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Götterlexikon: Epona

Herkunft, Bezeichnungen

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Epona aus Belginum / Hunsrück

Epona ist eine gallo-römische Göttin, die – als einzige Göttin keltischer Herkunft – weite Verbreitung im römischen Reich erfuhr und sich auch über die Grenzen des keltischen Raumes hinaus bis nach Rom großer Beliebtheit erfreute, wo sie sogar Teil des Staatskultes wurde.

Epona ist in zahlreichen Bild- und Textquellen belegt, unter anderem aus 60 Weiheinschriften sowie Reliefs, Weihealtären und figürlichen Darstellungen, die aus ganz Westeuropa stammen, vor allem aus Frankreich, entlang der Mosel, West- und Süddeutschland, Spanien, Großbritannien, dem Donaubecken, Norditalien, Rom und dem Alpenraum. Auffällig hierbei ist eine besonders hohe Dichte an Funden entlang der befestigten Grenzen des Reichs, wie dem Limes, entlang des Rheins, der Donau und in Nord-Britannien.

Lediglich in zwei Regionen des Römischen Reiches scheint sie nicht verbreitet gewesen zu sein: In Nordafrika, wo man bislang nur eine Darstellung von ihr gefunden hat, sowie dem Nahen Osten, wo sie gar nicht auftaucht.

Ihre Verehrung scheint sich zudem auf das Gebiet des Römischen Reichs zu beschränken; jenseits des Limes im freien Germanien, aus dem Raum zwischen Rhein und Elbe, sind keine Darstellungen oder Inschriften von Epona bekannt.

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Figürliche Darstellung der Epona, zu bewundern im Rheinischen Landesmuseum Bonn

Ihr Name ist gallischer Herkunft und kann etymologisch aus dem gallischen Wort „epos“ für Pferd hergeleitet werden, das wiederum auf die proto-Indo-Europäische Wurzel *ék̂u̯os zurückgeführt wird. Aus dieser Wurzel stammen auch andere Worte für Pferd, wie das lateinische Equus, das altirische Ech oder das litauische Esva. Durch die weibliche Endung -a und den Namensbestandteil -on wird ihr Name verschiedentlich als „große Stute„, „göttliche Stute“ oder „die, die wie eine Stute ist“ oder „große Reiterin“ gedeutet.

Trotz dieser Herleitung und ihrer überwiegenden Verbreitung im gallischen Raum gibt es keine Erwähnungen ihres Namens aus vor-römischer Zeit. Es gibt auch keine Inschriften auf Gallisch, sämtliche Inschriften sind auf Latein oder (seltener) Griechisch. Sie stammen zudem nicht nur von Personen keltischer Herkunft, sondern von Stiftern aus verschiedensten Teilen des Reiches, wie Germanen, Römern und sogar – wie bei einem Fund aus Mainz – einem Syrer.

Zwar ist die Möglichkeit gegeben, dass diese Göttin bereits vor der römischen Eroberung Galliens (im Jahre 52 v. Chr. durch Julius Caesar) von einheimischen keltischen Völkern verehrt wurde, es gibt jedoch bislang keine Quellen oder Belege dafür.

Tatsächlich stammen die frühesten Funde aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., eine auffällige, fast explosionsartige Häufung beginnt aber erst mit dem zweiten Jahrhundert n. Chr., so dass man davon ausgehen muß, dass sich der spezifisch gallo-römische Kult um Epona erst um diese Zeit zu entwickeln und im Reich zu verbreiten begann. Mitte des zweiten Jahrhunderts, etwa ab dem Jahr 130 n. Chr. häufen sich auch die Inschriften aus Rom.

Der früheste absolut sicher datierbare Bildbeleg ist ein Wandgemälde in Pompeji, da wir von dort wissen, dass er nicht älter sein kann als 79 n. Chr.

Die erste zweifelsfreie namentliche Inschrift, in der Eponas Name genannt wird, stammt aus einem Tempel in Entrains-sur-Nohain, Frankreich aus dem frühen zweiten Jahrhundert. Sie lautet:

Augusto sacrum deae / Eponae / Connonius Icotasgi fil(ius) / templum cum suis orna/mentis omnibus de suo donavit l(ibens) m(erito) (CIL 13, 02902)

Der erhabenen Göttin Epona gibt Connonius, Sohn von Icotasgus, diesen Tempel mit all seinen Verzierungen und auf eigene Kosten.

Am gleichen Ort findet sich auch eine zweite Widmung an Epona (CIL 13, 2903), was ihre zentrale Bedeutung für diesen Tempel hervorhebt.

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Epona im Landesmuseum Trier

Literarische Belege tauchen ab der hadrianischen Zeit auf (die Regierungszeit von Kaiser Hadrian war 117-138 n. Chr.).

Interessanterweise geht die Verbreitung Eponas nicht von Gallien aus, sondern die Funde sind in den frühen Jahren weit verbreitet überall im Reich zu finden, von Italien bis Britannien, von Rumänien bis Frankreich, während sie sich erst später auf den Raum Gallien und Germanien konzentrieren und dort gehäuft auftreten.

Wieso es bislang keine gesicherten Belege zwischen der Eroberung Galliens im Jahr 52 v. Chr. und der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gibt, ist nicht eindeutig erklärt und schwierig mit der Hypothese zu vereinbaren, dass Epona eine Göttin ist, die aus vor-römischer Zeit stammt, denn dann dürfte es diese auffällige 100-jährige Überlieferungslücke eigentlich nicht geben.

Ihr relativ spätes Auftauchen ab der Mitte des ersten Jahrhunderts stützt jedoch die gegenläufige These, dass Epona und ihr Kult erst später durch Verschmelzung lokaler keltischer und römischer Götter entstand und sie keine keltische Vorläuferin hat, die 1:1 von den Römern übernommen wurde (vgl. Zeittafel aller bekannten Inschriften und Darstellungen von Epona, oder Auflistung von M. Euskirchen in ihrer Dissertation “Epona”. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission Deutsches Archäologisches Institut., 74: 607-838., 1993).

Wir erlauben uns an dieser Stelle kein Urteil und lassen deshalb die Herkunft der Göttin Epona offen – ob sie nun bereits zu vorrömischer Zeit von den einheimischen Galliern in unserer Region verehrt wurde oder ob sich ihre Vorstellung erst in gallo-römischer Zeit entwickelt hat, ist für den Praktizierenden des Gallo-Römischen Kultes unerheblich.

Wie bei den anderen keltischen Göttinnen, die von den Römern übernommen wurden, wurde ihr Name auch nicht um ein Epitheton erweitert, sondern sie wurde – wie z.B. Rosmerta oder Sirona – unter ihrem gallischen Namen verehrt. Dies ist anders bei männlichen Göttern keltischer Herkunft, die im Rahmen der Interpretatio Romana fast immer einen römischen Namenszusatz erhielten, wie Apollo-Grannus, Mars-Intarabus oder Lenus-Mars (der wiederum die Besonderheit aufweist, daß der keltische Name vor dem römischen genannt wird).

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Epona aus dem Tempel in Tawern, wo sie in einem 9 Meter tiefen Brunnenschacht gefunden wurde

Im Gegensatz zu vielen anderen keltischen Göttinnen wurde Epona auch nicht mit einem männlichen Gott verpartnert, sondern blieb alleine. Gelegentlich wurde sie zusammen mit Herkules angerufen, der ebenfalls unter anderem für Schutz auf Reisen zuständig war.

Dafür wird sie oft mit Beinamen gekennzeichnet, aus der ihre große Bedeutung und Wertschätzung hervorgeht, wie Epona Regina (Königin Epona) oder – bei Anrufungen im Rahmen des Staatskultes – als Epona Augusta. Andere Beinamen waren Epona Dea (die Göttliche) und Epona Sancta (die Heilige).

In den meisten Inschriften wird sie „Epona“ genannt, daneben gibt es auch einige abweichende Inschriften, in denen sie „Epana“ oder „Epane“ geschrieben wird, zum Beispiel bei Funden im Norden Spaniens. Inwieweit es sich dabei um eine lokale Variante, künstlerische Freiheit oder Unwissenheit des Steinmetzes handelt, ist unklar.

Ikonographie

Das Aussehen der Göttin Epona ist durch zahlreiche archäologische Funde sehr gut belegt.

Neben Votivreliefs und Reliefs auf Altären taucht Epona auch in figürlicher Darstellung in Form von Statuetten und in Wandmalereien auf.

Es existierten mehrere typische Darstellungsformen (klassifiziert nach W. Schleiermacher):

  • Epona, seitlich auf einem Pferd sitzend („gallischer Typus“)
  • Epona, mittig auf einem Stuhl oder Thron sitzend und auf beiden Seiten flankiert von einem oder mehreren Pferden (der „Imperiale Typus“ genannt)
  • Epona in einer Kutsche, die von mehreren Pferden gezogen wird

Seitlicher Sitz auf dem Pferd („Gallischer Typus“)

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Epona im „gallischen Typus“ (Archäologisches Museum Arlon)

Diese Darstellungsform ist die häufigste Form in Gallien. Epona sitzt (anders als beim modernen Damensattel) seitlich mit herabhängenden Beinen auf einem (in der Regel nach rechts schauenden) stehenden oder laufenden Pferd.

Die Göttin ist in dieser Darstellung oft mit einem langen Gewand bekleidet, gelegentlich auch mit einer Kopfbedeckung in Form einer Haube oder eines Umhangs.

In vielen dieser Darstellungen berührt die Göttin mit einer Hand das Pferd oder hält Zügel (diese gibt es jedoch nicht immer), während sie in der anderen Hand ein Füllhorn (Cornucopia) oder eine Opferschale (Patera) hält. Manchmal hält sie auch Früchte, Getreideähren oder eine Schale oder Korb mit Früchten auf dem Schoß.

Diese Symbole deuten auf Fruchtbarkeit, Wohlstand und Üppigkeit hin.

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Eine ungewöhnliche Gallo-Römische Gottheit: Oceanus-Cernunnos

Heute möchten wir Euch eine gallo-römische Kuriosität vorstellen – eine ungewöhnliche  Verschmelzung eines keltischen mit einem römischen Gott: Oceanus-Cernunnos.

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Kurzer Exkurs: Interpretatio Romana

Dank der Interpretatio Romana ist die Identifikation fremder Gottheiten mit römischen Gottheiten eigentlich nichts Außergewöhnliches; viele Gottheiten anderer Völker, seien es gallische, afrikanische oder orientalische Götter hielten auf diese Weise Einzug in den römischen Pantheon, indem sie mit bekannten römischen Gottheiten identifiziert oder assoziiert wurden. Beispiele dafür sind die gallischen Heilgötter Apollo-Grannus und Lenus-Mars, landwirtschaftliche Götter wie Mars-Intarabus, der orientalische Soldatengott Jupiter-Dolichenus, der ägyptische Jupiter-Ammon oder die keltische Waldgöttin Diana-Arduinna.

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Apollo-Grannus und Sirona, zwei beliebte gallo-römische Gottheiten

Andere fremde Götter wurden ohne römisches Gegenstück Teil der römischen Götterwelt, wie die keltischen Göttinnen Sirona, Rosmerta und – vor allem – Epona, die sich reichsweiter Beliebtheit erfreute.

In der Römischen Antike war es üblich, Lokalgötter aus den Provinzen des Imperiums durch funktionale Identifikation, d.h. aufgrund ihrer Attribute, Eigenschaften oder Zuständigkeiten, mit einer römischen Gottheit gleichzusetzen und dadurch in den eigenen Cultus aufzunehmen. Ausführliche Hintergrundinformationen zu dieser Praxis findet Ihr in unserem Artikel zur Interpretatio Romana, auf den wir an dieser Stelle verweisen möchten.

Ein römischer Meeresgott und der keltische Gehörnte?!

