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Jupitergigantensäulen – eine gallo-römische Neuschöpfung

Die rekonstruierte Jupitergigantensäule von Schwarzenacker (Foto von Lokilech, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Die rekonstruierte Jupitergigantensäule von Schwarzenacker (Foto von Lokilech, lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons)

Die Jupitersäule – eine Säule, auf deren Sockel vier klassische römische Götter abgebildet sind, darüber Wochengötter, Jahreszeiten und zuletzt der oberste römische Gott selbst, der auf seinem Thron sitzend auf die Welt hinabblickt: wer vermutet dabei nicht, daß es sich um eine der ur-römischsten Darstellungsformen der römischen Götterwelt handelt?

Tatsächlich aber sind die Jupitersäulen, und insbesondere ihre gallische Unterart, die Jupiter-Gigantensäulen, ein Phänomen, das südlich der Alpen nahezu unbekannt ist und das ein spannendes Zeugnis der Verschmelzung keltischer und römischer Glaubensvorstellungen darstellt. Sie ist deswegen ganz typisch für den gallo-römischen Cultus, wie er hier, in unserer Region, praktiziert wurde, wo Hunderte dieser Säulen auf engem Raum gefunden wurden.

Der Cultus um die Jupitergigantensäulen gilt als eines der besten Beispiele für eine neue, von Italien und dem Kernland losgelöste Form und eigenständige Entwicklung der römischen Religion – Religio Romana – nördlich der Alpen, auf die vor allem keltische, zum Teil aber auch orientalische Einflüsse einwirkten.

Die „klassische“ Jupitersäule, gekrönt von einem auf dem Thron sitzenden Jupiter, wie man ihn auch von Darstellungen der kapitolinischen Trias aus Rom kennt, entstand in Obergermanien im Raum Mainz und verbreitete sich von dort aus entlang des Mittelrheins bis hinauf an den Niederrhein, im nördlichen Gallien und Britannien.

Die Jupiter-Gigantensäule, als eigene Unterart, findet sich vor allem im östlichen Gallien, in Gallia Beligica, im Raum von Eifel, Mosel und Ardennen.

Einleitung: Was ist eine Jupitersäule?

Jupitersäulen (hier genutzt als Oberbegriff inklusive aller Unterarten) sind, vereinfacht gesagt, mehrere Meter hohe Säulen, auf deren Spitze sich eine Darstellung des Gottes Jupiter befindet – daher der Name.

Der Sockel einer Jupitersäule wird immer von einem „Viergötterstein“ gebildet, einem Quader, auf dessen vier Seiten vier Götter als Reliefs abgebildet sind. Die weitaus häufigste Götterkombination ist hierbei Herkules, Merkur, Minerva und Juno. Daneben treten auch Varianten mit anderen Göttern auf, z.B. mit Victoria, Fortuna, Apollo, Mars oder Proserpina.

Oberhalb des Sockels folgt ein kleinerer Sockel, der als „Wochengötterstein“ bezeichnet wird. In vielen Fällen enthält er Reliefs der klassischen Wochentags- oder Planetengötter Sol, Luna, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn. Oft aber finden sich hier auch andere Götter in beliebigen Kombinationen, wie z.B. Vulcanus, Apollo oder die Dioscuren.

Über diesem Sockelstein folgt oft ein Zwischenblock, in den die Weiheinschrift „IOM“ gemeißelt ist – die Abkürzung für den Namen des höchsten Gottes, Iupiter Optimus Maximus.

Es folgt eine mehrere Meter hohe Säule, deren Höhe zwischen 4 Metern bis hin zu 9 Metern (bei der höchsten bisher gefundenen Jupitersäule aus Mogontiacum/Mainz) variiert.

Jupitersäule an der Saalburg mit Altar

Jupitersäule an der Saalburg mit Altar

Es gibt dabei zwei Ausprägungen der Zwischensäule: beim „klassischen“ Typ, wie in Mainz, besteht die Säule aus einzelnen Säulentrommeln oder -blöcken, in die ebenfalls Bilder und szenische Darstellungen von Göttern gemeißelt sind.

Bei der gallischen Variante, der Jupitergigantensäule, sieht die Säule wie ein Baumstamm aus, es findet sich mehrheitlich ein markantes Schuppenmuster, seltener Eichenlaub, Weinranken oder andere Blätterdarstellungen.

Das korinthische Kapitell der Säule, auf dem der Abschlußstein ruht, ist mit Akanthusblättern verziert. Manche Kapitelle zeigen vier weibliche Gesichter an den vier Seiten, die als die vier Jahreszeiten gedeutet werden.

Auf dem Kapitell thront der Abschlußstein. Auf diesem befindet sich, je nach Region, eine von vier Jupiterdarstellungen. In Obergermanien und am Niederrhein bis nach Britannien zeigt diese Darstellung meist einen auf dem Thron sitzenden Jupiter, der ein Blitzbündel in der Hand hält. Auf den im ostgallischen Raum verbreiteten Jupitergigantensäulen ist Jupiter reitend auf dem Pferd dargestellt, wie er einen Giganten – oft in Form einer Schlange – niederreitet. Zwei seltenere Darstellungen zeigen Jupiter nackt und stehend, mit einem Blitz in der Hand, oder in einem von zwei Pferden gezogenen Streitwagen, der Biga. Oft trägt er dabei auch eine Rüstung, einen sogenannten Feldherrenpanzer.

Auf diese Darstellungen kommen wir später noch im Detail zurück.

Jupitersäulen waren in der Antike – wie auch andere Säulen, Statuen, Reliefs, Figuren, Grabsteine und Gebäude-, bunt bemalt, wodurch die dargestellten Götter und Szenen plastisch wurden. Eine nach historischem Vorbild rekonstruierte und bunt bemalte Jupitersäule befindet sich im Archäologischen Park Schwarzenacker und zeigt, wie eindrucksvoll und anschaulich eine solche Säule gewirkt haben mag.

