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Antike Stätten: Tempel „Varnenum“ für Sunuxal und Varneno bei Kornelimünster
Anschrift:
Der Tempel liegt auf einem Acker in der Nähe der Breiniger Straße, 52076 Kornelimünster. GPS-Koordinaten: 50°43’47.0″N 6°11’37.0″E
Anfahrt:
Kornelimünster ist ein kleiner Ort an der Inde, einem Nebenfluß der Rur. Es liegt bei Aachen und schließt sich an den Stadtteil Aachen-Brand an.
Die Tempelanlage befindet sich etwas außerhalb von Kornelimünster an der Landstraße zwischen Kornelimünster und Breinig. Für das Navi am besten „Breiniger Straße“ eingeben.
Zwar befinden sich sowohl in Kornelimünster als auch in Breinig braune Hinweisschilder „römische Tempelanlage Varnenum“, die beide auf diese Landstraße verweisen, aber die eigentliche Einfahrt zum Tempel ist nicht ausgeschildert.
Deshalb kurz hinter der Ortsausfahrt Kornelimünster in Fahrtrichtung Breinig auf einen landwirtschaftlichen Nutzweg achten, der auf der linken Seite in die Felder abzweigt. Hier steht ein „Durchfahrt verboten in 100 Metern“-Schild. Diesem unbefestigten Weg etwa 100 Meter folgen, dann erreicht man den auf einer kleinen Anhöhe inmitten von Kuhweiden gelegenen Tempel. Vor dem Gelände ist Platz für 2 parkende Autos.
Kornelimünster war früher an die Vennbahn angeschlossen, hat heute jedoch keinen eigenen Bahnhof mehr. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln muß deshalb per Bus aus Aachen oder Monschau erfolgen.
Für Wanderfreunde interessant: Der Eifelsteig beginnt in Kornelimünster, von wo aus er in der ersten Etappe durch die Moore des Hohen Venns führt. Der Besuch des Tempels, der nahe am Ortsausgang liegt, läßt sich also auch gut mit einer Wanderung auf dem Eifelsteig verbinden.
Eine Warnung vorab:
Wer sich überlegt, sich auf eine weite Reise zu begeben, nur um diesen Tempel zu besichtigen, sollte eines wissen: Der Tempelkomplex Varnenum ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie man mit dem antiken römischen Erbe in unserem Land nicht umgehen sollte. Erwartet deswegen auch keinen religiös inspirierenden Ort, der zu kultischen Handlungen einlädt, oder setzt zu hohe Erwartungen in dieses seltene Heiligtum der Göttin Sunuxal. Sondern macht Euch für eine etwas schockierende und ernüchternde Erfahrung bereit und die Erkenntnis, daß in unserer ehemaligen römischen, kulturell hochstehenden Provinz heute wieder die Barbaren hausen.
Aus wissenschaftlichem Interesse oder in Verbindung mit weiteren Sehenswürdigkeiten der Region (zum Beispiel die sehr schöne Stadt Monschau oder Aachen mit seinem beeindruckenden Kaiserdom und den Schätzen Karls des Großen) kann man diesen Abstecher natürlich durchaus machen.
Hintergrundinformationen:
Der Tempel, der heute „Varnenum“ genannt wird, war eine große gallo-römische Tempelanlage von einst überregionaler Bedeutung. Magnetometrische Untersuchungen deuten auf eine Größe des Geländes von mindestens 150.000 Quadratmetern hin.
Errichtet wurde der Tempel um die Zeit von Christi Geburt auf einer leichten Anhöhe, die in römischer Zeit wahrscheinlich terrassenartig angelegt war. In unmittelbarer Nähe verlief eine wichtige römische Heerstraße, die Aachen mit der Eifel und der dort verlaufenden Via Agrippa verband, so daß der Tempel an einer befestigten Überlandstraße lag und gut erreichbar war.