Da es, wie im verlinkten Artikel beschrieben, keine festen „Zuordnungstabellen“, Regeln oder gar Kommissionen gab, die bestimmten, welcher Gott mit welchem zu identifizieren sei, gab es in der Vermischung große persönliche Freiheiten und Interpretationsspielräume. Das führte dazu, daß wir heute auf Bildern, Weihesteinen oder Inschriften immer wieder auch auf ungewöhnliche Zuordnungen stoßen, die zwei Götter miteinander verschmelzen, deren Zusammenhang sich auf den ersten Blick nicht unmittelbar erschließt oder die aus den persönlichen Lebensumständen des Stifters zu deuten sind.

Ein Beispiel dafür ist auf einem großen Bodenmosaik in der Palastvilla von Bad Kreuznach zu bewundern, die wahrscheinlich einem erfolgreichen, einheimischen Geschäftsmann gallischer Herkunft und Händler für mediterrane Meeresfrüchte gehörte: er widmete das detailreiche Relief einem gallo-römischen Oceanus-Cernunnos.

Der Fundort

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Modell der Palastvilla von Bad Kreuznach

Die römische Luxusvilla liegt in der heutigen Stadt Bad Kreuznach an der Nahe, zu römischer Zeit eine kleinere Ansiedlung (vicus) mit einem nahegelegenen Militärkastell.

Es handelte sich um eine der größten Villen in der Region, deren wohlhabender Besitzer vermutlich in der eine Tagesreise entfernten Provinzhauptstadt Mogontiacum (das heutige Mainz) arbeitete und sich dann und wann auf sein „Landschlößchen“ zurückzog. Der repräsentative Bau deutet darauf hin, daß er auch dazu diente, Gäste und Geschäftsleute zu empfangen, sich in den ausschweifenden Thermen standesgemäß zu entspannen oder sich anderen Vergnügungen hinzugeben, wie man es als „Superreicher“ zur römischen Zeit tat.

Die Villa lag auf einem Südhang des Ellerbachtals mit Panoramablick auf den Fluß und das ganze Tal. Sie war im Stil einer Peristylvilla erbaut, einem Gebäude, das im mediterranen Stil um einen zentralen Innenhof herum errichtet war. Entlang der gesamten Nordseite, über die das Haus betreten wurde, zog sich ein Porticus, eine Säulenhalle.

Die dreistöckige Villa hatte gigantische Ausmaße und verfügte allein im Erdgeschoß über 50 Zimmer. Die Fenster waren verglast. Die beiden repräsentativen Empfangssäle waren jeweils mit einer Hypokaust-Fußbodenheizung beheizt. Es gab Wasserspiele, die mit eigenen Wasserleitungen versorgt wurden, einen Küchentrakt und eine dreisitzige Toilette. Tonleitungen, die von einer Quelle oberhalb des Hangs bis zum Haus führten, deuten auf eine eigene Versorgung mit fließendem Wasser, sowie den steten Abfluß von Brauchwasser hin. Auch im Keller des Hauses lag eine eigene Quelle, deren Wasser durch Risse im Fels sinnvoll genutzt wurde, um Vorräte zu kühlen.

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Die Römerhalle von Bad Kreuznach ist ein sehr sehenswertes Museum

An einigen Wänden fanden sich große, sehr hochwertig ausgeführte Wandmalereien, zum Teil mit Inschriftenresten, die auf Szenen griechischer Tragödien hindeuten und den hohen Bildungsanspruch des Besitzers darstellen sollen. Einige Wände sind mit echtem Marmor verkleidet, an anderen wiederum wurde Marmorimitat verwendet. Deckenmalereien mit Kassetten sind an stadtrömische Architektur angelehnt.

Zwei großflächige Mosaike (eines davon beheizt!) dienten dazu, den Reichtum des Besitzers zur Schau zu stellen – schon damals in gehobenen Kreisen überaus wichtig. Sie gehören heute zu den besterhaltensten Mosaiken nördlich der Alpen, zusammen mit dem Dionysos-Mosaik in Köln und dem Gladiatorenmosaik in der Villa Nennig.

Das erste Mosaik der Villa zeigt Gladiatorenszenen aller Art, wie sie überall im römischen Reich zu finden sind.

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Mosaik mit eingelassenem Sechseckbrunnen

Das zweite Mosaik zeigt das Portrait eines Gottes, der als „Oceanus-Cernunnos“ angesprochen wird, da sich in seiner Darstellung Attribute beider Götter vereinigen. Zwar gibt es nirgendwo in der Villa eine Inschrift, in der er ausdrücklich so genannt wird, aufgrund der eindeutigen Ikonographie wird diese Deutung allerdings allgemein akzeptiert – zumal nichts dagegen spricht, daß ein romanisierter Kelte diese beiden Götter, die beide für ihn in seinem Privatleben eine wichtige Rolle spielen, miteinander verbindet.

Das war gängige römische Praxis; nur die Mischung zweier augenscheinlich vollkommen unterschiedlicher Götter ist es, die diese Kombination besonders interessant macht (wenn auch nicht einzigartig, denn es sind einige weitere Oceanus-Cernunnos-Verbindungen bekannt, unter anderem aus Verulamium und Colchester in Britannien).

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Der vicus von Bad Kreuznach zur Römerzeit

Das Mosaik stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 234 n. Chr., worauf eine Konsularinschrift bezogen auf die Konsuln Maximus und Urbanus hindeutet.

Die Villa ist heute in die Römerhalle Bad Kreuznach integriert, ein sehenswertes Museum mit Freigelände, das auf 1000 Quadratmetern Funde der Umgebung aus keltischer und römischer Zeit zeigt, sowie Fluchtafeln und eine große Auswahl an Viergöttersteinen. Neben den beiden Mosaiken gehört eine Sammlung von Soldatengrabsteinen aus dem nahen Militärlager zu den wichtigsten Ausstellungsstücken, da diese, oft lebensgroßen und sehr detaillierten Darstellungen, Aufschluß über den soldatischen Alltag und das Aussehen der Auxiliartruppen in der Region geben.

Ikonographie des Mosaiks

Das 1966 gefundene, sehr gut erhaltene Fußbodenmosaik ist 68 Quadratmeter groß. In seiner Mitte befindet sich ein marmorverkleidetes sechseckiges Wasserbecken. Einlassungen im Mosaikboden deuten darauf hin, daß sich darauf ein steinernes Triklinum – eine Liegebank für gesellschaftliche Anlässe – befand.

Die detaillierten Darstellungen auf dem Mosaik gelten als Indiz dafür, daß es sich bei dem Besitzer der Villa um einen Händler von Fisch- und Meeresprodukten gehandelt hat, also teuren Luxusgütern in dieser weit vom Meer entfernten Region, die in der Hauptstadt der Provinz Germania Superior, Mogontiacum, sehr begehrt waren (Dies wird unter anderem in der Arbeit „Der Besitzer der Bad Kreuznacher Peristylvilla – ein Händler ostmediterraner Lebensmittel?“ von Ulrike Ehmig ausführlich untersucht (erschienen in: Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte, Bd. XXIV, 2, 2005).

Es handelt sich nicht um die sonst üblichen stilisierten Meeres- und Fischereiszenen, die allgemein als Sinnbild für ein glückliches Leben in ländlicher Idylle fernab von Verpflichtungen gelten, sondern um sehr konkrete Darstellungen von Schiffen, Amphoren und Gegenständen, von Handel und Transportszenen, sowie um wirklichkeitsgetreue Abbildungen von Meerestieren, mit denen der Hausherr wahrscheinlich gehandelt hat und die den Gästen in diesem Raum sicherlich auch serviert wurden. In erster Linie diente es also der Selbstdarstellung seines Unternehmens, modern ausgedrückt könnte man sagen, war dieses Haus Teil des Marketings des Besitzers .

Das Mosaik zeigt im Zentrum den nackten Oberkörper eines Gottes mit langen blonden, gelockten Haaren und blondem langem Schnurrbart. Aus seinem Kopf wächst ein rotes, verästeltes Geweih, das einige Laubblätter zieren. Seinen Hals ziert ein Halsreif oder Torque in Form einer Schlange im keltischen Stil.

Hinter den beiden Schultern des Gottes befinden sich zwei Hippocampen (mythologische Meerpferdchen mit dem Oberkörper eines Pferdes und dem Unterkörper eines Fisches).

Um den Gott herum befinden sich detaillierte Darstellungen von Handelstätigkeiten, zum Beispiel dem Kauf von Amphoren und dem Transport von Waren mit Schiffen, mediterrane Küstenlandschaften und zahlreiche Fische und Meerestiere.

Oceanus

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Klassische Darstellung des Oceanus aus Petra (heute Jordanien)

Der römische Meeres- und Flussgott Oceanus wird für gewöhnlich mit Hummer- oder Krebsscheren auf dem Kopf dargestellt. Typisch römisch ist auch seine Darstellung mit wild gelocktem Haar. Oft werden bei den im ganzen römischen Reich beliebten Oceanus-Darstellungen die Enden des Schnurrbarts zu Meerestieren. Im Gegensatz zu Neptun, dem Meeresgott, der oft in aktiver Pose mit Dreizack dargestellt wird, ist Oceanus in der römischen Darstellung meist ruhig, allenfalls mit Anker oder einem Ruder, da er als Gott angerufen wird, wenn es um gute und ruhige Fahrt über ein Gewässer geht.

Seine häufige Darstellung und praktische Verwendung als Wasserspender an Brunnen sowie die Attribute Schilf und Quelle weisen auf seine Funktion als Flussgott hin. Durch die Nähe zum Rhein, eine Tagesreise entfernt, über den der Besitzer der Villa sicherlich zum großen Teil den Transport seiner leicht verderblichen Luxusgüter abwickelte, erklärt sich seine Verbundenheit zu einem Gott, der sowohl die Meere und dessen Bewohner repräsentiert, aber auch als Vater der Flüsse gilt. Seine zentrale Bedeutung für die Sacra Privata, den privaten Hauskult des Villenbesitzers, zeigt sich auch in einem weiteren Fund – Oceanus in Form eines fein gearbeiteten Türbeschlags.

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Klassischer Ocenaus mit Krebsscheren auf dem Kopf, die Bartenden werden zu Delphinen (Cordoba, Spanien)

Die Abwandlung der klassisch römischen Darstellung des Oceanus in eine keltisch beeinflusste Form zeigt sich in der Umwandlung der Hummerscheren in ein Geweih. Zwar könnte man es aufgrund der roten Farbe auch als aus Koralle bestehend deuten, die Form und die daran haftenden Blätter identifizieren es aber eindeutig als Geweih.

Gleiches gilt für den Halsschmuck in Form eines typisch keltischen Halsreifs, der klassischerweise nichts an einem Oceanus zu suchen hat. Auch die Schlangen an seinen Enden entspringen nicht der Ikonographie des Ocenaus, sondern sind in der Gedanken- und Vorstellungwelt eines romanisierten Galliers zu verorten, der sich einerseits ganz dem römischen Lebensstil verschrieben hat, andererseits aber einen unkomplizierten Umgang mit der lokalen gallo-römischen Glaubenswelt pflegt und deshalb keine Probleme damit hat, einen für sein Volk wichtigen Gott mit einem für ihn persönlich wichtigen römischen Gott zu vermischen und ihre Attribute in einer völlig neuen Form zu kombinieren.

Daß ein Gallier von den Krebsscheren auf dem Kopf des Oceanus an das Hirschgeweih einer keltischen Geweihgottheit erinnert wird und diesen in einem heimischen Mosaik entsprechend darstellen läßt, ist im Rahmen des gallo-römischen Kontextes nicht weiter befremdlich. Ebensowenig verwundert es, daß er den Gott Oceanus mit dem in einheimischer Tracht üblichen Halsschmuck darstellt.

Cernunnos (?)

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Cernunnos auf dem Kessel von Gundestrup, sicherlich die bekannteste Darstellung

Cernunnos, der keltische Gott des Waldes und der Waldbewohner, ist aufgrund der Überlieferungslage generell problematisch in der Deutung.