Verbreitung der Säulen

Der reitende Jupiter zertrampelt die Giganten (Metz)

Der reitende Jupiter zertrampelt die Giganten (Metz)

Wie eingangs bemerkt, sind Jupitersäulen ein ausschließlich aus den Nordwestprovinzen des Römischen Reichs bekanntes Phänomen. Die weitaus größte Zahl wurde im Gebiet zwischen Obergermanien und Ostgallien gefunden. Einzelne Funde gibt es aus dem Donauraum. Eine einzige Säule soll in Rom vor dem Jupiterheiligtum auf dem Kapitol gestanden haben, diese ist jedoch nur aus der Erwähnung einer schriftlichen Quelle bekannt und archäologisch nicht erhalten.

Die größte und spektakulärste Jupitersäule wurde in Mainz gefunden, der ehemaligen Hauptstadt der Provinz Germania superior (Mogontiacum). Man geht davon aus, daß sie als Vorlage und Inspiration für die daraufhin überall entstehenden Säulen diente, die dann meist von lokalen Bildhauern kopiert und nach regionalen Vorlieben weiterentwickelt wurden.

Jupitersäulen fanden sich an verschiedenen Orten des öffentlichen Lebens, an den zentralen Plätzen von Ortschaften und Städten (im römischen Köln und Trier oder im belgischen Atuatuca Tungrorum), in ländlichen Siedlungen (wie z.B. im vicus von Bad Kreuznach, im vicus Belginum), vor allem in den Handwerkervierteln, in der Nähe von Militärkastellen (wie an der Saalburg), aber die meisten befanden sich tatsächlich im privaten Besitz und wurden von Einzelpersonen gestiftet und aufgestellt.

Die häufigsten Funde stammen von römischen Landgütern und Gutshöfen (villa rustica), wo sie oft vor dem Haupt-Wohngebäude oder im Eingangsbereich des Geländes zu finden waren. Das beweist, daß sie keine staatliche Einrichtung waren, die mit Staats- oder Kaiserkult in Verbindung stand, sondern daß sie auch eine wichtige Rolle im privaten Cultus, der Sacra Privata der Stadt- und Landbewohner spielten.

Jupitersäule im Merkurtempel von Tawern

Jupitersäule im Merkurtempel von Tawern

Oft standen Jupitersäulen auch in Tempelanlagen für andere Götter, wie zum Beispiel im Merkur-Tempelkomplex von Tawern. Viele dieser Heiligtümer waren lokalen, einheimischen Gottheiten geweiht, wie das Apollo-Grannus-Heiligtum von Alzey.

Vor der Säule befand sich oft ein Altar, auf dem Kulthandlungen vollzogen wurden. Auch standen die Säulen gelegentlich in eigenen, umgrenzten Arealen, in denen sich weitere Götterbilder, Reliefs oder Statuen befanden, wie für Epona oder den Genius loci des Ortes..

Die berühmte Mainzer Säule stammt aus dem Jahr 59 n. Chr. und wurde anläßlich eines vereitelten Attentats auf Kaiser Nero errichtet. Daher ist ihre Datierung sehr exakt möglich.

Die frühesten Gigantenreiter stammen aus der flavischen Kaiserzeit (ab 69 n. Chr.), der Höhepunkt ihrer Beliebtheit und Verbreitung lag jedoch zwischen 170 und 240 n. Chr..

Es gibt zahlreiche archäologische Funde gut erhaltener Säulenteile. Im Verbund erhaltene Säulen sind leider selten, meist sind die Säulen zertrümmert oder in verschiedene Teile zerbrochen. Auch die Mainzer Säule wurde aus zahlreichen Einzelstücken in aufwendiger Kleinarbeit wieder zusammengesetzt. Aufrecht stehende Säulen sind in Deutschland nicht erhalten; die einzige oberirdisch erhaltene Jupitergigantensäule Galliens stammt aus Cussy-la-Colonne in Frankreich.

Viergöttersteine in Bad Kreuznach

Viergöttersteine in Bad Kreuznach

Am häufigsten finden sich ihre Sockel – die Viergöttersteine -, die aufgrund ihrer symmetrischen Form oft bis ins Mittelalter hinein als beliebtes Baumaterial genutzt wurden, vor allem beim Bau von Kirchen. Als sogenannte „Spolien“ (wiederverwertete Teile von Bauwerken älterer Kulturen) fanden sich gut erhaltene Viergöttersteine in Altären (wo sie oft zu Darstellungen von Heiligen umgedeutet wurden oder den Sieg des Christentums über die heidnischen Götter demonstrierten) und in den Wänden mittelalterlicher Kirchen und Kapellen. Ein Beispiel dafür ist der Viergötterstein in der Dorfkirche von Hottenbach im Hunsrück, der erst Teil des Altars war und nach der Reformation als Baumaterial oberhalb der Kirchentür verwendet wurde.

Aber auch geschuppte Säulen und Kapitelle sind in großer Zahl erhalten, ebenso wie die verschiedenen Jupiterdarstellungen auf dem Abschlußstein.

Die vielen gut erhaltenen Funde von Säulenteilen erlauben einen guten Überblick über die räumliche und zeitliche Verteilung der Jupitersäulen, sowie über die geographische Verbreitung der unterschiedlichen Darstellungsformen.

Die Jupitergigantensäule – germanisch oder keltisch?

Schon früh fielen interessierten Forschern die Jupitergigantensäulen mit ihren schuppigen, baumstammartigen Säulen und dem berittenen Jupiter auf der Spitze auf, die so gar nicht zu typisch römischen Darstellungen des höchsten aller Götter passten.

