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Der Ritus christianus in der Religio Romana – Teil III: Judenchristen und Heidenchristen

Zu Teil II: Aufstieg eines Mysterienkultes

Im vorherigen Teil haben wir skizziert, wie sich das Christentum innerhalb des heidnischen römischen Kontextes aus einem von vielen, damals durchaus konkurrierenden Mysterienkulten entwickelte. Im Gegensatz zu den anderen Kulten, die in der römischen Antike praktiziert wurden, nahm das Christentum aber schließlich eine dominante Stellung ein, bis es schließlich zur Staatsreligion erhoben wurde.

Es läßt sich im Rahmen dieser Reihe natürlich nicht die Christianisierung in allen Schritten nachzeichnen, dies ist auch nicht unser Anspruch. Hier kommt man um ein Selbststudium der entsprechenden Literatur nicht herum.

Ein wichtiger Aspekt des Urchristentums, wie es sich zu heidnischen Zeiten in der römischen Antike entwickelte, soll in diesem Teil jedoch besonders betrachtet werden:

Kulturelle Bruchlinien im Urchristentum

Was für uns relevant im Rahmen der behandelten Thematik ist, ist der allgemeine gesellschaftliche Tenor, der letztendlich überhaupt zur Erfolgsgeschichte der christlichen Religion im heidnischen Umfeld beitrug.

Besonders interessant ist hierbei die Tatsache, dass wir bereits relativ früh in der Zeit des Urchristentums (bezeichnet die Zeit nach der Kreuzigung Jesu) bestimmte Brüche feststellen können, die mit der griechischen Kultur verbunden sind – und zwar getragen durch in dieser Kultur sozialisierten Juden.

Diesen Sachverhalt wollen wir an dieser Stelle deswegen kurz skizzieren, weil er bezogen auf die oft in neopaganen Kreisen kolportierte Mär vom Christentum als „fremde jüdische Wüstenreligion“ doch ziemlich erhellend ist.

Das Christentum entwickelte sich anfangs in der Tat gänzlich innerhalb des Judentums. Jesus und seine Schüler darf man sicherlich als innerjüdische Sonder- oder evtl. auch Reformgruppierung ansprechen, die einerseits bereits im Judentum angelegte Ideen neu formulierte, teilweise auch verschärfte (etwa die generelle Herrschaft Gottes im Hier und Jetzt), andererseits einen expliziten heilsgeschichtlichen Fokus durch das Erleben Gottes besonders betonte (Heilungen, Wunder, Exorzismen etc.) sowie eine endzeitliche Naherwartung des Reiches Gottes vertrat.

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Jakobus, Fresko in der Kathedrale von Le Puy en Velay (Bild: gemeinfrei)

Nach der Kreuzigung Jesu um das Jahr 30, durch die die Erwartungen an seine Rolle massiv enttäuscht wurden, finden wir seine Anhängerschaft vorwiegend in Galiläa versammelt, obgleich wohl auch manche in Jerusalem verblieben waren (Mk 15,40f).

Durch im Umlauf befindliche Berichte von Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus festigte sich in diesen Kreisen dann aber wieder der Glaube an die Messianität und letztlich an die Wiederkunft Jesu. In der Folge und motiviert durch diese sich verbreitenden Erzählungen sammelten sich die Anhänger Jesu wieder verstärkt in Jerusalem, wo sie in der dortigen Gemeinde unter der Leitung von Petrus, Johannes und Jakobus agierten und wo sie sich nun offenbar eine neue Deutung der Ereignisse erarbeiteten, die ihnen eine tragende Zukunftsvision an die Hand gab.

Ihre anfängliche Erwartung an den – zunächst völlig im jüdischen Kontext verstandenen – Messias war ganz offensichtlich enttäuscht worden; die Tatsache, dass ihr Meister einen in damaligen Augen schändlichen Tod am Kreuz starb, musste einen verheerenden Eindruck hinterlassen haben und passte so gar nicht zur Vorstellung des jüdischen Messias. Aber die hartnäckig kursierenden Berichte von Begegnungen mit dem offenbar lebenden Jesus gaben nun Anlass zu denken, dass Gott selbst hier einfach in völlig unerwarteter Weise in das Leben der Menschen eingegriffen und Jesus in einer Rolle bestätigt hatte, die über die jüdische Messiasidee und damit über das, was seine Anhänger in ihm ursprünglich gesehen hatten, weit hinausging. Gerade im offensichtlich völligen Scheitern am Ende seines Lebens und Wirkens, dann aber gekrönt durch die Auferstehung, sahen seine Anhänger nun den eigentlichen Impuls des Sieges – des ultimativen Sieges, weil über den Tod – gegeben, der zum Impuls für ein Weiterwirken der Gemeinschaft werden sollte.

Bis auf diese spezifischen Glaubenspunkte, die die heilsgeschichtliche Rolle Jesu betrafen, fielen die Urchristen allerdings im jüdischen Umfeld erst einmal nicht weiter auf, denn sie verhielten sich ansonsten überwiegend traditionskonform – so beteten sie im Tempel, brachten Opfer dar, sprachen Aramäisch, die Beschneidung wurde traditionell praktiziert, die Speisevorschriften beachtet und das mosaische Gesetz besaß für sie volle Gültigkeit.

Ihre religiösen Sonderformen wie die Taufe oder regelmäßige Treffen in Hausgemeinden, wo sie das Herrenmahl zum Gedächtnis an das letzte Mahl Jesu feierten und auch die missionarische Tätigkeit unter ihren jüdischen Landsleuten, wo sie für ihre Überzeugungen zu werben suchten, hatten deshalb anfangs keinen wirklich trennenden Effekt bezogen auf die jüdische Gemeinschaft in der sie lebten. Diese ersten Judenchristen lebten bis zur angeordneten Hinrichtung des Jakobus im Jahre 62 n. Chr. durch den Sanhedrin, der bereits etwa 20 Jahre vorher Stephanus hatte steinigen lassen, in Jerusalem und wanderten erst danach in die Gebiete des Ostjordanlandes ab.

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Steinigung des Stephanus, des 1. Märtyrers des Christentums (Zerstörtes Fresko aus dem Dom zu Speyer, Bild: gemeinfrei)

Stephanus wiederum, der durch seine Hinrichtung wegen seines Bekenntnisses zu Jesus als dem Christus als Erzmärtyrer (erster Märtyrer der christlichen Geschichte) gilt, gehörte zu den sog. „Hellenisten“, sprich Juden in der Jerusalemer Gemeinde, die ursprünglich aus den Diasporasynagogen des östlichen Mittelmeerraumes, also Nordafrika, Ägypten und Syrien kamen und im Gegensatz zu den „Hebräern“ nicht Aramäisch, sondern von Haus aus Griechisch sprachen (das sog. Koine-Griechisch, eine aus verschiedenen Dialekten gebildete Allgemeinsprache (ἡ κοινὴ [διάλεκτος] / hē koinḕ [diálektos] = „der allgemeine [Dialekt]“)).

Ihre Sozialisierung in der griechischen Kultur hat sich dabei aber nicht nur auf die Sprache beschränkt, sondern war in umfassender Weise prägend – sie trugen griechische Namen, waren in dieser kulturellen Umgebung integriert und Träger ihrer Bildung. Diese griechisch gebildeten Juden hatten vor diesem besonderen Hintergrund auch bereits früh begonnen, ihre Religion neu zu reflektieren und zu interpretieren – man relativierte dabei ihren Status als Religion einer spezifischen Ethnie und nutzte auch allegorische Auslegungen der biblischen Texte, was grundsätzlich eine andere, eine offenere Herangehensweise an die im Judentum verankerte Gesetzesreligion belegt. Insofern gab es nicht nur Sprachgrenzen, die auch dazu führten, dass die „Hebräer“ und die „Hellenisten“ eigene Gemeindestrukturen entwickelten, sondern mit der Zeit eben auch eine divergente theologische Ausrichtung beider Gruppen.

Diejenigen Hellenisten, die nun in Kontakt mit der Botschaft von Jesus als dem Messias kamen und diese als für sich verbindlich adaptierten, brachten dabei diese kulturelle Eigenständigkeit mit, die nun wiederum auch ihre Sichtweise und Interpretation dessen färbte, was sie über Jesus und seine Lehre hörten. Wie schon in der genuin jüdischen Gemeinde, führte dies auch zu einer Zweiteilung in der judenchristlichen Jerusalemer Urgemeinde.

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Bild des Jesaja in der Synagoge von Dura Europos (im heutigen Syrien), eine Synagoge des hellenistischen Judentums, die vollkommen mit figürlichen Wandmalereien und biblischen Szenen dekoriert war (Bild: gemeinfrei)

Alleine schon wegen der sprachlichen Ausrichtung missionierten diese Judenchristen wiederum vor allem die hellenistischen Juden, was sie von den aramäisch sprechenden Judenchristen weiter entfernte, aber eben letztlich auch in Konflikte mit den konservativen Juden der hellenistischen Synagogen brachte.

Auch scheint es so zu sein, dass, bedingt durch ihre kulturelle Prägung, ihre Einstellung zu punktuellen religiösen Fragen eine andere war und so etwa die Kritik der hellenistischen Judenchristen an den gewachsenen Tempelstrukturen ausgeprägter war, als bei den aramäisch sprechenden Judenchristen.

Entsprechende gesetzeskritische Motive in der Jesusüberlieferung wurden dabei offenbar aufgenommen und konsequenter umgesetzt, was sich auch darin zeigt, dass Stephanus nach der Schilderung der Apostelgeschichte explizit eine Lästerung des Mose und des Tempels vorgeworfen wird (Apg 6:8-15), was diesen Konflikt zwischen den Juden und Judenchristen in den hellenistischen Gemeinden belegt.

Trennung von Judentum und Christentum

Das Palästina des 1. Jhd. war tief beeinflusst von hellenistischer Kultur, immerhin hatte Alexander der Große bereits 400 Jahre v. Chr. einen riesigen Bereich erobert – zu dem auch Palästina gehörte – und pflanzte in seinem Herrschaftsgebiet die Samen der griechischen Kultur und Sprache. Diese kulturelle Beeinflussung hörte mit dem Tode Alexanders nicht auf und blieb Teil der sich in der Folge entwickelnden Ideen und Strukturen, so das sich das Judentum in diesem Gebiet auf quasi natürliche Weise mit dem Hellenismus verband.

Insofern ist die Aussage, dass sich das Christentum vor der Ausformung in Rom aus dem Judentum heraus entwickelte, zwar korrekt, aber eben nicht wie manchmal verstanden, aus einem unbeeinflussten Judentum im Gegensatz zur griechisch-römischen Kultur. Die jüdischen Revolten zielten somit auch nicht auf eine Abgrenzung zu dieser bereits mit dem Judentum eng verflochtenen hellenistischen Kultur, sondern auf die politische Unabhängigkeit.

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Elijas Opfer auf dem Berg Karmel, eine weitere Wandmalerei aus der jüdisch-hellenistischen Synagoge von Dura Europos. Die Opfernden sind in griechisch-römischem Stil in Toga und Tunika gekleidet (Bild: gemeinfrei)

Politische Gründe waren es denn auch, die eine Abgrenzung der Christen von den Juden förderten, da erstere nicht in den Ruch einer den Staat gefährdenden messianischen Bewegung geraten wollten. Die jüdischen Revolten der Jahre 66 – 70 n. Chr. und 132 – 135  n. Chr. führten dazu, das die Juden im Römischen Reich zunehmend argwöhnisch bis feindselig betrachtet wurden und Rom machte grundsätzlich mit Gruppierungen, die sich der Staatsräson nicht unterordnen wollten, kurzen Prozess.

Bereits in den Evangelien finden sich deshalb Relativierungen, was etwa die zugrundeliegenden Beweggründe für die Hinrichtung Jesu betrifft, die hier bewusst eher als innerjüdische Problematik dargestellt werden. So finden wir etwa die Zuweisung der Schuld an den jüdischen Sanhedrin, eine eher positiv gehaltene Darstellung des römischen Statthalters Pontius Pilatus und andere ähnliche Beleuchtungen der historischen Geschehnisse im Sinne einer relativierenden Absicht. In den Erzählungen der Evangelien wird diese Propagierung einer dem römischen Staat zumindest neutral gegenüberstehenden Einstellung sogar Jesus selbst zugeschrieben:

Einige Pharisäer und einige Anhänger des Herodes wurden zu Jesus geschickt, um ihn mit einer Frage in eine Falle zu locken. Sie kamen zu ihm und sagten: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und dabei auf niemand Rücksicht nimmst; denn du siehst nicht auf die Person, sondern lehrst wirklich den Weg Gottes. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? Er aber durchschaute ihre Heuchelei und sagte zu ihnen: Warum stellt ihr mir eine Falle? Bringt mir einen Denar, ich will ihn sehen. Man brachte ihm einen. Da fragte er sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm: Des Kaisers.
Da sagte Jesus zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Und sie waren sehr erstaunt über ihn. (Mk, 12: 13-17)

Wir haben deshalb schon in dieser ganz frühen Zeit einen sich deutlich abzeichnenden doppelten Bruch, einerseits zwischen Christen und Juden, andererseits in der christlichen Gemeinschaft bedingt durch die kulturelle Prägung der nicht in einem jüdischen Kontext aufgewachsenen sog. Heidenchristen.

Jesus Christos (von griechisch Χριστός, Christόs, = „der Gesalbte“), der Titel, der sich für Jesus in der christlichen Deutung etablierte, musste für pagane Griechen und Römer gleichermaßen unverständlich bleiben, aber auch für die in dieser Kultur aufgewachsenen Heidenchristen, denn Salbungen als sakrale Akte wie sie im Judentum vorkommen, kannten die im paganen Umfeld sozialisierten Heidenchristen nicht.

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Der Ritus christianus in der Religio Romana – Teil II: Aufstieg eines Mysterienkultes

Zu Teil 1: Ritus Christianus – Einleitung: das Christentum im Kontext der Religio Romana in Antike und Gegenwart

Roma locuta, causa finita

Dieses bekannte „Zitat“ des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354–430), bedeutet „Rom hat gesprochen, der Fall ist beendet“ und soll verstanden werden im Sinne von „Wenn Rom gesprochen hat, ist die Diskussion über den Sachverhalt beendet, es gibt dazu nichts mehr zu sagen.“

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Älteste Darstellung des Augustinus,
Mosaik an der Kapelle Sancta
Sanctorum in Rom, 6. Jh.
(Wikimedia, gemeinfrei)

Zwar hat Augustinus den entsprechenden Teil seiner Predigt aus dem Jahr 417 n. Chr. (Sermo 131, 10) über die Entscheidung des Papstes bezüglich der Lehren des Pelagius genau in diesem Sinne verstanden wissen wollen, aber er hat wörtlich nur das „causa finita“ benutzt.

Es ist mittlerweile aber ein geflügeltes Wort in der oben genannten, ergänzten Form und bringt so einen Punkt prägnant zum Ausdruck, den wir als Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen für wichtig erachten, nämlich die Tatsache, dass das Christentum ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Staatsreligion, zur Sacra Publica des Imperium Romanum geworden ist – ein Fakt, der sich nicht wegdiskutieren lässt.

Dies wurde also durch die Römer selbst entschieden – es geschah in ihrer Zeit und Lebenswirklichkeit, innerhalb der Kultur des römischen Reiches und eingebunden in den Kontext der traditionellen Kulte, was eine besondere Sichtweise auf Änderungen im öffentlichen religiösen Leben mit sich brachte. Deswegen stellt es für uns, die wir diese Geschichte studieren und anhand der Quellen zu verstehen versuchen, erst einmal nur einen weiteren organischen Schritt in der Entwicklung der römischen Geschichte dar, gegangen vom römischen Volk selbst.

Wir, die wir nach ihnen kommen, uns ihnen verbunden fühlen und in einer Kultur sozialisiert sind, die bereits selbst schon wieder einen weiteren Schritt in dieser fortlaufenden Geschichte und Kultur darstellt, müssen akzeptieren, dass wir in dieser historischen Entscheidung einerseits kein Mitspracherecht haben und wir sie andererseits auch nicht einfach ignorieren können.