Der Name des Gottes, der aus einer bruchstückhaften Inschrift der Pariser Nautensäule stammt, wurde in der Neuzeit auf zahlreiche namenlose keltischen Gottheiten mit Hirschgeweih übertragen, ohne daß sichergestellt ist, daß es sich bei ihnen immer um ein und denselben Gott handelt und nicht vielmehr um lokale Gottheiten unbekannten Namens.

Es gibt keinerlei Erwähnung oder Beschreibung seiner Symbole, Kultpraxis oder Attribute in schriftlichen römischen Quellen, so daß bei diesem Gott viel (moderne) Interpretation im Spiel ist. So ist die Verwendung des Namens „Cernunnos“ für alle gallischen Geweihgottheiten an sich schon fragwürdig.

Cernunnos trägt auf seinen Darstellungen ein Hirschgeweih oder hat zuweilen sogar einen vollständigen Hirschkopf. Meist sitzt er in ruhiger, geradezu an eine Meditationshaltung erinnernde Pose und ist von Tieren umgeben. In den bekannten Darstellungen trägt er oft ebenfalls einen eng anliegenden Halsreif. In der Gundestrop-Darstellung hält er zudem eine Schlange in der linken Hand und einen Torque in der rechten. Diese Schlange findet sich in mehreren Darstellungen quer durch den gallischen Raum.

Die Schlange spielt allerdings auch in der römischen Vorstellungswelt eine wichtige Rolle als positives, glücks- und erfolgsverheißendes Symbol und Torques mit Enden in Form von Schlangenköpfen sind aus dem gallo-römischen Raum bekannt, zum Beispiel wurden sie gerne von Legionären getragen.

Daß sich Cernunnos im romanisierten Gallien auch zur Römerzeit noch großer Beliebtheit erfreute, belegen Weihesteine, Brunnenfunde, Figur- und Reliefdarstellungen, die bis in die späte Kaiserzeit hinein populär waren. Auf Inschriften wird er in latinisierter Form Cernenus, Cornunus oder Cornutus genannt, worin sich das lateinische Wort „Cornu“ (Horn) wiederfindet (daß der aus dem luxemburgischen Waldtempel im Alzettetal bekannte Cerunincus etwas mit Cernunnos zu tun hat, ist hingegen unwahrscheinlich).

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Götterwelt: Arduinna

Herkunft, Bezeichnungen:

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Diese Bronzefigur wird als Arduinna angesprochen; ob es sich bei ihr tatsächlich um diese Göttin handelt, ist nicht gesichert

Arduinna ist eine gallo-römische Berg- und Waldgottheit und Göttin des Ardennenwaldes. In der Interpretatio Romana wird sie der Göttin Diana zugeordnet.

Alternative Schreibweisen sind Ardbinna oder Ardvinna. In einer Weiheinschrift wird sie auch als Dea Ardbinna bezeichnet.

Als „Ardennen“ (Arduenna silva) bezeichneten die Römer das zusammenhängende Mittelgebirge und geschlossene Waldgebiet von den (heutigen) Ardennen in Belgien und Luxemburg über Hohes Venn, Eifel bis an die Mosel und den Rhein (Provinzen Belgica und Germania inferior). Dieses Gebiet war zur Zeit des Gallischen Krieges (54-53 v. Chr) vor allem von den Treverern und Eburonen besiedelt und diente als Rückzugsgebiet des eburonischen Königs Ambiorix. Eine ausführliche geographische Beschreibung findet sich bei Caesar, De bello gallico, V, 3; VI, 31. Auch Strabon beschreibt in seiner „Geographica“ (IV, 3, 5) die Ardennen und zählt die keltischen Stämme auf, die in diesem Gebiet leben.

Ähnlich wie die gallo-römische Berggöttin Abnoba (römisch: Diana-Abnoba) die Personifikation des Schwarzwaldes war, gilt Arduinna als Personifikation der Ardennen. Weihesteine und figürliche Funde sind aus mehreren Gegenden des Eifel-Ardennengebiets bekannt, jedoch ist die Fundlage spärlicher als bei Abnoba. Verehrung erfuhr sie vor allem im Nordwesten Galliens.

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Replik des Weihesteins aus Gey

Ein Weihestein für Arduinna wurde in Gey (Hürtgenwald) gefunden, wo er heute auf dem Dorfplatz als Replik aufgestellt ist (das Original befindet sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn). Die Inschrift (CIL 13, 07848) lautet: „Deae Ardbi/nnae T(itus) Iuli/us Aequalis / s(olvit) l(ibens) m(erito)“ – „Der Göttin Ardbinna hat Titus Iulius Aequalis sein Gelübde froh, gerne und nach Gebühr eingelöst“.

Ihre Verehrung ist bis in das Jahr 565 n. Chr. belegt, als der langobardische Mönch und luxemburgische Säulenheilige St. Walfroy (Wulfilaïc) im belgischen Florenville eine Abkehr vom Kult der Arduinna forderte und ein Heiligtum der Diana zerstörte.

Zuständigkeiten, Attribute und Darstellungen:

Ein Weihestein (CIL 6, 46) ist aus Rom bekannt, den M. Quartinius Sabinus, Soldat einer römischen Kohorte, ein Gallier aus dem Stamm der Remer, mehreren Göttern stiftete – an erster Stelle zwei Lokalgöttern seiner Heimat, Ardvinne und Mars-Camulus. Da sein Weihestein neben einer Inschrift auch ein Relief enthält, wissen wir, daß Arduinna ikonographisch im klassischen römischen Stil wie Diana mit Bogen und Köcher dargestellt wurde.

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Die Wälder und engen Täler der Ardennen (hier: Blick von der Burg in Esch-sûr-Sure)

Eine weitere Darstellung der Arduinna ist in Form einer kleinen, aus römischer Zeit stammenden Bronzestatuette erhalten, die eine jugendliche Göttin mit Pfeil und Bogen zeigt, die auf einem Eber reitet und eine kurze, gegürtete Tunika trägt und wahrscheinlich diese Göttin zeigt.

Der Fundort dieser Figur ist unbekannt, ebenso kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, daß es sich bei dieser Figur tatsächlich um Arduinna handelt, da keine begleitenden Inschriften gefunden wurden. Die Zuordnung zu dieser Göttin stammt aus dem 19. Jahrhundert und erfolgte durch den Antiquaren, der sie entdeckte – möglicherweise aufgrund der Tatsache, daß das Wappentier der Ardennen der Eber ist. Die Figur befindet sich heute im Musée des Antiquités Nationales in Saint-Germain-en-Laye.

Durch ihre Identifikation mit Diana wird sie als Natur-, Jagd- und Waldgöttin angesprochen, daneben durch ihren Bezug zu den Ardennen und Parallelen zu Abnoba als Berggöttin und Beschützerin der Region, die sie als Lokalgöttin personifiziert.

Sonstiges:

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In den Ardennen sind wir gerne und häufig unterwegs. Hier: Blick vom Chateau La Roche

Zu Arduinna ist (anders als bei den gallischen Gottheiten Sirona oder Rosmerta) kein Begleiter bekannt.

Es sind keine Orte oder Tempel erhalten oder bekannt, an denen sie verehrt wurde.

 

 

 

 

 

 

 

Götterwelt: Sirona

Die Göttin Sirona (Dorfplatz Hochscheid im Hunsrück)

Die Göttin Sirona (Dorfplatz Hochscheid im Hunsrück)

Herkunft, Zuständigkeit, Bezeichnungen:

Die Göttin Sirona ist eine Quell- und Heilgöttin keltischen (gallischen) Ursprungs. Sie wurde auch als Dea Sirona oder Sancta Sirona angesprochen.

Anders als bei ihrem Begleiter Grannus, der in der Interpretatio Romana mit Apollo identifiziert wird, erfolgte bei Sirona keine Gleichsetzung mit einer römischen Göttin, so daß ihr Name immer alleine steht.

Da es von ihrem Namen in Inschriften verschiedene Schreibweisen gibt (Sirona, Thirona, Đirona), ist davon auszugehen, daß ihre Aussprache mit lateinischen Buchstaben schwierig wiederzugeben war. Sprachwissenschaftlich wird deswegen angenommen, daß ihr Name mit dem „Tau Gallicum“ (Đ) begann, einem Laut, der nur in der keltischen / gallischen Sprache existierte, nicht aber im Lateinischen. Das Đ wird wie ein scharfes, zischendes ß oder ts ausgesprochen, so daß die korrekte Aussprache des Namens wahrscheinlich „Tsirona“ oder „ßirona“ war.

Die Göttin Sirona ist aus zahlreichen Inschriften bekannt. Es existieren jedoch keine anderen schriftlichen Quellen über sie und sie wird auch von keinem antiken römischen Autor beschrieben, so daß ihre Mythologie und ihre Herkunftsgeschichte unbekannt sind. Dadurch, daß sie (ebenso wie die keltischen Göttinnen Rosmerta oder Epona) nie mit römischen Göttinnen gleichgesetzt wurde, ist davon auszugehen, daß keine Göttin ihr von der Mythologie und Hintergrundgeschichte her ähnlich genug war, um mit ihr identifiziert zu werden.

Sirona war vor allem im Stammesgebiet der keltischen Treverer sehr beliebt

Sirona war vor allem im Stammesgebiet der keltischen Treverer sehr beliebt (Rekonstruierte Keltensiedlung Bundenbach im Hunsrück)

9 Weiheinschriften sind für Sirona alleine bekannt, hinzu kommen 15 Inschriften, in denen sie gemeinsam mit Apollo-Grannus genannt wird.

Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist das östliche und mittlere Gallien, vor allem die Provinzen Gallia Belgica (Großraum Westschweiz – Ostfrankreich – Moselraum – Ardennen – Vogesen – Luxemburg – Südbelgien – Trier – südliche Eifel) und Germania Superior (Rheingebiet südlich des Vinxtbaches – Südwestdeutschland – Teile Frankreichs und der Schweiz). Einzelne Inschriften gibt es auch aus Gallia Celtica, Raetium, Noricum, Pannonia, Dacia, Budapest, Wiesbaden sowie eine Inschrift aus Rom.

Besonders großer Beliebtheit erfreute sie sich bei den gallischen Treverern, die im Mosel- und Hunsrückraum heimisch waren. Sie war eine reine keltische Festlandsgöttin, es sind keine Funde aus Britannien bekannt.

Eines ihrer größten und wichtigsten Heiligtümer und Pilgerstätten lag bei Hochscheid im Hunsrück, wo Ausgrabungen neben Badehäusern auch einen Umgangstempel, Priesterhaus und Pilgerherbergen zum Vorschein brachten. Von hier stammen auch die fast vollständig erhaltenen Statuen von Sirona und Apollo-Grannus, durch die wir eine sehr gute Vorstellung der Ikonographie dieser Göttin haben.

Ein gut erhaltenes Sironabad befindet sich auch in Nierstein am Rhein.Hier sind sogar die Heilquellen noch intakt und das Wasser gilt bis heute als wirksam.

Inschriften für Sirona wurden meistens bei Heilquellen und Quellheiligtümern gefunden. Oft handelt es sich dabei um schwefelhaltige Quellen. Ihre Funktion als Heilgöttin, die eben vor allem in Bädern und an Quellen wirkte, ist aus den Inschriftentexten und dem Fundzusammenhang belegbar. Neben dem Tempelkomplex bei Hochscheid sind weitere Tempel für sie bekannt, sowohl Umgangstempel als auch Heilbäder mit Badeanlagen, die über Quellen oder Aquädukte mit Wasser versorgt wurden. In Nierstein wurden neben Trinkkuren und Bädern auch Dampf- und Tropfbäder mit dem schwefelhaltigen Wasser durchgeführt

In einigen Weiheinschriften bedanken sich die Stifter ausdrücklich für die Heilung einer bestimmten Person oder für ihre eigene Heilung, so daß ihre Funktion und Zuständigkeit gut belegt sind.