Es schlossen sich mehrere Bauphasen an, in denen die Anlage systematisch erweitert wurde. Er bestand in seiner Blütezeit aus mehreren Umgangstempeln mit weitstehenden Säulen, Priestergebäuden, Schatzhäusern zur Aufbewahrung von Opfergaben und Kultgegenständen und einer 20 Meter langen Wandelhalle, sowie einem zentralen, gepflasterten Platz für Prozessionen und Kulthandlungen. Im Jahre 70 n. Chr. wurden große Teile der Anlage durch einen Brand zerstört, er wurde jedoch in größerer und erweiterter Form wieder aufgebaut.
Zum Tempel gehörte auch eine zivile Siedlung, die alles bot, was man als Pilger, Reisender und Tempelbesucher benötigte: Herbergen, Schänken, Verwaltungsgebäude, Geschäfte, Handwerksbetriebe, Wohngebäude, Versammlungsräume und Lagerhäuser. Die Größe der Anlage und die Vielzahl der Gebäude deuten auf einen stark frequentierten Tempelkomplex hin.
Zudem wurde im Umland im Bereich des heutigen Dorfes Breinig auch Galmei abgebaut, eine seltene Form des Zinks, der in der Antike ein wertvoller Rohstoff zur Herstellung von Messing war, so daß die gesamte Region zu römischer Zeit sehr belebt war.

Phosphat-Bodenanalysen zeigen, wie groß das Tempelgelände war („VarnenumVicus“ von Tympanus, lizenziert unter Copyrighted free use über Wikimedia Commons)
Der Tempelkomplex war durch eine Temenosmauer eingefriedet. Der Zugang erfolgte durch ein Tor, das im Süden der Anlage lag. Auch die Eingänge der Umgangstempel zeigten nach Süden.
Es kann nicht genau datiert werden, bis wann der Tempel genutzt wurde. Schätzungen anhand der Fundlage gehen davon aus, daß er bis ca. 260 n. Chr. in Gebrauch war und danach aufgegeben wurde. Auch die Gründe hierfür sind nicht bekannt.
Es wird davon ausgegangen, daß diese Region schon in vorrömischer Zeit von der lokalen Bevölkerung sowohl zum Metallabbau und auch als Kultzentrum genutzt wurde, da hier vor allem lokale Götter nicht-römischen Ursprungs verehrt wurden. Aus den hier gemachten Funden, vor allem Weiheinschriften, geht hervor, daß hier vor allem zwei Gottheiten verehrt wurden: die Göttin Sunuxal, die auch aus Nettersheim, Euskirchen, Eschweiler, Zülpich, Nideggen, Köln, Bonn und Remagen bekannt ist, sowie der Gott Varneno. Über letzteren ist nichts bekannt; Inschriften, die seinen Namen nennen, kennt man ausschließlich von diesem Ort. Auch ist die etymologische Herkunft seines Namens nicht eindeutig, so daß nicht geklärt werden kann, ob er keltischen oder germanischen Ursprungs ist.
Sunuxal ist hingegen aus dem Gebiet des heutigen rheinischen Braunkohlereviers bis in die Eifel gut belegt, insbesondere aus der Zeit zwischen dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr.. Sie gilt als Stammesgöttin der Sunuci, ein Stamm germanischer Herkunft, dessen Führungsschicht jedoch stark keltisiert war. Da sich das Siedlungsgebiet der Sunuci auf dem Stammesgebiet der Ubier befand, wird vermutet, daß sie entweder bei diesen in der Pflicht standen oder sich von diesen als eigene Gruppe abgespaltet haben.