Uns stellt sich nur die Frage, wie wir heute mit dieser Entscheidung derer, die vor uns waren, umgehen. Um hier zu einer befriedigenden Antwort zu kommen, gerade auch vor dem Hintergrund der Praxis der Religio Romana in unserer Zeit, ist es unabdingbar, sich von diversen Vorstellungen und Stereotypen zu verabschieden, die aus dem Blick auf die Geschichte durch eine quasi ideologische Brille erwachsen sind.

Wir müssen deshalb eine Perspektive einnehmen, die der entspricht, welche den religiösen wie politischen Entscheidungen im antiken römischen Staat zugrunde lag, um hierbei zu einer adäquaten Einschätzung kommen zu können.

Um diesen Punkt der Perspektive noch einmal konkret zu fassen, ist es wichtig zu betonen, Rekonstruktionismus ist keine Religion, auch nicht im Paganismus eine Denomination oder Konfession, sondern eine Herangehensweise, eine Methode.

Es geht dabei um die konstruktive Evaluation von Quellen, von tradiertem Wissen über eine Religion und Kultur, um diese in einem zeitgenössischen Kontext authentisch leben zu können. Im Rekonstruktionismus finden wir oft eine eher ganzheitliche Betrachtung, was aber besonders für den römischen Rekonstruktionismus gilt. Dies bedeutet, es geht nicht nur um den Teilaspekt der Religion, sondern grundsätzlich um die Kultur, um die „Romanitas“ von der die Religio – einschließlich der Sacra Publica – ein untrennbarer Teil ist.

Durch diese spezifische Betrachtungsweise kommt es naturgegebenermaßen zu einer natürlichen Einbeziehung von historischen Entscheidungen, die innerhalb der römischen Geschichte getroffen wurden und damit die Entwicklung des Römischen Reiches und der ihm zugrundeliegenden Kultur, wie auch der Aspekte, die in der Folge davon als römisches Erbe Europas immer noch aktuell sind, mitgestaltet haben. Durch diese Akzeptanz von historischen Entscheidungen kommt es generell zu einer anderen Sichtweise auf das Imperium Romanum, das wir zwar durch bestimmte Veränderungen in seiner historischen Entwicklung gekennzeichnet sehen, dem wir aber eine grundsätzliche Kontinuität zuschreiben, die kulturell bis heute nachwirkt.

Aus diesem Grunde sehen wir im Niedergang des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert nicht den „Untergang des Römischen Reiches“ schlechthin, denn auch wenn man gerne vom Byzantinischen Reich spricht, gab es ein solches nicht im Selbstverständnis der Römer, die sich auch im östlichen Teil des Reiches immer als solche betrachteten und bezeichneten (grch.: Ῥωμαῖοι / Rhōmaîoi). Es vollzog sich zwar im Ostteil des Reiches schon früh eine Vermischung der römischen Kultur mit griechisch-orientalischen Elementen (wobei aber auch im westlichen Teil des Imperiums Griechisch seit jeher die Sprache der Gebildeten war), eine stärkere Gräzisierung des Römischen Reiches fand allerdings erst nach dem Niedergang des westlichen Herrschaftsbereiches statt.

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Byzantion wurde, nachdem Konstantin es für seine Neugründung Konstantinopel erwählt hatte, auf das Fünffache der ursprünglichen Fläche vergrößert, wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln errichtet und entsprechend der politischen und weltlichen Strukturen der alten Hauptstadt glanzvoll ausgebaut. So erhielt Konstantinopel ein Kapitol, einen dem Senat in Rom vergleichbaren Rat, einen Circus für 100.000 Zuschauer, ein Forum (Forum Constantini) und eine Hauptverkehrsachse in ost-westlicher Richtung. Es war das Zentrum der Wirtschaft, Kultur und Verwaltung des Oströmischen Reiches kontinuierlich von der Spätantike bis zum Beginn der Neuzeit. (Bild: Antoine Herbert, Portfolio Konstantinopel vom 4. bis 8. Jahrhundert, eine Bilderreihe zur Byzantinischen Architektur)

Das Oströmische Reich war also kein „Nachfolger“ des Weströmischen Reiches, wie man dies manchmal liest, sondern es gab immer nur ein einziges Imperium Romanum und die seit der sog. Reichsteilung 395 n. Chr. vollzogene Aufteilung in einen westlichen und östlichen Teil war im eigentlichen Sinne eine Herrschaftsteilung von 2 Kaisern, eine Aufteilung des „Imperiums“, also der höchsten exekutiven Macht im Staat, keine Aufteilung oder Trennung des Römischen Reiches an sich.

Das Imperium Romanum ging somit erst 1453 n. Chr. mit der Eroberung seiner Hauptstadt im Osten, Konstantinopel, entstanden durch den großzügigen Ausbau des ehemaligen Byzantion, tatsächlich als Staat zu Ende. Wir betonen dies, weil diese Kontinuität für unsere Herangehensweise an die römische Geschichte und Kultur entscheidend ist.

Die Wortverbindung „katholische Kirche“ wurde zwar bereits von Ignatius von Antiochien um das Jahr 110 n. Chr. verwendet, aber erst nachdem es unter Theodosius I. im Jahre 380 n. Chr. durch das Edikt Cunctos populos zur Erhebung und Einsetzung des Christentums – eben in seiner auf das Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr. zurückgehenden Form – als Sacra Publica kam und damit die Konsolidierung des Römisch-Katholischen belegte, wurde dieser nun christliche Charakter des Reiches später im Ostteil als staatlicher und kultureller Impuls weiter verstärkt (Zitat aus dem Wortlaut des Ediktes: „Hanc legem sequentes christianorum catholicorum nomen iubemus amplecti (…) / „Nur diejenigen, die diesem Gesetz folgen, sollen, so gebieten wir, katholische Christen heißen dürfen“) .

Die oft vorgetragene Idee, dass die Christianisierung des Imperium Romanum zu seinem Untergang im Westen führte oder diesen zumindest gefördert habe (betont bei Edward Gibbon in seinem Werk „The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire“ und in der Folge immer wieder von diversen Seiten aufgenommen, heute jedoch von der historischen Forschung als widerlegt betrachtet), wird natürlich alleine durch die Tatsache hinfällig, dass sich das später dezidiert christliche Oströmische Reich bis ins 15. Jahrhundert behaupten konnte, auch wenn es anfangs nicht in dieser Form existierte.

Denn Kaiser Konstantin förderte zwar das Christentum, aber sein Konstantinopel wurde nicht als eine Art „christliches Rom“ gegründet, wie man manchmal zu lesen bekommt. Die traditionellen paganen Riten bei der Gründung der Stadt wurden ebenso selbstverständlich beachtet, wie die Renovierung von paganen Tempeln gefördert wurde.

In Hoc Signo Vinces… oder Götterdämmerung?

Wie konnte es nun zu einer solch breiten Akzeptanz eines ursprünglich so kleinen Kultes wie des Christentums und schließlich sogar zu seiner Erhebung zur Staatsreligon im Römischen Reich kommen?

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Tempel des Iuppiter-Perunus eingeweiht!

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Unter dem Motto Feci, quod potui, faciant meliora potentes (Ich habe gemacht, was ich kann; wer kann, mag Besseres tun) ist ein beeindruckendes Projekt innerhalb der römisch-rekonstruktionischen Bewegung einen gewaltigen Schritt weitergekommen!

22095437_10214694835271325_1186697368_oRömische Cultores der Colonia Alba Sarmata (Poltava, Ukraine) unter der Führung von M. Octavius Corvus haben einen lange gehegten Plan umgesetzt und auf privatem Grund durch eigene Hände Arbeit und unterstützt von Spenden aus der internationalen Gemeinschaft einen Tempel für Iuppiter-Perunus errichtet, der am 9. September 2017 offiziell eingeweiht wurde.

19055836_1622275947839829_4034807411603779578_oPerunus ist der einheimische Gott, der dem römischen Iuppiter entspricht und gemäß römischem Brauch (interpretatio romana) wird er demzufolge mit seinem Doppelnamen genannt und angesprochen. Die grundlegenden Riten wurden gemäß der Tradition von Pontifex Cn. Cornelius Lentulus (Nova Roma) und Augur M. Lucretius Agricola geleitet, die anschließende Grundsteinlegung von beiden zusammen mit M. Octavius Corvus rituell durchgeführt und somit ein würdiger Grundstein für das ambitionierte Projekt gelegt, welches sich neben der weiteren Ausgestaltung des Tempels (Säulen, Marmorplaketten für die Spender etc.) die Errichtung weiterer Altäre und Tempel für andere Gottheiten zum Ziel gesetzt hat.

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Der Tempel (resp, später das komplette Areal) soll jedem Cultor offenstehen und die Möglichkeit bieten, die traditionellen Opfer und Gebete zu verrichten. Die erfahrenen Sacerdotes vor Ort bieten ihre Hilfe bei der Durchführung der Riten an und heißen jeden Anhänger des Cultus Deorum Romanorum willkommen. Weitere Spenden und anderweitige Unterstützung sind gerne gesehen, wer sich dafür interessiert und seinen Namen als Donator am Tempel verewigt sehen möchte, möge die Webseite des Projektes besuchen.

 

Für all jene, die den Tempel nicht persönlich besuchen können, besteht trotzdem die Möglichkeit an den Riten der dortigen Gemeinschaft von Cultores teilzuhaben und Gebete und Bitten an Iuppiter zu richten. Jeder, der diese an M. Octavius Corvus via Facebook oder direkt per email (m.octavius.corvusATgmail.com) sendet, wird damit in die Riten und Opfer des Tempels eingebunden, indem seine Bitten auf spezielle Gebetskarten übertragen und diese innerhalb des Tempelareals aufgehängt werden. Bei den morgendlichen Riten zu Ehren Iuppiters werden die Karten aufgehängt und jede Bitte laut im Namen des Absenders verlesen. Mit den täglichen Opfern und dem aufsteigenden Weihrauch, dargebracht von den Pontifices, werden diese Gebete und Bitten so der Gottheit angetragen.

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Wir gratulieren unseren Freunden der Colonia Alba Sarmata zu dieser prächtigen Einlösung ihres ehemals gegebenen Votum und hoffen, daß die Götter jedes der dort dargebrachten Opfer annehmen und jedes Gebet, welches dort gesprochen wird, erhören mögen! Das Erreichte ist ein Zeichen echten römischen Geistes – Potest, qui vult! (Wer will, der kann!)

Die Vision:


 

 

 

 

Wie die Götter es manchmal fügen…

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Artikel © D. Gratius Ludovicus, 07/2016

Manchmal gibt es schöne Beispiele im Leben eines Cultors, wie die Götter die Dinge fügen… heute also eine kleine Geschichte aus der gelebten Religion eines römischen Rekonstruktionisten, die ja gerne von vielen „Neuheiden“ als unspirituell und trocken abgelehnt wird 😉

Ich habe immer schon eine gewisse Nähe zu Silvanus verspürt, dem Gott des Waldes und der Felder, der im Gegensatz zu Faunus nicht die wilde Natur, sondern deren Eingrenzung und damit gleichermaßen ihre Zähmung und Nutzung verkörpert, wodurch letztlich die Grenze zwischen Natur und Kultur geschaffen wird. Dadurch gehören zu seiner Sphäre ebenfalls die Gärten und die Grenzen der ländlichen Grundstücke, so daß er nicht nur – wie Horaz ihn nennt – tutor finium, also Beschützer der Grenzen ist, sondern als Silvanus domesticus, als häuslicher Silvanus, geradezu der Wächter (custos) des Grundbesitzes und Hauses wird, was seine Funktion sich mit der der Laren überschneiden lässt. In diesem Sinne finden wir ihn auch in Inschriften als Silvanus sanctus larum oder Silvanus sanctus sacer larum als den  Penaten zugehörig erwähnt.

 

Sucellus

Sucellus Hochrelief aus Kinheim an der Mosel, 3. Jahrhundert

Bis dato hatte dieser Gott für mich aber kein Gesicht und er blieb ein Numen, das man spüren kann, wenn man alleine durch Wald und Flur streift. Vor einiger Zeit besuchten wir eine römische Kelteranlage am Fuße des – wie die Römer ihn nannten – Dulcis mons, des „süßen Berges“ bei Brauneberg an der Mosel. Dort fiel uns eine recht große Statue auf, die hinter der Absperrung aufgestellt ist und die wir bis dato noch nicht kannten. Es stellte sich heraus, daß es sich um den keltischen Gott Sucellus handelte, der später auch in der gallo-römischen Religion eine große Rolle spielte und dessen Darstellung als Statue hier an der Kelter nach einem Fund aus Kindel/Kinheim angefertigt worden war.

 

In der nachfolgenden Recherche zu dieser Gottheit war ich nicht wenig überrascht über die gallo-römische Gleichsetzung des Sucellus mit… Silvanus! Jetzt hatte dieses Numen, das ich kannte, auf einmal ein Gesicht bekommen, zwar aus einer für mich unerwarteten Ecke, aber durch die zufällig erscheinende Begegnung im Sinne einer bewegenden Überraschung.

 

Leider kannte ich keine konkrete Darstellung des Sucellus, wie etwa die Statue an der römischen Kelter, die man erwerben konnte. Abseits der üblichen Götterdarstellungen, die in den diversen Museumshops erhältlich sind, oder direkt von Künstlern, die diese anbieten (und die oft eben jene sind, die diese Repliken auch für die Museen anfertigen) wird es generell schwierig für den normalen Gallo-Römer. Die Museen wachen mit Argusaugen darüber, daß Rechte nicht verletzt werden, daß von Statuen z.B. keine „illegalen“ Abgüsse kursieren und daß sie die Kontrolle darüber haben, was auf dem Markt für jedermann erhältlich ist.

 

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Die römische Kelteranlage bei Brauneberg an der Mosel

Als ich mich vor vielen Jahren im Rheinischen Landesmuseum in Bonn einmal nach der Möglichkeit erkundigte, ob es Möglichkeiten gäbe, daß ich als Privatperson mir einen Matronenstein anfertigen lassen könnte, wurde schnell abgewunken mit dem Hinweis „sowas sehen wir nicht gerne und erlauben es auch nicht, was Abgüsse angeht etc. – wir möchten wissen wer wo was stehen hat“ – eine seltsame und mich nicht wirklich überzeugende Aussage, aber so war es nun mal.

Insofern hatte ich nach der Begegnung an der Mosel mit dieser gallo-römischen Gottheit  natürlich spontan die Idee, eine Statue des Sucellus-Silvanus für meine sacra privata irgendwann einmal mein Eigen nennen zu können, wußte aber um die oben angesprochenen Probleme. So zeigte sich denn auch nach einer entsprechenden Recherche schnell, daß diese Gottheit nicht zu denjenigen gehört, die auf dem üblichen Weg erhältlich sind, was mir deutlich machte, daß aus diesem Wunsch nichts werden würde. Was sich noch einstellte, war die Verärgerung über diverse Richtlinien, die es Museen erlauben, hier eine solche restriktive Kontrolle auszuüben, gleich wie sie das begründen mögen. Es mag bestimmte Gründe geben, die man als mehr oder weniger überzeugend für diese Restriktion akzeptieren kann, aber für den heutigen Cultor ist das schon ein arger Einschnitt in die  Ausübung unserer Religion. Damit war das Thema erst einmal auch abgehakt für mich. Aber wohl nicht für Sucellus 😉

 

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Sucellus, in der Kelter bei Brauneberg an der Mosel

Denn kurze Zeit später weilten wir auf einem kleinen aber feinen Event – die Historischen Zeit-Reise-Tage/Antiken Tage auf der Burg Olbrück – dessen Initiator wir kennen und wo wir kurz mal „Salve!“ sagen wollten, da die Olbrück nicht weit von uns entfernt liegt und sich das für einen sonnigen Sonntagausflug anbot.

 

Nachdem wir uns an wohlschmeckenden keltischen Gerichten gelabt hatten, erwähnte jener Bekannte, er habe eine Replik des Sucellus darstellenden Hochreliefs, das bei Ausgrabungen einer römischen Villenanlage aus dem 3. Jahrhundert in Kindel gefunden wurde, erwerben können… und habe noch eine zweite! Ein mehr als guter Preis wurde schnell auf unkomplizierte keltisch-römische Art vereinbart und ein paar Wochenenden später konnten wir den Sucellus bei ihm daheim abholen.

 

Heute – Dies Iovis Nonis Iuliis MMDCCLXIX ab urbe condita – habe ich die Invocatio durchgeführt und die Auspizien nach dem Ritus waren eindeutig, das Sucellus-Silvanus die Einladung angenommen hat.
Die Art und Weise, wie sich die Dinge in kürzester Zeit entgegen jeglicher Erwartung gefügt haben, ist für mich wieder ein deutliches Zeichen dafür, daß eine Gottheit Wege findet, um sich zu offenbaren und auch eigentlich Unmögliches doch irgendwie möglich zu machen 🙂

Römisch (oder) Katholisch? – heidnische Gedanken zum Christentum

St. Florian, Schutzpatron der Feuerwehr

St. Florian, Schutzpatron der Feuerwehr

Eines der regelmäßig wiederkehrenden Themen in den Diskussionen, die in diversen Foren geführt werden, welche heidnischer Spiritualität gewidmet sind, ist die deutliche Abgrenzung zum Christentum.

Dabei spielt es keine Rolle, welcher Tradition die Diskussionsteilnehmer sich selber zugehörig fühlen, eine – oft aggressive – antichristliche Einstellung scheint gleichermaßen der Selbstdefinition als „Heide“, wie auch als einigendes Band über alle paganen Traditionen hinweg, zu dienen. Man wird in jedem Forum mindestens eine Debatte finden, die thematisiert, wie die „einheimische Religion mit Folter und Schwert ausgerottet wurde„, wie die „Weisheit der Vorfahren“ brutal durch eine „geistige Besatzungsmacht“ ausgelöscht wurde, wie eine „Religion der Wüste ihre lebensfeindlichen Ideen in die heiligen Haine der stolzen lebensbejahenden Germanen“ trug und man kommt nicht umhin, hier ein recht verzerrtes Geschichtsbild zu sehen – das es aber schon seit den Anfängen der neopaganen Bewegung gibt.

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Das gerne und oft zitierte Bild der im Heiligen Hain lehrenden Druiden prägt bis heute das Bild des sog. heidnischen Naturkultes

Diese ideologische Verortung in der Geschichte gehört zum Selbstverständnis der meisten Heiden und sie ist ein Zeichen dafür, wie stark sich diese Bewegung bis heute über das Christentum definiert.

Das Neuheidentum ist dabei einerseits von einem kontinuierlichen Pioniergeist beflügelt, der eine Alternative in heutiger Zeit (wie eben auch in all den Zeiten zuvor, seit es diese religiöse Richtung gibt) bieten möchte – auch hier gerade wieder besonders in Bezug auf das negative Bild, was man von der christlichen Religion zeichnet-, was Weltsicht, Lebensführung, geistige Werte etc. betrifft, bleibt andererseits jedoch stets in einer Defensivhaltung, denn man nimmt sich selber vor allem in der Position der Entrechteten wahr. Dies zeigt sich in der Wahrnehmung dessen, wie und warum die paganen Religionen ihren Status in historischer Zeit verloren haben, aber auch darin, daß man sich in der heutigen Gesellschaft als immer noch marginalisierte Gruppe begreift und in seinem Anliegen missverstanden fühlt, wobei sich beides in gewisser Weise bedingt.

Denn das, was viele Heiden als geschichtliche Entwicklung, die zur Ablösung der paganen Kulte durch das Christentum führte, mehr oder weniger verinnerlicht haben, ist nicht nur oft konträr zu den historischen Fakten konstruiert, sondern zementiert auch ein Feindbild gegenüber der sich – spirituell oder kulturell – als christlich verstehenden Mehrheitsgesellschaft. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Christentums, von den Anfängen als jüdische Splittergruppe in Palästina, über die Erhebung zur Staatsreligion im Römischen Reich bis hin zum Impulsgeber kultureller Entwicklung in späterer Zeit, wird dabei eine interessante Parallele deutlich zur Frage, wie sich ganz generell – eben auch heute – kleine gesellschaftliche Gruppen in einer Mehrheitsgesellschaft verhalten, resp. welche Optionen ihnen offenstehen, sich in dieser nicht nur zu behaupten, sondern in ihr zu einer maßgeblichen Kraft zu werden.

An der heiligen Quelle des Willibrodis in der Krypta des Doms von Echternach

An der Quelle des St. Willibrod in der Krypta des Doms von Echternach

Innerhalb des römischen Rekonstruktionismus gibt es aufgrund einer ganzheitlichen Sichtweise von Religion, Kultur und Geschichte aus einer Perspektive ganz konkret bezogen auf die Entwicklung des Römischen Reichs, oft ein wesentlich ausgewogeneres Verhältnis zum Christentum, als dies etwa in germanisch orientierten paganen Gruppen der Fall ist, so daß wir an dieser Stelle einmal versuchen wollen, diesen alternativen Ansatz zu vermitteln.

Ein Blick in die Geschichte ohne eine ideologische Brille erschliesst dabei nicht nur interessante Details zur Entwicklung der europäischen Kultur, sondern erlaubt es vielleicht auch, neue Wege zu finden, damit sich ein heute gelebtes Heidentum nicht mehr nur als blosser Reaktionskult zum Christentum versteht, der sich in manchmal recht bizarren Schattenkämpfen mit christlichen Missionaren wie Willibrod oder Bonifatius verfängt und sich damit in seiner möglichen Akzeptanz für eine breitere Zielgruppe selbst blockiert.

Das Christentum – eine jüdische Sekte aus der Wüste?

Einer der vom historischen Gehalt her eher diffusen Aspekte der Ablehnung des Christentums durch Neuheiden – verwenden wir an dieser Stelle ruhig diesen durchaus korrekt beschreibenden Begriff, eben für jene, die sich in der Geschichte neu als Heiden verstehen, nachdem die „alten“ sich zum Christentum bekehrt hatten (oder in neopaganer Lesart – bekehrt wurden) – wird erkennbar durch die simplifizierende Wahrnehmung als „fremde Religion“ und die oft plakativ gebrauchte Bezeichnung „(jüdische) Wüstenreligion“.

Simpel und plakativ, aber dafür schön als Beweis für mangelnde historische Bildung und Kulturverständnis geeignet

Simpel und plakativ, aber dafür schön als Beweis für mangelnde historische Bildung und Kulturverständnis geeignet

Besonders oft findet sich diese Klassifizierung im germanisch-heidnischen Spektrum, wobei man durchaus von einer (gewollten oder unbewußten) Rezeption völkischer Ideen sprechen darf. Das Christentum wurde im Zuge der Germanen-Idealisierung und eines religiös überhöhten nationalen Selbstverständnisses innerhalb der völkisch orientierten Kreise bereits im 19. Jahrhundert zu einem Feindbild stilisiert, durch das man in geradezu bequem erscheinender Weise einen Doppelschlag gegen die als eigentliche Bedrohung wahrgenommenen Kräfte ausholen konnte – Judentum und Überfremdung. Das Christentum rückblickend wahrgenommen im historischen Gewand römischer Besatzungsmacht, als im Kern aber jüdische Lehre, die sich nun als „Sieger“ letztlich wieder in Rom, als Katholische Kirche, manifestierte, erschien wie der rote Faden in der Geschichte der Unterdrückung germanischer Wesensart – prägnant formuliert im trotzigen Wahlspruch Georg von Schönerers „Ohne Juda, ohne Rom / wird gebaut Germaniens Dom!“

Wenngleich heute in germanisch-heidnischen Gruppen – abgesehen von dezidiert völkisch gesinnten Vertretern – diese antisemitischen Töne nicht mehr den definierenden oder auch nur dominierenden Faktor bilden, so bleibt die Wahrnehmung der christlichen Religion als „uns fremd“, als „kultureller Fremdkörper“ bestehen und auf vielen Ebenen weiter wirksam. Ein genauer Blick auf die Entwicklung dieser Religion und ihre objektive Einordnung in den Kontext der europäischen Kultur, macht allerdings zweierlei deutlich:

Erstens:

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Rekonstruktionismus

Der Begriff Rekonstruktionismus (oder im Englischen Reconstructionism) wirkt auf den ersten Blick etwas sperrig und wird in verschiedener Weise und auch in einem religiös unterschiedlich definierten Kontext verwendet, so daß wir an dieser Stelle auf diesen Begriff eingehen wollen, um deutlich zu machen, was wir darunter verstehen und warum wir ihn verwenden.

Der Begriff – Ursprünge und Inhalte

Gibt man den Begriff in eine Internetsuchmaschine ein, so findet man Ergebnisse wie jüdischen Rekonstruktionismus, christlichen Rekonstruktionismus, polytheistischen Rekonstruktionismus etc., so daß schnell deutlich wird, daß wir es hier nicht mit etwas zu tun haben, was typisch für eine bestimmte Religion ist, sondern das es sich um einen Terminus handelt, der etwas beschreibt, was traditionsübergreifend zu finden ist.

Grundsätzlich ist mit einer rekonstruktionistischen Haltung gemeint, daß man zu den Wurzeln einer Religion zurückkehrt, respektive zu dem, was eine bestimmte Person oder Gruppe darunter versteht, wobei diese Religion nicht losgelöst von ihrem kulturellen Umfeld betrachtet wird, sondern beides miteinander in besonderer Beziehung steht.

Rousas Rushdoony (1916–2001) – Gründer und Vordenker des Christlichen Rekonstruktionismus

In diesem Sinne etwa versteht sich der Christliche Rekonstruktionismus, der als ultrafundamentalistische, evangelikale Strömung in den USA zu finden ist. Diese auf den stark calvinistisch geprägten Theologen Rousas Rushdoony zurückgehende Bewegung ist bestrebt, unter Ablehnung der als unbiblisch verstandenen Demokratie, eine Theonomie, wenn nicht sogar Theokratie und eine strikte Anwendung des mosaischen Gesetzes in der heutigen Zeit und Gesellschaft zu etablieren, die Gesellschaft also auf Grundlage der in der Bibel zu findenden Vorstellungen neu zu gestalten, in ihrem Sinne zu „rekonstruieren“. Die Bibel wird hier nicht nur als Ausdruck des göttlichen Willens verstanden, sondern in ihr findet sich eine ganze Kultur abgebildet, die für diese Bewegung als normierend gilt. Christlicher Rekonstruktionismus sieht sich demnach ganz bewußt als eine auf diese Kultur bezogene Weltanschauung, die ihre Ziele auch und gerade politisch durchsetzen will, wie sie dies als Selbstbezeichnung ihrer theologischen Ausrichtung, der sog. Dominion Theology zum Ausdruck bringt.

Mordecai Kaplan

Mordecai Menahem Kaplan (1881-1983) – Begründer des Jüdischen Rekonstruktionismus

Rekonstruktionismus als eigene jüdische Richtung (neben orthodoxem, konservativem und Reformjudentum) hingegen findet sich auf der völlig entgegengesetzten Seite dieses Spektrums: es ist eine Bewegung, die dem progressiven Judentum nahesteht und von Rabbi Mordecai Kaplan begründet wurde. Im Gegensatz zu einer fundamentalistischen Lesart wird hier Religion als ein Teil der generellen jüdischen Kultur verstanden und die Zugehörigkeit zu dieser Kultur definiert für den Einzelnen seine Weltanschauung. Dabei gilt etwa das, was in der Thora geschrieben steht, nicht als historischer Fakt oder als unumstößlich wahr, sondern wird als Ausdruck der Gedanken der eigenen Vorfahren betrachtet. Aussagen etwa über Gott oder die Beschreibung des Exodus, sind immer in erster Linie Aussagen einer ganz bestimmten Zeit und von Personen, die darüber berichten, die eigene Kultur also verstanden als Rezeptionsgeschichte der Erfahrungen von einzelnen Angehörigen dieser Kultur.

Es geht nicht darum, diese Vorstellungen in heutiger Zeit zu bewahren, nur weil sie in den heiligen Schriften niedergelegt sind, sondern darum, vor dem Hintergrund einer sich durch die Geschichte hindurch entwickelnden jüdischen Kultur zu eigenen Vorstellungen zu gelangen und damit die Entwicklung dieser Kultur mitzutragen und weiter voranzutreiben. Rekonstruiert wird hier also viel eher ein kulturelles Selbstverständnis, das auch religiöse Ideen umfasst, sich aber nicht darin erschöpft. Kaplan fasste das Grundprinzip seines so verstandenen rekonstruktionistischen Ansatzes, Judentum als Zivilisationsmodell zu verstehen, in drei Worten programmatisch zusammen: belonging, behaving, believing

An erster Stelle steht demnach die Zugehörigkeit (belonging) zur jüdischen Kultur, diese führt zur Beschäftigung mit den in ihrer Geschichte tradierten Werten, welche einen Rahmen für die eigene Positionierung in der Gesellschaft bieten. Diese Ideale und Werte, an die man sich hält (behaving) begründen wiederum den Kontext, innerhalb dessen sich die persönlichen religiösen Überzeugungen ausbilden können (believing).

Diese Form eines rekonstruktionistischen Ansatzes ist dem in gewissen Punkten ähnlich, was uns an dieser Stelle interessiert – Rekonstruktionismus im Paganismus, genauer natürlich im römischen Kontext.

Wobei als interessante Tatsache anzumerken ist, daß alle diese Ideen zeitlich nahe beieinander aufgetreten sind, denn es sind die 70er bis 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, die sowohl die christlich-fundamentalistische, die jüdisch-progressive, wie auch die heidnische Variante des Rekonstruktionismus hervorgebracht oder etabliert haben, obwohl sie nur ansatzweise etwas miteinander gemeinsam haben.

Obwohl Aleister Crowley sich auf die „alten ägyptischen“ Mysterien berief, sah er die paganen Religionen als auch das Christentum durch seine neue Lehre als überholt an

Im Neopaganismus, also in den Bewegungen, deren Anliegen die Wiederbelebung vorchristlich/heidnischer Religionen ist, findet sich ebenfalls in dieser Zeit eine Diskussion, die sich darum drehte, wie man eigentlich diese ursprünglichen religiösen Vorstellungen und Praktiken in unserer Zeit leben kann, ja ob das überhaupt geht, oder auch nur sinnvoll ist und vor allem, was tatsächlich zu diesen ursprünglichen Aspekten gehört und was nicht.

Die Wurzeln der „neuheidnischen“ Ideen liegen im 18./19. Jahrhundert in den Strömungen des Philhellenismus, des Klassizismus und der Romantik, wobei hier allerdings eine – oft schwärmerische – Rückbesinnung auf die Antike begrenzt war auf Architektur, Literatur und Kunst und es sich nicht um eine Bewegung handelte, die in besonderer Form eine religiöse Alternative geboten hätte, oder bieten wollte.

In den esoterisch-hermetischen Gemeinschaften, wie etwa den Rosenkreuzern oder dem Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aktiv wurden, findet sich eine Vorstellung, die die alten Religionen als Bewahrer eines besonderen – esoterischen – Wissens ansah, dabei aber vorrangig von ägyptischen Mysterien fasziniert und daran orientiert blieb. Aleister Crowley sprach, wenn auch eher in Nebensätzen, generell von den Vorzügen der heidnischen Religionen gegenüber dem Christentum, betrachtete aber beide Traditionen durch seine Thelema-Offenbarung als abgelöst und überholt. In England formierten sich die ersten Druidenorden in Anlehnung an die Freimaurerei und verbanden den Bruderschaftsgedanken mit einer allgemeinen Keltenbegeisterung, ohne daß hier eine tatsächliche Wiederbelebung keltischer Religion praktiziert wurde.

Gerald Brosseau Gardner (1884–1964) – „Vater“ der Wicca Bewegung

Erst als der Okkultist Gerald Gardner die Wicca-Bewegung ins Leben rief und mit der Behauptung öffentlich auftrat, er sei in England in eine solche „uralte pagane Traditionslinie“ initiiert worden, traten die indigenen Religionen abseits der geheimnisvollen Mysterien Ägyptens stärker in den Vordergrund.

Da es aber für den in diesem Bereich bewanderten Interessierten schnell klar wurde, daß man es bei Wicca nicht mit einer im Untergrund überlebenden paganen Tradition zu tun hat, sondern es sich um eine synkretistische Neuschöpfung handelt, bestehend aus mythologischen Versatzstücken mit starken Anleihen aus der hermetischen Magie und generellen okkultistischen Aspekten, kamen schnell grundsätzliche Fragen auf. Diese bestanden einerseits darin, die Behauptungen der sogenannten „Hexenreligion“ auf ihre historische Relevanz und Validität hin zu überprüfen und andererseits darin, generell zu überlegen, wie sich indigene pagane Traditionen wohl entwickelt hätten, wenn es nicht zu einer Christianisierung gekommen wäre und welche konkreten Spuren sie nach dieser tatsächlich hinterlassen haben.

Solche Überlegungen waren der Beginn dafür, daß sich Einzelne besonders mit dem zu beschäftigen begannen, was spezifische kulturelle Traditionen – also die der Germanen, der Kelten, der Römer etc. – sozusagen in ihrem „Nachlass“ noch an Ideen und Praktiken für die heutige Zeit bieten konnten.

Traditionen zwischen Mythen & Märchen

Sveinbjörn Beinteinsson (1924–1993) – Gründer der isländischen Ásatrúarfélagið

In der Folge wurde vor allem für die Germanische Religion – die im neopaganen Spektrum schon früh und stark präsent war – versucht, eine gewisse ungebrochene Traditionslinie zu finden, die, wie man überzeugt war, unter einem offensichtlich nur oberflächlichen christlichen Anstrich verborgen lag.

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ANNIVERSARIUM 2000 DIVI AUGUSTI

220px-Augstus_kameo„Die Äcker fanden wieder Pflege, die Heiligtümer wurden geehrt, die Menschen genossen Ruhe und Frieden und waren sicher im Besitz ihres Eigentums.“ — Velleius Paterculus

„Die Menschen haben diesem Manne den Ehrennamen Augustus beigelegt und verehren ihn durch Tempel und Opfer hin und her in den Städten und Nationen, auf Inseln und Kontinenten, zum Dank für sein großartiges Lebenswerk und die Segenstaten, die er an ihnen vollbracht hat. Denn er ist der Mann, der den Gipfelpunkt menschlicher Macht und Weisheit erreicht hat. Er hat die größte Völkerschar, von der die Geschichte weiß, unter seiner Herrschaft vereinigt. Unter ihm haben die Grenzen des römischen Reiches ihre größte Ausdehnung erlangt. Er hat nicht nur die Völker, sondern auch die Herzen der Hellenen und Barbaren ein für allemal gewonnen, zunächst mit der Waffe in der Hand, dann aber ganz ohne Waffengewalt. Stämme, die zuvor kein Mensch auch nur dem Namen nach kannte, hat er zu Kulturvölkern erzogen. Nationen, die seit Menschengedenken keinen Herrn über sich duldeten, leisten ihm freiwillig Gefolgschaft um der gütigen Menschlichkeit willen, die sich immer leuchtender in ihm offenbart.“  Nikolaos von Damaskus

Am 19. August 2014 jährt sich der 2000. Todestag und die Deifikation/Apotheose von Gaius Octavius, der sich nach Bekanntwerden seiner testamentarisch verfügten Adoption durch Gaius Julius Caesar selbst Gaius Iulius C. f. Caesar nannte, nach der Deifikation seines Adoptivvaters den Namen Gaius Iulius Divi filius Caesar trug, nach der Annahme des Titels Imperator vom Senat den Ehrentitel Augustus (Der Erhabene) verliehen bekam und bei seinem Tod tituliert wurde als:

Imperator Caesar Divi filius Augustus, Pontifex Maximus, Co(n)s(ul) XIII, Imp(erator) XXI, Trib(uniciae) pot(estatis) XXXVII, P(ater) p(atriae)

(Imperator Caesar, Sohn des Vergöttlichten, der Erhabene, Höchster Oberpriester, 13 Mal Konsul, 21 Mal Imperator, 37 Mal Inhaber der tribunischen Gewalt, Vater des Vaterlandes“).

Nach seiner Konsekration (offizielle Anerkennung seiner Aufnahme in die sakrale Sphäre) lautete sein offizieller Titel:

Divus Augustus Divi filius

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Die Gemma Augustea (um 10 n. Chr.) zeigt Augustus, der im Kreise der Götter seinen Platz einnimmt.

 

Augustus war der erste römische Kaiser und derjenige, der die durch Bürgerkriege völlig zerrüttete Republik durch notwendige Strenge sowie vorausschauende Umsicht in das Imperium Romanum wandelte und die Ära des Pax Romana (Römischer Friede), auch Pax Augusta (Augusteischer Friede) genannt, einleitete. Aus den Trümmern der ehemaligen Republik baute er einen völlig neuen Staat auf, sicherte den Frieden nach Innen und die Grenzen nach Außen. Durch klare Rechtsregelungen, die eine grundlegende Ordnung schufen und etwa den üblich gewordenen Ausplünderungen der Provinzen durch politische Amtsinhaber ein Ende bereiteten, legte er die Basis für einen sich im gesamten Imperium ausbreitenden Wohlstand. Mundi Servator (Erhalter der Welt) nannte man ihn und schon zu seinen Lebzeiten wurden ihm im gesamten Römischen Reich Tempel errichtet, der als Soter (Heiland) erhöhte und verstandene Imperator erschien den Menschen wie eine von den Göttern gesandte Rettung aus den Wirren und dem Chaos der blutigen Bürgerkriege der Republik.

Er übernahm als Patron der Reichsfamilie die Cura Morum (Fürsorge für die Sitten), was Regelungen zur Moral wie auch ein generelles Ausrichten an den Exempla Maiorum, den aus der Tradition bekannten Werten der römischen Geschichte umfasste. Die als Publica Magnificentia bekannte Initiative des Kaisers für ein gewaltiges Bauprogramm, was seinen eigenen Worten zufolge „Rom als einer Stadt aus Ziegeln, in eine Stadt aus Marmor“ verwandeln sollte, war der Beginn für eine glorreiche architektonische Präsenz des Imperiums, die bis in unsere Tage reicht.

Er vergrösserte das Reich durch Hinzugewinnung von neuen Territorien in einem Ausmaß wie kein Herrscher vor oder nach ihm und verfügte eine kluge Regelung seiner Nachfolge, die nach seiner 40jährigen Regierungszeit als Princeps – von ihm in Respekt vor den alten republikanischen Werten definiert als primus inter pares (Erster unter Gleichen) – den Bestand des Imperiums für Jahrhunderte sicherte.

Der Mensch Gaius Octavius verstarb im – für die damalige Zeit beachtenswerten – Alter von 76 Jahren am 19. August des Jahres 14. n. Chr. (der ursprünglich 6. Monat im Römischen Kalender Sextilis wurde ihm zu Ehren in „Augustus“ umbenannt, was sich bis heute in unserem Monatsnamen „August“ erhalten hat) mit den Worten, die man von Schauspielern kannte: „Acta est fabula, plaudite!“ (Das Spiel ist aus, nun applaudiert!). Sein Leichnam wurde auf dem Campus Martius (Marsfeld) verbrannt, seine Asche in einem Mausoleum auf demselbigen beigesetzt.

Sein eigentliches Wesen, was seine Grösse ausmachte und ihn letztlich als den Erhabenen in den Augen seiner Mitmenschen erscheinen ließ, wurde erhoben zur Ehre der Altäre und damit aufgenommen unter die Mächte, die Roma Aeterna, das Ewige Rom, leiteten und schützten.

Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignis  
nec poterit ferrum nec edax abolere vetustas.
cum volet, illa dies, quae nil nisi corporis huius
ius habet, incerti spatium mihi finiat aevi:
parte tamen meliore mei super alta perennis
astra ferar, nomenque erit indelebile nostrum,
quaque patet domitis Romana potentia terris,
ore legar populi, perque omnia saecula fama,
siquid habent veri vatum praesagia, vivam.

(Publius Ovidius Naso, METAMORPHOSES: Sphragis)

———-

Und nun hab ich ein Werk vollbracht, das Feuer und Eisen
Nimmer zerstört noch Iupiters Zorn noch zehrendes Alter.
Mag denn kommen der Tag, der nur am vergänglichen Leibe
Recht ausübt, und den Raum unsicheren Lebens beschließen:
Trotz wird bieten der Zeit und über die hohen Gestirne
Schweben mein besserer Teil und nie mein Name getilgt sein.
Rings, soweit Roms Macht sich erstreckt in bezwungenen Ländern,
Wird mich lesen das Volk, und wofern nicht trügen der Dichter
Ahnungen, werd ich stets fortleben in fernste Zukunft.
(Ovid, Verwandlungen: Epilog)
Cultores weltweit begehen diesen Tag mit Festivitäten, Libation und Weihrauchopfer und gedenken somit des Begründers des Imperium Romanum, das den Grundstein unserer Kultur und Zivilisation bildet.
In der Zeit des Augustus wurden die traditionellen Tugenden des Mos Maoiorum wieder zu den eigentlichen Grundpfeilern römischen Selbstverständnisses, mit Zurückbesinnung auf die Bedeutung von Pax (Frieden), Pietas (Pflichtgefühl gegenüber Menschen und Göttern), Concordia (Eintracht) und anderen Werten, die auch für uns heute die Richtschnur des Handelns sind. Wer sich diesen Werten verpflichtet fühlt, möge den 19. August 2014 entsprechend würdigen.
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Götterwelt: Hercules

Zuständigkeiten:

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Hercules tötet den Zentauren Nessus

Hercules ist eine sehr vielschichtige Gestalt, was sich in seinen verschiedenen Zuständigkeitsbereichen dokumentiert. So ist er Heil- und Orakelgott, Schirmherr des Handels und der Kaufleute, der Straßen und des Verkehrs, damit Beschützer der Reisenden, sowie zuständig für Maße und Gewichte, Beschützer von Haus und Lager.

Wegen seiner mythischen Heldentaten, in denen er diverse Ungeheuer besiegte und Gefahren unschädlich machte, galt er als genereller Beschützer der Menschen und Bewahrer der Ordnung. Daneben fungierte er ebenfalls als Schützer der Jugend und wurde zum Schutzherrn der Gymnasien, als Hercules Victor (Sieger) wiederum vor allem von Soldaten verehrt.

Sphäre:

Unterwelt und Himmel.

Hercules zeigt hier eine doppelte Sphärenzugehörigkeit wegen der Dichotomie als Mensch und Gott. Als Mensch ist er gestorben, aber aufgenommen wurde er bei seinem Tod in das Reich der Götter. Das führte zu einer gewissen Spannung in seiner mythischen Entwicklung, weil nun nicht klar war, wo seine Seele nach seinem Tod letztlich verblieb.

So begegnet Odysseus auf seiner Unterweltsreise konsequenterweise neben anderen verstorbenen Menschen auch dem Hercules, aber die Geschichte legt Wert darauf zu betonen, Odysseus habe nur das Schattenbild (eidolon) des Hercules beschworen. Dies entspricht der in jener Zeit aufkommenden Vorstellung, das nur ein schwaches Abbild seiner menschlichen Natur diesen Weg ging, seine eigentliche Natur aber vergöttlicht wurde.

Es gibt Berichte, die besagen, dass es manchmal üblich war, diese Zweiteilung der Sphären kultisch umzusetzen, indem Hercules einerseits eine Libation (Trankopfer) auf den Boden gegeben wurde und eine Weihrauchopferung auf dem Altar, dessen Rauch in den Himmel stieg.

Attribute und Darstellungen: 

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Hercules als junger, bartloser Mann

Hercules wird oft als muskulöser bärtiger Mann dargestellt, aber manchmal auch als bartloser und eher schlanker Krieger.

Es gibt sowohl Darstellungen, die ihn als jungen Mann zeigen, als auch welche als alten und müde gewordenen Helden.

Keule, Löwenfell, Bogen und Köcher, auch das Füllhorn und der Trinkbecher werden ihm zugeordnet, auch der delphische Dreifuß, den er entwendete, später aber an Apoll wieder aushändigte und die ebenfalls von ihm geraubten Äpfel der Hesperiden sind Motive, die mit ihm abgebildet werden.

Ältere Darstellungen zeigen ihn in seinem Löwenfell, oder mit Lendenschurz bekleidet, jüngere Skulpturen öfters auch nackt wie einen griechischen Ringer, was das Athletische seines Charakters betonen sollte.

Opfergaben: 

Weihrauch, Wein

Kulttiere: 

Schwein (Opfertier), Rind (Opfertier),  Hirschkuh, Löwe

Feiertage:

24. Juni und 30. Juni (Hercules Musagetes)

Zuordnungen: 

Weisspappel

Sonstiges: 

Auch im Rheinland beliebt: Weihealtar für Hercules Magusanus, gefunden in Bonn

Auch im Rheinland beliebt: Weihealtar für Hercules Magusanus, gefunden in Bonn

Hercules wurde im Laufe der Zeit zu einer der beliebtesten und am meisten verehrten Götter des Imperium Romanum und entwickelte eine enorme Vielschichtigkeit, sowohl was seine Funktionen, als auch seine Anhänger betraf.

So wurde Hercules von den Anhängern der Philosophenschulen der Cyniker und Stoiker oft als archetypisches Rollenmodel betrachtet und fand entsprechende Verehrung, auch wenn er auf den ersten Blick nicht als Gott mit philosophischen Qualitäten erscheint. Aber er nutzte oft seinen Verstand, wenn seine Kraft nicht ausreichte, um ein Problem zu lösen und stand für Mut und Standhaftigkeit selbst in offensichtlich ausweglosen Situationen.

Er entschied sich, als er einmal vor die Wahl gestellt wurde (wie es die Parabel ‚Hercules am Scheideweg‘ erzählt), nicht für ein leichtes Leben, dem Genuss verschrieben, sondern für ein mühevolles, aber der Tugend gewidmetes Leben. Dieses beschwerliche Dasein, ständig in Gefahr zu sein und in einen als aussichtslos erscheinenden Kampf gegen ein dunkles Schicksal hineingeworfen, wie auch sein schmerzhaftes Ende, das aber in seiner Aufnahme zu den Göttern, in seiner Apotheose, sein siegreiches Finale fand, war für die Philosophen so etwas wie ein Spiegelbild des menschlichen Daseins überhaupt. Sie sahen darin ihre eigenen Mühen, (inneren)  Kämpfe, den Versuch, einem Tugendideal zu entsprechen, in einer diesem Lebensweg oft genug feindlich erscheinenden Welt und war Ausdruck ihrer Hoffnung, letztlich als Weiser die menschliche Natur transzendieren zu können.

Seine Aufnahme unter die Götter nach seiner Selbstverbrennung diente als mythisches Modell für den später aufkommenden Brauch der Apotheose der Kaiser, beginnend mit der Deifizierung von Julius Caesar und seiner Aufnahme unter die Staatsgötter als Divus Julius.

Anhänger mit Herculessäule oder Herculesknoten waren ein beliebter Halsschmuck. Die Keule schützte vor Unheil, der Knoten galt als Liebespfand

Anhänger mit Herculeskeule oder Herculesknoten waren ein beliebter Halsschmuck. Die Keule schützte vor Unheil, der Knoten galt als Liebespfand

So erscheint Hercules mit diversen Beinamen in Gallien und Germanien in seiner Identifikation mit dort beheimateten Göttern (allen voran Donar) als Hercules Deusoniensis, Hercules Andossus oder Hercules Magusanus, wird als Hercules Domesticus oft mit seinem Trinkbecher in der Hand in seiner Schutzfunktion für Haus und Lagerräume den Laren und Penaten im Lararium beigesellt und war, wohl wegen seiner enormen Kraft, unter dem Namen Hercules Saxanus der Schutzgott der Steinbrucharbeiter.

Der römische Kaiser Commodus verehrte ihn als Hercules Invictus (Unbesiegbarer Hercules), ja sah sich selber als Inkarnation dieses Gottes und trat mit Wolfsfell bekleidet und Keule bewaffnet selbst in der Arena auf. Hercules Gaditanus galt als höchster Gott des südlichen Spanien und wurde deshalb besonders von den Kaisern Trajan und Hadrian verehrt, die von dort stammten. Diese Bedeutung für das Kaiserhaus schlug sich in seinem Kultnamen Hercules Augusti nieder, andere Namen wie Hercules Triumphalis und Hercules Magnus bezogen sich auf seine generelle Bedeutung für die Spiele in der Arena, ein Name wie Hercules Olivarius zeigt wiederum eine enge Beziehung mit jenen Kaufleuten, die mit den wichtigen Olivenprodukten handelten. Als Hercules Musagetes war er als Begleiter der Musen bekannt, was eine ganz andere Seite seines Wesens symbolisiert.