Begleiter:

Sirona und ihr Begleiter Apollo-Grannus (Sirona-Pavillon Stipshausen im Hunsrück)

Sirona und ihr Begleiter Apollo-Grannus (Sirona-Pavillon Stipshausen im Hunsrück)

Sirona tritt in der überwiegenden Anzahl der bekannten Inschriften in Kombination mit dem ebenfalls keltischen Heilgott Grannus in seiner Form als Apollo-Grannus auf.

Das große Heiligtum in Hochscheid war beiden Gottheiten geweiht. Apollo-Grannus war überregional im ganzen römischen Reich als Heilgott bekannt und beliebt, Kaiser Caracalla selbst wandte sich an ihn, als die anderen Heilgötter (in diesem Fall Aesculapius und Serapis) ihm nicht halfen. Caesar beschreibt in seinem De Bello Gallico, daß die Gallier „zur Vertreibung von Krankheiten zu Apollo beten“ (De Bello Gallico, 6,17); auch hier ist der keltische Heilgott Grannus gemeint, der in der gallo-römischen Form der Religio Romana zu Apollo-Grannus verschmolz.

Attribute und Darstellungen:

Die Darstellung der Sirona sowie ihre typischen Attribute sind gut bekannt, weil von ihr fast vollständig erhaltene, lebensgroße Statuen gefunden wurden. Die bekannteste und besterhaltene Statue stammt aus dem Tempelkomplex von Hochscheid, wo sie zusammen mit einer Figur des Apollo-Grannus aufgestellt war. Die Originale stehen heute im Landesmuseum Trier, aber lebensgroße Replikate dieser Sirona-Statue finden sich heute an zahlreichen Orten in dieser Hunsrück-Region, unter anderem in der Dorfmitte von Hochscheid und, gemeinsam mit einer Statue des Apollo-Grannus, in einem römischen Pavillon in Stipshausen.

Typische Darstellung der Sirona mit Sternendiadem, Palla, Schlange und Schale mit Eiern

Typische Darstellung der Sirona mit Sternendiadem, Palla, Schlange und Schale mit Eiern

Bei den Galliern waren zu vorrömischer Zeit figürliche und naturalistische Darstellungen ihrer Götter unüblich. Wenn überhaupt, waren Götterfiguren abstrakt oder grob modelliert. Deswegen gibt es keine Quellen oder Belege der keltischen Form dieser Göttin aus vorrömischer Zeit.

Sirona wird in ihrer gallo-römischen Form in typisch römischer Weise als junge Frau dargestellt, die in eine Palla gekleidet ist, das typische römische, bodenlange Übergewand. Darunter trägt sie ein Gewand mit freien Unterarmen, das unterhalb der Brust gegürtet ist. In ihren Händen trägt sie oft einen Korb oder eine Opferschale mit Äpfeln, Trauben, Ähren oder Eiern (3 Eier in Hochscheid). In manchen Darstellungen, wie in Hochscheid, windet sich eine Schlange um ihren Arm, die aus einer Schale in ihrer Hand trinkt. Damit ist ihre Ikonographie ähnlich der der römischen Heilgöttin Hygieia, Tochter des Aesculapius, die ebenfalls eine Schlange trägt und wurde wahrscheinlich von ihr übernommen. Auf dem Kopf trägt die Sirona von Hochscheid eine Kopfbedeckung mit einem Sternendiadem. Das wird als Hinweis für die (nicht unumstrittene) sprachwissenschaftliche Wurzel ihres Namens abgeleitet vom gallischen Wort für „Stern“: ser oder syr angenommen.

Eine Darstellung von den Schwefelquellen bei Alzey in Rheinhessen zeigt sie mit einer Opferschale, einer Patera, in der rechten Hand und einem Zepter in der linken Hand. Auch diese Darstellung ist durch die Inschrift eindeutig als Sirona zu identifizieren.

Eine Darstellung der Sirona auf einem Viergötterstein in Frankreich zeigt sie mit einem sternengeschmückten Diadem, von dem ein Schleier herabfällt. Hier hält sie in ihrer linken Hand ein Füllhorn, während sie in der rechten Hand eine Patera hält, zu der sich eine Schlange an ihrem Arm herabwindet.

Eine Bronzefigur aus Frankreich, die zusammen mit einer Figur des Apollo-Grannus mit Kithara gefunden wurde, zeigt Sirona nackt bis zur Hüfte und einer Schlange, die sich um ihren linken Arm windet.

Opfergaben:

Im Hunsrück ist Sirona noch heute an vielen Stellen anzutreffen

Im Hunsrück ist Sirona noch heute an vielen Stellen anzutreffen

Untersuchungen in Quellheiligtümern brachten verschiedene Opfergaben für Sirona zum Vorschein. Es schien üblich zu sein, daß Geheilte eine frisch geprägte, unbenutzte Münze in die Quelle legten (möglicherweise nach erfolgter Heilung, um den Zeitpunkt ihrer Heilung zu dokumentieren). Daneben fand man kleine Figuren, oft aus Terrakotta, die wahrscheinlich in den dem Tempel zugehörigen Devotionalienläden oder bei örtlichen Töpfereien gekauft werden konnten. Auch Keramik- und Glasscherben von Trinkgefäßen wurden gefunden, da man das Heilwasser aus der Cella (die in Hochscheid das Becken enthielt und von den Besuchern, anders als bei einem Umgangstempel, betreten werden durfte) selbst schöpfte.

In einem Brunnen in Pforzheim wurde eine Sirona-Statuette zusammen mit Keramiken, einer Wasserkelle, Nadeln und zahlreichen Tierknochen gefunden, sowie mit 8 menschlichen Skeletten. Die Deutung dieser Fundstätte ist nicht abschließend geklärt; einerseits war das Versenken von Opfergaben in Brunnen ein keltischer Brauch, andererseits ist aus dem wüsten Verfüllungszustand des Brunnens nicht eindeutig ein zeitlicher Zusammenhang zu konstruieren, so daß die menschlichen Skelette auch in der Folge der Alamanneneinfälle in den Brunnen gelangt sein könnten. Eine Deutung dieser Fundstätte in kultischer Hinsicht sollte deswegen, auch wegen der Ausnahmesituation, nicht vorgenommen werden.

Typische Opfergaben für Sirona im heutigen Cultus Deorum sind Äpfel und Münzen.

Feiertage:

Ein bestimmter Feier- oder Ehrentag für Sirona im römischen Kalender ist nicht überliefert.

Sonstiges:

„Sironabad innen“ (Bild von PM3, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Das Sironabad von Nierstein (Foto von PM3, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Im Hunsrück befindet sich der 106 km lange „Sirona-Weg„, der ein Wandern auf keltischen und römischen Spuren ermöglicht. Er führt unter anderem durch die antike Siedlung Belginum und durch die Dörfer Hochscheid und Stipshausen, in denen Sirona noch heute große Wertschätzung erfährt. In diesen Orten befinden sich mehrere lebensgroße Standbilder der Sirona, die die Einheimischen pflegen und auch mit Blumen schmücken.

Der Sirona-Weg ist zur Zeit lt. Auskunft der Verbandsgemeinde auf dem Prüfstand, weswegen Schilder und Wegabschnitte nicht mehr ganz so gut gepflegt werden. Auch die offizielle Website ist zur Zeit offline. Wer auf den Spuren von Sirona wandeln möchte, kann aber trotzdem problemlos nach Belginum, Hochscheid und Stipshausen fahren, auch wenn der Tempelkomplex nach Fundaufnahme aus Angst vor Raubgräbern verfüllt wurde und nicht mehr an der Oberfläche zu sehen ist. Dennoch ist es interessant, wie lebendig Sirona in dieser Region noch ist und wie sehr sie auch von den Einheimischen noch heute geschätzt wird, auch ohne das sie eine Christianisierung erfahren hat.

Alternativ bietet sich eine Besichtigung des Sironabades in Nierstein an, sowie ein Besuch im Rheinischen Landesmuseum Trier, in dem die Originalstatuen der Sirona und des Apollo-Grannus aus Hochscheid ausgestellt sind.

Götterwelt: Flora

Kaiserzeitliche Statue der Flora aus Hadrians Villa (Kapitolinisches Museum)

Kaiserzeitliche Statue der Flora aus Hadrians Villa (Kapitolinisches Museum)

Herkunft, Zuständigkeiten, Bezeichnungen:

Flora ist eine alte Vegetations- und Fruchtbarkeitsgöttin ur-römischen Ursprungs.

Im Gegensatz zu vielen anderen römischen Gottheiten, hat sie ihren Ursprung nicht in der etruskischen, griechischen oder provinzialrömischen Götterwelt (keltisch, afrikanisch, orientalisch), sondern gilt als Göttin, die bereits von den Sabinern verehrt wurde – den „Ureinwohnern“ der italischen Halbinsel vor der Gründung Roms, die lange Zeit als schärfste Konkurrenten Roms in der Region galten, bis sie im Jahr 290 v. Chr. endgültig von Rom erobert und in das Römische Reich assimiliert wurden.

Der Legende nach wurde Flora vom sabinischen König Titus Tatius (der bis zu seiner Ermordung gemeinsam mit Romulus über Rom herrschte) mit nach Rom gebracht, indem er ihr dort einen Altar errichtete. Die sybillinischen Bücher ordneten im Jahr 238 v. Chr. die Errichtung eines Tempels für sie an, gemeinsam mit der Einführung eines Festes – den Floralia. Dieser Tempel wurde auf dem Quirinal errichtet, einem der sieben Hügel Roms und das Kultgeschehen dort von einer Priesterin betreut.

Numa Pompilius, der sagenhafte zweite König Roms, setzte für sie einen eigenen Flamen ein (ein Opferpriester, der für eine bestimmte Gottheit zuständig ist) – den Flamen Floralis. Er gehörte zu den zwölf Flamines minores, den „kleineren Flamen“.

In späterer Zeit errichtete man ihr einen zweiten Tempel, dieses Mal in der Nähe des Circus Maximus, um sie als sehr volkstümliche Göttin in einem plebeiischen Umfeld in der Nähe des einfachen Volks anzusiedeln.

Flora wird auch als Flora Mater angesprochen.

Sie gehört zu den ländlichen Fruchtbarkeits- und Vegetationsgottheiten, hier vor allem – wie der Name schon andeutet – der Blumen und Pflanzen, auch Erde, Getreide und Ackerbau, aber auch als Göttin der Jugend und eine Göttin der Schwangerschaft. Ähnlich wie Bacchus ist sie auch eine Göttin der Sinnesfreuden und des Genusses und sie gilt als die Schutzgöttin der Prostituierten. Sie kann auch Pflanzenkrankheiten abhalten, insbesondere einen Pilz, der vor allem Getreide befällt.

Da es relativ viele Fruchtbarkeitsgöttinnen gibt (lokale, wie auch im ganzen römischen Reich verbreitete), steht Flora neben ihnen immer etwas im Schatten und spielt eigentlich nur Ende April bis Anfang Mai eine größere Rolle im religiösen Alltag.

Sie ist mit der Jahreszeit Frühling assoziiert (zu anderen Jahreszeiten tritt sie sozusagen wieder zurück in den Schatten).

In der Mythologie ist sie die Gemahlin des Wind-, Blumen- und Pflanzengottes Favonius, tritt aber auch als eine Gefährtin des Hercules auf. Außerdem soll sie die Göttin Juno durch eine Blume befruchtet haben, was zur Geburt des Gottes Mars führte. Ovid setzt sie in seinen „Fasti“ mit der griechischen Nymphe Chloris gleich, interessanterweise eine Gleichsetzung, die sonst in keiner antiken Quelle erwähnt wird.

Attribute und Darstellungen:

Wandgemälde der Flora aus Stabiae nahe Pompeji

Wandgemälde der Flora aus Stabiae nahe Pompeji

In der antiken Darstellung ist Flora eine junge Frau, die mit Blumen bzw. Blüten geschmückt ist. Bilder von ihr sind überliefert in Form von Statuen, Reliefs, Wandmalereien, aber auch auf römischen Münzen, auf deren Rückseite ihr Bild geprägt war.

Zu ihren Pflanzen gehören die Wicken, Bohnen und Lupinen (nach Persius).

Zu den Rosalia am 23. Mai wurde sie mit Rosen geehrt. Die Rose war in der römischen Antike eine typische Totenblume (wie bei uns heute die weiße Lilie), galt aber auch als Symbol für den Kreislauf der Natur, für das Sterben und den Neubeginn.

Feiertage:

Im römischen Kalender werden Ende April ihr zu Ehren die mehrtägigen Floralia abgehalten (28. April bis 5. Mai), die in der Antike ein sehr beliebtes Fest waren.

Die Floralia sind – wie die Göttin selbst – ebenfalls ein relativ altes Fest, das seit dem Jahr 230 v. Chr. in den Quellen belegt ist. Es wurde aber bis in die Kaiserzeit und Spätantike gefeiert.

Es war ein sehr volkstümliches Fest. Im Zentrum der Floralia standen Theateraufführungen und generell Aufführungen aller Art (vor allem Lustspiele und auch frivole Stücke, von denen uns römische Dichter einige hinterlassen haben, die heute selbst fürs Volkstheater zu derb wären. Vieles war zotig, phallus-zentriert und auch Nacktheit war darin üblich, sowie Striptease-artiges Ausziehen von Tänzerinnen, was in Rom als ziemlich gewagte und freche Show galt). Prostituierte waren ebenfalls an den Floralia beteiligt und spielten dort eine öffentliche Rolle.

Die Floralia (Piatto, 1899)

Die Floralia (Piatto, 1899)

Man dekorierte das Haus oder die Wohnung mit Blumen und veranstaltete Festmahle für Freunde und Familie. Es wurde auch gerne dem Alkohol zugesprochen, wohingegen Trunkenheit im römischen Reich ansonsten eher verpönt war (man sollte zwar viel vertragen können, aber auf keinen Fall betrunken wirken).

Währen der Floralia schmückten sich Männer mit Blumen um den Hals oder auf dem Kopf (oder beides). Frauen, die normalerweise (von Prostituierten und der arbeitenden Bevölkerung einmal abgesehen, wo Kleidung in erster Linie praktisch sein mußte) nur mit einem relativ strengen Dresscode aus dem Haus gingen, kleideten sich zu dieser Zeit bunt und auch gewagter. Die ersten fünf Tage standen ganz im Zeichen dieser Aufführungen und des Feierns und Tanzens.

Am 6. Tag ging man auch auf die Jagd (vor allem nach Hasen).

Floralia-Feier 2015 in Aquincum (Photo von Müller Zoltán)

Floralia-Feier 2015 in Aquincum (Photo von Müller Zoltán)

Während der Floralia wurden Zirkusspiele in der Arena abgehalten (die Ludi Florales), unter anderem Tierhatzen. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Tierkämpfen gegen Großwild oder Raubtiere, wurden zu Ehren Floras vor allem Wild wie Hasen, Ziegen oder Rehe gejagt und getötet (ob Ziegen oder Rehe ist nicht ganz eindeutig, da Ovid in seiner Beschreibung der Festivitäten ein Wort benutzt, das für beides stehen könnte. In der Forschung tendiert man eher zur Ziege, da Rehe nicht domestiziert werden können und auch im landwirtschaftlichen Kontext keine Rolle spielen).
Es gab auch Wettbewerbe, Wettrennen, Gladiatorenspiele und Wettkämpfe in der Arena sowie spektakuläre Veranstaltungen. Auch Tierrennen, bei denen z.B. Hasen oder Ziegen gegeneinander liefen, waren üblich. Zu den eindrucksvollsten Ereignissen zählte dabei unter anderem ein dressierter Elefant auf einem Drahtseil im Jahr 30 n. Chr., der vom römischen Geschichtsschreiber Suetonius in der Biografie des Kaisers Galba beschrieben wird.

Floralia 2015 - Ritual (Photo von Müller Zoltán)

Floralia 2015 – Ritual (Photo von Müller Zoltán)

Um 180 v. Chr. wurden die Spiele während der Floralia eingestellt, weil man sie für „superstitio“ hielt (übertriebene religiöse Ereiferung). Als daraufhin Mißernten, Hagelstürme und Dauerregen Getreide und Pflanzen zerstörten, wurden im Jahr 173 v. Chr. die Spiele wieder abgehalten und zwar seitdem konsequent jedes Jahr.

Den Abschluß des Festes bildete ein Opfer für Flora, das besonders von den Bauern auf dem Lande gebracht wurde.

Im Rahmen der Rosalia am 23. Mai wird Flora (gemeinsam mit Venus) geehrt. An diesem Tag findet ein Toten- und Blumenfest statt. Römer gedachten an diesem Tag ihrer Toten und schmückten die Gräber mit Rosen. Die Rosalia waren ebenfalls ein enorm populäres Fest; die große Nachfrage nach Rosen an diesem Tag wurde durch riesige Rosenfelder vor den Toren Roms gedeckt. Neben Festmählern, bei denen man mit Rosen dekorierte und Rosenprodukte (wie Duftöle) verwendete, gab es an diesem Tag öffentliche Theateraufführungen und Spiele.

Cn. Cornelius Lentulus, Pontifex, Sacerdos, Quaestor und tief in der Religio Romana bewanderter Cultor, vollzieht das öffentliche Opfer anläßlich der Floralia 2015 (Foto mit freundlicher Genehmigung des Aquincum Museums, Fotograf Péter Komjáthy, http://www.aquincum.hu )

Cn. Cornelius Lentulus, Pontifex, Sacerdos, Quaestor und tief in der Religio Romana bewanderter Cultor, vollzieht das öffentliche Opfer anläßlich der Floralia 2015 (Foto mit freundlicher Genehmigung des Aquincum Museums, Fotograf Péter Komjáthy, http://www.aquincum.hu )

Sonstiges

In unseren Breiten (Östliches Gallien, Nieder- und Obergermanien) ist kein Flora-Tempel bekannt; daß sie hier offenbar keine allzu große Rolle in der Kultpraxis spielte, mag darin begründet sein, daß sie durch lokale Fruchtbarkeitsgöttinnen, aber auch einheimische gallo-römische Götter des Landbaus und der Vegetation verdrängt wurde, die hier als wichtiger erachtet wurden und eine lange Verehrung genossen.

Ab der Renaissance und der damit einhergehenden Wiederentdeckung der Antike erlebte Flora eine neue Blütezeit und gelangte in dieser Epoche zu einer größeren Beliebtheit als es in der römischen Antike je der Fall gewesen war. Aus dieser Ära stammen die bekanntesten Darstellungen von ihr, vor allem Plastiken, Gemälde, aber auch Musikstücke, ein Ballett und Gedichte. Besonders berühmt sind die Gemälde von Rembrandt und Boticelli.

Die Flora von Boticelli (Detail aus dem Gemälde

Die Flora von Boticelli (Detail aus dem Gemälde „Frühling“ von 1482)

Antike Quellen über Flora

Die Floralia und die Göttin Flora selbst werden von zahlreichen antiken Autoren beschrieben.

Die wichtigste Quelle für Flora ist hierbei:

Ovid: Fasti (eine Beschreibung diverser römischer Feiertage). In diesem Buch führt der Autor auch einen langen, fiktiven Dialog mit der Göttin Flora, in dem sie sich ihm vorstellt und ihm ihre Herkunft und Mythologie erklärt (aus diesem Werk stammt auch die Gleichsetzung mit der griechischen Nymphe Chloris, die nirgendwo sonst erwähnt wird, sowie die Geschichte zur Entstehung des Mars).

Hier finden sich auch einige Anrufungen an Flora die zu den Floralia gemacht werden, wie:

“Mater, ades, florum, ludis celebranda iocosis!”
“Mutter der Blumen, mögen wir Dich mit fröhlichen Spielen ehren!“ (Ovid, Fasti, Buch V, 183)

Auch Plinius der Ältere beschreibt in seiner „Naturgeschichte“ (naturalis historia) die Göttin Flora und ihren Ursprung (18, 103).

Über die volkstümlichen Exzesse während der Floralia echauffieren sich Autoren wie Cato der Jüngere und Ausonius. Positiv hingegen äußern sich Ovid, Varro, Plinius, Persius, Martial und Juvenal.

Aus unseren Breiten sind ansonsten wenig Weihesteine oder Inschriften bekannt, die belegen würden, daß Flora hier eine größere Rolle gespielt hat. Es gibt lediglich einen Weihestein aus Mainz (Mogontiacum, die Hauptstadt Obergermaniens), der Flora von einem Gaius Sextius für die Erfüllung eines Gelübdes gestiftet wurde.

Götterwelt: Apollo-Grannus

Darstellung mit Krug und Heilwasser (Bonn, Rheinisches Landesmuseum)

Darstellung mit Krug und Heilwasser (Bonn, Rheinisches Landesmuseum)

Herkunft, Zuständigkeiten, Bezeichnungen:

Apollo-Grannus ist ein gallo-römischer Heilgott, der gallischen Ursprungs ist.

Grannus galt als einer der am weitesten verbreiteten keltischen Götter. In der Interpretatio Romana wurde er mit Apollo gleichgesetzt und erfuhr weite Verehrung auch im Römischen Reich.

Bei den Kelten war Grannus (auch Granus Mogounus Amarcolitanus) ein Gott, der mit Quellen, Heilbädern, Mineral- und Thermalquellen und der Sonne assoziiert wurde. Die heißen Thermalquellen von Aachen (Latein: Aquae Granni, „Wässer des Grannus“) wurden schon vor den Römern (nachweisbar ab der Hallstatt-Zeit, 6. Jahrhundert v. Chr.) von den Galliern zu Heilzwecken benutzt.

Während es aus keltischer Zeit keine Darstellungen oder schriftlichen Aufzeichnungen zu diesem Gott gibt, existieren aus römischer Zeit zahlreiche Inschriften, Weihesteine und Darstellungen, die die Beliebtheit und weite Verbreitung dieses Gottes demonstrieren. Das Hauptverbreitungsgebiet lag im Bereich des östlichen und nördlichen Galliens mit einem kultischen Schwerpunkt im Raum Aachen, wo sein Zentralheiligtum vermutet wird.

Auch sind Inschriften und Weihesteine unter anderem aus Arnhem, Alzey, Augsburg, Bonn, Rheinzabern, Speyer, Trier und Bitburg bekannt. Im bayerischen Faimingen an der Donau (Phoebiana) stand ein großer römischer Apollo-Grannus-Tempel, der von Kaiser Caracalla im Jahre 212 errichtet worden war. Wie der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio im 77. Buch seiner „Römischen Geschichte“ berichtet, war Caracalla während des Krieges gegen die Alamannen erkrankt (er ging davon aus, von germanischen Zaubersprüchen und Zaubern krank gemacht worden zu sein) und reiste nach Aachen, um dort „den keltischen Gott Apollo-Grannus“ um Heilung zu bitten. Daneben suchte er auch (allerdings vergeblich) die Kultstätten von Serapis und Asklepius auf.

Apollo und Sirona aus einem Quellheiligtum im Hunsrück

Apollo und Sirona aus einem Quellheiligtum im Hunsrück

Apollo-Grannus ist auch aus anderen römischen Provinzen bekannt. Inschriften fanden sich von der Donau bis nach Schottland, in Elsaß und Vogesen, von Spanien bis nach Ephesus, in Österreich, Ungarn, England und Rumänien. Ein großes Kultzentrum wird auch im Trierer Tempelbezirk im Altbachtal vermutet.