Die schuppige Säule ist typisch für den Untertyp der Jupitergigantensäule

Die schuppige Säule ist typisch für den Untertyp der Jupitergigantensäule

Während der auf dem Thron sitzende Jupiter aus dem Raum Mainz noch eindeutig von der Darstellung der kapitolinischen Trias aus Rom übernommen worden war, wußte man mit dem berittenen Jupiter, der den Giganten vom Pferd aus niederreitet, zuerst nichts anzufangen. Zwar ist die Niederschlagung der rebellierenden Giganten durch Jupiter – unterstützt von Herkules – ein klassisches Thema der griechisch-römischen Mythologie, aber in keiner einzigen Darstellung südlich der Alpen oder gar in Rom selbst wurde Jupiter jemals auf einem Pferd reitend dargestellt. Ein reitender Jupiter entspricht einfach so gar nicht der traditionellen römischen Ikonographie dieses Gottes.

Im 19. Jahrhundert, im Rahmen der Germanen-Romantisierung, deutete man die schuppigen Säulen als Irminsul, den heiligen Baum der Sachsen, und vermutete germanische Wurzeln in der Darstellung des reitenden Jupiter als Odin mit seinem Pferd Sleipnir oder als blitzeschleudernder Donnergott Thor. Abgesehen davon, daß diese beiden skandinavischen Götter nicht wirklich etwas mit dem Glauben der hier ansässigen Südgermanen zu tun hatten, sprachen auch archäologische Siedlungsbefunde in den Verbreitungsgebieten dieser Säulen gegen einen germanischen Einfluß oder gar eine germanisch-römische Synkretisierung aus Donar-Herkules, Donar-Jupiter oder Wodan-Jupiter samt Irminsul, die man gerne hineininterpretierte.

Stattdessen wurde die überwältigende Mehrzahl der Jupitergigantensäulen auf eindeutig keltisch besiedeltem Gebiet gefunden, die meisten davon in Gallien und im eindeutigen Kontext von typisch keltischen und gallo-römischen Siedlungsspuren.

Im 19. Jahrhundert, im Zuge der Germanen-Romantisierung, deutete man den Gigantenreiter gerne als Odin auf seinem Pferd Sleipnir

Im 19. Jahrhundert, im Zuge der Germanen-Romantisierung, deutete man den Gigantenreiter gerne als Odin auf seinem Pferd Sleipnir

Heutzutage ist der keltisch-römische Hintergrund der Jupitergigantensäulen in der Forschung unstrittig, auch wenn es aus dem neuheidnischen germanischen Lager immer wieder Stimmen gibt, die es gerne anders sehen würden. Aber eine massenhafte Verbreitung der sächsischen Irminsul in den Weiten Galliens, in gallo-römischen Gutshöfen und Ansiedlungen, in eindeutig keltischen Siedlungsgebieten an der Mosel, in der Eifel und in Luxemburg, macht selbst bei oberflächlicher Betrachtung keinen Sinn.

Die Darstellung des Blitze schleudernden Gottes auf dem galoppierenden Pferd interpretiert als Odin auf Sleipnir, Wotan, Thor oder Donar ist in germanischen Kreisen nach wie vor ein beliebtes Diskussionsthema, wobei man sich hier bezüglich der Entsprechungen – die meist aus der Germania von Tacitus abgeleitet werden – nicht ganz einig ist. Denn einerseits wird Wodan mit Merkur gleichgesetzt, während Donar die Entsprechung von Jupiter, aber auch von Herkules ist. Da die Jupitersäulen – auch aus der Inschrift IOM – eindeutig als dem höchsten römischen Gott geweihte Säulen zu erkennen sind, wären sie nach germanischem Verständnis Donar-Säulen und keine Wodan-Säulen. Diese Spekulationen überlassen wir an dieser Stelle aber denjenigen, denen es ein Anliegen ist, ein antikes, vereintes und religiös in sich geschlossenes Germanentum im gesamten Raum links des Rheins zu beweisen 😉

Wir halten uns an die provinzial-archäologischen Befunde und das, was für uns – als Praktizierende des Cultus Deorum Romanorum mit gallo-römischem Schwerpunkt – als im wissenschaftlichen Kontext historisch wahrscheinlich und damit sinnvoller erscheint.

Die „klassische“ Jupitersäule aus Obergermanien

Die fast 10 Meter hohe Jupitersäule von Mainz, deren Repliken heute sowohl vor dem Mainzer Landtag als auch bei der Saalburg im Taunus zu bestaunen sind, gilt als die „Mutter aller Jupitersäulen„. Sie löste einen regelrechten Trend aus und führte zu einem fast explosionsartigen Auftauchen weiterer, meist jedoch deutlich kleinerer Säulen, rund um Mainz im Raum Obergermanien.

Der sitzende Jupiter auf dem Thron (RGM Köln)

Der sitzende Jupiter auf dem Thron (RGM Köln)

Diese Form mit dem sitzenden Jupiter und den bildlich gestalteten Säulen verbreitete sich schnell nördlich entlang des Rheins bis nach Niedergermanien und schaffte auch den Sprung nach Britannien.

Die Darstellungsweise des auf dem Thron sitzenden Jupiters ist, wie bereits erwähnt, typisch römisch und stammt aus dem Kapitol in Rom. Sie ist an die klassisch griechische Darstellung des Zeus angelehnt und betont Jupiters Funktion als Göttervater, der an der Spitze der römischen Götter steht – als Iupiter Optimus Maximus meist dargestellt in der Trias mit seiner Frau Juno und seiner Tochter Minerva.

Diese sitzende Darstellung als Teil der kapitolinischen Trias entspricht auch der Darstellung des Jupiter, wie er im römischen Staats- und Kaiserkult, vor allem in den Städten und Fahnenheiligtümern der Legionen verehrt wurde. Daß diese enge Verbindung des Jupiter zum Kaiserkult auch in den nördlichen Provinzen eine wichtige Rolle spielte, beweist die ab dem 3. Jahrhundert häufig auftretende Weiheformel „IHDD“, „In Honorem Domus Divinae“ – „zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses“, die oft in Verbindung mit IOM zu finden ist.

Das Militär in den Provinzen, vor allem in den Limeskastellen wie in der Saalburg, verehrte Jupiter als IOM Stator, als „Jupiter, der die flüchtenden Heere zum Stehen bringt“ und demnach als Schlachtengott den Sieg bringt.