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Tempel des Hercules Victor, ältester noch erhaltener Tempel in Rom

In dieser Bandbreite und Ambivalenz des herkuleischen Charakters, wie er in seinen Mythen erscheint, zeigt sich demnach die besondere Tiefe und umfassende Bedeutung, die diesem Gott zukommt und noch heute verbinden wir mit dieser Figur spontan Heldenmut und unüberwindliche Stärke.

Im römischen Cultus wird er im Ritus Graecum anstatt im Ritus Romanum verehrt. Entgegen früherer Annahme war der Kult des Hercules nicht auf Männer beschränkt, neuere Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass es einen Ausschluß von Frauen im Kult nur bei den Kulthandlungen an der Ara Maxima gab, einem Altar, der auf dem Forum Boarium, dem Viehmarkt stand.

Antike Quellen mit Gebeten an Hercules:

  • Apuleius: Metamorphoses IX 21, CIL 1.1290
  • Horaz: Sermones 2.6.14
  • Horaz: Saturae 6.10.3
  • Persius: Saturae 2.8
  • Plautus: Curculio 358
  • Plautus: Bacchides 892
  • Propertius: 4.9.71-4
  • Silius Italicus: Punica 1.505-7
  • Vergil: Aeneis 8.301-2

Tutelar Gottheiten

Wie bereits im Artikel zum Aufbau eines Larariums erwähnt, ist es für die Praxis des Cultus nicht entscheidend, möglichst viele Götter miteinzubeziehen, ja, auch nicht anzuraten.

In der Religio Romana werden die einzelnen Götter verstanden als Teilaspekte einer als umfassend begriffenen Wirklichkeit, in die unsere Welt und unser Leben eingebunden ist. Die Beziehung des Einzelnen zu dieser Wirklichkeit gestaltet sich deswegen auch im Sinne einer besonderen Auswahl und basiert auf dem oft sehr engen Verhältnis zu einer oder mehreren Gottheiten. Dabei kann es sein, dass ein Cultor aus diversen Gründen ein besonderes Verhältnis zu einer Gottheit entwickelt, mit der er sich dann im Laufe der Zeit näher beschäftigt, was diese persönliche Beziehung dann begründet und festigt, oder es kommt vor, wie wir es auch aus den mythischen Erzählungen kennen, dass eine Gottheit sich im Leben eines Menschen manifestiert, ihn quasi erwählt.

Werden solche besonderen Beziehungen zwischen Menschen und bestimmten Göttern gepflegt, die sich eben auch in einem kultischen Dienst an der Gottheit ausdrücken, spricht man von einer „Tutelargottheit“.

Was bedeutet Tutelar?

Der Begriff geht auf das lateinische Wort „tutela“ zurück, was je nach Kontext Obhut, Schutz, Fürsorge, Schutzherr oder auch Schützling bedeutet und einen der grundlegenden Aspekte der römischen Religion anspricht. Generell war die Idee schon früh präsent, dass Orte, bestimmte Berufe und Tätigkeiten, einzelne Personen, ja ganze Städte und das Imperium Romanum als ganzes unter dem Schutz einer göttlichen Kraft stehen konnten und oft genug auch standen. Diese Sichtweise war in gewisser Weise geprägt durch die Tatsache, dass im Leben der Römer solche Schutzverhältnisse generell eine besondere Rolle spielten.

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Der Paterfamilias ist nicht nur das Oberhaupt der engeren Familie

Der Paterfamilias etwa, das Oberhaupt einer Familie, übte eine Vormundschaft (patria potestas), die eben auch Schutz beinhaltete, über alle Mitglieder der Familie aus. Diese Verfügungsgewalt übte er nicht nur über seine Frau und seine Kinder aus, sondern sie bezog sich auch auf die angeheirateten Frauen seiner Söhne, deren Kinder, auf alle Sklaven im Haushalt, sowie grundsätzlich auf das gesamte Vermögen. Es war ebenfalls seine Aufgabe für die ganze Familie den häuslichen Kult mit allen religiösen Verpflichtungen wahrzunehmen. Starb der Vater, wurden die Söhne freie Männer im rechtlichen Sinne (sui iuris), während die Töchter in eine tutela mulierum, eine neue Vormundschaft, eintraten, die entweder der Vater im Testament verfügte, oder welche durch die Tochter selbst gewählt werden konnte. Die Person, die mit der Obhut betraut wurde, hieß Tutor (was heute noch an der Universität oder in anderen akademischen Bereichen als Begriff für jemanden gebraucht wird, der andere unterweist, ihnen hilft, sie anleitet. Studenten die sich in einem Tutorium befinden, besuchen Kurse, in denen sie studienrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten durch einen Tutor vermittelt bekommen).

Es war also nur konsequent, dass man davon ausging, dass es zwischen Menschen und Göttern ähnliche Schutzverhältnisse geben konnte, die sich entweder durch das Einbinden in den häuslichen Kult äußerten, das Mitführen von kleinen Figuren der Gottheit oder auch bestimmte Eidverpflichtungen zur Folge haben konnten. (Im nordgermanischen Heidentum kennt man den sog. fulltrui, also den Gott seines Vertrauens, den Gott, in den man sein volles Vertrauen setzt und mit dem man auf ähnlich enge Weise verbunden war – resp. im heutigen Asatru immer noch ist).

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Göttin Tutela

Im römischen Reich selbst, welches im Grunde genommen wie ein übergrosses Äquivalent zur Familie gesehen wurde, nahm quasi der Imperator die Stelle und Funktion des Paterfamilias ein, die von ihm ausgeübte Verfügungsgewalt – im Idealfall verstanden als Proklamation einer moralischen Selbstverpflichtung des Kaisers, als Schutzherr über alle Schutzbedürftigen im Imperium zu agieren -, wurde entsprechend als Tutela Augusti bezeichnet.

Die Schirmherrschaft über das Reich wurde später in der Kaiserzeit als eigene Göttin personifiziert und unter die vergöttlichten Tugenden wie Spes, Victoria, Concordia, Aequitas etc., auf denen das Imperium im Ideal basierte, aufgenommen.

Im Verständnis der Menschen damals blieb dies aber nicht einfach ein vom Alltagsleben getrennter Aspekt des Staatskultes, welcher durch allegorische Personifikation seinen Idealen Ausdruck verlieh, sondern es hatte ganz praktische Bedeutung für den Cultus eines jeden. In diesem Sinne wurde Tutela im Zuge dieser neuen Entwicklung in den häuslichen Kult integriert, wo sie in enger Beziehung zum Genius stand und sie wurde vor allem in den westlichen Provinzen des Reiches als Schutzherrin ganzer Städte verehrt, die nicht in Beziehung zu einer anderen Gottheit standen. Dadurch wurde dieses Vakuum gefüllt und die Stadt und ihre Bewohner unter die Göttin der Schutzherrschaft selbst gestellt, anstatt unter den allgemeinen Schutz eines bestimmten Gottes. Besonders aus Gallien sind entsprechende Statuen und symbolisch aussagekräftige Darstellungen dieser Göttin bekannt.

Wie findet man ’seinen‘ Gott?

Sacrarium für Apollo

Sacrarium für Apollo

Gründe, sich einer bestimmten Gottheit näher zu fühlen, mag es viele geben und sie sind so individuell wie die Cultores, die die Religio Romana praktizieren. Es kann eine Verbundenheit sein, die aus bestimmten Interessen erwächst, etwa wenn ein Arzt sich ganz natürlicherweise dem Aeskulapius nahe fühlt, in ihm Inspiration und Vorbild gleichermassen zu finden hofft. Oder es gibt ein einschneidendes Erlebnis an einem Ort, welcher einer bestimmten Gottheit heilig ist, es mag ein Traum sein, der symbolträchtig genug ist, dass er auf einen bestimmten Gott hinweist, ein Gedicht, das einen berührt.

Ich möchte beispielhaft an meinem Fall darlegen, wie so ein Tutelar das ganz konkrete Gesicht einer langen und natürlichen Entwicklung sein kann und sich als solches am Ende einer persönlichen Reflektion als Schlusstein in diesen Prozess einfügen kann.

Es gab es zu Anfang keinen besonderen Bezug zu einer einzelnen Gottheit, die Religio Romana war – und ist – für mich durch den Charakter der Sacra Privata gekennzeichnet, sprich, es geht mir in erster Linie nicht um eine gemeinschaftliche Ausübung oder ein primär nach außen gerichtetes Praktizieren (dieser Blog mag dem auf den ersten Blick widersprechen, ist aber eher im Sinne einer öffentlich zugänglichen Reflektion über unseren Weg zu verstehen, wir wollen sicherlich informieren, aber nicht missionieren), sondern darum, diesen spirituellen Weg als meinen persönlichen zu sehen und mit meiner Lebensgefährtin zu gestalten.

Thor's_Battle_Against_the_Jötnar_(1872)_by_Mårten_Eskil_Winge

Thor mit Mjöllner bewaffnet bekämpft die Jöten

Das hängt sicherlich damit zusammen, daß ich früher viele Jahre im Asatru aktiv war und in dieser Zeit weitaus eher im Sinne der – bleiben wir einmal bei den römischen Begriffen – Sacra Publica handelte und dachte. Heidentum war lautstarkes Bekenntnis für unsere ‚germanischen Wurzeln‘ und gegen die ‚fremde christliche Besatzungsreligion‘ und war geprägt durch eine aktive Mitgliedschaft in den namhaften  internationalen Organisationen, die heute die germanische Religion vertreten, am Anfang der Odinic Rite, später The Troth. Gründung einer lokalen Gruppe, eines sogenannten Hearths, ergab sich dabei  folgerichtig aus diesem nach aussen wirkenden Ansatz.

Als Asatruar war ich besonders den Göttern Odin und Thor verbunden, die mich auf verschiedenen Ebenen gleichermassen ansprachen, durch meine Studien der Runenmagie war zu Anfang für viele Jahre Odin mein Fulltrui. Später allerdings, als ich mich mehr und mehr davon abwandte, was mir als reine Projektion hermetisch-magischer Vorstellungen auf eine wie auch immer geartete germanische Zeit erschien, wurde mir der bodenständige Rotbart ein guter Freund und damit der Gott, in den ich ‚mein volles Vertrauen setzte‘, was wie schon erwähnt, die eigentliche Bedeutung des nordischen Wortes Fulltrui ist.

Über die Zeit hinweg kam es zu einer Abwendung vom Asatru, bedingt durch persönliche Enttäuschungen, die ich auf dieser Ebene widerspiegelte, durch eine Unzufriedenheit mit der Gestaltung dieser Religion durch die diversen Gruppen und ganz zum Schluss auch durch die immer mehr sich Bahn brechende Erkenntnis, das in der Region, in der ich lebe, das so lautstark verkündete ‚Nordische‘ weitaus weniger historischen Anspruch auf eine Verwurzelung hat – nämlich gar keinen -, als etwa das Christentum, das zumindest in seiner Römisch-Katholischen (aber auch Orthodoxen Form) im Grunde eine Mysterienreligion nach genuin römischem Verständnis darstellt und in ungebrochener Traditionslinie aus eben heidnischer Zeit stammt, in der es seine Form fand. Die eigene Verortung in diesem germanisch-heidnischen Bezugsrahmen, oder das, was man dafür hält, funktionierte nicht mehr und die Bilder verblassten nach und nach, weil sie aufgesetzt wirkten – und letztendlich auch waren.

Sacrarium für Hercules und die Matronen

Sacrarium für Hercules und die Matronen

Nach einer 10-jährigen Phase intensiver buddhistischer Studien und Praxis, in der ich viel gelernt habe, gerade auch über Symbole und was sie ausdrücken können, kam das alte Unwohlsein wieder zum Vorschein, welches mich bereits bei meinem ’nordischen Weg‘ befallen hatte – das starke Gefühl, dass spirituelle Praxis sehr wohl etwas mit Geschichte und Ort zu tun hat, es in beidem ganz konkret zu finden sein muss, soll es authentisch sein. Und da passte Buddha ebensowenig in das Land, in dem ich lebe, wie Odin; japanische Rezitationen wirkten irgendwann ähnlich fremd wie Anrufungen auf Altnordisch (das ich mit Begeisterung an der Universität erlernt hatte) – wobei ich in all den Jahren gleichwohl immer gefühlsmässig Heide geblieben war (was sich grundsätzlich mit buddhistischer Praxis nicht beisst, die verstanden als Erkenntnislehre ganz praktischer Art mit diversen religiösen Vorstellungen kompatibel ist).

Im Zuge einer Rückbesinnung auf diese gefühlsmässige Ebene, die ich wieder als Basis für mich anerkannte, begann ich erneut, mich mit dem zu beschäftigen, was man den Alten Weg nennt und auf einmal, quasi befreit von den unreflektierten Ideen einer romantisch-naiven ‚Wikingerbegeisterung‘ (die für einen Grossteil der heutigen Asatrugemeinschaft prägend ist) trat dieser Weg in seinem Kontext recht schnell sehr deutlich zutage. Dass wir heute in einer Kultur leben, die als Transformation der römischen angesehen werden kann, dass das Imperium Romanum, welches in einem sehr grossen Teil Deutschlands absolut prägend war (und es bis heute ist) unsere so mühsam angestrebte und eher mangelhaft umgesetzte Idee eines Europa bereits als perfekt funktionierende Struktur vorwegnahm, dass Germanen von mir heute – ähnlich  wie von den Römern in ihrer Zeit – ebenfalls eher als ‚barbarisch‘ weil oft genug zerstörend wirkend, denn als Garanten einer hochstehenden Zivilisation angesehen werden, dass hier in meiner Geschichte und meinem Ort der Alte Weg eben nicht mit dem nordischen Begriff ‚Forn Sidhr‚ (‚Alte Sitte‘) treffend bezeichnet werden kann, sondern eher mit dem lateinischen Mos Maoiorum!

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Imperium Romanum

Ausgehend von dieser Erkenntnis und der damit einhergehenden Neupositionierung, aber eben durchaus im Sinne meiner alten Orientierung, war auch der Weg wieder frei zu den Kräften, in die ich früher mein Vertrauen setzte. Die Präsenz, die man im Norden Thor nennt und die in Germania Magna wohl Donar genannt wurde, wurde von den Kelten, Germanen und Römern, die im ‚deutschen‘ Teil des Imperiums lebten, als Hercules bezeichnet, je nach Region mit anderem Beinamen versehen und etwa als Hercules Magusanus, Hercules Deusonianus oder Hercules Saxanus angesprochen. Ihm wurden mannigfach Altäre geweiht und er gab Kraft und Zuversicht, die Aufgaben zu erfüllen, die einem das Leben stellt. Man trug hier keinen Thorshammer, sondern eine Herkuleskeule als Miniatur am Hals, um sich seiner Kraft und seines Schutzes zu versichern. Ebenso wie der germanische Gott Wodan hier von den Römern mit ihrem Mercurius identifiziert wurde und wir deshalb überall Merkurtempel finden können, die Zeuge seiner Beliebtheit sind. Diese als Interpretatio Romana bekannte Methode der Angleichung und Eingliederung fremder Götter in den römischen Pantheon war der Grundstein der Religionsfreiheit und des Religionsfriedens im Römischen Reich.

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Hercules mit Keule bewaffnet bekämpft die Hydra

Zu dieser Neufindung meiner persönlichen Götter im Rahmen eines ‚Heidentums‘, authentisch in Bezug auf die Historie, das genuin aus unserer Geschichte und Region erwachsen ist, kam die Tatsache hinzu, dass Herkules ebenfalls erwählter Gott der Stoiker war, die in ihm das Idealbild sahen, welches die Selbstdisziplin und Ausdauer verkörpert, die für den Lebensweg des Philosophen essentielle Eigenschaften darstellen. Seine Entscheidung für ein beschwerliches, aber tugendhaftes Leben und gegen ein müheloses, aber verwerfliches Dasein wie es im Mythos ‚Herkules am Scheideweg‘ oder auch manchmal mit ‚Die Wahl des Herkules‘ wiedergegeben, geschildert wird, erinnerte die Stoiker an eben jene Entscheidung, die sie selber getroffen hatten.

Meine buddhistischen Studien vermittelten mir Einsichten, die man in der Stoa wiederfindet, oftmals wörtlich identisch formuliert, und die allegorische Deutung der herkuleischen Mythen im Sinne des stoischen Lebensideals festigten meine Beweggründe, Herkules als meinen Tutelar zu wählen – resp. anzuerkennen, dass er es ganz natürlich ist, mag ich ihn früher auch Thor genannt haben.

Dies soll zeigen, wie gehaltvoll die Figur einer solchen Tutelargottheit sein kann, wie sehr darin persönliche Geschichte und das Ringen (bleiben wir bei einem herkuleischen Bild) um die eigene Lebenspositionierung manifest werden können. Ist dies der Fall, dann wird das Numen eines Gottes zu einer machtvollen Präsenz im Leben des Einzelnen, die unabänderlich mit seinem Sein und Werden verbunden ist und bleibt. Vor dem Hintergund einer solchen persönlichen Beziehung werden die Orte, die mit der Verehrung dieser Gottheit verbunden sind, werden die Mythen, die man sich von ihm oder ihr seit alters her erzählt, zu einem besonderen Kraftquell und individuellen Bezugsrahmen.

Allerdings zeigt dieses Beispiel hoffentlich auch, dass eine oberflächliche Wahl, eine ohne wirklichen (Hinter)grund getroffene Entscheidung für einen solchen Tutelar, dies nicht erreichen kann und wenig Sinn macht. Auch hier wieder die Betonung, dass in der Religio Romana weniger oftmals mehr ist… es geht nicht um das Sammeln von Göttern in seinem Sacrarium, sondern um das Hinhören in die gehaltvolle Stille bei Gebet und Opfer, damit man eine möglicherweise bereits bestehende, oder sich anbahnende Beziehung zu einer der Gottheiten nicht überhört.

Was bleibt zu beachten?

Herkuleskeule auf einem Weihestein für Herkules Saxanus, Römerbergwerk Meurin

Herkuleskeulenanhänger auf einem Weihestein für Herkules Saxanus, Römerbergwerk Meurin

Wenn man einen Tutelar gefunden hat, dann sollte man dies ganz natürlich in die rituelle Gestaltung des Cultus miteinfliessen lassen. Neben der Tatsache, dass er oder sie immer Erwähnung finden sollte, wenn man sein tägliches Gebet und Opfer bringt (oder zumindest an den Kalenden, Nonen und Iden), sind die der persönlichen Gottheit gewidmeten Feiertage im Kalender besondere Zeiten und sollten beachtet werden.

Grundsätzlich bietet sich an, diese persönliche Beziehung zum Anlass zu nehmen, in den Quellen alles über diese Gottheit in Erfahrung zu bringen, etwas was einem sehr schnell wie ein immer besseres Kennenlernen erscheinen wird und hilft, tatsächlich eine Beziehung zu dieser Präsenz aufzubauen. Findet man Hymnen und Invokationen, die schon in alter Zeit zur Verehrung dieser Gottheit gesprochen wurden, bringt es für den eigenen Cultus eine völlig neue Relevanz, wenn man sie integriert. Aber letztlich ist die Gestaltung dieses persönlichen Bezugsrahmens ebenso vielfältig wie die Zahl der Götter selbst… 🙂


Artikel © D. Gratius Ludovicus, 07/2014

Artikel © D. Gratius Ludovicus, 07/2014


Die Stoa – Dharma des Westens?

Viele Menschen fühlen sich angezogen durch die östlichen Weisheitslehren, besonders der Buddhismus in seinen vielen Schulrichtungen hat in den westlichen Ländern, eben auch in Deutschland, eine große Zahl von Anhängern gewinnen können. Die Tatsache, dass mancher mit der christlichen Religion noch nie etwas anfangen konnte, oder sich ihr im Laufe der Jahre entfremdet hat, kombiniert mit einer oftmals im Alltag aufscheinenden Sinnsuche, führt oft zu einer Hinwendung zu den buddhistischen Lehren. Grundsätzlich kommt sicherlich nicht für alle Menschen, aber doch für eine signifikante Zahl von ihnen, irgendwann ein Punkt, wo man sich fragt, was der eigentliche Sinn des Ganzen ist – die Frage nach dem, was man als ‚Glück‘ definiert, ob und wie man es erreichen kann, wie man mit Schicksalsschlägen umgeht, oder ganz einfach wie man sich ‚richtig‘ im Leben verhält, scheint dann für eine wohl immer grösser werdende Anzahl von Menschen das unreflektierte bloße Dasein in seiner Abfolge von Arbeit, Konsumieren, Schlaf mehr und mehr in Frage zu stellen.

Ex Oriente Lux?

439px-Seokguram_BuddhaDer Buddhismus erscheint in seiner Kombination von durchaus tiefen und praktisch umsetzbaren psychologischen Einsichten mit einer als offen und tolerant wahrgenommen Religiosität dem kirchlich-dogmatischen Christentum, welches in starren Sichtweisen und Urteilen zu verharren scheint, dabei mit Inhalten werbend, die dem heutigen modernen Menschen nicht mehr zu vermitteln sind, als eine echte Alternative. Generell kann man dem auch zustimmen und unsere eigene Hinwendung zum Dharma – die eigentliche Selbstbezeichnung der buddhistischen Lehre – basierte eben auch auf dieser Einschätzung und sicherlich auf denselben Gründen. In den vergangenen 10 Jahren haben wir verschiedene buddhistische Schulen ‚durchlaufen‘, was innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft keine Besonderheit ist, sondern eher die Regel darstellt, da sich die Sichtweise des Einzelnen bezogen auf das, was er für sich als praktikabel ansieht, ändern mag und jede buddhistische Schule einen anderen Weg zum selben Ziel anbietet.

Jede der buddhistischen Schulrichtungen kann quasi verstanden werden als eine Betonung von bestimmten aus der Lehre des Buddha abgeleiteten Aussagen und/oder Praktiken, so dass sich die diversen Traditionen innerhalb des Buddhismus nicht als Konkurrenten zueinander verstehen, sondern schlicht als ‚Fahrzeuge‘, die alle auf demselben Strom der Lehre des Erleuchteten schwimmen, dabei aber den unterschiedlichen Voraussetzungen der Menschen Rechnung tragen, die sich dieser Lehre bedienen. So gibt es Schulen, die strikt den Fokus auf die Meditation legen, andere sind magisch-rituell gefärbt, die einen betonen die Wichtigkeit der Ordination und eines Lebens nach dem Vinaya (den Regeln der Mönche und Nonnen), andere Traditionen kennen weder Mönche, Nonnen noch die Meditation und verstehen sich als Gemeinschaft von Laien, die etwa auf das Allerbarmen des Buddha Amida vertrauen.

Der Dharma ist ein Schatzhaus sehr alter Lehren, die oftmals in einer bemerkenswerten Nähe etwa zu Einsichten und Ideen der heutigen Psychologie oder Psychotherapie stehen und besonders durch ihre praktische Anwendbarkeit auffallen. Das im Mittelpunkt stehende Kultivieren des Weges, also das Verfolgen eines praktischen Ansatzes buddhistische Lehren in sein eigenes Leben zu integrieren und einen tatsächlichen Nutzen, eine Anwendbarkeit derselben zu erfahren, hebt den Buddhismus erst einmal aus dem heraus, was man gemeinhin mit Religion verbindet. Hier steht dann weniger im Vordergrund, wie man sich die Welt vorzustellen hat, ob und welcher Gott diese Welt geschaffen hat oder nicht, sondern der Buddhismus vermittelt ganz deutlich, dass er sich als Medizin versteht, um das Leiden der Menschen und aller Kreaturen zu beenden. Diese Leidhaftigkeit des Daseins ist im Buddhismus der zentrale Punkt und das über alle Traditionen hinweg, so sagt denn der historische Buddha laut dem Pali Kanon auch:

„Nur eines lehre ich, jetzt wie früher: Das Leiden und das Ende des Leidens.“
– Siddhartha Gautama: Anuradha Sutta (Samyutta Nikaya 44,2)

Zentrales Element des Buddhismus sind die Edlen Vier Wahrheiten, die die Einsichten des Buddha in knapper aber prägnanter Weise zusammenfassen und allen Schulen des Buddhismus gemein sind. Es handelt sich dabei jeweils um die Wahrheit…

  • vom Leiden, (dukkha)
  • von der Entstehung des Leidens (dukkhasamudāya)
  • von der Aufhebung des Leidens (dukkhanirodha)
  • von dem zur Aufhebung des Leidens führenden Achtfachen Pfad (dukkhanirodhagāminī patipadā)

Wobei der eigentliche Begriff Dukkha, der hier mit Leiden übersetzt ist, eine ganze Bandbreite an Bedeutungen besitzt, die nicht nur „Leiden“ im engeren Sinne umfasst, sondern eine ganz grundsätzliche Ungenügsamkeit des Daseins anspricht. Das, was das Leben, so wie wir es kennen auszeichnet, ist gemäß dem Buddha ein essentielles Gefühl des Unzufriedenseins, des Nicht-Ausgefülltseins, ein generelles Verlorenheitsgefühl und ist letztendlich immer mit dem verbunden, was man in den verschiedensten Formen als ‘leidhaft’ umschreiben kann. Alter, Krankheit und Tod sind dabei nur die grundsätzlichen Formen davon, da unausweichlich Teil des Lebens und auch wenn der Einzelne unterschiedlich damit umgehen mag – es bleibt die schlichte Tatsache, dass die stete Vorwärtsschreitung des geistigen und körperlichen Verfalls, die mit dem Ende all unserer Wünsche und Hoffnungen einhergeht, selbst für jene diesen Dukkha-Aspekt deutlich macht, die im Leben selber vor manch anderem bewahrt blieben, was auch unter diesen Begriff fällt.

Eine ganze ‘Freizeitindustrie’ nutzt dieses ständig präsente Gefühl, das irgendetwas fehlt im Leben, die immer irgendwie im Hintergrund lauernde Frage „Was soll das alles eigentlich, wenn’s eh nach ein paar Jahren vorbei ist?“, um alle möglichen Ersatzbefriedigungen anzubieten, die kurzfristig diese Leere füllen sollen. Dass sie das nicht können, macht es zwar zu einem einträglichen Geschäft, weil wir deswegen immer nach neuen Reizen verlangen, zeigt aber auch, dass die oft schmerzliche Realität dieses Suchens nach dem ‘Sinn’ einfach zu unserem Leben dazugehört und man ihm irgendwie anders begegnen muss.

Alleine die Tatsache, dass wir immer wieder einen Boom der Religiosität im Westen erleben, zeigt, wie sehr wir uns in der säkularen Welt, die wir uns geschaffen haben, nach etwas sehnen, was über diese Welt und das Leben, das wir tagein – tagaus in ihr führen, hinausgeht, ja das über uns selbst, so wie wir uns kennen – getrieben von Sehnsüchten, Hoffnungen, Affekten, verunsichert durch Sorgen, Ängste und Meinungen – hinausführt. Die Menschen werden von einer Sehnsucht getrieben, die sie etwas suchen lässt, von dem sie nicht wirklich wissen, was es ist und das augenscheinlich nur in seiner Abwesenheit auffällt, weil es Unbehagen verursacht, wenn man es nicht hat.

Dabei ist diese Grundsehnsucht in keinster Weise von der verschieden, wie sie andere Menschen zu anderen Zeiten, oder auch in anderen Kulturen erlebt haben, oder erleben, weil es etwas ist, das dem Menschen geradezu in sein Wesen eingeschrieben scheint. Es sind diese Fragen, die Siddhartha Gautama sich auch gestellt hatte und die ihn, nachdem er für sich konkrete Antworten gefunden hatte, zum Buddha, zum Erwachten werden ließen.

Das Rad der Lehre Buddhas (Dharmachakra) als Symbol für den Buddhismus, die acht Speichen symbolisieren den Edlen Achtfachen Pfad

Die 4 Edlen Wahrheiten gelten dabei als die Essenz seines Erwachens, das verstanden wird als absolute Einsicht in die Natur der Dinge und bildet die Grundlage seiner Lehre, die in den praktischen Übungsweg des Edlen Achtfachen Pfades mündet. Dieser besteht aus den Elementen der rechten Erkenntnis (Sammā Diṭṭhi), der rechten Gesinnung (Sammā Saṅkappa), des rechten Redens (Sammā Vācā), des rechten Tuns (Sammā Kammanta), der rechten Lebensführung (Samā Ājīva), der rechten Anstrengung (Sammā Vāyāma), der rechten Achtsamkeit (Sammā Sati) und der rechten Geistessammlung (Sammā Samādhi).

Nun ist dies, wie der Leser sicherlich bemerkt haben wird, kein buddhistischer Blog und es stellt sich die Frage, warum wir hier über die traditionelle römische Religion und eine der bekannten philosophischen Schulen, die es im römischen Reich gegeben hat, – die Stoa – schreiben.

10 Jahre Einblick in den, wie man es formulieren könnte, real existierenden Buddhismus, haben uns gezeigt, dass auch dort das nach außen getragene Selbstbildnis, das Ideal nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Buddhistische Lehren sind in ihrem Kern in der Tat eine wirksame psychologische Herangehensweise, um einerseits zu verstehen, wie man als Mensch quasi ‚funktioniert‘, welche Elemente und oft genug auch Zwänge einen selber im Denken und Handeln bestimmen, andererseits auch ein praktischer Übungsweg mit dem Ziel, solche Strukturen zu durchbrechen und damit zu einer Reduktion des Leidens zu gelangen.

Ausschlaggebend für uns war deswegen nicht etwa eine Abkehr von den buddhistischen Kernlehren, weil diese nun plötzlich als falsch betrachtet wurden, sondern eher die Problematik, dass sich durchaus praktisch anwendbare Erkenntnisse und psychologische Wahrheiten im Buddhismus sehr mit einem religiösen und oft genug auch dogmatisch starren Überbau vermischt haben. Im Zuge der Entwicklung des Buddhismus und seiner Aufspaltung in verschiedene Schulen kam es immer mehr zu, auch in anderen Religionen zu findenden, quasi theologischen – in diesem Fall mag man von buddhologischen sprechen – Lehrgebäuden, die weit über eine Erkenntnis, wie man das Leiden reduzieren oder gar überwinden kann, hinausgehen. Klare philosophische Betrachtungen und psychologisch wirksame Techniken gingen dabei eine nicht immer vorteilhafte Verbindung ein mit metaphysischen Ideen, ethischen Maximen, detaillierten Regelwerken für die Ordinierten und Spekulationen und Axiomen wie z.B. der Lehre von Karma und Wiedergeburt. Es stellt sich ja oft die Frage, ob der Buddhismus überhaupt eine Religion sei, was in der Regel aufkommt, weil der Buddhismus nicht wie die uns bekannten Religionen des Christentums, des Judentums und des Islam zu den theistischen Religionen gehört und für viele Menschen oft ‚Gott‘ ein sine qua non ist, um eine Religion als solche auch erkennen und wahrnehmen zu können.