Der Tempelkomplex bei Kornelimünster gilt als ein zentrales Heiligtum der Sunuci für ihre Stammesgöttin Sunuxal. Diese wird als sitzende Frau in Begleitung eines Tieres dargestellt, jedoch sind die wenigen figürlichen Darstellung so beschädigt, daß weder ihr Kopf noch ihr Oberkörper erhalten geblieben ist; von ihrem tierischen Begleiter kennt man nur die Vorderbeine. Interessant jedoch ist in diesem Zusammenhang, daß aufgrund der stets fehlenden Köpfe, die möglicherweise mutwillig im Rahmen der Christianisierung abgeschlagen wurden, in der gesamten Region des westlichen Rheinlands bis heute die sogenannten „Juffernsagen“ über kopflose Frauen verbreitet sind.
Man geht heute auch davon aus, daß die sogenannte „Blutgrube der Kybele“ in Neuss eigentlich eine Kultstätte der Sunuxal war.
Mehrere Jahrhunderte lang, bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, diente der Tempelkomplex als Steinbruch für die Gebäude der Umgebung, insbesondere für den Bau der nahegelegenen St. Stephanuskirche. In dieser Kirche fand man 1972 bei Ausgrabungen einen Stein, dessen Inschrift belegt, daß es sich um eine römische Weihegabe eines Mannes handelte, der Stifter eines der Gebäude des Tempelkomplexes war: „Perpetuus hat dieses Gebäude aus eigenem Vermögen gestiftet„.
Die ersten dokumentierten Ausgrabungen wurden im Jahr 1907 durchgeführt und in den Jahren 1911 bis 1924 fortgeführt.
Zu den wichtigsten damaligen Funden gehörten Fibeln, Münzen (die eine genaue Datierung des Ortes erlaubten), Nadeln, Nägel und Keramik. Die meisten dieser Funde wurden zwar schriftlich dokumentiert, gingen jedoch im 2. Weltkrieg oder aufgrund unsachgemäßer Lagerung verloren. Einige Funde befinden sich heute in einem Depot in Meckenheim, wo sie auf ihre weitere Untersuchung warten – oder darauf, in einem eigenen Museum, zum Beispiel in Kornelimünster, ausgestellt zu werden (was im Moment aber nicht wahrscheinlich zu sein scheint).
Zu den wichtigsten Funden gehören drei Votivtafeln aus Bronze, deren Inschriften die in Varnenum verehrten Gottheiten nennen:
Götterwelt: Apollo-Grannus
Herkunft, Zuständigkeiten, Bezeichnungen:
Apollo-Grannus ist ein gallo-römischer Heilgott, der gallischen Ursprungs ist.
Grannus galt als einer der am weitesten verbreiteten keltischen Götter. In der Interpretatio Romana wurde er mit Apollo gleichgesetzt und erfuhr weite Verehrung auch im Römischen Reich.
Bei den Kelten war Grannus (auch Granus Mogounus Amarcolitanus) ein Gott, der mit Quellen, Heilbädern, Mineral- und Thermalquellen und der Sonne assoziiert wurde. Die heißen Thermalquellen von Aachen (Latein: Aquae Granni, „Wässer des Grannus“) wurden schon vor den Römern (nachweisbar ab der Hallstatt-Zeit, 6. Jahrhundert v. Chr.) von den Galliern zu Heilzwecken benutzt.
Während es aus keltischer Zeit keine Darstellungen oder schriftlichen Aufzeichnungen zu diesem Gott gibt, existieren aus römischer Zeit zahlreiche Inschriften, Weihesteine und Darstellungen, die die Beliebtheit und weite Verbreitung dieses Gottes demonstrieren. Das Hauptverbreitungsgebiet lag im Bereich des östlichen und nördlichen Galliens mit einem kultischen Schwerpunkt im Raum Aachen, wo sein Zentralheiligtum vermutet wird.