Das Blitzbündel in seiner Hand betont seine Funktion als Gewitter-, Donner- und Blitzgott, der in den Erscheinungsformen von Jupiter tonans („dem Donnernden“) und Jupiter fulgur („dem Blitzenden“) auftritt.

Diese Jupitersäulen zeigen, im Gegensatz zu den mit Schuppen oder Blättern dekorierten Jupitergigantensäulen, oft reiche bildliche Darstellungen weiterer Götter oder anderer vergöttlichter Elemente (wie der Genius des Kaisers Nero in Mainz) auf den Säulentrommeln.

Der stehende Jupiter als Himmelsgott

Der stehende Jupiter (Jupitersäule Saalburg)

Der stehende Jupiter (Jupitersäule Saalburg)

Eine zweite Darstellungsweise des Jupiter, die in den Nordwestprovinzen vorkommt, folgt ebenfalls der klassischen römischen Ikonographie.

Hier wird Jupiter als Göttervater und Himmelsgott stehend dargestellt, bärtig, nackt und nur mit einem Schulterüberwurf bekleidet. In seiner rechten ausgestreckten Hand sitzt ein Adler, in der linken Hand hält er eines seiner anderen typischen Attribute, entweder Zepter, Patera (Opferschale) oder das Blitzbündel.

Diese Darstellung ist weitaus seltener als die klassische sitzende, kapitolinische Form und der Jupitergigantenreiter.

Der Jupitergigantenreiter

Eindeutig nicht-römischer Herkunft ist die Darstellung des Jupitergigantenreiters, der sich auf zahlreichen Säulen im östlichen Gallien findet.

Jupiter sitzt hier auf einem galoppierenden Pferd, das einen Giganten in Form eines Riesen oder einer Schlange niedertrampelt, wobei der Gott oft ein Blitzbündel schleudert. Mit der anderen Hand hält er oft ein Rad, in dessen Speichen er greift.

Die Darstellung eines auf einem Pferd reitenden Jupiters ist aus dem südlichen Bereich des Römischen Reichs nicht bekannt, sondern entstammt keltischen Vorstellungen. Ebensowenig gehört das Rad zu Jupiter, es ist ebenfalls ein typisch keltisches Symbol.

Bevor wir uns dieser keltischen Variante des Jupiters zuwenden, betrachten wir die ebenfalls keltische Darstellung der Säulen mit ihrem Schuppen- oder Blätterbewuchs.

Jupitergigantenreiter aus Ladenburg (Foto von Klaus Graf)

Jupitergigantenreiter aus Ladenburg (Foto von Klaus Graf)

Es gibt mehrere römische und griechische literarische Quellen, die eine Verbindung zwischen Jupiter (oder seiner griechischen Entsprechung Zeus) und einem keltischen Baumkult herstellen.

Schon im 2. Jahrhundert v. Chr. berichtete der Grieche Maximos von Tyros, daß die „Kelten als Götterbild des Zeus eine hohe Eiche verehren“. Auch der römische Dichter Valerius Flaccus beschreibt um 70 n. Chr. in seiner „Argonautica“ einen einheimischen Stamm an der unteren Donau, der Baumstämme mit der Statue Jupiters darauf verehren würde („truncae Iovis simulacra coumnae„). In beiden Quellen wird eine baumartige Säule mit dem Gott Jupiter in Verbindung gebracht.

Daß für die Kelten Bäume in ihrer kultischen Praxis eine wichtige Rolle spielten, ist unumstritten. Der nemetom – die keltische Bezeichnung für einen Kultplatz, etymologisch verwandt mit dem griechischen νέμος / némos (Waldung) und dem lateinischen nemus (Hain) – wird oft als Wald- oder Baumheiligtum gedeutet, auch wenn die Kelten, entgegen populärer romantischer Vorstellungen ihre Religion nicht nur im „Heiligen Hain“ praktizierten, sondern durchaus auch fest errichtete Tempelgebäude nutzten und ihre Oppida – Großsiedlungen – städtische Formen hatten, so daß mit nemetom vielfältige Formen einer „geheiligten  Stätte“ gemeint sein können.

Auch bei Kelten sehr beliebt: Hercules (Detail der rekonstruierten Säule von Schwarzenacker)

Auch bei Kelten sehr beliebt: Hercules (Detail der rekonstruierten Säule von Schwarzenacker)

Auch wird oft eine Verbindung zwischen den Druiden mit einem Eichenkult postuliert; Plinius der Ältere vermutete, daß die Bezeichnung auf das altgriechische Wort für „Eiche“ zurückgeht. Auch die keltische Wurzel „dru“ für „Eiche“ steckt in dem Wort, so daß die Übersetzung des Wortes „Druide“ als „Eichenkundiger“ in der Wissenschaft heute gängig ist.

Ein gutes Beispiel für diese Übertragung keltischer Kultvorstellungen ist die 1964 gefundene Jupitergigantensäule aus Hausen an der Zaber, deren Säulentrommeln statt mit Schuppenbewuchs mit Eichenlaubblättern geschmückt sind.

Hierbei muß jedoch auch beachtet werden, daß die Eiche nicht nur ein typisch keltisches Symbol ist, sondern auch Jupiter selbst – beziehungsweise seinem griechischen Äquivalent Zeus – als heiliger Baum gilt, der in der Mythologie eine wichtige Rolle spielt, da Zeus im Orakel von Dodona aus dem Rauschen der Blätter einer Eiche weissagt. Insofern paßt die Verzierung einer Säule mit Eichenlaub zu beiden Kulturkreisen und kann in beide Richtungen gedeutet werden.

Die Baumstamm- und Schuppensymbolik der gallischen Jupitergigantensäulen ist deswegen zwar ein gut belegbares Indiz für einen Zusammenhang mit keltischem Baumkult, eindeutiger auf keltische Einflüsse hinweisend ist jedoch die Darstellung des Jupiters mit dem Rad.

Jupiter mit dem Rad

Opferszene an einer Jupitersäule mit Rad (Mosaikkalender aus St. Romain-en-Gal)

Opferszene an einer Jupitersäule mit Rad (Mosaikkalender aus St. Romain-en-Gal)

Die Verbindung Jupiters mit dem Rad ist auch von anderen bildlichen Darstellungen aus dem gallo-römischen Raum bekannt. In Alzey gibt es die Darstellung eines auf dem Thron sitzenden Jupiters, dessen Thron an der Seite ein Radsymbol zeigt.

Das Rad gilt generell als ein Himmelssymbol, wobei es nicht nur als Sonnenrad auftritt, sondern auch als Donnerrad, was sich aus dem rumpelnden Geräusch eines fahrenden Wagens leicht erklären läßt.

Ein Mosaik aus einem Landgut aus St.-Romain-en-Gal zeigt einen Mann und eine Frau, die vor einer Jupitersäule ein Opfer an Jupiter frugifer darbringen, um für gute Ernte zu bitten. Die dargestellte Jupitersäule zeigt auf der Spitze einen stehenden Jupiter, der in der rechten Hand ein Blitzbündel hält und mit der linken Hand auf ein Rad gestützt ist.

Die eindeutigste Verbindung stammt jedoch aus Köln, wo auf einem Jupiteraltar mit der Inschrift IOM ein achtspeichiges Rad abgebildet ist. Es gibt auch Bildnisse ohne Jupiterfigur, wo nur das Rad in Kombination mit dem Blitzbündel dargestellt ist. Der mit Blitz und Rad assoziierte Gott wird in allen erhaltenen Inschriften als Jupiter identifiziert und ist deswegen eindeutig.

Diese Attribut-Kombination findet sich im gesamten keltischen Siedlungsraum.

Jupiter Taranis mit dem Rad (Obernburg)

Jupiter Taranis mit dem Rad (Obernburg)

Ein Problem, oder genauer, ein Merkmal der Interpretatio Romana ist jedoch auch ihre Uneindeutigkeit. Wie wir in unserem Artikel darüber schon ausführlich beschrieben haben, gab es keine festgelegte Regel, mit welchem einheimischen Gott ein römischer Gott identifiziert wurde. Hier spielten neben offensichtlichen Parallelen in den Attributen und Zuständigkeiten auch lokale Gewohnheiten, persönliche Einschätzungen und zahlreiche andere Kriterien eine Rolle. Das führte oft dazu, daß die Paarungen der zugeordneten Götter nicht im ganzen Land einheitlich waren, sondern regionale Vorlieben und Einflüsse zeigten, die sich durchaus widersprechen konnten.

Bei der Zuordnung keltischer Götter kommt erschwerend hinzu, daß diese ihre Götter in zahlreichen lokalen Gestalten mit eigenen Namen verehrten. Das führte unter anderem dazu, daß es allein für den Gott Mars 69 überlieferte keltische Entsprechungen gibt. Die keltischen Götter hatten zudem oft eine Vielzahl von Funktionen und Zuständigkeiten, was eine  eindeutige 1:1-Zuordnung unmöglich machte, sondern auch dafür sorgte, daß ein und derselbe Gott aufgrund seiner vielfachen Funktionen mehreren römischen Göttern zugeordnet werden konnte – und dies, je nach Zuständigkeit, auch wurde.

Gleichzeitig half diese flexible Zuordnung natürlich auch bei der Romanisierung der einheimischen Bevölkerung, da die Interpretatio Romana flexibel genug war, die keltischen Götter aufzunehmen und mit römischen Gottheiten zu verbinden. Ein Name mehr oder weniger war für den Kelten unproblematisch, da jeder Gott ohnehin unter verschiedensten Namen bekannt war.

Nicht zuletzt ist der Mangel an schriftlichen Überlieferungen der vorrömischen, keltischen Religion und Gedankenwelt immer ein Problem, da wir uns nur auf römische Quellen verlassen können (die, wie wir z.B. von Caesar wissen, alles andere als kulturhistorisch akkurate, wissenschaftliche Darstellungen sind).

So ist es uns zwar durchaus möglich, dem Gigantenreiter und dem Gott mit dem Rad einen Namen zu geben: Taranis, keltischer Radgott, Himmelsgott und Gewittergott. Die Symbolik, Attribute und die Zuständigkeiten aus der keltischen Götterwelt sind hier relativ eindeutig.

Letztendlich steht eine wissenschaftliche Bestätigung in Form einer eindeutigen Inschrift allerdings noch aus, weil hier zwei Überlieferungslücken aufeinandertreffen: auf keinem Gigantenreiter und bei keiner Darstellung des Gottes mit dem Rad wird inschriftlich der Name „Taranis“ genannt und auf keiner gallo-römischen Weihung für Taranis findet sich das Radsymbol. Dennoch sind die Indizien überwältigend, so daß der Gigantenreiter und der Gott mit dem Rad in der überwiegenden Mehrheit der Literatur als Jupiter-Taranis angesprochen wird.

Keltische Darstellung eines bärtigen Gottes mit Rad (Kessel von Gundestrup, ca. 300-ca. 200 v. Chr.)

Keltische Darstellung eines bärtigen Gottes mit Rad (ca. 200 v. Chr.)

Der Beleg dafür, daß es sich bei dem synkretisierten Gott mit dem Rad um einen Gewittergott gehandelt haben muß, ist in der bildlichen Überlieferung gegeben:

Das Rad als gallo-römisches Symbol für Gewitter findet sich zum Beispiel auf einem Altar aus dem französischen Montmirat. Hier findet sich neben dem Rad die Inschrift „fulgur conditum„, was auf ein Blitzgrab hindeutet. Blitzgräber waren nach römischer Vorstellung Orte, an denen der Blitz eingeschlagen hatte. Handelte es sich um einen öffentlichen Ort, wurden diese Blitze von einem Priester rituell bestattet und dem Blitzgott Jupiter fulgur geweiht. In diesem Kontext, unterstützt durch das oft kombinierte Symbol des Blitzbündels, deutet das Rad auf einen keltischen Gewittergott hin.

Taranis, der keltische Gott des Donners, der dem Typus des sogenannten „Radgottes“ entspricht, ist inschriftlich aus Gallien und Britannien bekannt. Auch gibt es literarische Quellen: Der römische Dichter Marcus Annaeus Lucanus (39-65 n. Chr.) erwähnt Taranis als den „Herrscher der Himmlischen“ und als Kriegsgott in seiner „Pharsalia“, um den in römischen Augen besonders wilden und grausamen Kult der Gallier zu beschreiben. Die keltische Praxis der Schädelopfer besiegter Feinde zu Ehren von Taranis werden von mehreren römischen Autoren berichtet, wobei die Menschenopfer in den Quellen gelegentlich auch durch Tieropfer ersetzt wurden. Zu römischer Zeit wandelte sich das Opfer in ein symbolisches Opfer, wie dem „Jupiterkuchen“ oder wurde durch Tieropfer, z.B. Stiere, ersetzt.

Taranis zählt neben Teutates und Esus zu den drei höchsten keltischen Göttern. Aufgrund seiner Zuständigkeit als Himmels-, Donner-, Wetter- und Gewittergott wurde er von den Römern mit Jupiter identifiziert; es gibt jedoch aufgrund der Verbindung mit Tod, Menschenopfern und Unterwelt auch eine Assoziierung zwischen Taranis und Dis Pater. Beides ist, wie oben erwähnt, nicht widersprüchlich, sondern durchaus verbreitet und unproblematisch in der Interpretatio Romana.

Jupiter-Taranis mit Rad und Blitzbündel

Jupiter-Taranis mit Rad und Blitzbündel

Seine (deutlich von römischen Vorstellungen aus dem Mittelmeerraum beeinflusste) Darstellung zeigt ihn als bärtigen, muskulösen Mann mit Blitzbündel, der entweder nackt ist oder mit einem Umhang bekleidet – ganz ähnlich wie die Darstellung des stehenden Jupiters auf dem zuvor beschriebenen Säulentypus. Die Anlehnung an Jupiter ist hier in der figürlichen Darstellung eindeutig. Vor-römische, keltische Darstellungen des Taranis sind abstrakter und oft nur an dem Rad-Symbol zu erkennen.

Daß Taranis (in anderen Schreibweisen auch Tanarus, Tarano, Taranucnus, Taranucus) auch im romanisierten Gallien verehrt wurde, zeigen römische Weiheinschriften wie auf einem Altar in Bockingen, die lautet: „Deo Taranucno Veriatus Primus ex issu“ und zeigt, daß der Altar dem Gott Taranis von einem Mann namens Veriatus Primus gestiftet wurde.

Ein Altar aus Chester in England, der von einem Legionär gestiftet wurde, stellt in seiner Inschrift, die in griechischen Buchstaben verfasst ist, die Verbindung zwischen Jupiter und Tanaris eindeutig her: „Für Jupiter, den größten und besten Tanarus, von Lucius Bruttius Praesens vom Galerianischen Tribus, aus Clunia, Princeps der Legion XX Valeria Victrix, erfüllt gerne und verdientermaßen sein Gelübde, zur Zeit der Konsulschaft von Commodus und Lateranus“ (154 n. Chr.)

Die Formel „IOM TANARO“ belegt hierbei eindeutig den Synkretismus aus Jupiter und dem keltischen Radgott, so daß der Reiter mit dem Rad auf der Jupitergigantensäule aufgrund der eindeutigen Befundlage, sowohl in schriftlichen als auch bildlichen Quellen, als „Jupiter Taranis“ angesprochen werden kann.

Der orientalische Jupiter

Teile der Jupitersäule von Mainz, „Mutter aller Jupitersäulen“

Doch nicht nur keltische Einflüsse flossen in die Jupitersäule ein – daneben finden sich auch orientalische Einflüsse, die von Legionären aus dem Nahen Osten mitgebracht und in der einheimischen Bevölkerung der Nordwestprovinzen verbreitet wurden. Orientalische Religionen waren zur Kaiserzeit auch bei uns sehr beliebt und beeinflußten mit ihren Vorstellungen durchaus auch den hier praktizierten gallo-römischen Kult.

Einige Gestaltungselemente des Jupitergigantenreiters sind nämlich weder keltischer, noch römischer Herkunft. In den antiken orientalischen Traditionen wurde Jupiter (bzw. Zeus, da der Nahe Osten eher gräkisiert als romanisiert war) oft als mit einer Feldherrenrüstung bekleideter Reiter dargestellt – eine Vorstellung, die, wie bereits zuvor ausgeführt, im römischen Kernland südlich der Alpen unbekannt ist.

Neben lokal begrenzten Erscheinungsformen, wie dem Himmelsgott Zeus Panamaros, verbreitete sich insbesondere der Kult des Jupiter Dolichenus aus dem Orient ab dem 2. Jahrhundert rasant im ganzen Römischen Reich und war auch bei uns, in den nordwestlichen Provinzen, sehr beliebt. Ein berühmter Tempel wurde in Taunusstein beim Kohortenkastell Zugmantel am Limes entdeckt, wo man auch einen Altar fand, der auf Stierbeinen steht. Ein weiterer Altar für Jupiter Dolichenus aus Obernburg zeigt an der Seite einen Blitz, einen Baum und ein Schild – die beiden letzteren sind keine typischen Attribute des klassischen Jupiters.

Das besondere Merkmal des Jupiter Dolichenus ist seine Feldherrenrüstung

Das besondere Merkmal des Jupiter Dolichenus ist seine Feldherrenrüstung

Der Kult des Soldatengottes Jupiter Dolichenus – ein Mysterienkult – stammt ursprünglich aus der in der heutigen Türkei liegenden mesopotamischen Stadt Doliche, seinerzeit in der römischen Provinz Syria, die auch für ihren großen Ba’al-Tempel berühmt war. Die Ursprünge des Jupiter Dolichenus liegen wahrscheinlich im mesopotamischem Wettergott Hadad und sein Kult gilt als eine römische Neuinterpretation des Hadad-Baal-Teshub-Kultes. Jupiter Dolichenus war insbesondere unter Legionären sehr beliebt und sein Kult wurde mit den Soldaten in alle Teile des Reiches gebracht, wo ihn auch andere Teile der Bevölkerung übernahmen.

Jupiter Dolichenus, der in seiner vollen Bezeichnung als Iupiter Optimus Maximus Dolichenus verehrt wurde, wird als bärtiger, auf einem Stier stehender Mann mit einem Blitzbündel in der Hand dargestellt. Gelegentlich findet man auch Darstellungen mit einem Adler in seiner Hand. Sein besonderes ikonographisches Kennzeichen ist jedoch, daß er immer in eine Militärrüstung gekleidet ist (die im hellenistischen Einflussbereich nicht zwingend nur für „Militär“ steht, sondern auch als typisches Attribut für Göttlichkeit gilt). Er trägt oft eine Axt und, wodurch nach römischem Verständnis besonders seine orientalische Herkunft betont wird, die phrygische Mütze als Kopfbedeckung, wie man sie auch von Mithras und Attis kennt.

Der (seltenere) Typ des Jupitengigantenreiters in Feldherrenrüstung weist deswegen auf orientalische Einflüsse hin, die wahrscheinlich dem militärischen Kontext entstammten. Einige Weiheinschriften dieses Typs von Jupitergigantensäulen nennen denn auch Soldaten als Stifter, jedoch wurde diese Form durchaus auch von nicht-militärischen Personen gestiftet.

Die römischen Planetengötter sind oft auf dem 2. Sockelstein dargestellt

Die römischen Planetengötter sind oft auf dem 2. Sockelstein dargestellt

Ebenfalls orientalischen Ursprungs ist die Darstellung der Wochen- oder Planetengötter auf dem zweiten Sockelstein. Während bei früheren Säulen noch vielfältige Götter auf diesem Stein zu finden sind, vor allem die Dioskuren, werden diese in späterer Zeit mehr und mehr durch die Wochengötter ersetzt. Die Vorstellung, daß sieben Planetengötter jeweils einem Tag der Woche zugeordnet werden, ist keine originär römische Erfindung. Vielmehr stammt diese Vorstellung aus Ägypten und verbreitete sich von dort aus nordwärts im Römischen Reich. Man geht davon aus, daß es bis ins 2. Jahrhundert dauerte, bevor diese Idee es auch in unsere Breiten in die Nordwestprovinzen geschafft hatte.

Besonders deutlich wird diese Gedankenwelt aus der Verbindung zwischen Planeten und Wochentagen im Mithraskult, bei dem Planeten und kosmische Vorstellungen eine zentrale Rolle spielen. Unterstützt wird diese Verbindung aus orientalischem Mysterienkult mit dem Kult der Jupitergigantensäulen durch die Tatsache, daß dieser Säulentyp häufig in Verbindung mit Mithräen, also Mithras-Heiligtümern gefunden wurde und auf eine wie auch immer geartete Beziehung zwischen diesen Kulten hinweist.

Da über den Mithraskult – als Einweihungsreligion, die schriftliche Aufzeichnungen untersagte – nur lückenhaftes Wissen besteht, kann in dem Fall über den Zusammenhang nur spekuliert werden. Nahe liegt die kosmische Symbolik des Kampfes zwischen Himmel und Erde – Jupiter, als Vertreter und Herrscher des Himmels, reitet die Giganten nieder, die – als Söhne der Gaia – die Erde oder Unterwelt versinnbildlichen. Das ist jedoch nur eine Theorie und kann nicht belegt werden.

Es ist ebenso gut möglich, daß sich in die Vermischung dieser astrologischen und kosmischen Komponenten aus orientalischem Einflussbereich wiederum keltische Vorstellungen mischten – denn das Rad als Symbol des Himmels oder der Sonne fügt sich ebenfalls natürlich in diese reiche Symbolik ein, so daß diese drei Elemente nahtlos ineinanderflossen.

Die Jupitergigantensäule – eine ikonographische Neuschöpfung unserer Provinzen

Wie in der Einleitung festgestellt, sind die zwischen Rhein und Mosel, Eifel und Britannien verbreiteten Jupitersäulen nur auf den ersten Blick eine klassisch-römische Huldigung an den höchsten aller Götter.

Detail des rekonstruierten Viergöttersteins in Schwarzenacker

Detail des rekonstruierten Viergöttersteins in Schwarzenacker

Tatsächlich kommt in Gallien bei genauerer Betrachtung jedoch etwas zum Vorschein, was in der gesamten südlichen römischen Welt, in Italien und den Ländern südlich der Alpen, keinerlei Parallelen kennt: eine einzigartige Vermischung römischer, keltischer und orientalischer Glaubensvorstellungen in einer Weise, die zu einer vollkommen eigenständigen Entwicklung führte.

Die Jupitergigantensäule, als Produkt dieser Kulturen, ist einzigartig als Ausdrucksform des gallo-römischen Kultes und hebt sich von der römischen Kultur ebenso ab wie von den keltischen und orientalischen Vorgängerkulturen, aus denen ihre Symbolik stammt.

Sie sind ein anschaulicher Beweis dafür, daß hier – mitten in Deutschland, in Frankreich, in Luxembourg, in Britannien – eine geradezu organisch anmutende Verbindung aus einheimischen Vorstellungen mit römischen und orientalischen Vorstellungen stattgefunden haben muß, daß hier also Menschen zusammenkamen, die ihre Einflüsse und Glaubensvorstellungen mitbrachten und dazu beitrugen, daß eine völlig neue Monumentalkunst und ein damit verbundener Kult geschaffen wurde – indem sich gleichwohl alle diese kulturellen Aspekte spiegelten.

Leider wissen wir nicht, welche spezifischen Kulthandlungen mit den Jupitersäulen verbunden waren – die Tatsache, daß vor vielen aber ein Altar stand, weist darauf hin, daß sie nicht nur als symbolische „Huldigung“ oder als reines Zeichen zu Ehren der Götter errichtet wurden, sondern daß tatsächlich auch praktische Handlungen an ihnen vollzogen wurden.

Jupitersäule aus Bonn (LVR Museum Bonn)

Jupitersäule aus Bonn (LVR Museum Bonn)

In unserer Region belegen Hunderte von Funden, wie wichtig diese Säulen den Menschen waren. Sie sind in ihrer ganzen Vielfalt noch heute in zahlreichen Museen zu bewundern, zum Beispiel im Römisch-Germanischen Museum in Köln, im Rheinischen Landesmuseum Trier, im Rheinischen Landesmuseum Bonn, im Gallo-Romeins Museum Tongeren oder im Mainzer Landesmuseum.

Daneben finden sich rekonstruierte Säulen an vielen Orten überall im Land – an der Saalburg, im Archäologiepark Schwarzenacker, im Archäologiepark Belginum, im Merkurtempel von Tawern, vor dem Mainzer Landtag, in Ladenburg oder in Hausen. Auch Viergöttersteine gibt es in vielen großen und kleinen Museen, in Kirchen und inmitten von Ortschaften zu besichtigen, zum Beispiel in der Römerhalle Bad Kreuznach oder in der Dorfkirche in Hottenbach im Hunsrück.

Die Jupitersäule ist deswegen eines der wichtigsten – man mag sogar so kühn sein zu behaupten, das wichtigste – Symbole für den gallo-römischen Kult in unseren nordwestlichen Provinzen und spielte für unsere hier lebenden Ahnen, gleich welcher Herkunft sie waren und welchen religiösen Hintergrund sie hatten, eine zentrale Rolle.

Es lohnt sich, einmal mit offenen Augen durch die Museen, Innenstädte und antiken Stätten in unserem Land zu gehen und explizit Ausschau nach Jupitersäulen zu halten – man staunt, wie präsent und lebendig sie noch heute sind!


2 Kommentare

  1. Olafr sagt:

    Ein sehr guter Artikel, dennoch möchte ich einwenden dass eine germanische Herleitung des Säulen Kultes nicht völlig falsch ist. Die gallo-romanischen Jupitersäulen die Oben angesprochen werden kann man nicht als rein keltischer Brauch im römischen Gewand sehen,denn, in den besagten Regionen wo diese am häufigsten auftauchten, nämlich Ardennen-Ösling-Eifel-Hunsrück Gebiet als Ganzes sowie das Mosel-Saargebiet, war der Siedlungsraum eines keltisch-germanischen Mischvolkes. Treverer, Remer, Mediomatriker, Leuker, Eburonen, Atuatuker, Ubier, Tungerer Condrusen u.s.w waren zusammenschlüsse keltischer und germanischer Siedler und Sippen aus denen diese gallisch-germanische Mischstämme, dieses Ardenner-Hunsrück-Eifel Volk herstammt. Nicht nur sagten die Treverer, Remer, Leuker, Eburonen usw von sich selber sie seien germanischer Abkunft sondern es wird zudem von den römischen Geschichtsschreibern bestätigt. Wenn wir dies berücksichtigen und uns auf das Pantheon der Eisenzeit beschränken so sind uns sehr wohl einige Götter von den Südgermanen überliefert die identisch mit Jupiter sind. Nämlich Teiwaz der auch Ziu Fodor genannt wird und etymologisch mit Jupiter über die gemeinsame Indoeuropäische Wurzel deivos verwand sind. Germanisch Teiwaz, Baltisch Dievas, sanskrit Dyaus (Rig Veda). Dyaus Pitar, der Himmelsvater der bei den Römern Dispater oder Jupiter (Ju-Piter = Ziu Fodor) hiess. Dem Teiwaz der die höchste Gottheit bei den antiken Germanen war (Irmingot; Ausdruck im Hildebrandslied bezeugt) waren Säulen und Hohe Bäume geweiht. Säulen und Baumkulte sind auch in der RgVeda genannt. Man kann also unter berücksichtigung all dieser Tradiitonsstränge nicht davon ausgehen dass der Säulenkult für den Himmelsvater nur römisch, griechisch, keltisch usw gewesen sein soll, sondern muss davon ausgehen dass besagter Kult aus einer weitaus älteren ‚Pan–Indoeuropäischen‘ Kultur herstammt, aus denen all diese Völkerschaften sowieso abstammten. Im besagten Gebiet nämlich gab es nicht nur Kelten und Römer sondern auch eben Germanen. Kulte wie der Matronen, Kybele und Jupitersäulen Kult war demnach bei Kelten, Römern und Germanen gleichermassen in Gebrauch. Daher sind die Überlegungen einiger germanischer Neuheiden und Altheiden nicht fern der Realität und romantisches Wunschdenken sondern berechtigt wenn auch dazu gesagt werden muss dass eine willkürliche Deutung der Götter nicht dienlich ist. Aber wenn man es in den richtigen historischen Kontext setzt wie hier kurz angerissen so sind deise Annahmen denoch nicht grundlegend Falsch. Es grüsst ein Germanischer Neuheide

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  2. B. sagt:

    Hallo,

    ich (diffus neuheidnisch) wollte mich für diesen schönen und informativen und herrlich „geschwurbelfreien“ Blog bedanken. Habe gerade einige Tage im Hunsrück verbracht und dort einige Sironatempel (und vieles mehr) besucht. Wäre ich ohne den Blog hier wohl nie drauf gekommen – Danke!

    Liebe Grüße
    B.

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