
„Statuetten opfernder Männer und Frauen“ im RGM Köln. Oder Larariumsfiguren von Genius und Iuno? Fundort: Köln
Wie wir in unserem Einleitungsartikel „Der Geburtstag in der römischen Antike“ beschrieben haben, unterschieden sich römische Geburtstagsbräuche kaum von unseren heutigen – mit einem Unterschied:
Neben Essen, Trinken und Feiern nutzte man den Tag auch, um in einem Ritual am Lararium, dem Hausschrein, seines Genius / seiner Iuno zu gedenken, sich bei den Göttern für das vergangene Lebensjahr zu bedanken und mit einem Gelübde ihre Unterstützung für das kommende Lebensjahr zu erbitten. Hierbei wird immer Jupiter Optimus Maximus eingeschlossen, aber zusätzlich auch jeder andere Gott, der in der eigenen Sacra Privata eine Rolle spielt.
Dieses Ritual stellte die rituelle Eröffnungshandlung am eigenen Geburtstag dar und wird deswegen auch heute in der Religio Romana als Teil der Feierlichkeiten praktiziert.
Der Zweck dieses Rituals ist denkbar pragmatisch: sicherzustellen, daß man auch seinen nächsten Geburtstag erlebt.
Vorbemerkung zu Quellen und Authentizität:
Informationen zu Anrufungen des Genius und der Götter, zu typischen Opfergaben (wie Kuchen, Weihrauch) und zu Opferhandlungen (wie dem Schmücken der Figur des Genius) sind uns, wie im Einleitungsartikel bereits erwähnt, aus zahlreichen Quellen überliefert. Auch gibt es erhaltene antike Texte, die Geburtstags-Segenswünsche enthalten oder Anrufungen und Gelübde aus dem Staats- und Kaiserkult anläßlich des Geburtstags des Kaisers.
Texte, die ein vollständiges Geburtstagsritual im privaten Cultus, in der Sacra Privata beschreiben, sind allerdings nicht bekannt. Deswegen muß ein solches Ritual aus den Fragmenten an erhaltenen Informationen und aus den überlieferten Texten rekonstruiert werden.

Pontifex, Sacerdos, Quaestor und tief in der Religio Romana bewanderter Cultor Cn. Cornelius Lentulus führt eine Opferzeremonie anläßlich der Floralia 2015 durch (Foto mit freundlicher Genehmigung des Aquincum Museums Budapest http://www.aquincum.hu/)
Das hier im folgenden aufgeführte Ritual wurde uns freundlicherweise von Pontifex Cn. Cornelius Lentulus, einem der erfahrensten heute praktizierenden Cultores, zur Verfügung gestellt – genauer gesagt, zum Geburtstag geschenkt 🙂
Er ist zudem Lateindozent an der Universität Budapest und sehr bewandert in der antiken Quellenlage, so daß sein Versuch einer Rekonstruktion dieses Geburtstagsrituals nach bestem Wissen und Gewissen erfolgte, mit dem Anspruch, ein Ritual zu gestalten, das einem römischen Ritual aus der Antike so nahe wie möglich kommt und möglichst wahrscheinlich und authentisch ist.
Die Gelübde im Ritual orientieren sich an den überlieferten Gelübden der Arvalbrüder, des 12-köpfigen römischen Priesterkollegiums, anläßlich des Geburtstages des Kaisers. Die Opfergaben und Handlungen im Bezug auf den Genius entstammen den recht genauen Beschreibungen in den zahlreichen erhaltenen Texten über antike Geburtstagsfeiern, unter anderem von Ovid, Cicero und Tibull.
Ergänzt wurde der Ritualtext von uns durch praktische Handlungsanleitungen, die ebenfalls den antiken Quellen entnommen sind.
So stammt das folgende Ritual zwar nicht aus einer original römischen Quelle, ähnelt aber nach heutigem Kenntnisstand weitestgehend den Kulthandlungen, die Römer wahrscheinlich zu ihrem Geburtstag am Hausaltar abgehalten haben, so daß man es als heutiger Cultor und römischer Rekonstruktionist guten Gewissens in seine Sacra Privata einbinden kann.