Auch sind Inschriften und Weihesteine unter anderem aus Arnhem, Alzey, Augsburg, Bonn, Rheinzabern, Speyer, Trier und Bitburg bekannt. Im bayerischen Faimingen an der Donau (Phoebiana) stand ein großer römischer Apollo-Grannus-Tempel, der von Kaiser Caracalla im Jahre 212 errichtet worden war. Wie der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio im 77. Buch seiner „Römischen Geschichte“ berichtet, war Caracalla während des Krieges gegen die Alamannen erkrankt (er ging davon aus, von germanischen Zaubersprüchen und Zaubern krank gemacht worden zu sein) und reiste nach Aachen, um dort „den keltischen Gott Apollo-Grannus“ um Heilung zu bitten. Daneben suchte er auch (allerdings vergeblich) die Kultstätten von Serapis und Asklepius auf.
Apollo-Grannus ist auch aus anderen römischen Provinzen bekannt. Inschriften fanden sich von der Donau bis nach Schottland, in Elsaß und Vogesen, von Spanien bis nach Ephesus, in Österreich, Ungarn, England und Rumänien. Ein großes Kultzentrum wird auch im Trierer Tempelbezirk im Altbachtal vermutet.
Viele der Tempel, wie der erst kürzlich entdeckte Tempel bei Neuenstadt am Kocher in Baden Württemberg, sind typisch gallo-römische Umgangstempel. Oft sind sie an Quellen und Heilbäder angeschlossen, in denen Kultbäder und Trinkkuren durchgeführt wurden.
Daneben gibt es Hinweise auf besondere Feste, die diesem Gott zu Ehren gefeiert wurden. Eine Inschrift aus dem 1. Jahrhundert aus Limoges weist auf ein Fest hin, das 10 Nächte lang dauerte:
- POSTVMVS DV[M]
- NORIGIS F(ilius) VERG(obretus) AQV
- AM MARTIAM DECAM
- NOCTIACIS GRANNI D(e) S(ua) P(ecunia) D(edit)
Übersetzung:
„Vergobretus Posthumus, Sohn des Dumnorix, stiftete von seinem eigenen Geld die Aqua Martia (Wasser des Mars, wahrscheinlich ein Aquädukt) für das zehn Nächte dauernde Fest des Grannus.“
Auch das Amphitheater des französischen Ortes Grand (dessen Name sich möglicherweise von Grannus herleitet) war Apollo-Grannus gewidmet.
Begleiter:
Eine häufige Begleiterin des Gottes ist die gallische Heil- und Quellgöttin Sirona, deren Ikonographie von der Göttin Hygieia übernommen wurde, die allerdings ihren Eigennamen behielt und unter diesem auch von den Römern verehrt wurde. In zahlreichen Inschriften treten Sirona und Apollo-Grannus als Paar auf, auch gibt es Tempel und Quellheiligtümern, die beiden gewidmet sind (unter anderem in Hochscheid, Augsburg, Bitburg, Rom und Baumberg sowie das Sironabad bei Nierstein am Rhein).
Weitere Begleiter, die aus Inschriften bekannt sind, sind Quellnymphen, Diana, Hygieia und Kybele (Faimingen), Sol (Grand in Frankreich), Mars, Serapis und Isis (Astorga).
Attribute und Darstellungen:
Darstellungen aus vor-römischer Zeit sind nicht bekannt, da erst mit den Römern die bildliche Darstellung von Göttern in keltischen Gebieten Einzug hielt. Wie Apollo, so wird auch Apollo-Grannus häufig als Kithara-spielender Jüngling dargestellt. Dabei ist er häufig nackt oder nur mit einem Mantel bekleidet, der an seinem Rücken befestigt ist und über seinem Unterarm hängt. In einigen Darstellungen ist er gelockt und steht mit gekreuzten Beinen da. In der anderen Hand, die bei figürlichen Darstellungen oft nicht erhalten ist, hält er wahrscheinlich ein Plektrum, mit dem er das Instrument spielt.
Auch die Darstellung mit einem Krug, aus dem Wasser fließt, wie aus dem Altbachtal in Trier, zeigt ihn als einen Gott der Heilquellen.
Weiterführende Informationen: