Heute möchten wir Euch auf einen Ausflug in den Hunsrück mitnehmen: Von der Ausoniusstraße zum Sirona- und Apollo-Grannus-Quellheiligtum von Hochscheid!
Einleitung: Antike Stätten?
Unser heutiger Reiseartikel fällt etwas aus dem Rahmen, denn es geht zwar um eines der wichtigsten und größten gallo-römischen Quellheiligtümer, aber einige Stationen auf unserer Reise fallen nur im weiteren Sinne unter die Kategorie „Antike Stätten„.
Daher stellte sich uns die Frage: wie gehen wir mit Orten um, die sich zwar auf eine antike Stätte beziehen (wie ein Pavillon im römischen Stil, in dem originalgetreue Repliken der Standbilder von Sirona und Apollo-Grannus aus dem Quellheiligtum bei Hochscheid stehen), die aber erst in der jüngeren Vergangenheit errichtet wurden?
Für den Cultor, das heißt, den heutigen Praktizierenden der Religio Romana, kann auch ein solcher Ort vom Numen der hier dargestellten Gottheiten erfüllt sein und als Tempel, Wegeschrein und Ort der Verehrung genutzt werden. Deswegen haben auch solche Orte für uns eine Berechtigung und gehören unserer Ansicht nach auch in die Auflistung „römischer Stätten“ auf unserer Website.
Gleichzeitig wollen wir bei unseren Ausflugszielen keine neue Kategorie einführen, auch, da die Grenzen nicht immer scharf zu ziehen sind, denn immerhin stehen die von uns bereisten Sirona- und Apollo-Grannus-Schreine in der unmittelbaren Umgebung des einstigen Quellheiligtums und erfahren heute durch Einheimische Pflege und Wertschätzung, dienen gleichzeitig dazu, die Erinnerung an eine so wichtige Pilgerstätte des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. wachzuhalten und archäologisch interessierten Besuchern Informationen zu vermitteln.
Insofern macht es eigentlich keinen Unterschied, ob sich (wie z.B. im Matronentempel in Nettersheim) originalgetreu replizierte Weihesteine an der originalen Stelle direkt neben den Fundamenten des alten Umgangstempels befinden, oder ob originalgetreu replizierte Statuen aus der Cella eines leider nicht mehr erhaltenen Heiligtums so nah wie möglich an die Originalstelle gebracht wurden, um dort die Bedeutung dieses Ortes zu würdigen. Die ganze, über 1000-jährige römische Geschichte hindurch wurden ständig neue Tempel und Orte für Götter errichtet, und auch heute laden wir wie damals die verschiedenen Gottheiten und anderen Wesen, wie Laren, Genius oder Juno, ein, in unserem heimischen Lararium Platz zu nehmen.
Wenn heute also neue Heiligtümer errichtet werden, selbst wenn sie eher der touristisch-archäologischen Wissensvermittlung dienen, als religiösen Zwecken, gibt es keinen Grund dafür, diese als „modern“ abzulehnen, das wäre eine absolut unrömische Haltung – wenn die Götter Gefallen daran finden und regelmäßig dort Wertschätzung erfahren (selbst durch christliche Einheimische, die Blumen vor ihre Statuen stellen), dann akzeptieren sie diesen Ort wie jeden anderen Tempel, Wegeschrein oder Hausschrein, der für sie errichtet wird. Und Sirona wird im Hunsrück tatsächlich noch heute sehr geehrt und ihre Pavillons werden nicht nur von römischen Heiden, sondern auch von Heiden anderer Richtungen besucht (z.B. von Celtoi, keltischen Rekonstruktionisten (CR) aber auch von Vertretern eines allgemeinen Neopaganismus verschiedenster Richtungen, wie z.B modernen Hexen, Vertretern der sog. Göttinnen-Spiritualität etc.).
Deswegen soll dieser Reisebericht ein Kompromiss sein: Er ist zwar in der Kategorie „Antike Stätten“ gelistet, folgt in seinem Aufbau aber nicht dem üblichen Schema. Stattdessen möchten wir Euch heute eine kleine Reiseroute vorschlagen, auf der Ihr selbst auf den Spuren der gallo-römischen Heilgötter Sirona und Apollo-Grannus wandeln könnt und auch Gelegenheit habt, Euch mit Anliegen an diese beiden Gottheiten zu wenden und ihnen Opfergaben darzubringen – etwas, was die Menschen, die vor uns in dieser Region unterwegs waren resp. hier lebten, seit alters her getan haben.
Als Bonus streift unsere Route auch einige „echte“ antike Stätten in situ und zwei Archäologische Parks. Dabei schlagen wir einen weiten Bogen von der vor-römischen, keltischen Vergangenheit des vom Stamme der Treveri bewohnten Teil Ostgalliens bis in die römische Spätantike.
Übersicht über unsere Reiseroute auf google Maps
Die Reise ist mit dem Auto an einem Tag gut und ohne Hektik zu bewältigen. Wer die Stätten zu Fuß erwandern will, zum Beispiel über den hier verlaufenden „Sirona-Weg“, sollte zwei Tage einplanen.
Hintergrundinformation: Das Quellheiligtum von Hochscheid
Bevor wir mit unserer Reisebeschreibung beginnen, ein paar Worte, um die Bedeutung des gallo-römischen Quellheiligtums von Hochscheid darzustellen.
Hochscheid liegt im Hunsrück am Fuße des 745 Meter hohen Idarkopfes im Landkreis Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz. Ganz in der Nähe verläuft die Hunsrückhöhenstraße, eine Bundesstraße, die hier noch heute der alten römischen Fernstraße zwischen Trier (Augusta Treverorum) und Bingen (Bingium) folgt. Die zweispurig ausgebaute „Ausoniusstraße“ aus römischer Zeit war eine wichtige Schnellreiseroute, die die zweitgrößte Stadt des Reichs – Trier – mit dem Rhein verband und dadurch in der Verlängerung über Bingen bis nach Mainz reichte, das als Mogontiacum eine wichtige Provinzhauptstadt am Rhein war.
Ein wichtiger Handelsknotenpunkt auf dieser Schnellstraße durch den Hunsrück war die Siedlung vicus Belginum, die ein Zentrum des Fernhandels auf dieser West-Ost-Achse war, durch den Waren aus dem Mittelmeerraum und dem westlichen Gallien bis hoch in den Norden transportiert wurden, wie Olivenöl aus Spanien und Afrika. Gleichzeitig gelangten über Händler regionale Produkte und hier anstehende Rohstoffe wie der hochwertige Hunsrück-Schiefer und Metalle in den Süden und Westen des Reichs.
Der vicus Belginum zeichnete sich durch reges Markttreiben, Handel, Pferdewechselstationen, Herbergen und Tavernen aus – sprich, er bot alles, was ein Fernreisender benötigte. Daneben gab es hier einen großen Tempelkomplex mit Kulttheater und mehreren Umgangstempeln, in denen unter anderem die gallo-römische Göttin Epona verehrt wurde, die Schutz auf Reisen gewährte, aber auch eine Patronin aller war, die mit Pferden zu tun hatten. Sie war eine der wichtigsten Gottheiten der hier lebenden Treverer.
Daneben gab es in Belginum alle Arten von Handwerkern, die an einer solchen Fernstraße ein Geschäft machen konnten: Sattler, Wagen- und Radmacher, Schmiede.
In etwa 5 km Entfernung dieses vicus befand sich das Quellheiligtum beim heutigen Ort Hochscheid. Es war ein überregional bedeutsames Pilgerheiligtum, zu dem man oft von weither pilgerte, um Heilung von Krankheiten zu erbitten.

Überblick über die Gebäude des Quellheiligtums von Hochscheid (aus: Cüppers, die Römer in Rheinland-Pfalz)
In ihm wurde das keltische Götterpaar Sirona und Grannus – zwei Heilgötter – in ihrer gallo-römischen Form als Sirona und Apollo-Grannus verehrt, wie durch Weiheinschriften, aber auch gut erhaltene Statuen und Figuren einwandfrei belegt ist. Diesen Ort kann man sich wie ein Kur- oder Heilbad vorstellen: es gab Umgangstempel, Heilquellen, Pilgerherbergen, Priesterwohnungen und Wandelgänge. Beheizbare Becken erlaubten es, Heilbäder zu nehmen, aber auch Trinkkuren wurden durchgeführt. War eine Heilung erfolgreich oder wurde ein Anliegen erhört, pilgerte man erneut dorthin, um sein gegebenes Versprechen einzulösen, das zum Beispiel in der Stiftung einer Weihetafel bestand, oder darin, eine unbenutzte Münze zu opfern oder in der Opferung kleiner Terrakottefiguren, Schmuck oder anderer Weihegaben. Die Größe und Art der „Bezahlung“ für die geleistete Hilfe richtete sich nach den finanziellen Mitteln der Hilfesuchenden und dem kulturellen Kontext.
Denn der Tempelkomplex wurde sowohl von einheimischen Kelten aus dem ganzen Hunsrück, Eifel- und Moselraum aufgesucht, die den Ort wahrscheinlich schon in vorrömischer Zeit als Quellheiligtum nutzten (daher auch die dort verehrten lokalen, keltischen Gottheiten und keine römischen Äquivalente wie Aesculapius oder Hygieia), als auch von zugezogenen oder durchreisenden Römern oder Besuchern aus anderen Teilen des Reichs.
Beide Heilgötter spielten in der gallo-römischen Mischform der hier praktizierten Religion eine große Rolle; überall in der Region, in Hunsrück, Eifel- und Moselraum, finden sich Quellheiligtümer und Widmungen für Sirona alleine oder in Kombination mit Apollo-Grannus.
Der Tempel im Quellheiligtum war ein Umgangstempel, wie er typisch für den gallo-römischen Kulturraum ist (südlich der Alpen ist diese Form nicht üblich, es gibt ihn nur nördlich der Alpen bis hoch nach Britannien). Er trägt den speziellen keltischen Kultbedürfnissen Rechnung, indem die Gottheit in einer zentralen Cella verortet wird (dargestellt durch ein oft überlebensgroßes Standbild), die von Gläubigen nicht betreten wird. Um die Cella herum gibt es einen überdachten Säulengang (als offener Portikus) oder einen geschlossenen Umgang. In diesem wird von den Gläubigen die Cella umrundet oder umschritten, woher auch die Bezeichnung „Umgangstempel“ stammt.
Dieser Umgangstempel war nach römischem Geschmack weiß verputzt und wahrscheinlich mit dem örtlichen Schiefer gedeckt, wie die meisten Gebäude in dieser Region.
Das Quellheiligtum wurde im Jahr 1939 bei der Erschließung von Quellen für die örtliche Wasserversorgung entdeckt. Es lag in 645 Metern Höhe. Das Zentrum bildete der quadratische Umgangstempel, in dessen Cella sich eine gemauerte Vertiefung aus Sandstein- und Quarzitblöcken fand, aus der eine Quelle des hier fließenden Koppelbachs trat. Im Gegensatz zu sonstigen Umgangstempeln, war das Betreten der Cella hier nicht nur erlaubt, sondern sogar zum Schöpfen des Wassers erforderlich. Im Brunnen wurden zahlreiche Becherscherben und Scherben anderer Trinkgefäße gefunden.
Ab 1962 wurde die Stätte durch das Landesmuseum Trier archäologisch genauer untersucht. Hierbei kamen die wahren Dimensionen des Tempelkomplexes zum Vorschein: eine Pilgerstätte mit angeschlossenem Kur- und Heilbad. Durch die unmittelbare Nähe zum vicus Belginum geht man davon aus, daß dieses Heilbad als Kultstätte zum Ort gehörte.
Das große Badehaus verfügte über Kaltbad, Laubad, Heißbad, Fußwaschbecken, Ankleideräume, einen großen offenen Raum nach Südwesten, Heizräume und mehrere Räume für das Personal.
Für den Cultor interessant sind vor allem die Gottheiten, die in diesem Heilbad angerufen und verehrt wurden. Hauptgötter waren, wie bereits beschrieben, Sirona und Apollo-Grannus. Von beiden wurden sehr gut erhaltene, lebensgroße Statuen aus gelbem Sandstein im Tempel gefunden, deren Attribute eindeutig zuzuordnen sind (die Originale befinden sich heute im Landesmuseum Trier): Sirona trägt ihr Sterndiadem, ein langes Gewand, um ihren Arm schlägelt sich eine Schlange, deren Kopf in einer Schale in ihrer Hand endet, in der sich drei Eier befinden – eine typische Darstellung. Apollo-Grannus ist auf klassisch-römische Art als nackter Jüngling dargestellt, der sich auf eine Kithara stützt, das ihm zugeordnete Musikinstrument, und neben ihm liegt ein Greif. Ihre Namen sind zudem durch Weihealtäre und Inschriften belegt, die Pilger im Tempel hinterlassen haben.
Ein Altar, der vom freigelassenen Sklaven Tiberius Claudius Reburrus gestiftet wurde, ist Apollo geweiht. Ein zweiter Altar enthält eine Weiheinschrift für Apollo-Grannus und „Sancta Sirona“.
Neben diesen beiden Hauptgottheiten wurden etwa 30 kleine Terrakotten als Opfergaben gefunden. Hierbei waren folgende zweifelsfrei bestimmbar (die anderen waren so bruchstückhaft, daß eine Zuordnung nicht vorgenommen werden konnte): Merkur, Apollo mit Kithara, Silvanus mit Hiebmesser an einem Baum, Minerva, Diana, Venus, Fortuna mit Füllhorn, mehrere sitzende Muttergottheiten oder Matronen mit auffälligem Kopfschmuck, die auf ihrem Schoß Tiere oder kleine Kinder halten.
Das Wasser schöpften die Pilger mit Glasflaschen oder Tongefäßen; zu den bemerkenswertesten Funden gehört die Unterseite einer Glasflasche, in die ein kleiner Merkur geprägt ist.
Vor dem Tempel stand ein Altar aus Sandstein, der – wie die anderen Steine des Tempels – aus dem in der Region anstehenden Sandstein der Tholeyer Schichten (Unterrotliegendes) stammt. Altäre standen immer außerhalb des Tempels vor der Cella, so daß jeder sie für seine Kulthandlungen nutzen konnte, denn Religion und damit verbundene kultische Handlungen waren in der römischen Kultur eine öffentliche Angelegenheit für jeden und wurden – von Mysterienkulten einmal abgesehen – nicht versteckt oder im Geheimen fernab der Augen anderer praktiziert – was im Übrigen auch der Grund dafür war, das die neuen Mysterienkulte vom römischen Staat und von den Vertretern der angestammten römischen Religion oft beargwöhnt wurden.
Die erste Fassung der Quelle wurde auf die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert, als auch die erste Herberge errichtet wurde. Weitere Umbauten und Erweiterungen der Anlage erfolgten im 2. Jahrhundert, hier unter anderem erwähnenswert die Erbauung des großen Heilbades. Auch an der in Fachwerktechnik gebauten Herberge wurden in dieser Zeit großangelegte Erweiterungen vorgenommen, an denen abzulesen ist, daß die Pilgerströme nicht mehr von die bisherigen Unterkünfte aufgenommen werden konnten. Die Wände der Herberge waren bemalt und es gab Holzfußböden. Auch bezeugten die Ausgrabungen verschiedene Qualitätsstufen der Gästezimmer – gefunden wurden einfache Sammelräume bis hin zu Luxuszimmern, so daß Pilger aller Gesellschaftsschichten entsprechend ihrem Stand und ihrem Geldbeutel übernachten konnten.
Die Blüte des Quellheiligtums von Hochscheid lag im 2. Jahrhundert n. Chr.. Im Laufe des 3. Jahrhunderts zeigten sich erste Verfallserscheinungen, die einerseits auf das harsche Klima im Hunsrück zurückzuführen sind – der 645 Meter hoch gelegene Tempel im Idarwald war im Winter oft durch Schnee von der Außenwelt abgeschnitten. Andererseits bedingt durch die ab dem 3. Jahrhundert einsetzenden Germaneneinfälle, als etwa die Alamannen die Region heimsuchten, was dazu führte, daß die Bevölkerung abwanderte. Es gab zahlreiche sicherere und besser zu erreichende Quellheiligtümer in der Region (zum Beispiel die Bäder von Aachen, Aquae Granni, oder die Thermalquellen von Bad Bentrich – Bentriacum). Auch das nahe Belginum wurde durch Germaneneinfälle gebeutelt. Nach dem 3. Jahrhundert geriet das Heiligtum in Vergessenheit und wurde offenbar nicht mehr aufgesucht.
Der Tempelkomplex verfiel, wurde aber nie von Germanen verwüstet, weil er wahrscheinlich zu abgelegen lag. Eine mutwillige Zerstörung der Anlage fand erst später statt, wahrscheinlich im Zuge der Christianisierung, indem Statuen zerstört und die Quelle verstopft und damit zum Überlaufen gebracht wurde. Das ganze Gebiet wurde überflutet, so daß sich über dem Tempel ein Hochmoor bildete. Diesem haben wir es allerdings zu verdanken, daß die Statuen bei ihrer Entdeckung in einem so guten Erhaltungszustand waren.
Heute ist vom Tempelkomplex nichts mehr zu sehen, da das ganze Gelände nach dem Abschluß der Grabungen und Untersuchungen wieder zugeschüttet wurde, um die Fundamente zu konservieren und vor Witterung zu schützen. Es gibt keine Beschilderung oder Beschriftung, so daß der Ort heute im Gelände nicht mehr erkennbar ist.
Auf den Spuren von Sirona und Apollo-Grannus rund um Hochscheid
Wer heute die Gegend des ehemaligen Quellheiligtums besucht, sollte mit der Reise im Archäologiepark Belginum beginnen. Hier gibt es gute Hintergrundinformationen zur Bedeutung der Region, die schon in keltischer Zeit ein wichtiger Verkehrsweg und Handelszentrum war. Ein Highlight ist hier das fast 800 Jahre lang kontinuierlich genutzte keltische und römische Gräberfeld vor Belginum, das mit seinen über 2500 Gräbern den Wandel der Bestattungsbräuche von der keltischen zur gallo-römischen Epoche zeigt. Insbesondere die alten keltischen Hügelgräber sind sehenswert.
Eine ausführliche Beschreibung des Archäologieparks Belginum mit praktischen Tipps zur Anreise findet Ihr in unserem Belginum-Artikel!
Nach einem Besuch von Belginum empfiehlt sich die Weiterfahrt zum 5 km entfernten Dorf Hochscheid. Hierzu muß man nur der Hunsrückhöhenstraße weiter folgen, Hochscheid ist der nächste Ort.
Hochscheid
In Hochscheid gibt es in der Ortsmitte eine lebensgroße, detaillierte Replik der im Quellheiligtum gefundenen Statue der Sirona. Sie steht an der Kreuzung der Hauptstraße mit der Römerstraße, in der Nähe der Bushaltestelle und schräg gegenüber der Gaststätte „Römerstube“ (ja, man pflegt sein römisches Erbe im Hunsrück 😉 ). Parken ist am Wegesrand möglich, hier ist nicht sonderlich viel Verkehr.
Die Statue steht in einem Holzunterstand, wo sie vor Regen geschützt ist. Darin hängt auch eine kleine Informationstafel, die leider sehr verwittert ist und eine Generalüberholung vertragen könnte. Sie ist eine verkleinerte Kopie der Informationstafel zum Quellheiligtum Hochscheid des Fernwanderwegs „Sirona-Weg“, die in der Umgebung aber noch mehrere Male zu finden ist.

Das Wappen von Hochscheid bezieht sich auf das Quellheiligtum: Kithara und Lorbeer des Apollo über dem Wasser der Quelle
Uns gefiel gut, daß die gepflegte und schön inszenierte Statue hier im Dorf offenbar Respekt genießt. Eine Pflanzschale mit frischen, leuchtenden Blumen steht neben der Göttin, so daß man sieht, daß das Dorf sein römisches Erbe pflegt. Das Wappen des Dorfes zeigt die Attribute des Apollo-Grannus, die Kithara und Lorbeer, darunter das Wasser der Quelle.
Nach dem Besuch der Sirona im Inneren des Ortes folgt man der Hauptstraße weiter nach Süden aus dem Ort hinaus, in Richtung Stipshausen. Die Straße schlägelt sich etwa 8 Kilometer durch den dichten Hunsrückwald.
Sirona-Hütte an der Landstraße nach Stipshausen
Hier, an der Landstraße, etwa auf halber Strecke zwischen beiden Dörfern, befindet sich die sogenannte „Sirona-Hütte„. Ab dem Ortsausgang Hochscheid sollte man seine Augen offenhalten und den Waldrand auf der linken Seite beobachten. Immer wieder zweigen Forstwege und Wanderwege ab, von denen man sich nicht beirren lassen darf. Es empfiehlt sich, nicht mit Vollgas über diese Straße zu brettern, da man das nächste Ziel auf der Reise sonst leicht übersieht, da es etwas versteckt liegt. Langsames Fahren ist aber auch kein Problem, wir waren die einzigen Autofahrer weit und breit auf dieser entlegenen Landstraße.
Hinter einer Kurve geht links ein kleiner Wanderweg ab, an dem – von der Straße aus erkennbar – ein weiß gekalkter Pavillon mit Säulen steht. Da er relativ knapp hinter der Kurve kommt, fuhren wir natürlich zuerst an der Einfahrt vorbei und Wenden war auf der engen Landstraße nicht möglich. Deshalb fuhren wir bis zum nächsten Forstweg, in dem das Wenden möglich war und fuhren die paar Kilometer zurück zum Tempelchen.
Hier kann man sich einfach an den Wegrand stellen, es ist Platz für ein parkendes Auto.
Die Sirona-Hütte am linken Wegrand ist im römisch angedeuteten Stil erbaut. Ihr gegenüber befindet sich ein kleiner See. An der rückwärtigen Wand steht wieder eine lebensgroße Replik der Sirona aus dem Quellheiligtum. Da dieser Ort abgelegener ist als die Sirona im Ortskern von Hochscheid, kann man hier ungestört Opfergaben ablegen und sich an Sirona wenden. Gelegentlich passieren Wanderer oder Radfahrer diesen Tempel, aber alles in allem ist es dort – auch in der sommerlichen Wandersaison – eher abgeschieden.
Im Tempel, rechts der Statue, hängt eine Informationstafel des Sirona-Weges, die Hintergrundinformationen über das Quellheiligtum liefert. Es ist die gleiche Tafel, die auch verkleinert in Hochscheid hängt, ist hier aber deutlich besser zu lesen.
Leider macht die Sirona-Statue in der Hütte einen etwas weniger gepflegten Eindruck als im Ort Hochscheid; die Statue ist von Spinnweben umsponnen und wirkt etwas vernachlässigt. Hier gibt es auch keinen Blumenschmuck. Wer mag, kann natürlich einen Staubwedel mitnehmen und die Statue von den Spinnweben und Blättern befreien, die sich dort im Laufe des Jahres breitmachen. Andererseits handelt es sich um die Statue einer Quell- und Naturgöttin, die mitten im Wald steht, so daß solche natürlichen Begleiterscheinungen allemal besser sind als z.B. Graffiti, wie wir es an der Jupitersäule bei der Saalburg gesehen haben. Generell sollte ein Schrein oder Tempel oder anderer Ort, an dem man die Präsenz einer Gottheit wünscht, natürlich gepflegt sein, da Götter sich bei Vernachlässigung auch nicht mehr gehalten fühlen, einen solchen Ort aufzusuchen und sich die Anliegen der dorthin pilgernden Besucher anzuhören.
Die Station ist Teil des Sirona-Weges, der sich laut Aussage der Gemeindeverwaltung zur Zeit in Überprüfung und Revision befindet. Mit Bedauern teilte man uns auf Anfrage mit, daß sich einige Stationen und auch die Schilder deswegen nicht immer in dem Zustand befinden, in dem sie eigentlich sein sollten. Eine Überarbeitung findet zur Zeit statt, deswegen ist auch die Website des Sirona-Weges zur Zeit offline. Wir sind gespannt, was man aus dem Sirona-Weg machen wird und werden natürlich berichten, wenn er neu eröffnet wird!
Wer Opfergaben für Sirona ablegen will, kann das an dieser Statue tun. Eine typische Opfergabe ist der Apfel, der (neben Eiern und Schlange) zu ihren Attributen gehört, aber auch Münzen sind gut geeignet.
Den Gebrauch von Kerzen oder gar Grablichtern bitten wir zu unterlassen, oft genug finden wir in römischen antiken Stätten die Weihesteine mit Wachs bekleckert vor (meist nach irgendwelchen Jahreskreisfesten neuheidnischer Gruppierungen), auch Repliken werden dadurch beschädigt und es sieht einfach ätzend aus. Vom Plastikmüll bei zurückgelassenen Grablichtern oder gar dem Batterie-Sondermüll bei Elektro-Grablichtern ganz zu schweigen – welche die Tiere gefährden -, die wir schon aus dem Waldtempel bei Pesch aufgesammelt haben! Außerdem liegt der Sirona-Pavillon im Wald, so daß im Sommer auch wegen der Waldbrandgefahr auf jegliches Feuer verzichtet werden sollte. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, solche Orte nicht vollzumüllen (auch nicht durch „gut gemeinte“ Opfergaben), aber ist es leider nicht, weshalb wir nie ohne eine Rolle Müllbeutel auf Reisen zu antiken Stätten gehen…
Sirona- und Apollo-Grannus Pavillon Stipshausen
Nach dem Besuch dieses Ortes setzt man seinen Weg weiter in Richtung Stipshausen, einem Dorf, das etwas größer ist als Hochscheid (wobei „groß“ hier relativ ist…). Der Ort gilt als staatlich anerkannter Erholungsort und Ruhe findet man hier in der Tat reichlich.
Stipshausen, das in einem Flußtal am Fuße des 746 Meter hohen Idarkopfes liegt, war ebenfalls schon zur Römerzeit besiedelt, was die Entdeckung eines römischen Landgutes, einer villa rustica, beweist. Auch wurde hier ein Jupiter-Gigantenreiter gefunden, eine spezifisch gallo-römische Unterform der Jupitersäulen, die eine keltische Variante des Gottes Jupiter auf der Spitze trägt.
In Stipshausen gibt es ebenfalls einen im römischen Stil erbauten, vorne offenen und seitlich mit Säulen gestützten Pavillon. Hier steht allerdings, im Gegensatz zu den anderen Stätten, nicht nur Sirona, sondern auch eine Replik der Statue des Apollo-Grannus aus dem Quellheiligtum.
Der Pavillon liegt mitten im Ortskern, umgeben von einem kleinen parkartigen Gelände, mitten im Wohngebiet. Von der Hauptstraße aus biegt man scharf rechts in die Seitenstraße „Am Sportplatz“. Dort fällt der weißgestrichene Pavillon sofort ins Auge. Parken kann man in diesem ruhigen Ort irgendwo am Straßenrand.
Ein gekiester Fußweg führt zum Pavillon, daneben steht wieder die Infotafel des Sirona-Weges mit Infos zum Quellheiligtum.
Als wir die Statuen des Götterpaares erreichten, fiel uns als erstes unangenehm auf, daß jemand sie offenbar vor einiger Zeit mit weißer Farbe geschändet hatte: die Augen, Nase, Mund, Brüste und Bauch beider Figuren waren mit dicken Farbflatschen bemalt worden. Aber es hatte sich offenbar auch jemand die Mühe gemacht, nach besten Kräften den Versuch zu unternehmen, die Figuren von der Farbe zu säubern, denn es war ersichtlich, daß es sich nur um Farbreste handelte, die nach den Entfernungsversuchen übrig geblieben waren.
Ideal wäre es ohnehin, wenn man die Statuen – nach römischem Vorbild und Geschmack – bunt und naturalistisch bemalen würde, denn in der römischen Antike waren Figuren und Reliefs nicht einfach weiß. Diese Vorstellung stammt aus der Renaissance und so hat sich auch die Vorstellung von weißen Götterstatuen bei uns bis heute erhalten. Tatsächlich aber waren Figuren, Grabsteine, Reliefs an Häusern und in Schreinen sehr bunt bemalt (für uns heutzutage manchmal gewöhnungsbedürfig bunt). Sehr gut kann man das im Merkurtempel von Tawern sehen, wo in der Cella ein rekonstruiertes Merkur-Standbild steht, das in alter Technik hergestellt und nach römischem Geschmack bemalt wurde.
Diese lebensgroßen Standbilder von Sirona und Apollo-Grannus bunt bemalt wären sicher ein sehr schöner Anblick! Auch kommen durch die Bemalung Details viel besser zur Geltung, so würde man die Eier und die Schlange in der Hand der Sirona viel besser erkennen. Aber das Wissen darum, daß römische Statuen bunt waren, ist leider noch nicht allgemein verbreitet, so daß bei den meisten Orten die neuzeitliche Vorstellung der „weißen“ (oder wie in diesem Fall grauen) Standbilder weitergetragen wird.
Auch wenn dieser Pavillon mitten im Wohngebiet liegt, so ist er doch geschützt genug, um sich dort im Gebet an Sirona und Apollo-Grannus zu wenden. Der Ort ist so ruhig, daß man kaum Gefahr läuft, durch Passanten oder Anwohner gestört zu werden. Möglicherweise ist man die Besuche von Sirona-Wanderern und Heiden aller Coleur dort auch gewohnt. Die Statuen sind ansonsten gepflegt und auch nicht so eingesponnen wie in der Sirona-Hütte an der Landstraße.
Der Pavillon ist gut geeignet, um Opfergaben zu hinterlegen (auch hier gilt das zuvor Gesagte ganz besonders, denn niemand will den Anwohnern dort ekligen Müll hinterlassen, den sie danach wegräumen müssen). Münzen tun niemandem weh, Kerzen sind wie immer ein No-Go und wir würden auch keine störenden und lauten Rituale empfehlen, wie sie z.B. gerne von Hexen mit Klangschalen und Trommeln durchgeführt werden, einfach aus Rücksicht auf die Anwohner.
Man kann hier zum Beispiel auch einen kleinen Weihestein oder -altar nach römischem Vorbild abstellen, aus Ton getöpfert, bemalt und mit einer entsprechenden Inschrift versehen. Das stört nicht einmal den optischen Gesamteindruck und entspricht römischem Brauch.
Wenn man ohnehin gerade in Stipshausen ist, lohnt sich auch ein Abstecher zur schräg gegenüber an der Hauptstraße gelegenen „historischen evangelischen Kirche„. Normalerweise sind evangelische Kirchen ja abgeschlossen, aber diese Kirche ist sonntags stundenweise für Besucher geöffnet, so daß man sich darin die ungewöhnlichen Decken- und Wandmalereien im Stil des Hunsrücker Bauernbarocks anschauen kann. Hier steht auch eine Stumm-Orgel der aus dem Hunsrück stammenden bekannten Orgelbaufamilie Stumm. Deswegen ist die Kirche auch eine Station der durch diese Region verlaufenden „Stumm-Orgel-Wanderweges“.
Viergötterstein von Hottenbach
Nach Stipshausen fuhren wir weiter zum nächsten Ort – Hottenbach. Hier siedelte man ebenfalls bereits zur Römerzeit. Die Dorfkirche, wiederum eine evangelische Kirche, ist auf den Fundamenten eines römischen Gebäudes erbaut, dessen Steine zur Errichtung der ersten Kirche verwendet wurden.
In den Altar baute man im Mittelalter einen hier gefundenen Viergötterstein ein, den Fundamentsockel einer Jupitersäule, der auf den vier Seiten die Götter Merkur, Minerva, Herkules und Juno zeigt, und deutete diese als Heiligendarstellung um. Mit der Reformation und dem damit verbundenen Umbau der Kirche wurde der Altar zerlegt und die einzelnen Teile in die Torumrandung eingebaut. Heutzutage steht der Viergötterstein frei im gotischen Chorraum der Kirche, die ebenfalls Station des Stumm-Orgel- und Sirona-Weges ist. Eine Tafel vor der Kirche informiert über den Viergötterstein.
Wie es bei evangelischen Kirchen üblich ist, war die Kirche bei unserer Ankunft abgeschlossen. Wir holten uns deshalb den Schlüssel beim gegenüberliegenden Pfarrhaus und konnten uns so in Ruhe die Kirche und den Stein ansehen.
Weitere Infos zu dieser Station findet Ihr in unserem Artikel zum Viergötterstein von Hottenbach.
Keltensiedlung Bundenbach
Nach dem Besuch dieser romanisierten keltischen Götter haben wir noch einen weiteren Tipp – wenn man schon einmal in der Gegend ist und sich mit der keltischen und römischen Geschichte der Region beschäftigt, dann sollte man auch im Keltendorf von Bundenbach vorbeischauen, das 10 km von Hottenbach entfernt liegt. Diese Siedlung ist ebenfalls eine Station des Sirona-Wegs.
Hier handelt es sich tatsächlich um eine rekonstruierte, aber am Originalort befindliche antike Stätte, wenn auch keine römische. Da wir aber in einer Region leben, die keltisch dominiert war und in der auch in der römischen Zeit vor allem (romanisierte) Treverer lebten, rundet es den Ausflugstag thematisch ab, sich vor Augen zu führen, wie die keltische späteisenzeitliche Bevölkerung bis zur Zeit des Gallischen Krieges lebte.
Wir sehen das Ganze natürlich voreingenommen durch die römische Brille und schätzen die technischen Errungenschaften von Abwassersystemen, Kanalisation, Gebäuden aus Stein, Bädern und Latrinen. Deshalb ist der Kontrast zwischen einem römischen Kurbad wie dem Quellheiligtum mit seinen beheizbaren Becken, oder selbst einem gallo-römischen Fachwerk-Straßendorf wie Belginum mit Wasserversorgung und funktionierendem Abwassersystem schon groß, wenn man sieht, wie primitiv die Lebensverhältnisse der keltischen Bevölkerung vor der Zeit Christi Geburt im Vergleich dazu waren. Das mag der gallische oder keltische Rekonstruktionist anders sehen, aber wir sind dann immer wieder froh über die erfolgte Romanisierung unserer Ahnen und wollen uns gar nicht ausmalen, wie das Leben der wilden Germanen drüben, in den Wäldern von Germania Magna ausgesehen haben mag… dagegen waren die keltischen Siedlungen vermutlich noch moderne Großstädte 😉
Doch genug der arroganten imperialistischen Herablassung!
Tatsächlich ist die Keltensiedlung von Bundenbach ein interessantes Ausflugsziel, denn es handelt sich dabei um eine auf einem Bergrücken gelegene, befestigte Siedlung, die wahrscheinlich einer wohlhabenden lokalen Fürsten– oder Herrscherfamilie vom Stamme der Treverer gehört hatte, die sich diesen Ort als ihren Stammsitz zwischen 170 bis 50 v. Chr. auf dem Berg „Altburg“ errichtet hatte. Die Siedlung gehörte zum westkeltischen Kulturbereich und ist heute im Stil des 1. Jahrhunderts v. Chr. zum Teil wiederaufgebaut worden. Es handelte sich um eine keltische Kleinburg („Castellum„) im Gegensatz zu den großen befestigen keltischen Bergsiedlungen („Oppidum„), die schon stadtähnliche Züge hatten.
Da es sich um ein in Fachwerktechnik errichtetes Dorf gehandelt hatte, ist nichts erhalten außer 3000 Pfostenlöchern und einem steinernen Keller, dessen Bedeutung man sich noch nicht abschließend erklären kann – nirgendwo sonst in der Region fand man keltische Häuser mit Keller, die meisten Häuser standen auf Holzpfählen.

Im Haupthaus befindet sich eine kleine Ausstellung über das Alltagsleben der Kelten und hier gemachte Funde
Anhand der Position der Pfostenlöcher wurde die Position einiger Häuser rekonstruiert und diese wurden (mit Konzession an die modernen Bauvorschriften, was zum Teil zu fragwürdigen Ergebnissen geführt hat) am originalen Ort wieder aufgebaut, damit der Besucher eine Vorstellung davon bekommt, wie ein befestigtes keltisches Dorf ausgesehen haben mag.
1988 wurde dann an dieser Stelle das Freilichtmuseum Altburg eingeweiht.
Das Keltendorf liegt oberhalb des Schieferbergwerks von Bundenbach, das ebenfalls besichtigt werden kann, genau wie das Fossilienmuseum. Hier wird der berühmte Hunsrück-Schiefer gewonnen, der sehr fossilreich ist und Besucher können auch selbst nach Fossilien suchen.
Das Keltendorf ist von April bis Oktober von 10-13 Uhr und von 14-17 Uhr geöffnet.
Parken kann man auf dem Parkplatz des Besucher-Schieferbergwerks. Eine Anfahrt bis direkt zur Keltensiedlung ist nicht möglich, der Rest des Weges muß erwandert werden. Das ist aber auch nicht tragisch, der Weg ist unproblematisch, hat keine dramatischen Steigungen und überall entlang des Weges befinden sich Informationstafeln zum Thema „Kelten„, was die kurze Wanderung lehrreich gestaltet: wer waren sie, wie lebten sie, ihre Romantisierung in der Neuzeit und die moderne Keltenrezeption.
Zuerst jedoch muß man sich eine Eintrittskarte im Kiosk neben dem Bergwerkseingang holen. Als wir die Karten gekauft hatten, teilte uns die junge Dame im Kiosk (wo es auch Kaffee, Kuchen, Eis und Würstchen gibt, sowie Toiletten, die oben in der Keltensiedlung fehlen) mit, daß sie eben im Keltendorf anruft und Bescheid sagt, daß wir kommen. Das klang nicht nach Touristenüberflutung! Nach einem kurzen Gespräch informierte sie uns, daß wir am verschlossenen Dorftor einfach nach „Erich“ rufen sollten und von diesem dann auch eine Führung bekämen.
Wir wanderten los, entlang an den Infotafeln und durch eine Pforte, die aus zwei lebensgroßen geschnitzten Holzstatuen des Keltenfürsten vom Glauberg gebildet wurde. Nach etwa 15 Minuten Fußweg erreichten wir das auf dem Bergrücken liegende und mit einem Palisadenzaun umzäunte Dorf (das historisch eigentlich von einer Mauer umschlossen war). Nach nur kurzer Wartezeit wurden wir vom Bewohner des Dorfes entdeckt und hereingelassen: einem urigen, bärtigen Schwaben namens Erich, der uns in keltischer Tracht empfing.
Er berichtete uns, daß er zur Zeit in diesem Dorf wohnt (das tut er mehrmals im Jahr für einige Wochen oder auch Monate am Stück), manchmal alleine, manchmal gemeinsam mit einem zweiten Kelten aus Luxemburg. Er hat dort auch ein eigenes Häuschen, natürlich eisenzeitlich-keltisch eingerichtet. Da er noch auf eine zweite Gruppe wartete, die vom Kiosk aus auf dem Weg war, schlug er vor, uns schon einmal alleine im Dorf umzusehen, bevor er uns dann zur Führung zusammenrufen würde.
Wir liefen also in der prallen Sonne durch das Dorf. Das größte Haus (mit dem Steinkeller) ist als eine Art Museum eingerichtet, hier stehen einige Vitrinen, die Fundstücke zeigen, vor allem Werkzeuge und Geschirr, aber auch das typische Getreide, das zu keltischer Zeit hier verzehrt wurde. Man kann auch von oben und durch begehbare Glasplatten im Boden einen Blick in das Kellerloch werfen, welches in das darunterliegende Schiefergestein gehauen wurde und das möglicherweise etwas mit Wasserversorgung zu tun hatte, denn wie diese auf dem trockenen Hochplateau gesichert wurde, ist bislang ungeklärt. Zwar fließt am Fuße des Berges ein Fluß entlang, doch wäre es äußerst unpraktikabel, das Wasser für 300 Bewohner plus Vieh jeden Tag heraufzuschaffen (wie manche Wissenschaftler tatsächlich vermuteten!). Im Belagerungsfall wäre es völlig unmöglich, und mit einer Belagerung rechneten die Bewohner, sonst hätte keine Notwendigkeit bestanden, das Dorf dort oben anzulegen und so zu befestigen. Im 1. Jahrhundert v. Chr. lag man gerne mal im Clinch mit seinen Nachbarn und den Sippen im Umland, so daß Wasserversorgung vor Ort gewährleistet sein mußte. Eine spannende Frage für die Forscher, die durch die praktischen Probleme, mit denen Bewohner Erich in seinem persönlichen Keltenexperiment tagtäglich konfrontiert wird, immer neu gestellt wird.
Im hinteren Teil des Dorfes gab es eine Schmiede und wir besichtigten Erichs Haus, in dem sich ein Bett und zahlreiche Gegenstände des täglichen Bedarfs befinden. Schon hier fiel uns auf, daß die Fachwerkhäuser außer einer Tür keine weiteren Öffnungen hatten – keine Fenster, keinen Rauchabzug. Das fiel auch durch den starken Rauchgeruch in Erichs Haus auf. Eine Frage, die wir ihm als gehobene römische Lebenskultur gewohnte Besucher natürlich stellten! 😉
Als eine zweite Gruppe aus vier Besuchern im Dorf eintraf, versammelten wir uns dann alle mit Erich am großen Haupthaus, wo es einen langen, emotional engagierten Vortrag über Kelten, Baupfusch, Archäologen als Schreibtischtäter und die Widrigkeiten, die man mit Ämtern und Behörden bei der Rekonstruktion eines solchen Dorfes hat, gab. Gelegentlich schweifte er vom Thema ab, so daß er durch Fragen der Besucher dezent zurückgelenkt wurde. Wir erfuhren, daß es hier oben auf der Altburg Probleme mit einer Mäuseplage gibt, insbesondere nach dem jährlich stattfindenden Altburg-Celtic Music-Festival, bei dem sich die Mäuse sehr an Essensresten und Grillgut erfreuen und er danach tagelang damit kämpfen darf, sie wieder aus seinem Haus zu vertreiben. Eine Maus hüpfte dann auch direkt vor unseren Augen über die Schuhe einer Besucherin, die – klischeegerecht – einen spitzen Schrei ausstieß.
Auch mit praktischen Fragen wird Erich durch sein Wohnen und Leben in dieser Siedlung konfrontiert. So ist die Funktion eines kleinen Hauses nahe der Mauer ungeklärt und die Wissenschaft erklärte es seinerzeit kurzerhand zum „Vorratshaus“. Es macht jedoch im Falle einer Belagerung natürlich gar keinen Sinn, wenn ausgerechnet das Haus, das am nächsten an der Mauer liegt, die Vorräte enthält. Vielmehr, so vermutete unser keltischer Gastgeber, standen Vorrätshäuser auf Holzpfosten in der Mitte des Lagers und zwar aus dem einfachen Grund, um das Getreide und die Nahrungsvorräte dort vor Mäusen und Ratten zu schützen, die es sicher schon in der Eisenzeit dort gegeben hatte – ebenso wie Parasiten. Wir erfuhren auch, daß Kelten – im Gegensatz zu Germanen – nicht gemeinsam mit ihrem Vieh in einem Haus wohnten, sondern von diesem in getrennt gelegenen Gebäuden lebten, in unseren römischen Augen ein Fortschritt.