Der Buddhismus stellt die Frage nach der Existenz eines Schöpfergottes nicht, er geht aber grundsätzlich von der Existenz geistiger Wesenheiten, Devas, Götter etc. aus, misst ihnen aber (in der Theorie, denn im religiösen Alltag ist der Buddhismus überall eine enge Verbindung mit dem jeweiligen Volksglauben eingegangen) keine besondere Relevanz bei, da sie dem Menschen nicht bei der Beendigung der Wiedergeburten (dem Kreislauf des Samsara) helfen können. Auf metaphysische Fragen, etwa danach wie diese Welt entstanden ist, gab der Buddha, laut den Quellen, die wir haben, keine Antworten – eben weil er die Fragestellung an sich nicht für wichtig hielt, sie haben mit dem ganz praktisch verstandenen Problem des Menschen nichts zu tun. Fragen resp. Antworten darauf, ob:

das Universum ewig ist,
das Universum nicht ewig ist,
das Universum endlich ist,
das Universum unbegrenzt ist,
ein Buddha nach dem Tod weiter existiert,
ein Buddha nach dem Tod nicht weiter existiert,
ein Buddha nach dem Tod sowohl weiter existiert und nicht weiter existiert,
ein Buddha nach dem Tod weder weiter existiert oder nicht weiter existiert,
der Körper und das „Selbst“ dieselbe Entität sind,
der Körper und das „Selbst“ völlig getrennte und verschiedene Entitäten sind

haben keinerlei Bedeutung, wenn es darum geht, das Leiden zu überwinden. Die Tatsache, daß der Buddha solche Fragen bewußt nicht beantwortet hat, zeigen sehr schön auf, wie sehr er sich selber wohl als ‚Arzt‘ verstanden hat, dem es nur darum geht, eine ganz praktische Lehre anzubieten, aufgrund derer die Menschen die Probleme lösen können, mit denen sie sich in dieser Welt konfrontiert sehen – ganz unabhängig davon, wie und warum diese Welt nun entstanden sein mag, wie und warum es zu diesem Leben in all seiner Problematik gekommen ist. Deutlich wird dies im Gleichnis vom vergifteten Pfeil:

 „Nimm an, ein Mensch sei von einem vergifteten Pfeil getroffen worden und seine Freunde und Verwandten holten einen tüchtigen Wundarzt, der Verwundete aber sagte: Nicht eher will ich den Pfeil herausziehen lassen, als bis ich weiß, ob der Mensch, der mich verwundet hat, ein Adeliger oder ein Brahmane oder ein Bürger oder ein Diener ist, wie er mit Vor- und Familiennamen heißt, … ob er einen Bogen oder eine Armbrust benutzt hat, woraus die Bogensehne bestand, … Dieser Mensch würde sterben, bevor er all dies erfahren hätte.“ (Pāli-Kanon, Majjhimanikaya 63)

Der Buddha stand damit in einer Tradition der antiken Philosophen, deren Ansinnen es nicht war, religiöse Weltbilder zu erschaffen und Spekulationen nachzugehen, die man schlicht nicht nachprüfen kann, sondern die einen ganz praktischen Nutzen versprachen, wenn man sich ihren Lehren gemäß verhielt, verstanden als praktischer Weisheitsweg.

Kulturelle Konfessionen?

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Vesakh Fest in Deutschland, an dem der Geburt, der Erleuchtung und des Verlöschens des Buddha gedacht wird

Durch unsere Studien der griechischen und römischen Philosophen sind wir sehr schnell auf bemerkenswerte Übereinstimmungen mit den, von uns nach wie vor als richtig erachteten, Kernlehren des Buddhismus gestoßen.

Neben der Tatsache, dass wir nicht alle Lehren des Buddhismus – ganz gleich welcher Schule man nun folgen mag – in ihrem oft religiösen Überbau für uns als Richtschnur akzeptieren konnten, kam es im Laufe der Zeit zu einem Gefühl der kulturellen Spannung. Auch wenn der Buddhismus seit über 100 Jahren im Westen präsent ist, so besteht doch immer noch eine sehr starke Verbindung von Inhalt und Form, wobei Form sich hier auf die jeweiligen Kulturen bezieht, in denen die Lehren des Buddha im Laufe der Zeit als religiöse Tradition akzeptiert und etabliert wurden. Die Tatsache, daß wir im Buddhismus keine ‚Konfessionen‘ haben, die sich inhaltlich unterscheiden und sich voneinander abheben, wie man es etwa im Christentum kennt, sondern quasi kulturell definierte und über lange Zeit gewachsene Traditionen, die sich den jeweils anderen Schulen verwandt fühlen in ihrem eigentlichen Bestreben die Lehren des Buddha zu praktizieren, führt zu dem Umstand, das sich die kulturellen Elemente nicht einfach ad hoc austauschen lassen. Selbst jene buddhistischen Konvertiten, die grundsätzlich vieles, was man in den Ursprungsländern des Dharma an religiösen Praktiken findet, als ‚Aberglauben‘ betrachten und entsprechend für sich ablehnen und ausklammern, halten sich gleichwohl oftmals streng an kulturelle Formen aus Asien, so als ob sie Angst hätten, mit der Ablegung dieser Äußerlichkeiten eben den einen Schritt zu viel zu tun.

Diese Anpassung der buddhistischen Lehren an spezifische Kulturen macht es auf den ersten Blick aber auch schwer, einen westlichen Buddhismus zu entwickeln. Man kann also durchaus von tibetischem, japanischem, chinesischem etc. Buddhismus sprechen, wobei weitestgehend eine bestimmte Gemeinsamkeit definiert ist, auch wenn es Unterschiede in den spezifischen Lehrgebäuden der einzelnen Schulen gibt. Aber eben weil es, anders als in den Ländern und Kulturen, in denen sich der Buddhismus über die Jahrhunderte hinweg quasi organisch hin zu den jeweiligen Traditionen entfaltet hat, im Westen zu der recht einzigartigen Situation gekommen ist, dass man in relativ kurzer Zeit sehr viele verschiedene Traditionen zur Auswahl hat, macht man sich verstärkt Gedanken darüber, wie man einen ‘westlichen’ oder gar ‘amerikanischen’, ‘deutschen’ etc. Buddhismus entwickeln kann.

Den Dharma authentisch zu leben und zu praktizieren, erscheint aber für die meisten als unumgänglich verbunden mit der jeweiligen Kultur, aus der eine bestimmte buddhistische Schule stammt, so dass es bis dato auch nur ansatzweise Bestrebungen gibt, sich von diesen kulturell bedingten Formen oder auch den asiatischen Sprachen, die im religiösen Dienst, etwa bei Andachten oder Rezitationen, Verwendung finden, zu lösen und den hier praktizierten Buddhismus zu verwestlichen, quasi ‘einzudeutschen.’ Dies wiederum bedingt, dass der Buddhismus nach wie vor einen ‘exotischen’ Anstrich hat, der zwar für einige Menschen attraktiv wirkt, was aber bei anderen – wahrscheinlich die Mehrzahl der Bevölkerung – eher verhindert, dass er als persönliche spirituelle Alternative wahrgenommen wird. Und dieses kulturelle Korsett einer uns völlig fremden Kultur war es denn auch, was zu diesem bereits erwähnten Spannungsgefühl in der Praxis geführt hat.

Sutrenrezitationen auf Japanisch, wenn man die Sprache gar nicht beherrscht, man deswegen immer auch unsicher ist, ob man es überhaupt korrekt ausspricht, sind nicht nur kontraproduktiv, um in eine natürliche spirituelle Stimmung zu kommen, sondern sie stehen auch einem Verständnis inhaltlicher Art entgegen. Auch die in den buddhistischen Sutren beschriebenen mythischen Darstellungen und Erzählungen blieben für uns fremd, einfach weil die dort evozierten Bilder vor unserem geistigen Auge keine Szenerie erschufen, die uns vertraut schien.

Wenn man allerdings das Gefühl hat, man befindet sich in bestimmten Zeitabständen quasi in einer kulturellen Blase, die überhaupt nichts mit der eigenen kulturellen Wirklichkeit zu tun hat, entsteht leicht ein entfremdender Effekt, der einer regelmässigen Praxis denn auch entgegensteht. Wird man sich dann im Laufe der Jahre noch bewusst, wie konservativ und eng viele westliche Konvertiten in ihren Ansichten sind, die denen christlicher Fundamentalisten in nichts nachstehen, dann hat man irgendwann den konkreten Eindruck, irgendwie ‚falsch‘ zu sein und sieht nicht mehr den Nutzen bzw scheut den Aufwand, in all diesen religiösen Ideen, Dogmen und Bildern noch nach dem praktisch Anwendbaren und Sinnvollen zu suchen.

So gab und gibt es in den diversen buddhistischen Foren und Diskussionsgruppen, in denen wir engagiert waren, viele Themen, die dort mit Inbrunst, ja man mag sagen, religiösem Eifer debattiert werden, die uns aber in ihrer Relevanz dessen, was wir als buddhistische Praxis ansahen, weitgehend verschlossen blieben. Die Frage etwa, wie genau man sich die Wirkungsweise des Karmagesetzes vorzustellen habe, führt oft zu Ausführungen, die denen eines christlichen Theologen gleichen, der die Jungfrauengeburt erläutern möchte, sprich es sind schlicht Gedankenspiele, die dazu dienen, ein möglichst homogenes Lehrgebäude zu präsentieren, das keine Fragen offen lässt – dabei aber ignoriert, das man hier den Boden der Praxis, des Nachvollziehbaren, ja des Nachprüfbaren, verlässt.

Das Grundaxiom des Buddhismus ist die Annahme der Wiedergeburt, welche als Idee auch nötig ist, um zu erklären, dass das Leben nicht nur leidhaft ist, sondern diese Leidhaftigkeit auch nicht vergeht, wenn das individuelle Leben endet – denn nur dann macht eine praktische Umsetzung einer Lehre überhaupt Sinn, die verspricht, den Kreislauf der ewigen Wiedergeburten und damit des ewigen Leidens durchbrechen und beenden zu können. Problematisch ist dabei, dass hier etwas a priori vorausgesetzt wird, das für den normalen Menschen nicht erlebbar oder auch nur nachvollziehbar ist.

Dass der Buddhismus in seiner Anatta-Lehre, die das Vorhandensein eines unveränderlichen Selbst des Menschen abstreitet, je nach Schule, entweder keine Entität kennt, die den körperlichen Tod des Menschen überdauert, oder von einem Bewußtseinskontinuum ausgeht, das zwar stetem Wandel unterworfen ist, aber eben nicht abbricht mit dem Tod, macht bereits in der theoretischen Auseinandersetzung nicht wenige Probleme. Fragen kommen unweigerlich auf, die darauf abzielen zu ergründen, inwiefern überhaupt eine Identität besteht, wenn Wesen sich in ewiger Wiedergeburt manifestieren können, dabei aber nichts Substanzielles als sie verbindend übertragen wird. Es gibt lange und komplizierte Erklärungen, wie man sich dies wohl vorzustellen habe, aber es bleibt natürlich reine Spekulation, die man in ihrer Schlüssigkeit nun für sich akzeptieren mag oder auch nicht. Vor allem steht jedem, der sich mit diesem Teil der buddhistischen Lehre auseinandersetzt, quasi im Wege, dass er sich nicht an eine wie auch immer geartete frühere Existenz erinnern kann, eine Motivation nun also einer angenommenen ewigen Wiederkehr durch religöse oder anderweitige Praxis zu entfliehen, ist damit nur schwer erreichbar.

Säkularer Buddhismus – Rückkehr zur Lehre Buddhas?

Deswegen gibt es durchaus auch Bemühungen, einen säkularen Buddhismus zu schaffen, wie es sich etwa Stephen Batchelor auf seine Fahnen geschrieben hat, der sich auf die praktische Anwendbarkeit der grundlegenden Einsichten des Buddha und der im Laufe der Zeit entstandenen Methoden der meditativen Erkenntnis beschränkt – dabei deutlich formulierend, dass die Lehren über Karma und Wiedergeburt, über die Existenz von bestimmten Daseinsebenen, auch im Buddhismus als Himmel oder Hölle beschrieben, oder Göttern etc. eine spätere Entwicklung darstellen und nicht auf den Buddha zurückgehen. Das ist von dieser historischen Einschätzung her nicht immer sehr überzeugend, weil der historische Buddha natürlich ein Kind seiner Zeit war und der Buddhismus zu einem lose zusammengesetzten Stückwerk reduziert wird, wenn man nun Aspekte, die man aus heutiger Sicht nicht als real akzeptieren möchte, aus diesem in Jahrtausenden gewachsenen Lehrgebäude streicht. Und natürlich ist auch dies eine reine Spekulation und nicht zu belegen.

Wie Buddhisten mit diesem Versuch der Säkularisierung umgehen, zeigt aber, wie sehr sie sich im Sinne einer religiösen Gemeinschaft verstehen, denn man ist sehr schnell bei der Hand Begriffe wie adharma ins Feld zu führen, wenn man Karma, Wiedergeburt, die Erleuchtung etc. an sich leugnet oder anders auslegt, als es traditionellerweise geschieht.

Adharma bedeutet vom Wort her ‚gegen den Dharma‘ gerichtet, also eine Nichtübereinstimmung mit der buddhistischen Lehre, steht aber in der tatsächlichen Verwendung letztlich dem näher, was man im christlichen Bereich unter Ketzerei versteht. Adharma wird in Auseinandersetzungen über buddhistische Lehrinhalte deswegen oft diskreditierend und ausgrenzend benutzt, was einer offenen inhaltlichen Diskussion nicht förderlich ist, aber eben zeigt, wie sehr die wünschenswerte und funktionierende Praxis und Methode einer selbstreflektierenden Arbeit mit dem eigenen Geist verwoben ist mit einem religiösen Weltbild, das ebenso als Norm und Zugehörigkeitsmaßstab genutzt wird, wie dies etwa auch im Christentum und Islam der Fall ist. Letztendlich findet man sich, kann man nicht das Gesamtpaket aus dogmatischen Aussagen, kulturellen Formen und der in diesen verwobenen praktischen Methodik als solches für sich akzeptieren, sehr schnell außerhalb der buddhistischen Gemeinschaft wieder, entweder als Fremdkörper, wobei man versucht, es soweit als möglich für sich ‚gangbar‘ zu machen, oder eben weil man für sich entscheidet, das kann so nicht der Weg sein.

Stoischer Dharma?

Letzteres war für uns eine leichte Entscheidung, da wir über die Stoa eine Lebensphilosophie kennengelernt haben, die nicht nur dieselbe Problematik wie dies der Buddha zu seiner Zeit tat, thematisierte, sondern oft genug zu denselben Lösungen kam. Dabei aber in einem kulturellen Rahmen stehend, der eben die Grundlagen unserer heutigen Kultur ausmacht und uns nicht fremd ist, ja im Gegenteil, der eine kulturelle und philosophische Kontinuität belegt, in die wir uns ganz zwanglos in Denken und Praxis einfügen können.

Wenn wir uns die oft vom Buddha gezogenen Vergleiche in Erinnerung rufen, wo vom ‚Arzt‘, die Rede ist, der den Dharma als ‚Medizin‘ zur

Marcus Aurelius, der Philosoph auf dem Kaiserthron

Marcus Aurelius, der Philosoph auf dem Kaiserthron

Leidlinderung bringt, dann wirkt es umso vertrauter, wenn wir bei Cicero hören, wie dieser die Philosophie als ‚Medizin der Seele‘ bezeichnet.

Die von uns nach wie vor akzeptierte Wahrheit der grundsätzlichen Unbeständigkeit und Vergänglichkeit, die im Buddhismus als Ausgangsbasis für die Entwicklung der Lehren zur Erreichung der Leidfreiheit dient, finden wir ebenso formuliert bei Heraklit von Ephesos, der dies mit den Worten ‚Panta rhei‘ (Alles fließt) ausdrückt. Das oft in der buddhistischen Einstellung begründete und betonte Leben im Hier und Jetzt, also die Konzentration auf den Moment der uns erlaubt, an der Kultivierung des Weges zu arbeiten, die Zeit zu nutzen, findet sich bei den Stoikern ganz genauso. Diese kannten schon die Bedeutung des ‚hic et nunc‘ (hier und jetzt) und Epikur rief mit seinem ‚Carpe diem‘ dazu auf, sich der Wichtigkeit des Gegenwärtigen bewusst zu werden. Marcus Aurelius betont in seinen Selbstbetrachtungen diese Form der Aufmerksamkeit als Kernelement stoischer Lehre, was nicht von ungefähr an die Praxis der Achtsamkeit im Buddhismus erinnert, wie sie etwa in der Vipassana Meditation geübt wird. Seneca beschreibt einsichtig, wie sehr Furcht und Hoffnung, das permanente Leben im Gestern oder Morgen, das Gemüt beunruhigt und nur die Konzentration auf das Jetzt zur Gemütsruhe führt:

Die Furcht begleitet die Hoffnung.
Kein Wunder, dass dies so geht; beides sind Zustände eines schwankenden Gemüts, das unruhig an die Zukunft denkt. Hauptgrund von beiden ist das, dass wir zu wenig in der Gegenwart leben, dass wir mit unseren Gedanken zu weit hinausschweifen ins Ferne, Künftige. So wird das Vermögen, in die Zukunft zu blicken, an sich ein großes Gut, in ein Übel verkehrt.
Das Tier flieht nur vor der augenblicklichen Gefahr; ist es entflohen, so ist es beruhigt; wir quälen uns auch mit der Zukunft und mit der Vergangenheit. Manches von dem, was ein Vorzug unseres Wesens ist, bringt uns Schaden; das Gedächtnis bringt uns nachträglich noch die Qual der Furcht; das Vermögen vorauszublicken bereitet sie uns im voraus.

