heute im Römischen Museum von Remagen ausgestellt, das sich in einer Kapelle oberhalb der Principia des Kastells befindet. Dieser alte Eingangsbereich zum Stabsgebäude des Kastells wurde in das Untergeschoß des kleinen Museums integriert.
Die romanisch-gotische Kirche der Stadt wurde in der Nordwestecke des römischen Kastells errichtet. Ihr Kirchturm steht wahrscheinlich auf den Resten eines römischen Festungsturms. Unter ihr sind noch Mauerfundamente zu finden und die typischen römischen Quader des Kastells wurden auch zum Bau der Kirchenbefestigung verwendet. Im Jahr 1900 wurden bei Ausschachtungsarbeiten zu einem Erweiterungsbau der Kirche Reste einer Palisade gefunden.
Das ursprüngliche Mauerwerk, das man unterhalb der Kirche entdeckte, hatte eine Länge von 28,50 Metern, eine Breite von 2,65 Meter und eine Höhe von 5,50 Meter. Da diese Mauer aus Schiefer und Mörtel aus Rheinkies bestand, war sie so hart und stabil, daß große Teile erhalten blieben und selbst mit heutiger Technik nicht zerstört werden können. Das Fundament der Mauer bestand aus Tuffsteinblöcken, die aus der nahen Vulkaneifel stammten (möglicherweise aus dem Römerbergwerk Meurin). Teile des römischen Mauerwerks sind immer noch sichtbar, im oberen Teil wurde es allerdings durch eine mittelalterliche Mauer überbaut.
Neben diesen römischen Fundamenten, die in „Fenstern der Geschichte“ besichtigt werden können, befinden sich in der Eingangshalle der Kirche zwei Jupiter-Weihealtäre für Jupiter Optimus Maximus (IOM) und den Genius Loci. Diese beiden Altäre wurden im Jahr 1969 beim Einbau einer Heizungsanlage unter dem Boden der Kirche gefunden. Sie wurden von zwei Benefiziariern (die im römischen Reich eine Art Polizeifunktion innehatten) gestiftet, als sie an die Wachstation in Rigomagus abkommandiert wurden. Ihre Namen waren Sextus Senius Secundinus, Soldat der I. Legion aus Bonna und Consularis Titus Farfenna Ianuarius, Hauptmann der XXXV. Legion. Warum er als Hauptmann zu einer Polizeistation in der Provinz abkommandiert wurde, die normalerweise von Soldaten niederen Ranges besetzt wurden, ist unbekannt.
Weitere Weihesteine, die im Römischen Museum der Stadt stehen, deuten darauf hin, daß Remagen zu römischer Zeit auch ein wichtiger Rheinhafen war. Hier verkehrten die Schiffe bis zum Großkastell bei Xanten und transportierten auch die wichtigen Tuffsteine aus der Vulkaneifel, die im Hafen Andernach eingeladen wurden und rheinauf- und rheinabwärts überall für römische Bauwerke verwendet wurden. Auch die Mendiger Mühlsteine waren ein Exportschlager, der über den Rhein bis in die entlegendsten Winkel des Reichs transportiert wurden, so daß Remagen ein wichtiger Zwischenposten vor Bonn, Köln, Neuss und Xanten war.
Beschreibung:
Die Pfarrkirche von Remagen liegt inmitten der historischen Altstadt. An der Deichstraße, die zum Rhein hinab führt, befinden sich im Fundament der Kirche, gut von der Straße aus zu sehen, zwei Bögen, unter denen das römische Fundament des Kastells unterhalb der Kirche zu besichtigen ist. Sehr knapp gehaltene Hinweistafeln älteren Datums weisen auf den römischen Ursprung der Steinmauern hin. Informative Tafeln mit Hintergrundinformationen sucht man jedoch leider vergebens.