Viele der Tempel, wie der erst kürzlich entdeckte Tempel bei Neuenstadt am Kocher in Baden Württemberg, sind typisch gallo-römische Umgangstempel. Oft sind sie an Quellen und Heilbäder angeschlossen, in denen Kultbäder und Trinkkuren durchgeführt wurden.

Daneben gibt es Hinweise auf besondere Feste, die diesem Gott zu Ehren gefeiert wurden. Eine Inschrift aus dem 1. Jahrhundert aus Limoges weist auf ein Fest hin, das 10 Nächte lang dauerte:

POSTVMVS DV[M]
NORIGIS F(ilius) VERG(obretus) AQV
AM MARTIAM DECAM
NOCTIACIS GRANNI D(e) S(ua) P(ecunia) D(edit)

Übersetzung:

„Vergobretus Posthumus, Sohn des Dumnorix, stiftete von seinem eigenen Geld die Aqua Martia (Wasser des Mars, wahrscheinlich ein Aquädukt) für das zehn Nächte dauernde Fest des Grannus.“

Auch das Amphitheater des französischen Ortes Grand (dessen Name sich möglicherweise von Grannus herleitet) war Apollo-Grannus gewidmet.

Begleiter:

Apollo Grannus-Tempel in Faimingen, gestiftet von Kaiser Caracalla

Apollo Grannus-Tempel in Faimingen, gestiftet von Kaiser Caracalla

Eine häufige Begleiterin des Gottes ist die gallische Heil- und Quellgöttin Sirona, deren Ikonographie von der Göttin Hygieia übernommen wurde, die allerdings ihren Eigennamen behielt und unter diesem auch von den Römern verehrt wurde. In zahlreichen Inschriften treten Sirona und Apollo-Grannus als Paar auf, auch gibt es Tempel und Quellheiligtümern, die beiden gewidmet sind (unter anderem in Hochscheid, Augsburg, Bitburg, Rom und Baumberg sowie das Sironabad bei Nierstein am Rhein).

Weitere Begleiter, die aus Inschriften bekannt sind, sind Quellnymphen, Diana, Hygieia und Kybele (Faimingen), Sol (Grand in Frankreich), Mars, Serapis und Isis (Astorga).

Attribute und Darstellungen:

Weihestein für Apollo-Grannus

Weihestein für Apollo-Grannus

Darstellungen aus vor-römischer Zeit sind nicht bekannt, da erst mit den Römern die bildliche Darstellung von Göttern in keltischen Gebieten Einzug hielt. Wie Apollo, so wird auch Apollo-Grannus häufig als Kithara-spielender Jüngling dargestellt. Dabei ist er häufig nackt oder nur mit einem Mantel bekleidet, der an seinem Rücken befestigt ist und über seinem Unterarm hängt. In einigen Darstellungen ist er gelockt und steht mit gekreuzten Beinen da. In der anderen Hand, die bei figürlichen Darstellungen oft nicht erhalten ist, hält er wahrscheinlich ein Plektrum, mit dem er das Instrument spielt.

Auch die Darstellung mit einem Krug, aus dem Wasser fließt, wie aus dem Altbachtal in Trier, zeigt ihn als einen Gott der Heilquellen.

Weiterführende Informationen:

Ambiorix, König der Eburonen

Das Denkmal des Ambiorix auf dem Marktplatz von Tongeren

Das Denkmal des Ambiorix auf dem Marktplatz von Tongeren

Eine unserer Reisen durch das östliche Gallien führte uns nach Tongeren, in die älteste Stadt Belgiens.

Sie entstand aus der römischen Stadt Atuatuca Tungrorum, Hauptstadt des Verwaltungsbezirks Civitas Tungrorum in der Provinz Gallia Belgica (die später in die Provinz Germania inferior, Niedergermanien, eingemeindet wurde).

Neben der noch über mehrere Kilometer erhaltenen römischen Stadtmauer, gibt es in Tongeren das (sehr modern gestaltete) Gallo-Romeins Museum, das zum Europäischen Museum des Jahres 2011 gekürt wurde. Hier sind vor allem die regionalen Funde aus dem römischen Atuatuca Tungrorum ausgestellt und der Besucher erhält einen guten Eindruck von der Ausdehnung und dem Aufbau der römischen Provinzstadt.

Die dritte – wenngleich nicht wirklich „römische“ Sehenswürdigkeit, aber dennoch für den gallo-römischen Touristen Pflichtprogramm -, ist das 1866 errichtete Ambiorixstandbild auf dem Marktplatz der Stadt. Er zeigt den überlebensgroßen König des gallischen Stammes der Eburonen, der auf drei Dolmen steht.

Ambiorix gilt als ein belgischer „Nationalheld“. Der Anführer der Eburonen spielt eine wichtige Rolle in Caesars KriegsberichtDe Bello Gallico, denn er brachte den römischen Legionen auf ihrem Gallienfeldzug in den Jahren 54-53 v. Chr. eine ihrer größten Niederlagen bei. Caesar beschäftigt sich in seinem Kriegsbericht ausführlich mit diesem Herrscher, den wir deshalb vor allem aus dieser Quelle kennen.

Die Eburonen wurden von einem Doppelkönigtum regiert; diese beiden Herrscher bezeichnete Caesar mit dem lateinischen Wort „Rex“ (König):

„Catuvolcus rex dimidiae partis Eburonum“

König Catuvolcus herrscht über die eine Hälfte der Eburonen“ (De Bello Gallico 6,31,5)

Als Rache für die Niederlage, die die Eburonen den römischen Legionen beibrachten, ordnete Caesar im Jahr 51 v. Chr. einen Rachefeldzug gegen den gesamten Stamm an mit dem Ziel, ihn auszulöschen und das Stammesgebiet danach den Rom-loyalen Germanen vom Stamme der Ubier zu übergeben.

Eburonische Höhenfestung (Römervilla Ahrweiler, 2014)

Eburonische Höhenfestung (Römervilla Ahrweiler, 2014)

Auch für uns ist das Schicksal des Ambiorix und der Eburonen von besonderem Interesse, da die Region, in der wir leben – das Ahrtal – im Grenzland zwischen den Stammesgebieten der Eburonen und der ebenfalls keltischen Treverer lag. Eburonische Funde aus der Region, sowie die Rekonstruktion einer eburonischen Höhensiedlung, waren im Jahr 2012 im Rahmen der Sonderausstellung „Eburonen – unsere vergessenen Vorfahren“ in der Römervilla Ahrweiler zu sehen.

Als römische Rekonstruktionisten ist es für uns immer spannend und interessant, sich ganz grundsätzlich mit römischer Geschichte zu beschäftigen, die wir dank der vielen erhaltenen Quellen gut studieren können. Als wir in Tongeren auf Ambiorix und die Eburonen trafen, die auch unsere Region besiedelt hatten, war die Gelegenheit gekommen, wieder einmal Caesars Kriegsbericht „De Bello Gallico“ in die Hand zu nehmen und sich mit Ambiorix und dem Schicksal seines gallischen Stammes zu beschäftigen!

Da vielen Lesern der „Gallische Krieg“ des Julius Caesar in der Schule im Lateinunterricht vergällt wurde, wäre es natürlich ein schöner Nebeneffekt, wenn dieser Artikel wieder das Interesse an dem spannenden Kriegsbericht des römischen Feldherren (und natürlich an Ambiorix und den Eburonen!) weckt und man feststellt, daß Geschichte keineswegs dröge und langweilig ist – und daß „De Bello Gallico“ Ereignisse beschreibt, die sich direkt hier vor Ort, in unserer Heimat abgespielt haben 🙂

Die Eburonen

Das Stammesgebiet der Eburonen erstreckte sich über das stark bewaldete Gebiet zwischen Rhein und Maas im Bereich der Eifel und der nördlichen Ardennen. Westlich reichte es etwa bis auf die Höhe der Stadt Brüssel und an das Gebiet der westlich der Maas lebenden Aduatuker, südlich stieß es an das Stammesgebiet der in der Südeifel und im Moselraum lebenden, ebenfalls keltischen Treverer. Beiden – größeren – Stämmen waren sie zu Tributzahlungen verpflichtet.

Die Wälder und engen Schluchten der Ardennen gehören zu unseren liebsten Reisezielen

Die Wälder und engen Schluchten der Ardennen gehören zu unseren liebsten Reisezielen (hier: Blick von der Burg in Esch-sur-Sûre)

Die Eburonen waren ein relativ kleiner gallischer Stamm, der über etwa 44.000 Mitglieder, davon 8000 kampffähige Krieger, verfügte.

Caesar berichtet in „De Bello Gallico„, daß die Eburonen von einer Doppelspitze aus zwei Königen geführt wurden (Ambiorix und Catuvolcus), wie es bei keltischen Stämmen bisweilen üblich war. Um einen Krieg zu erklären, war die Zustimmung beider Könige notwendig. Ansonsten schien die Aufgabenverteilung eher geografischer Natur zu sein; nach der Verteilung der Münzfunde scheint Ambiorix‘ Herrschaftsgebiet in der Nähe von Brüssel gelegen zu haben, während Catuvolcus über die Eburonen im Eifel- und Ardennenraum herrschte. Den Machtbefugnissen der Könige nach zu urteilen, schien es sich, wie im heutigen Großbritannien, den Niederlanden oder Belgien, eher um eine Art konstitutionelle Monarchie gehandelt zu haben, denn Ambiorix selbst erklärt gegenüber Caesar bei einem Zusammentreffen:

„ut non minus haberet iuris in se multitudo, quam ipse in multitudinem.“

„denn seine Herrschaft sei von der Art, dass das Volk ebenso viele Gewalt über ihn besitze als er über das Volk“ (De Bello Gallico, 5, 27, 3)

Im Laufe des Krieges tritt dann allerdings ausschließlich noch Ambiorix in Erscheinung; von König Catuvolcus hört man nur noch einmal, im Zusammenhang mit seinem Selbstmord nach der Zerschlagung des eburonischen Aufstandes. Der alte König vergiftete sich mit dem Saft des Eibenbaums und verfluchte seinen Amtskollegen Ambiorix auf dem Sterbebett. Die Eibe gilt als der „heilige“ Baum der Eburonen und das keltische Wort für Eibe (eburo) als Namensgeber des Stammes, so daß aus dem hohen Alter von Catuvolcus in der Literatur auch geschlussfolgert wird, daß der zweite König eher sakrale Funktionen innehatte.

„Catuvolcus rex dimidiae partis Eburonum, qui una cum Ambiorige consilium inierat, aetate iam confectus, cum laborem aut belli aut fugae ferre non posset, omnibus precibus detestatus Ambiorigem, qui eius consilii auctor fuisset, taxo, cuius magna in Gallia Germaniaque copia est, se exanimavit.“

„Catuvolcus, der König einer Hälfte der Eburonen, der an der Verschwörung des Ambiorix teilnahm, aber seines hohen Alters wegen unfähig war, die Last des Krieges oder der Flucht zu ertragen, vergiftete sich unter Fluch und Verwünschung des Ambiorix als des Urhebers der ganzen Sache, mit dem Beerensaft des Eibenbaumes, der in Gallien und Germanien in großer Menge wächst.“ (De Bello Gallico, 6, 31, 5)

Kelten oder Germanen?

Zu Beginn des Gallienfeldzugs waren die Eburonen mit den Römern verbündet und es herrschte ein reger Kontakt zwischen Caesar und Ambiorix. Zwischen beiden verkehrten regelmäßig Boten und es fanden lange Gespräche und Verhandlungen statt. Unter anderem unterstützten die Eburonen Rom bei der Unterwerfung des Stammes der Belger.