Der Buddha begann seine spirituelle Suche als strenger Asket und unterzog sich schmerzhaften Übungen, strengem Fasten etc., was ihn den Quellen zufolge an den Rand des Todes brachte. Die Sinnlosigkeit dieser Art von Selbstkasteiung einsehend, brach er diese Askese ab und erlangte die Erleuchtung auf dem Weg der Mitte, wie er dies nannte – dem Leben zwischen Kasteiung und Genußsucht. Es ist dieser mittlere Weg des Buddhismus, der vielen Menschen einsichtig ist in seiner Zielführung und der ihnen praktikabel erscheint. Aber wir finden bei Seneca ebenso den Rat diesen Weg der Mitte zu beschreiten:

Unser Prinzip ist das naturgemäße Leben; aber seinen Leib quälen, einfache Sauberkeit zu verachten, den Schmutz aufsuchen, nicht nur geringe, sondern selbst ekelhafte, abscheuliche Nahrung zu sich zu nehmen, das ist naturwidrig.
Wie es Üppigkeit ist, Delikatessen zu verlangen, so ist es Wahnsinn, gewöhnliche und wohlfeile Nahrungsmittel zu verschmähen. Genügsamkeit verlangt die Philosophie, nicht Selbstqual; Genügsamkeit aber und Gepflegtheit sind ganz wohl vereinbar. Die richtige Mitte gefällt mir; zwischen der strengeren Sitte und dem Leben der Menge müssen wir den Mittelweg gehen

Der Buddhismus lehrt, wie man das Leid verringern kann, indem man nicht an den Dingen haftet, das grundsätzliche Nicht-Anhaften führt zu einem natürlichen Umgang mit sich und der Welt und lässt den Blick zu auf die Dinge, wie sie wirklich sind. Da alles vergänglich ist, bringt jeglicher Versuch die Dinge festhalten zu wollen, nur Leid. Die Stoa ist derselben Meinung, wie wir bei Marcus Aurelius lesen können:

Was du bekommst, nimm ohne Stolz an,
was du verlierst, gib ohne Trauer auf

In der buddhistischen Lehre findet sich eine feine Unterscheidung von Mitleid und Mitgefühl und ersteres wird als nicht sinnvoll abgelehnt, da es eine Übernahme und Teilhabe an einem leidvollen Zustand ist, der aber ja grundsätzlich als ein zu überwindender angesehen wird. Die Brahmavihara genannten Qualitäten, die in buddhistischer Ethik gepflegt werden sollen sind Metta (liebende Güte), Mudita (freundliche Anteilnahme, oder Mit-Freude), Uppekha (Gleichmut, Gelassenheit) und Karuna (Mitgefühl).

Wir finden exakt die gleiche Unterscheidung von nicht zielführendem Mitleid und tatkräftigem Mitgefühl in der stoischen Lehre, so sagt Seneca:

Mitleid ist ein seelisches Leiden wegen des Anblicks fremden Elends oder Trauer auf Grund fremden Unglücks. […] Seelenleid aber befällt einen weisen Mann nicht.

Der Weise […] fühlt kein Mitleid, weil dies ohne Leiden der Seele nicht geschehen kann. Alles andere, das meiner Ansicht nach die Mitleidigen tun sollten, wird er gern und hochgemut tun: zu Hilfe kommen wird er fremden Tränen, aber sich ihnen nicht anschließen; reichen wird er die Hand dem Schiffbrüchigen, […] dem Armen eine Spende geben, aber nicht eine erniedrigende, wie sie der größere Teil der Menschen, die mitleidig erscheinen wollen, hinwirft und damit die verachtet, denen er hilft.“

– L. Annaeus Seneca, Über die Milde II,6

Das im Mahayana – einer der grossen buddhistischen Traditionslinien – vertretene Ideal des Bodhisattva, der auf seine eigene Erlösung und Befreiung verzichtet, um anderen beizustehen, die Idee, das man selber keine Freude an etwas haben kann, wenn man es nicht teilt, finden wir ebenfalls als Grundeinstellung bei Seneca:

Kein Wissen – sei es noch so großartig und nützlich – kann mich richtig erfreuen, wenn ich es nur für mich haben soll. Würde mir Weisheit unter der Bedingung zuteil, daß ich sie für mich behalten muss und nicht weitergeben darf – ich würde sie zurückweisen.

Die im Buddhismus zu den „sieben Erleuchtungsgliedern“ zählende und Upekkha genannte Qualität des Geistes, welche mit Gleichmut zu übersetzen ist, finden wir in der Stoa im zentralen Konzept der Apatheia (Gleichmut) die als zu verwirklichende geistige Qualität der anzustrebenden Ataraxia (Seelenruhe, Unerschütterlichkeit) vorangeht, resp. ihre Grundlage bildet. Ebenso wie im Buddhismus werden diese Qualitäten nicht nur theoretisch debattiert, sondern praktisch eingeübt, die Stoa ist ein praktischer Weisheitsweg, die Umsetzung philosophischer Konzepte geschieht im täglichen Leben durch Askesis (Übung – ein auch im Buddhismus immer wieder gebrauchter Begriff um die eigentliche Praxis zu bezeichnen, der sich auch nicht nur auf die Meditation beschränkt).

Moderne Statue Senecas in seinem Geburtsort Córdoba, Spanien

Moderne Statue Senecas in seinem Geburtsort Córdoba, Spanien

Wie viele der in der Stoa verwendeten Termini hat auch der Begriff der Askese im heutigen Verständnis leider einen negativen Unterton erhalten und so wie die Apathie heute verstanden wird als Abgestumpftheit (und eben nicht mehr als die von den Stoikern angestrebte Form des Nicht-Anhaftens an den Dingen, als heitere Gleichmütigkeit angesichts dessen, was einem im Leben widerfährt und was man nicht ändern kann), so haben wir auch bei Askese oft das Bild der rigiden Selbstbeschränkung bis zur Selbstquälung vor Augen. Das Wort leitet sich jedoch vom griechischem Verb askein (ἀσκεῖν) ab, was schlicht ‚üben‘ bedeutet und in der Antike sowohl verwendet wurde, um körperliche Ertüchtigung zu bezeichnen, aber eben auch als geistige Tugendübung begriffen wurde. Askese im Verständnis der Stoa ist jede selbstgewählte Form der Einübung einer Geisteshaltung, die den unkontrollierten Trieben, Affekten, Gewohnheiten und Leidenschaften entgegenwirkt, aus denen in stoischem wie buddhistischem Verständnis, Leiden entsteht, sie ist der praktische Weg um die enkráteia (Selbstbeherrschung) zu verwirklichen.

Die im Buddhismus angestrebte Überwindung von illusionärer Verfremdung der Wirklichkeit der Dinge um diese letztendlich ungetrübt in ihrem objektiven Sein erfassen zu können, ihrem Tathata (Soheit, also die Dinge in ihrem so-sein, ihrem eigentlichen Wesen entsprechend) finden wir in ähnlicher Weise verstanden wieder unter dem stoischen Begriff phantasia katalêptikê. Darunter verstehen auch die Stoiker Vorstellungen (phantasia), die eine tatsächliche, objektive Erfassung, ein Begreifen (gr. katalēptós: ergreifen, erfassen) von Dingen an sich, so wie sie tatsächlich sind, ermöglichen. Im Gegensatz von Vorstellungen die aufgrund von Ideen, Urteilen oder durch irrige Annahmen in ihrem Erkenntnisgehalt gemindert sind, sind kataleptische Vorstellungen solche, die die Wirklichkeit ungetrübt erfassen und sie entsprechend abbilden.

Die aus dem Buddhismus bekannte Idee des Karma, also das Konzept, dass jede Handlung, egal ob sie auf physischer oder psychischer Ebene stattfindet, unweigerlich Folgen haben wird, finden wir wiedergespiegelt im stoischen Konzept der Heimarmene, ursprünglich der Name einer Schicksalsgöttin, die in der philosophischen Tradition dann zum abstrakten Begriff für die natürliche Ordnung der Welt wurde. Verstanden wird darunter eine grundlegende und unabänderliche Konsequenz der dem Kosmos zugrundeliegenden Struktur, die dafür sorgt, dass die Dinge und Geschehnisse im Universum seit Beginn aufeinanderfolgen und in ihrer Folge voneinander bestimmt werden, alles mit allem zusammenhängt.

Was die Stoiker in ihrem deterministischen Verständnis der Welt von der buddhistischen Idee trennt, ist das Fehlen einer Wiedergeburtslehre, welche die Folgewirkungen von Taten (im Buddhismus ja in der Regel moralisch/ethisch verstanden) über mehrere Leben hinweg konstatieren. Nicht allerdings weil die Stoiker grundsätzlich solche Ideen abgelehnt hätten (es gab und gibt bei Stoikern eine ganze Bandbreite an religiösen Vorstellungen, die aber als individuelle Ideen nicht in das Lehrgebäude der praktisch orientierten Stoa definierend einfliessen), sondern weil die Stoa immer praktische Lebensphilosophie geblieben ist und keine Wandlung in eine Religion erfuhr.

Ebenso wie wir im Buddhismus als Ziel das Ideal des Arhat, oder auch des Buddha haben, einem völlig Verwirklichten, der die Verblendungen abgelegt und das Erwachen erreicht hat, der nicht mehr dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten und damit des Leidens unterworfen ist, somit das Nirvana (den Zustand des Erlöschens der Begierden) erreicht hat, so finden wir in der Stoa das Ideal des Weisen (gr. sophos). Dieser hat die vier stoischen Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung und die Gerechtigkeit verwirklicht, lebt in völliger Übereinstimmung mit der Natur und dem diese erfüllenden Logos, ist befreit von allen Begierden und Affekten und hat die Eudaimonia, den Zustand der höchsten Glückseligkeit verwirklicht.

Wie dem Buddha das Zitat zugeschrieben wird, Glück sei „das zu Wollen, was man hat und das nicht zu Wollen, was man nicht hat“, so erinnert der Stoiker Epiktet uns daran,  „weise ist  der Mensch, der Dingen nicht nachtrauert, die er nicht besitzt, sondern sich der Dinge erfreut, die er hat“ und die Mahnung des Buddha an seine Anhänger „Seid euch selber eine Leuchte (man kann das zugrundeliegende Wort auch mit Insel übersetzen), seid euch selber Zuflucht, ihr Mönche, habt keine andere Zuflucht!“ erinnert sehr an Epiktets Rat „Sei kein abhängiger Patient – heile deine eigene Seele!“

Oft und gerne zitiert wird die Rede des Buddha an die Kalamer, um zu zeigen, dass der Buddhismus die Menschen zu eigenverantwortlichem Umgang mit dem auffordert, was ihnen als Lehre angetragen wird, er also keine dogmatische Religion sei:

Recht habt ihr, Kálámer, dass ihr da im Unklaren seid und Zweifel hegt. In einer Sache, bei der man wirklich im Unklaren sein kann, ist euch Zweifel aufgestiegen.

Geht Kálámer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters!

Wenn ihr aber, Kálámer, selber erkennt: „Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden“, dann o Kálámer, möget ihr sie aufgeben.

Allerdings muss man auch für einen solchen durchaus lobenswerten Rat und eine entsprechende Einstellung nicht unbedingt in buddhistischen Schriften suchen, denn was uns der Stoiker Seneca empfiehlt, hat schon für ihn selber als Maxime gegolten:

Soll ich etwa nicht den Spuren der Vorgänger folgen? Wahrlich, ich werde den alten Weg einschlagen; finde ich aber einen geeigneteren und ebeneren, so werde ich mich an diesen halten. Die Menschen, die vor uns diese Lehren aufbrachten, sind nicht unsere Gebieter, sondern unsere Wegweiser. Die Wahrheit steht allen offen, sie ist nicht vergeben. Künftigen Generationen wird noch ein großer Teil ihrer Erforschung überlassen sein.

Es könnten noch mehr und detailliertere Ausführungen gemacht werden, die zeigen, wie ähnlich sich Buddhismus und die Philosophie der Stoa sind, aber es ging an dieser Stelle nur um einen kurzen Anriss dieser Vergleichsmöglichkeiten. Für uns war entscheidend, in der Stoa eine westliche Philosophie gefunden zu haben, die einerseits erlaubt, das, was man von den geistigen Konzepten her im Buddhismus gelernt und für sich als richtig erkannt hat, beizubehalten, andererseits Aspekte, die weniger relevant erschienen oder gar abgelehnt wurden, weil sie zu fremd oder aus anderen Gründen nicht nachvollziehbar waren, quasi nicht als Ballast mitschleppen zu müssen. Vor allem die Tatsache, dass im antiken Verständnis Religion und Philosophie getrennt waren und nicht eine unauflösbare Verbindung eingegangen sind, wie wir dies aus dem christlichen Bereich, oder eben auch aus dem Buddhismus kennen, war ein ausschlaggebender Punkt. Es mag für manchen Leser, der ähnliche Fragen, der aber evtl. auch ähnliche Probleme mit dem Annehmen von Lehren und Formen einer fremden Kultur hat, als Anregung dienen, sich diese alte Philosophie, die heute ein bemerkenswertes „Revival“ erlebt, zu studieren.

Diesem antiken Verständnis, welches in der Religion eine Möglichkeit sieht, dem Leben durch Ritus, durch bedeutungsvolles Wort und heilige Handlung eine Tiefe zu verleihen, die mancher zu ahnen scheint, fühlen wir uns nahe. Und es ist dieses Ahnen,  ja sicher auch die Hoffnung, dass die Wirklichkeit wie sie uns erscheint, noch eine andere Ebene hat, es ist das ‚religiös musikalisch sein‘ wie es Rudolf Otto einmal nannte, welches den Menschen in eine Beziehung mit dem Heiligen setzt. Allerdings gibt Religion diesem antiken Verständnis gemäß nicht moralische Anweisungen, sagt nicht, was richtig und was falsch ist, sondern bietet nur eine Form an, wie sich der Mensch diesem Numinosen nähern kann – diesem Mysterium welches (um bei Rudolf Otto bleiben zu wollen) gleichermassen mysterium temendum wie mysterium fascinans ist, also ebenso erschauern macht, wie unweigerlich anzieht. Deswegen gilt für die Religio Romana, dass die Riten korrekt sein müssen, die Form muss gewahrt sein, um sich in einem als sicher empfundenen rituellen Rahmen diesem Mysterium nähern zu können.

Moralisches Handeln, ethische Maximen, Bewertungskriterien, was recht und unrecht ist, das war nicht die Domäne der Religion, sondern der Philosophie – ganz wörtlich übersetzt der Liebe zur Weisheit, einer Weisheit, die zur Tugend rät und dem Menschen, der sich über seine Gewohnheiten und Einschränkungen erheben will, Wege zu einer Freiheit zeigt, die heute wie damals wünschenswert und in unseren Augen nach wie vor wert sind, als Ideal zu dienen.

Da die Stoa unabhängig von Religion ist, bleibt sie offen für alle Menschen und ist als Lebensphilosophie in ganz praktischem Sinne geeigneter als der Buddhismus und darüberhinaus kulturell verständlicher. Das ist zumindest unser Verständnis und wir hoffen, an dieser Stelle im Blog diesen Erkenntnisweg weiter erläutern zu können.

Raffaels Schule von Athen mit den idealisierten Darstellungen der Gründerväter der abendländischen Philosophie.

Raffaels Schule von Athen mit den idealisierten Darstellungen der Gründerväter der abendländischen Philosophie.


© D. Gratius Ludovicus, 03/2014

Artikel © D. Gratius Ludovicus, 03/2014