Die Pfarrkirche selbst hat mehrere Eingänge. Neben dem Haupteingang befindet sich ein rätselhaftes romanisches Portal, das ursprünglich in keinem Zusammenhang mit der Kirche stand und dessen Herkunft und genaue Bedeutung bis heute nicht geklärt ist. Auch wenn es keine antik-römische Sehenswürdigkeit ist, so ist dieses interessante Portal trotzdem einen genauen Blick wert. Es gilt zudem als außergewöhnliches Beispiel mittelalterlicher Steinmetzkunst.
Im Inneren der Kirche, im Eingangsbereich eines Nebeneingangs, stehen die zwei Weihealtäre für Jupiter und den Genius Loci. Sie wurden bewußt wieder in die Kirche zurückgebracht und dort aufgestellt, da man davon ausging, daß sich an dieser Stelle ursprünglich ein dem Gott Jupiter geweihter Ort befunden hat und die Altäre deswegen hier ihren Platz haben. Eine ungewöhnliche, aber gleichzeitig erfreuliche Einstellung.
Leider ist die Präsentation der Jupiteraltäre sehr dürftig. Sie stehen zwar an prominenter Stelle im Eingangsbereich und auf Knopfdruck kann man auch das Licht in diesem Bereich anschalten, um sie besser betrachten zu können. Allerdings gibt es keinerlei Hinweistafeln oder Informationen über die Geschichte der Steine und den Inhalt der Weiheinschriften. Die Schrift auf dem linken Stein ist stark verwittert, während die Schrift auf dem rechten Stein mit roter Farbe nachgezogen wurde und deswegen besser zu lesen ist. Hier wäre ein kleines Informationsschild oder zumindest ein Flyer, in dem die Übersetzung der Inschriften und die Herkunft der Steine erklärt, sehr wünschenswert und auch eine gute Ergänzung zum direkt um die Ecke gelegenen Römischen Museum, in dem die übrigen Fundstücke und Weihealtäre aus dem Kastell aufbewahrt werden.
Öffnungszeiten und Zugänglichkeit:
Da sich die Fundamente außerhalb des Kirchengebäudes an der Straße befinden, können sie jederzeit besichtigt werden.
Die Jupiteraltäre können nur zu den Öffnungszeiten der Kirche besucht werden. Da es sich um eine katholische Kirche handelt, ist sie meist von morgens bis abends geöffnet (genaue Zeiten sind nicht bekannt, aber wir haben sie tagsüber noch nicht verschlossen vorgefunden). Gottesdienst ist Sonntags um 11 Uhr, so daß man zu dieser Zeit von touristischen Besuchen Abstand nehmen sollte. Ansonsten ist der Bereich während der Öffnungszeiten frei zugänglich und es ist in der Regel außerhalb des Gottesdiensts auch nicht sehr voll.
Eintrittspreise werden nicht erhoben.
Sonstiges:
Fotografieren der Altäre ist erlaubt.
Oft hat man die Kirche ganz für sich allein, inbesondere in dem etwas abseits gelegenen Nebeneingangsbereich, da sich Betende und Kirchenbesucher meist im Hauptschiff aufhalten. So ist man im Seitenbereich meistens ungestört und es stellt kein Problem dar, wenn man ein kurzes Gebet an Jupiter und den Genius Loci richten möchte. Auch ist das Berühren der Steine möglich.
Allerdings sollte von aufwendigen Opfergaben, Zeremonien, Räucherungen etc. abgesehen werden, da man sich nach wie vor in einer Kirche aufhält, die zudem in einer ländlichen Region liegt, mit vielen älteren Besuchern, bei denen so etwas zu Irritationen führen würde – schließlich wollen wir die Altäre an ihrer Position erhalten und nicht durch heidnisches Gebaren dafür sorgen, daß sie eines Tages im Fundus eines Museums verschwinden, wo man sie nicht mehr besuchen und berühren kann. Auch sollten die Steine geschont und deshalb nicht mit Kerzenwachs u.ä. bekleckert werden.
Eine Kleinigkeit, wie ein Münze, auf dem Altar abzulegen, ist unproblematisch.
Der Besuch der Kirche sollte idealerweise mit einem Besuch der übrigen römischen Stätten in Remagen verbunden werden. Das Römische Museum ist auf jeden Fall einen Besuch wert, hierbei müssen jedoch die sehr begrenzten Öffnungszeiten beachtet werden (siehe unser Artikel zu diesem Museum).
Auch gibt es in der Stadt eine rekonstruierte Kastellmauer mit einer Infotafel und Auflistung bekannter römischer Bewohner des Kastells, sowie eine Hypokaustenanlage unterhalb des Caracciola-Gedenkzimmers. Dieser Keller ist jedoch nur im Rahmen einer Stadtführung zu besichtigen, da er ansonsten abgeschlossen ist.
Die Stadtführungen, die regelmäßig durch die Touristeninformation angeboten werden, sind ebenfalls sehr empfehlenswert, da Remagen neben der römischen Geschichte auch weitere interessante Touristenattraktionen wie die Stationen der Familie Caracciola, den Apollinariskeller und mittelalterliche Bauten zu bieten hat. Auch das Apollinariskloster und das Brückenmuseum zur Schlacht um Remagen sind sehenswert.
Götterwelt: Cerunincus
Zuständigkeiten, Herkunft, Bezeichnungen
Bei Cerunincus handelt es sich um einen ursprünglichen gallischen (keltischen) Gott der Treverer, der lokal begrenzt im Alzettetal im heutigen Luxembourg verehrt wurde.
Diese Region war zu römischer Zeit dicht mit Gutshöfen besiedelt und lag in der Nähe einer viel bereisten Schnellstraße. Oberhalb der Ortschaft Steinsel befindet sich der zur Zeit einzige bekannte Tempel, der diesem Gott geweiht war. Es handelt sich dabei um einen Tempelkomplex mit einem zentralen Umgangstempel, wie er für die gallo-römische Tempelarchitektur typisch war, bei der keltische Kultvorstellungen mit mediterraner Tempelarchitektur kombiniert wurden.
Zwar wurden im Tempel zahlreiche Votivgaben und Weihesteine gefunden, dennoch ist der Zuständigkeitsbereich von Cerunincus unbekannt. Eine Weiheinschrift aus Bronze belegt, daß er von der romanisierten treverischen Bevölkerung geschätzt und nach römischem Brauch verehrt wurde:
DEO CERUNIN / CO
SOLTRIUS / PRUSCUS /
V(OTUM) S(OLVIT) L(IBENS) M(ERITO)
In der Übersetzung:
Dem Gott Cerunincus hat Soltrius Pruscus sein Gelübde eingelöst, freudig und verdientermaßen.
Allerdings findet sich nirgendwo im Tempelkomplex eine Inschrift, die darauf hindeutet, mit welchem Gott Cerunincus in der Interpretatio Romana gleichgesetzt wurde, so daß seine Zuständigkeiten und Attribute bis heute nicht geklärt werden konnten.
Die Fundstücke weisen jedoch darauf hin, daß er gleichermaßen von einheimischen Treverern wie auch von zugereisten Römern verehrt wurde; die Gaben stammen von reichen Gutshofsbesitzern, lokalen Händlern und Kaufleuten, römischen Soldaten bis hin zu einfachen Leuten der Landbevölkerung.
Attribute und Darstellungen
Im Tempel gefunden wurde eine 12 cm große Bronzefigur, die aus lokaler Herstellung stammt.
Sie zeigt einen unbekleideten, bartlosen jungen Mann mit kurzem lockigem Haar, dessen linke Hand erhoben ist. Was er in der Hand hielt, ist unbekannt. Es ist wahrscheinlich, aber nicht belegt, daß es sich bei dieser Darstellung um den Gott Cerunincus handelt, dessen Figuren man mit großer Wahrscheinlichkeit im örtlichen Devotionalienladen am Tempeleingang erwerben konnte.
Ebenfalls gefunden wurden Fragmente einer überlebensgroßen Frauenfigur, so daß man in der Forschung davon ausgeht, daß es sich möglicherweise um eine weibliche Kultgefährtin des Cerunincus handelt.