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Götterwelt: Lenus-Mars

Zuständigkeiten, Herkunft, Bezeichnungen:

Schreibweisen: Lenus, Laenus

(Moderne) Holzstatue des Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

(Moderne) Holzstatue des Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Der gallo-römische Heil- und Stammesgott Lenus des keltischen Stammes der Treverer war einer der wichtigsten und bedeutsamsten einheimischen Götter im Eifel- und Moselraum bis nach Luxemburg. Seine Bedeutung in diesem Teil Galliens war so groß, daß sein Kult sich bald auch großer Beliebtheit unter den Römern erfreute. Im römischen Reich verbreitete sich Lenus-Mars auch über das Stammesgebiet der Treverer hinaus, was Weiheinschriften in Britannien belegen.

Im romanisierten Gallien wurde Lenus durch die Interpretatio Romana mit dem römischen Gott Mars identifiziert, was zu seiner Ausprägung als Lenus-Mars führte. Die besondere Bedeutung des Gottes ist auch durch die ungewöhnliche Tatsache ersichtlich, daß sein gallisches Epitheton zuerst genannt wird, während es ansonsten bei romanisierten Göttern üblich war, zuerst den römischen Namen zu nennen („Apollo Grannus“, „Merkur Cissonius“, „Jupiter-Ammon“).

In seiner Hauptfunktion ist Lenus-Mars ein Heilgott. Für ihn gab es gewaltige Heiligtümer mit medizinischen Heilquellen in Trier (der Kaiserstadt Augusta Treverorum, die seinerzeit die zweitgrößte Stadt des römischen Reichs war – deswegen auch „Rom des Nordens“ genannt) und auf dem Martberg (Mons Martis, „Marsberg“) an der Mosel. Beide Tempel wurden im römischen Reich zu überregional bedeutsamen Pilgerstätten, ihre Orte waren aber schon zu keltischer Zeit bedeutsame Heiligtümer. Das Quellheiligtum in Trier („Am Irmenwingert“) war schon vor der römischen Zeit ein religiöses Zentrum der Treverer, in dem neben dem Stammesgott Lenus auch Iovantucarus (in der Interpretatio Romana ebenfalls mit Mars gleichgesetzt), Ancamna (eine gallo-römische Quellgöttin) und die Xulsigiae (dreifache gallo-römische Quell- und Fruchtbarkeitsgöttinnen), später auch die Göttin Victoria verehrt wurden.

Ortschaften wie Cardena (das heutige Treis-Karden an der Mosel) am Fuße des Martbergs entstanden und blühten durch den Pilger-Tourismus. Cardena war ein Töpferort, in dem sich eine Töpferei an die nächste reihte, um in Massenproduktion Opfergaben wie billige Öllämpchen und Votivfiguren des Lenus-Mars zu produzieren. Auch das verdeutlicht die große Bedeutung dieses Heilgottes.

Weihestein für Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Weihestein für Lenus-Mars im Tempel auf dem Martberg

Nach römischer Sitte wurden an den einheimischen Heiligtümern steinerne Tempelanlagen errichtet. Beim Tempel auf dem Martberg handelt es sich um einen typisch gallo-römischen Umgangstempel, der die keltische Kultpraxis integrierte, ein Heiligtum zu umschreiten und dadurch die Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung zu erhöhen. Die gallo-römische Kultanlage in Trier gilt in der Archäologie als „treverisches Nationalheiligtum mit monumentaler Ausstattung“. Neben Pilgerherbergen, Prozessionsstraße, Bädern, Tempel und Schreinen gab es sogar ein Kulttheater, das bei Kultfesten der Darstellung von Göttermythen diente.

Weitere Fundorte sind Welschbillig und Mersch (Luxemburg), wo der Militärtribun gleichzeitig die Funktion des Lenus-Mars-Priesters ausübte.

Lenus-Mars wird, trotz seiner Identifikation mit Mars, in erster Linie als Heilgott angesprochen. Neben Gesundheit, Heilung von Krankheiten und Verletzungen ist er auch generell für Glück und gutes Schicksal zuständig. Die Identifikation mit dem kriegerischen Mars und die Darstellung mit Rüstung, Schild und Speer wird so gedeutet, daß er seine Waffen und Kraft benutzt, um Krankheiten zu bekämpfen und abzuwehren, als auch vor Krankheit und Tod zu schützen.

Neben den Heiligtümern mit Heilquellen und Bädern belegen auch die Inschriften auf Weihetafeln die Funktion als Heilgott. Auf einem Weihestein auf dem Martberg bedankt sich Tychikos dafür, daß er von einem schweren Leiden geheilt wurde.

Eine Deutung des Ursprungs des Namens „Lenus“ liegt in den keltischen Worten „li-n-a“ („schmutzig, verschmutzen“), „li-no“ (Eiter), „li-no“ (Leinen) und „linomn“ (reinigen, entfernen). All diese Worte sind mit Wunden und Wundinfektionen assoziiert sowie dem Behandeln und Verbinden dieser Wunden. Der Ursprung des Lenus wird deshalb in einem Gott angenommen, der für die Heilung und Reinigung (infizierter) Wunden zuständig war, was seine Bedeutsamkeit sowohl für die ländliche Bevölkerung als auch für das Militär erklärt.

Attribute und Darstellungen

Neben Weiheinschriften wurden auch Statuen und Figuren des Lenus-Mars gefunden. Eine Bronzestatuette vom Martberg zeigt ihn als klassischen Krieger mit korinthischem Helm, Speer, Schild und Rüstung. Ein Relief aus Chedworth, Britannien zeigt ihn mit Axt und Speer.

Das Sockelfundament einer Statue aus Britannien zeigt, daß Lenus von einem großen Vogel begleitet wurde, möglicherweise einer Gans. Weitere Funde aus dieser Region belegen eine Verbindung des Gottes mit einer widderköpfigen Schlange, was ebenfalls als Symbol seiner Funktion als Heilgott gedeutet wird.

Opfergaben

Opfergaben für Lenus-Mars, gefunden auf dem Martberg (Stiftsmuseum Treis-Karden)

Opfergaben für Lenus-Mars, gefunden auf dem Martberg (Stiftsmuseum Treis-Karden)

Zahlreiche Funde auf dem Martberg zeigen, daß der keltische Opferbrauch, Münzen und Schmuck zu opfern, auch zu römischer Zeit fortgesetzt wurde. Es wurden Tausende von Münzen, Fibeln und Schmuckgegenständen gefunden. Daneben hielt der römische Brauch Einzug, tönerne Miniaturgefäße (wie Öllampen) und Figuren zu opfern, wovon zahlreiche Tonscherben zeugen.

Nach erfolgter Heilung war es unter wohlsituierteren Bürgern üblich, einen Weihestein zu stiften, auf dem man seinen Dank zum Ausdruck bringt (wie man es noch heute von Weihetafeln aus katholischen Kirchen kennt („Maria hat geholfen“).

Sonstiges

Während von der Tempelanlage in Trier nichts mehr zu sehen ist, wurde der Tempel auf dem Martberg teilrekonstruiert. Der Umgangstempel wurde komplett wieder aufgebaut und auch von innen im römischen Stil bemalt. Es gibt eine (moderne) Holzstatue des Lenus-Mars sowie einen Weihealtar, auf dem Opfergaben, vor allem Münzen, abgelegt werden können (und werden). Auf dem Bergrücken, der einst ein bedeutendes keltisches Oppidium war, sind neben den römischen Tempelgebäuden auch rekonstruierte keltische Bauten in einen kleinen archäologischen Park integriert. Für weiterführende Informationen empfehlen wir Euch unseren Artikel zum Martberg.

 

 

 

 

 

 

Götterwelt: Hercules

Zuständigkeiten:

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Hercules tötet den Zentauren Nessus

Hercules ist eine sehr vielschichtige Gestalt, was sich in seinen verschiedenen Zuständigkeitsbereichen dokumentiert. So ist er Heil- und Orakelgott, Schirmherr des Handels und der Kaufleute, der Straßen und des Verkehrs, damit Beschützer der Reisenden, sowie zuständig für Maße und Gewichte, Beschützer von Haus und Lager.

Wegen seiner mythischen Heldentaten, in denen er diverse Ungeheuer besiegte und Gefahren unschädlich machte, galt er als genereller Beschützer der Menschen und Bewahrer der Ordnung. Daneben fungierte er ebenfalls als Schützer der Jugend und wurde zum Schutzherrn der Gymnasien, als Hercules Victor (Sieger) wiederum vor allem von Soldaten verehrt.

Sphäre:

Unterwelt und Himmel.

Hercules zeigt hier eine doppelte Sphärenzugehörigkeit wegen der Dichotomie als Mensch und Gott. Als Mensch ist er gestorben, aber aufgenommen wurde er bei seinem Tod in das Reich der Götter. Das führte zu einer gewissen Spannung in seiner mythischen Entwicklung, weil nun nicht klar war, wo seine Seele nach seinem Tod letztlich verblieb.

So begegnet Odysseus auf seiner Unterweltsreise konsequenterweise neben anderen verstorbenen Menschen auch dem Hercules, aber die Geschichte legt Wert darauf zu betonen, Odysseus habe nur das Schattenbild (eidolon) des Hercules beschworen. Dies entspricht der in jener Zeit aufkommenden Vorstellung, das nur ein schwaches Abbild seiner menschlichen Natur diesen Weg ging, seine eigentliche Natur aber vergöttlicht wurde.

Es gibt Berichte, die besagen, dass es manchmal üblich war, diese Zweiteilung der Sphären kultisch umzusetzen, indem Hercules einerseits eine Libation (Trankopfer) auf den Boden gegeben wurde und eine Weihrauchopferung auf dem Altar, dessen Rauch in den Himmel stieg.

Attribute und Darstellungen: 

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Hercules als junger, bartloser Mann

Hercules wird oft als muskulöser bärtiger Mann dargestellt, aber manchmal auch als bartloser und eher schlanker Krieger.

Es gibt sowohl Darstellungen, die ihn als jungen Mann zeigen, als auch welche als alten und müde gewordenen Helden.

Keule, Löwenfell, Bogen und Köcher, auch das Füllhorn und der Trinkbecher werden ihm zugeordnet, auch der delphische Dreifuß, den er entwendete, später aber an Apoll wieder aushändigte und die ebenfalls von ihm geraubten Äpfel der Hesperiden sind Motive, die mit ihm abgebildet werden.

Ältere Darstellungen zeigen ihn in seinem Löwenfell, oder mit Lendenschurz bekleidet, jüngere Skulpturen öfters auch nackt wie einen griechischen Ringer, was das Athletische seines Charakters betonen sollte.

Opfergaben: 

Weihrauch, Wein

Kulttiere: 

Schwein (Opfertier), Rind (Opfertier),  Hirschkuh, Löwe

Feiertage:

24. Juni und 30. Juni (Hercules Musagetes)

Zuordnungen: 

Weisspappel

Sonstiges: 

Auch im Rheinland beliebt: Weihealtar für Hercules Magusanus, gefunden in Bonn

Auch im Rheinland beliebt: Weihealtar für Hercules Magusanus, gefunden in Bonn

Hercules wurde im Laufe der Zeit zu einer der beliebtesten und am meisten verehrten Götter des Imperium Romanum und entwickelte eine enorme Vielschichtigkeit, sowohl was seine Funktionen, als auch seine Anhänger betraf.

So wurde Hercules von den Anhängern der Philosophenschulen der Cyniker und Stoiker oft als archetypisches Rollenmodel betrachtet und fand entsprechende Verehrung, auch wenn er auf den ersten Blick nicht als Gott mit philosophischen Qualitäten erscheint. Aber er nutzte oft seinen Verstand, wenn seine Kraft nicht ausreichte, um ein Problem zu lösen und stand für Mut und Standhaftigkeit selbst in offensichtlich ausweglosen Situationen.

Er entschied sich, als er einmal vor die Wahl gestellt wurde (wie es die Parabel ‚Hercules am Scheideweg‘ erzählt), nicht für ein leichtes Leben, dem Genuss verschrieben, sondern für ein mühevolles, aber der Tugend gewidmetes Leben. Dieses beschwerliche Dasein, ständig in Gefahr zu sein und in einen als aussichtslos erscheinenden Kampf gegen ein dunkles Schicksal hineingeworfen, wie auch sein schmerzhaftes Ende, das aber in seiner Aufnahme zu den Göttern, in seiner Apotheose, sein siegreiches Finale fand, war für die Philosophen so etwas wie ein Spiegelbild des menschlichen Daseins überhaupt. Sie sahen darin ihre eigenen Mühen, (inneren)  Kämpfe, den Versuch, einem Tugendideal zu entsprechen, in einer diesem Lebensweg oft genug feindlich erscheinenden Welt und war Ausdruck ihrer Hoffnung, letztlich als Weiser die menschliche Natur transzendieren zu können.

Seine Aufnahme unter die Götter nach seiner Selbstverbrennung diente als mythisches Modell für den später aufkommenden Brauch der Apotheose der Kaiser, beginnend mit der Deifizierung von Julius Caesar und seiner Aufnahme unter die Staatsgötter als Divus Julius.

Anhänger mit Herculessäule oder Herculesknoten waren ein beliebter Halsschmuck. Die Keule schützte vor Unheil, der Knoten galt als Liebespfand

Anhänger mit Herculeskeule oder Herculesknoten waren ein beliebter Halsschmuck. Die Keule schützte vor Unheil, der Knoten galt als Liebespfand

So erscheint Hercules mit diversen Beinamen in Gallien und Germanien in seiner Identifikation mit dort beheimateten Göttern (allen voran Donar) als Hercules Deusoniensis, Hercules Andossus oder Hercules Magusanus, wird als Hercules Domesticus oft mit seinem Trinkbecher in der Hand in seiner Schutzfunktion für Haus und Lagerräume den Laren und Penaten im Lararium beigesellt und war, wohl wegen seiner enormen Kraft, unter dem Namen Hercules Saxanus der Schutzgott der Steinbrucharbeiter.

Der römische Kaiser Commodus verehrte ihn als Hercules Invictus (Unbesiegbarer Hercules), ja sah sich selber als Inkarnation dieses Gottes und trat mit Wolfsfell bekleidet und Keule bewaffnet selbst in der Arena auf. Hercules Gaditanus galt als höchster Gott des südlichen Spanien und wurde deshalb besonders von den Kaisern Trajan und Hadrian verehrt, die von dort stammten. Diese Bedeutung für das Kaiserhaus schlug sich in seinem Kultnamen Hercules Augusti nieder, andere Namen wie Hercules Triumphalis und Hercules Magnus bezogen sich auf seine generelle Bedeutung für die Spiele in der Arena, ein Name wie Hercules Olivarius zeigt wiederum eine enge Beziehung mit jenen Kaufleuten, die mit den wichtigen Olivenprodukten handelten. Als Hercules Musagetes war er als Begleiter der Musen bekannt, was eine ganz andere Seite seines Wesens symbolisiert.

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Tempel des Hercules Victor, ältester noch erhaltener Tempel in Rom

In dieser Bandbreite und Ambivalenz des herkuleischen Charakters, wie er in seinen Mythen erscheint, zeigt sich demnach die besondere Tiefe und umfassende Bedeutung, die diesem Gott zukommt und noch heute verbinden wir mit dieser Figur spontan Heldenmut und unüberwindliche Stärke.

Im römischen Cultus wird er im Ritus Graecum anstatt im Ritus Romanum verehrt. Entgegen früherer Annahme war der Kult des Hercules nicht auf Männer beschränkt, neuere Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass es einen Ausschluß von Frauen im Kult nur bei den Kulthandlungen an der Ara Maxima gab, einem Altar, der auf dem Forum Boarium, dem Viehmarkt stand.

Antike Quellen mit Gebeten an Hercules:

  • Apuleius: Metamorphoses IX 21, CIL 1.1290
  • Horaz: Sermones 2.6.14
  • Horaz: Saturae 6.10.3
  • Persius: Saturae 2.8
  • Plautus: Curculio 358
  • Plautus: Bacchides 892
  • Propertius: 4.9.71-4
  • Silius Italicus: Punica 1.505-7
  • Vergil: Aeneis 8.301-2

Götterwelt: Cerunincus

 

Bronzefigur aus örtlicher Herstellung

Bronzefigur aus örtlicher Herstellung

Zuständigkeiten, Herkunft, Bezeichnungen

Bei Cerunincus handelt es sich um einen ursprünglichen gallischen (keltischen) Gott der Treverer, der lokal begrenzt im Alzettetal im heutigen Luxembourg verehrt wurde.

Diese Region war zu römischer Zeit dicht mit Gutshöfen besiedelt und lag in der Nähe einer viel bereisten Schnellstraße. Oberhalb der Ortschaft Steinsel befindet sich der zur Zeit einzige bekannte Tempel, der diesem Gott geweiht war. Es handelt sich dabei um einen Tempelkomplex mit einem zentralen Umgangstempel, wie er für die gallo-römische Tempelarchitektur typisch war, bei der keltische Kultvorstellungen mit mediterraner Tempelarchitektur kombiniert wurden.

Zwar wurden im Tempel zahlreiche Votivgaben und Weihesteine gefunden, dennoch ist der Zuständigkeitsbereich von Cerunincus unbekannt. Eine Weiheinschrift aus Bronze belegt, daß er von der romanisierten treverischen Bevölkerung geschätzt und nach römischem Brauch verehrt wurde:

DEO CERUNIN / CO
SOLTRIUS / PRUSCUS /
V(OTUM) S(OLVIT) L(IBENS) M(ERITO)

In der Übersetzung:

Dem Gott Cerunincus hat Soltrius Pruscus sein Gelübde eingelöst, freudig und verdientermaßen.

Rekonstruktionszeichnung des Tempels

Rekonstruktionszeichnung des Tempels

Allerdings findet sich nirgendwo im Tempelkomplex eine Inschrift, die darauf hindeutet, mit welchem Gott Cerunincus in der Interpretatio Romana gleichgesetzt wurde, so daß seine Zuständigkeiten und Attribute bis heute nicht geklärt werden konnten.

Die Fundstücke weisen jedoch darauf hin, daß er gleichermaßen von einheimischen Treverern wie auch von zugereisten Römern verehrt wurde; die Gaben stammen von reichen Gutshofsbesitzern, lokalen Händlern und Kaufleuten, römischen Soldaten bis hin zu einfachen Leuten der Landbevölkerung.

 

Attribute und Darstellungen

Im Tempel gefunden wurde eine 12 cm große Bronzefigur, die aus lokaler Herstellung stammt.

Cella des Waldtempels bei Steinsel

Cella des Waldtempels bei Steinsel

Sie zeigt einen unbekleideten, bartlosen jungen Mann mit kurzem lockigem Haar, dessen linke Hand erhoben ist. Was er in der Hand hielt, ist unbekannt. Es ist wahrscheinlich, aber nicht belegt, daß es sich bei dieser Darstellung um den Gott Cerunincus handelt, dessen Figuren man mit großer Wahrscheinlichkeit im örtlichen Devotionalienladen am Tempeleingang erwerben konnte.

Ebenfalls gefunden wurden Fragmente einer überlebensgroßen Frauenfigur, so daß man in der Forschung davon ausgeht, daß es sich möglicherweise um eine weibliche Kultgefährtin des Cerunincus handelt.

Opfergaben und Cultus

Zu den Opfergaben an Cerunincus gehörten Fibeln, Bronzeglocken, Figürchen und Ringe.

Zahlreiche auf dem Tempelgelände gefundene Münzen weisen darauf hin, daß auch die (noch heute beliebte) Praxis des Münzwurfs, um damit die Erfüllung eines Wunsches zu bitten, auch in diesem Tempel üblich war.

Über die praktische Ausübung des Cultus ist nichts bekannt, da es keine Funde gibt, die die Kultpraxis szenisch darstellen. Ebenfalls nicht überliefert sind schriftliche Aufzeichnungen über die Kultpraxis dieses sehr lokalen Gottes.

Die für einen Umgangstempel übliche Umschreitung der Cella, die Ablage von Weihesteinen und Votivgaben vor dem Tempel, die Darbringung von Opfern auf dem vor dem Tempel befindlichen Altar und Prozessionen um den Umgang herum, wie sie von anderen gallo-römischen Umgangstempeln überliefert sind, sind auch hier wahrscheinlich.

Sonstiges: Cerunincus = Cernunnos?

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Cernunnos wie er auf dem ‚Pariser Nautenpfeiler‘ erscheint

Manchmal, vor allem auf neuheidnischen Seiten im Internet angestellte Vermutungen, es handele sich um den keltischen Gott Cernunnos, können ausschließlich auf die Namensähnlichkeit Bezug nehmen, was als Basis einer solchen Gleichsetzung äußerst fraglich ist.

Cernunnos wird üblicherweise mit dem ‚gehörnten Gott‘ identifiziert, der aus der keltischen Ikonographie bekannt ist und als Naturgott und Herr der Tiere interpretiert wird. Allerdings ist nur eine einzige Inschriftenquelle bekannt, die die Darstellung einer mit einem Geweih versehenen Figur mit diesem Namen in Verbindung bringt, der sog. Pariser Nautenpfeiler.

Der Name leitet sich wohl vom gallischen Wort ‚karnon‚ ab, das (wie auch das lateinische cornu) ‚Horn‘ bedeutet und deswegen die Identifizierung dieser bekannten Figur aus der keltischen Mythologie mit diesem Namen legitim erscheinen lässt. Gleichwohl macht die Tatsache stutzig, daß die bildhafte Darstellung einer solchen Figur, die relativ häufig gefunden wurde, bis auf den genannten einen Fall, niemals sonst mit diesem Namen in Verbindung gebracht werden kann.

Es gibt auch keine Interpretatio Romana, sprich, die römischen Quellen geben für ihn keine Identifikation mit einer römischen Gottheit an, was gerade für einen sehr bekannten und wichtigen Gott ungewöhnlich ist.

Dies wird manchmal darauf zurückgeführt, daß dieser keltische Gott zu spezifisch in seiner Hirschgeweih-Gestalt oder Funktion war, um mit einer der römischen Götter gleichgesetzt zu werden, was allerdings nicht sehr überzeugend klingt. Die römische Praxis, lokale Gottheiten mit überregional in ihrer eigenen Religion verehrten Gottheiten zu identifizieren, wurde relativ großzügig gehandhabt. Je nachdem, was stärker betont werden konnte, wurde die Funktion einer Gottheit oder ihre Erscheinung zur Grundlage genommen.

Ein keltischer Naturgott mit einem Geweih ließe sich demnach relativ problemlos im römischen Silvanus oder noch besser im, diesem ebenfalls gleichgesetzten, (gehörnten!) Faunus wiedererkennen. Warum dies nicht geschehen ist, wissen wir nicht, was zur generellen Unsicherheit in Bezug auf die Deutung von Cernunnos beiträgt.

Daß wir auch im Tempel von Steinsel keinen römischen Namen der dort verehrten Gottheit finden, wird deswegen ebenfalls gerne als weiterer Beleg für die Identität von Cerunincus mit Cernunnos angeführt. Auch dies bleibt hingegen reine Spekulation, die wenig belastbar ist, da neben der nicht auszuschließenden Möglichkeit, daß evtl. doch einmal Funde mit einem römischen Namen für diesen Gott zutage treten, ebenfalls keinerlei Geweihdarstellung in Verbindung mit dieser Gottheit gefunden wurde. Die hohe Wahrscheinlichkeit, das die gefundene Figur tatsächlich Cerunincus darstellt und die Tatsache, daß diese keinerlei Geweih/Horn als Attribut besitzt, lässt es sinnvoller erscheinen, diesen Gott als eigene Gottheit zu betrachten, welche lokalen Charakter hatte, anstatt sich auf eine reine Namensähnlichkeit zu stützten.