Durchführung des Rituals
Vorbereitungen:
Wer eine Figur des Genius / Iuno in seinem Lararium hat, schmückt diese mit einem Kranz. Das Lararium kann zu diesem Anlaß auch mit frischen Blumen bedacht werden.
Neben einer Mischung aus honiggesüßtem Wein und Milch wird Räucherwerk benötigt. Hierzu wird Weihrauch verwendet, so daß man zur Vorbereitung Kohle entzünden und vorglühen sollte. Weihrauch zu räuchern, ist ein originär römischer Brauch, der bis heute seine Fortsetzung in den Bräuchen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche gefunden hat.
Da nur wenig Weihrauch benötigt wird, genügt auch ein kleines Stück Räucherkohle (die Kohletabletten lassen sich problemlos halbieren und vierteln) – es werden pro Rauchopfer jeweils nur ein paar kleine Stücke Weihrauch auf die Kohle gelegt und keine gewaltigen Rauchschwaden erzeugt, wie oftmals irrigerweise angenommen. Insofern gibt es keinen Grund auf Weihrauch als traditionelles Rauchopfer zu verzichten, auch wenn man in einer kleinen Wohnung lebt, zumal auch die Atmosphäre durch Weihrauch eine gänzlich andere ist, als durch die üblichen Räucherstäbchen.
Optional ist die Verwendung von Opferbrot (Libum) oder einem Stück des Geburtstagskuchens.
Bekleidung:
In der Antike war es üblich, daß man sich an seinem Geburtstag weiß kleidete (Ovid, Tristia V 5,8). Weiße Kleidung ist daher authentisch; wichtig ist aber vor allem, daß man saubere und ordentliche Kleidung trägt und das Ritual nicht im Schlafanzug oder Putzshirt durchführt.
Wie bei römischen Ritualen nach dem Ritus Romanus üblich, wird das Ritual capite velato, d.h. mit verhülltem Haupt durchgeführt. Anrufungen erfolgen stehend, manu supina (mit erhobenen Händen).
Opfergabe:
Als Opfergabe wird in diesem Ritual durch Honig gesüßter Wein mit Milch verwendet. Wenn man möchte, kann man den Wein durch Libum (Opferbrot) ersetzen oder ihn damit ergänzen. In diesem Fall muß im Text der Ausdruck „vino lacte melleque mixto“ durch das Wort „libo“ ersetzt werden.
Ansprache des Genius / der Iuno:
Der Geburtstag eines Menschen ist auch der Geburtstag seines „Schutzgeistes“, der bei Männern „Genius“, bei Frauen „Iuno“ genannt wird. Frauen ersetzen im Ritual das Wort „Genius“ deshalb einfach durch „Iuno“ (also im Vokativ „Geni“ durch „Iuno„.)
Sprache:
Es gilt in der Religio Romana die Vorstellung, daß Latein den Göttern besonders gefällt und sie positiv stimmt (was ja insbesondere bei persönlichen Anliegen nie schaden kann). Grundsätzlich gilt Latein als sakrale Sprache mit besonderer Wirkung und Macht.
Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, daß auch im römischen Vielvölkerstaat Gebete und Rituale durchaus in den vielen lokalen Sprachen (oder, insbesondere in der Osthälfte des Reichs, auf Griechisch) durchgeführt wurden, so daß nichts dagegen spricht, ein Ritual in seiner eigenen Muttersprache abzuhalten.
Unsere Präferenz ist die Durchführung in lateinischer Sprache.
Durchführung:
Dieses Ritual war und ist nicht „geheim“ oder privat (wie eigentlich kein römisches Ritual, solche, die in den Mysterien zur Anwendung kamen, einmal außen vor), sondern wenn man möchte, kann man Familienangehörige und andere Mitglieder des Haushalts, auch Geburtstagsgäste, daran teilnehmen oder zuschauen lassen.
Natürlich kann man es auch für sich alleine abhalten, um sich auf seine Anliegen und die Kulthandlungen zu konzentrieren; wir möchten nur darauf hinweisen, daß es in römischen Haushalten normal war, rituelle Handlungen sowohl gemeinsam, als auch alleine an seinem Lararium und Sacrarium durchzuführen.
I. PRECATIO IOVI (Gebet an Jupiter Optimus Maximus)
Am eigenen Geburtstag, nach dem Aufstehen, Waschen und Anziehen, tritt man vor sein Lararium.
Anrufung des Jupiter Optimus Maximus, vor dem Lararium stehend, capite velato und manu supina.
Iuppiter Optime Maxime,
si ego vivam;
domusque mea bene atque feliciter
incolumis erit (hier das Datum einsetzen, Beispiel: 4. Dezember: pridie Nonas Decembres)
quae proximae populo Romano Quiritibus erunt, fuerint;
et eum diem meque salvum servaveris ex periculis,
si qua sunt eruntve ante eum diem;
earumque rerum mihi,
quas nunc ago acturusve sum,
bonum eventum ita,
uti ego sentio dicere,
dederis;
meque in eo statu quo nunc sum
aut eo meliore servaveris;
custodierisque me;
ast tu ea ita faxis:
tum tibi vino lacte melleque mixto
voveo esse futurum.
Bedeutung dieses Gebets (Zusammenfassung):
„Jupiter, wenn mein Leben bis zum nächsten (Datum des Geburtstags, hier: 4. Dezember) erfolgreich und günstig verläuft, ohne Widrigkeiten, und alles, was ich anpacken werde, gut und verheißungsvoll verläuft, und ich zumindest in diesem heutigen Zustand bleibe, was meine Gesundheit und mein Schicksal angeht, oder es sich sogar bessert, dann schwöre ich hiermit feierlich, Dir an meinem nächsten Geburtstag honiggesüßten Wein mit Milch zu opfern.“
II. SACRIFICIUM IOVI (Opfer an Jupiter Optimus Maximus)
earundem rerum ergo,
quaeque tu ita faxis
uti ego me sentio dicere,
macte hoc vino lacte melleque mixto
et hoc ture dato
esto fito volens propitius
mihi, domo, familiae!
Mi Geni,
quae in verba Iovi Optimo Maximo
vino lacte melleque mixto
vovi esse futurum
quod hoc die vovi
ast tu ea ita faxis:
tum tibi vino lacte melleque mixto
voveo esse futurum.
Mi Geni,
earundem rerum ergo,
quaeque tu ita faxis
uti ego me sentio dicere,
macte hoc vino lacte melleque mixto
et hoc ture dato
esto fito volens propitius
die natali meo,
mihi, domo, familiae!
Libation von honiggesüßtem Wein mit Milch. Verbrennen von Räucherwerk.
V. PRECATIO (an eine weitere Gottheit, die man hier einbinden möchte)
Name der Gottheit (im Vokativ) einsetzen,
quae in verba Iovi Optimo Maximo
vino lacte melleque mixto
vovi esse futurum
quod hoc die vovi
ast tu ea ita faxis:
tum tibi vino lacte melleque mixto
voveo esse futurum.
Bedeutung (Zusammenfassung):
VI. SACRIFICIUM (Opfer an eine Gottheit, die man in der Precatio angesprochen hat)
quaeque tu ita faxis
uti ego me sentio dicere,
macte hoc vino lacte melleque mixto
et hoc ture dato
esto fito volens propitius (für männliche Gottheiten)/propitia (für weibliche Gottheiten)
die natali meo,
mihi, domo, familiae!
VII. PIACULUM („Entschuldigungsopfer“)
Iane,
Iuppiter Optime Maxmime,
Mi Geni,
Omnes Di Immortales quocumque nomine:
si quidquam vobis in hac caerimonia displicuit,
hoc vino inferio veniam peto et vitium meum expio.
Libation von Wein.
Bedeutung:
„Janus, Jupiter Optimus Maximus, mein Genius, (Namen aller angerufenen Götter), an alle unsterblichen Götter: wenn irgendetwas in diesem Ritual Euer Mißfallen erregt hat, nehmt diesen Wein als Entschuldigung für den Irrtum eines Sterblichen.“
Vielen Dank fürs Teilen dieses Rituals. Das ist toll!
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