Opfergaben und Cultus
Zu den Opfergaben an Cerunincus gehörten Fibeln, Bronzeglocken, Figürchen und Ringe.
Zahlreiche auf dem Tempelgelände gefundene Münzen weisen darauf hin, daß auch die (noch heute beliebte) Praxis des Münzwurfs, um damit die Erfüllung eines Wunsches zu bitten, auch in diesem Tempel üblich war.
Über die praktische Ausübung des Cultus ist nichts bekannt, da es keine Funde gibt, die die Kultpraxis szenisch darstellen. Ebenfalls nicht überliefert sind schriftliche Aufzeichnungen über die Kultpraxis dieses sehr lokalen Gottes.
Die für einen Umgangstempel übliche Umschreitung der Cella, die Ablage von Weihesteinen und Votivgaben vor dem Tempel, die Darbringung von Opfern auf dem vor dem Tempel befindlichen Altar und Prozessionen um den Umgang herum, wie sie von anderen gallo-römischen Umgangstempeln überliefert sind, sind auch hier wahrscheinlich.
Sonstiges: Cerunincus = Cernunnos?
Manchmal, vor allem auf neuheidnischen Seiten im Internet angestellte Vermutungen, es handele sich um den keltischen Gott Cernunnos, können ausschließlich auf die Namensähnlichkeit Bezug nehmen, was als Basis einer solchen Gleichsetzung äußerst fraglich ist.
Cernunnos wird üblicherweise mit dem ‚gehörnten Gott‘ identifiziert, der aus der keltischen Ikonographie bekannt ist und als Naturgott und Herr der Tiere interpretiert wird. Allerdings ist nur eine einzige Inschriftenquelle bekannt, die die Darstellung einer mit einem Geweih versehenen Figur mit diesem Namen in Verbindung bringt, der sog. Pariser Nautenpfeiler.
Der Name leitet sich wohl vom gallischen Wort ‚karnon‚ ab, das (wie auch das lateinische cornu) ‚Horn‘ bedeutet und deswegen die Identifizierung dieser bekannten Figur aus der keltischen Mythologie mit diesem Namen legitim erscheinen lässt. Gleichwohl macht die Tatsache stutzig, daß die bildhafte Darstellung einer solchen Figur, die relativ häufig gefunden wurde, bis auf den genannten einen Fall, niemals sonst mit diesem Namen in Verbindung gebracht werden kann.
Es gibt auch keine Interpretatio Romana, sprich, die römischen Quellen geben für ihn keine Identifikation mit einer römischen Gottheit an, was gerade für einen sehr bekannten und wichtigen Gott ungewöhnlich ist.
Dies wird manchmal darauf zurückgeführt, daß dieser keltische Gott zu spezifisch in seiner Hirschgeweih-Gestalt oder Funktion war, um mit einer der römischen Götter gleichgesetzt zu werden, was allerdings nicht sehr überzeugend klingt. Die römische Praxis, lokale Gottheiten mit überregional in ihrer eigenen Religion verehrten Gottheiten zu identifizieren, wurde relativ großzügig gehandhabt. Je nachdem, was stärker betont werden konnte, wurde die Funktion einer Gottheit oder ihre Erscheinung zur Grundlage genommen.
Ein keltischer Naturgott mit einem Geweih ließe sich demnach relativ problemlos im römischen Silvanus oder noch besser im, diesem ebenfalls gleichgesetzten, (gehörnten!) Faunus wiedererkennen. Warum dies nicht geschehen ist, wissen wir nicht, was zur generellen Unsicherheit in Bezug auf die Deutung von Cernunnos beiträgt.
Daß wir auch im Tempel von Steinsel keinen römischen Namen der dort verehrten Gottheit finden, wird deswegen ebenfalls gerne als weiterer Beleg für die Identität von Cerunincus mit Cernunnos angeführt. Auch dies bleibt hingegen reine Spekulation, die wenig belastbar ist, da neben der nicht auszuschließenden Möglichkeit, daß evtl. doch einmal Funde mit einem römischen Namen für diesen Gott zutage treten, ebenfalls keinerlei Geweihdarstellung in Verbindung mit dieser Gottheit gefunden wurde. Die hohe Wahrscheinlichkeit, das die gefundene Figur tatsächlich Cerunincus darstellt und die Tatsache, daß diese keinerlei Geweih/Horn als Attribut besitzt, lässt es sinnvoller erscheinen, diesen Gott als eigene Gottheit zu betrachten, welche lokalen Charakter hatte, anstatt sich auf eine reine Namensähnlichkeit zu stützten.
Götterwelt: Rosmerta
Hintergrund, Zuständigkeiten und Bezeichnungen:
Rosmerta ist eine ursprünglich keltische Göttin, die von den Römern als Gefährtin des Mercurius im Götterpaar Merkur-Rosmerta verehrt wurde. Dieser Cultus war vor allem in Nordostgallien (Raum Koblenz, Hunsrück, Trier) sehr populär.
Hierbei handelt es sich um einen typischen lokalen, gallo-römischen Kult, der ursprünglich von den einheimischen Galliern (wie den Treverern) praktiziert wurde, dann aber von den Römern übernommen und gemäß der Interpretatio Romana gedeutet wurde.
Die Gallier verehrten die Göttin Rosmerta meist zusammen mit ihrem keltischen Gefährten als Götterpaar. Dessen Name war von Region zu Region unterschiedlich (Teutates, Cissonius, Visucius).
In der Interpretatio Romana wurde dieser Gefährte aufgrund der Gleichheit der Attribute und Zuständigkeiten von den Römern mit Mercurius gleichgesetzt, denn Cissonius war der Gott des Handels und Beschützer der Reisenden und der gallische Stammesgott Teutates wurde nach der Romanisierung der Gallier mit Merkur und Mars identifiziert.
So verschmolzen römische und gallische Kulte in dieser Region und im römischen Gallien wurden Cissonius und Visucius sogar die häufigsten Beinamen des Merkur. Deshalb war es nur natürlich, daß man auch die Gefährtin des Mercurius Cissonius, Mercurius Visucius oder Mercurius Toutenus verehrte: Rosmerta.
Das Paar stieg im römischen Gallien zu großer Beliebtheit auf und wurde auch in anderen Teilen des Reichs verehrt, so daß man den Kult schließlich auch in Zentralgallien, Britannien und sogar Rom selbst fand. Ihre Kultstätten fanden sich oft an römischen Schnellstraßen (wie der Aussoniusstraße durch den Hunrück nach Trier) und in der Nähe von Handelszentren.
Sie wurde an manchen Orten jedoch auch alleine, ohne ihren Begleiter, verehrt, wobei ihre Attribute in diesem Fall zum Teil mit denen des Merkur verschmolzen (so zeigt ein Weihebild aus dem französischen Fins d’Annency sie mit dem geflügelten Hut des Merkur).
Rosmertas Zuständigkeiten und Attribute sind denen des Merkur sehr ähnlich. Sie ist eine Göttin des Wohlstands, des Überflusses, der Fruchtbarkeit und der Fülle. Ihr gallischer Name bedeutet so viel wie „die große Versorgerin“. Man rief sie an, wenn man um Erfolg bei Handel und Geschäft bat, aber sie war (wie Merkur) auch für Leben und Tod und die Reise ins Jenseits zuständig, so daß man in derartigen Angelegenheiten um ihren Segen bat. Es gibt dank Inschriften und Attributdarstellungen auch Hinweise darauf, daß man sie für Heilung anrief.
Attribute und Darstellungen:
Es gibt zahlreiche gallo-römische Weihesteine, Monumente und Abbildungen von Rosmerta (meist mit, seltener ohne Merkur), vor allem in Deutschland, Luxemburg und Frankreich, zum Beispiel aus Wiesbaden, Koblenz, Mainz, Eisenberg in der Pfalz, Nordheim, Bierbach im Saarland, Mertert (LU), Metz (F), Langensulzbach, oder Gissey-la-Veil (F), wo ihr ein Quellheiligtum gewidmet war.
Rosmerta teilt viele Attribute mit dem Gott Merkur. So zeigt eine typische Darstellung sie mit dem Heroldsstab, dem Caduceus, den auch Merkur trägt (zum Beispiel auf einem Relief aus Bierbach im Saarland), seltener trägt sie auch seinen geflügelten Hut.
Weitere typische Attribute sind das Füllhorn (Cornucopia) oder ein Früchtekorb. Sehr häufig ist die Darstellung mit einer Geldbörse in der rechten und einer Opferschale (Patera) in der linken Hand. Das Cornucopia kann auch zusammen mit der Patera auftauchen.
Rosmerta wird in der römischen Darstellung als anmutige Frau in einem aufwändigen römischen faltenreichen Gewand abgebildet. Sie kann sitzend oder stehend dargestellt sein, meist ist sie gemeinsam mit Merkur abgebildet, der typischerweise als nackter Jüngling mit bedeckten Schultern und seinen Attributen erscheint.
Dabei gibt es unterschiedliche szenische Darstellungen, zum Beispiel auf einem Stein aus Wiesbaden, auf dem Rosmerta auf einer Art Thron sitzt während Merkur vor ihr steht und seinen Geldbeutel in ihre Patera entleert, während sie von zwei Genien umringt ist, die ihren Caduceus und ihr Füllhorn halten. Eine Darstellung aus Mannheim zeigt sie mit einer Schlange (die im römischen Cultus ein positiv besetztes Symbol für Wohlstand und Frieden ist), die ihren Kopf auf einer Geldbörse abgelegt hat. Andere Bilder zeigen sie mit einem Füllhorn, während Merkur die Patera hält und zahlreiche Steine zeigen Rosmerta, wie sie Merkur den Geldbeutel überreicht.
Darstellungen auf römischen Weihesteinen in Britannien zeigen sie auch mit einem Füllhorn und einer Doppelaxt in der linken Hand (die sich möglicherweise auf eine Rolle als Heilerin bezieht), während sie eine Patera mit der rechten Hand über einem Kessel oder Bottich ausschüttet.
Opfergaben, Kulttiere:
Über die römischen Kultpraktiken für Rosmerta oder Merkur-Rosmerta ist heute leider nicht mehr viel bekannt, da die Quellenlage sehr spärlich ist und alle verfügbaren Informationen aus Weihetafeln, -steinen oder -inschriften erschlossen werden müssen. Schriftliche Abhandlungen römischer Autoren zu ihrem Cultus sind uns nicht überliefert.
Die wenigen Informationen, die wir haben, sprechen von „günstigen“ oder „gastfreundlichen“ Riten, deren Details aber nicht überliefert sind. Eine der längsten Inschriften dazu stammt aus dem luxemburgischen Wasserbillig: „Deo Mercurio [et deae Ros]/mertae aedem c[um signis orna]/mentisque omn[ibus fecit] / Acceptus tabul[arius VIvir] / Augustal[is donavit?] / item hospitalia [sacror(um) cele]/brandorum gr[atia pro se libe]/risque suis ded[icavit 3] / Iulias Lupo [et Maximo co(n)s(ulibus)]. “
Auch schien Wasser im Kult eine Rolle gespielt zu haben, da in ihren Tempeln Brunnen zu finden waren und ihr auch ein Quellheiligtum gewidmet war.
Wenn sie gemeinsam mit Merkur als Götterpaar verehrt wurde, ist anzunehmen, daß auch Riten und Kulthandlungen aus dem Kontext des Mercurius-Kultes durchgeführt wurden. Welche zusätzlichen, eigenen oder speziellen Riten es gab, ist unbekannt.
Sonstiges:
Gallo-Römische Umgangstempel für Merkur-Rosmerta gibt es unter anderem im Wald nahe Koblenz, in Mainz, in Mertert (Luxemburg) und – als Besonderheit – als rekonstruierten Tempel im Römermuseum Schwarzenacker im Saarland.