Wie sich bei starkem Regen herausgestellt hatte, waren die reetgedeckten Dächer falsch konstruiert – nämlich von Forschern am Schreibtisch, die nie zuvor ein Reetdach näher begutachtet hatten, wie man es heute zum Beispiel noch im Schwarzwald tun kann. Dort sieht man schnell, daß die Seiten des Daches fast bis zum Boden heruntergezogen sind, was Sinn macht – im Winter bietet diese Bauweise Schutz vor Wind und Schnee und dient der Isolierung. Nun sieht man sich mit dem Problem konfrontiert, daß die zu kurz geratenen Dächer bei starkem Regen und Unwetter versagen.
Über unsere Frage, ob die Häuser bei den Kelten keine Fensteröffnungen hatten, mußte Erich herzlich lachen – es sei völlig unsinnig, diese Häuser ohne ein Fenster zu bauen, aber das Argument der Forscher, die die Rekonstruktion geplant hatten, war: „Man hat keine Hinweise auf Fenster gefunden, also gab es auch keine“ – angesichts der Tatsache, daß man außer 3000 Pfostenlöchern eigentlich gar nichts gefunden hatte, ziemlich theoretisch dahergedacht. Außerdem, so wandte Erich überzeugend ein, hatte man auch keine Türen gefunden, aber selbst diese Forscher wollten dann wohl nicht so weit gehen, zu behaupten keltische Häuser hätten gar keine Öffnungen gehabt – was die Gruppe zu recht erheiterte und die Absurdität dieser „wissenschaftlichen Begründung“ bzgl. der fehlenden Fenster markant vor Augen führte. Natürlich müssen diese Häuser eine wie auch immer geartete zweite Öffnung gehabt haben, allein um eine Lüftungsmöglichkeit zu bieten. So hatte Erich in den heißen Tagen des Sommers nicht mal eben nachts Durchzug machen können und die Hitze stand entsprechend in den dicken Lehmmauern.
Ein anderes Argument aus seiner Praxis überzeugte uns aber mehr: wenn es im Winter kalt war und man die Tür schloß, saß man schlicht und einfach im Dunkeln, wenn das Feuer aus war, oder nur noch die Kohle glühte. Daß die Kelten sich freiwillig ins Dunkle hockten, macht überhaupt keinen Sinn, so daß ein – wie auch immer geartetes – lichtdurchlässiges Fenster anzunehmen war – insbesondere auch angesichts der Tatsache, daß im Haus gekocht und Feuer gemacht wurde und deswegen ein Abzug vorhanden sein mußte. Feuer und Rauch ziehen nun mal nicht nur durch eine Haustür ab, schon gar nicht, wenn durch ein fehlendes Fenster auch der Kamin-Effekt fehlt und man sich den Aufwand des wärmenden Feuers im Winter auch sparen könnte, wenn man immer die Türe offenstehen haben muss…
All diese Fragen und vor allem die bis dato gegebenen Antworten von archäologischer Seite, die auf dem Papier so einfach klangen, werden nun durch das praktische Leben vor Ort eines urtümlichen Kelten relativ schnell auf die Probe gestellt und vieles, was man sich in den 80er Jahren als logisch erklärte, ist heute widerlegt, so daß die Rekonstruktion des Dorfes zwar den archäologischen Vorstellungen der 80er Jahre entspricht, aber heute so nicht mehr ganz haltbar ist. Dennoch ist der Ort – und sein Bewohner! – natürlich einen Besuch wert!
Wir folgten noch eine Weile den wilden Ausführungen des keltischen Erich, bevor wir uns verabschiedeten und wieder auf den Fußweg zurück zum Parkplatz machten und die Heimreise antraten.
Fazit
Wir verbrachten einen erlebnisreichen Tag im Hunsrück, der uns an viele interessante, aber auch einige kuriose Orte führte.
Auch wenn das Quellheiligtum von Hochscheid heute unter der Erde verschwunden ist, so ist Sirona in der Umgebung noch immer präsent. Ihren Spuren zu folgen, vom vicus Belginum mit seinem eindrucksvollen Gräberfeld, über die neu errichteten Schreine in den Dörfern rund um Hochscheid bis hin zur praktisch erprobten Lebenswirklichkeit der keltischen Treverer in vorrömischer Zeit, ist ein abwechslungreicher und ungewöhnlicher Ausflug.
Selbst wenn nicht alle Stätten auf dieser Reise einhundertprozentig „antik“ sind, so passen alle sehr gut zum Thema und erlauben einen guten Einblick in die keltische und gallo-römische Geschichte an einer bedeutenden Handels- und Fernstraße sowie einem wichtigen Quellheiligtum. Beides wurde bereits von den Kelten genutzt, von den Römern erweitert und ist bis heute präsent – die Hunsrückhöhenstraße folgt heute in dieser Region immer noch dem antiken Verlauf und die Erinnerung an Sirona und Apollo-Grannus wird an allen Ecken und in vielen Dörfern lebendig gehalten.
Der Hunsrück mag auf den ersten Blick nicht gerade ein prominentes Ausflugsziel sein (schließlich liegt die deutlich spektakulärere und touristisch attraktivere Mosel nur wenige Kilometer entfernt, ebenso wie die erlebnisreichen Orte der Vulkaneifel), aber diese abgelegene Region des Idarwaldes ist definitiv eine Reise wert und unser Geheimtipp des Monats!
Salve Albia Corvina,
danke für Deine Antwort. Ja, im Binger Wald gibt es auch eine Villa Rustica, deren Fundamente erhalten sind. Und in Boppard, ich war noch nicht selbst da, ist ein römisches Kastell zu besichtigen. Derzeit wird bei Hermeskeil ein spätrepublikanisches Militärlager ausgegraben. Ganz in der Nähe des Oppidums „Hunnenring“.
In Veldenz, nahe der Mosel, gibt es auch noch Überreste einer Villa Rustica.
Am Ausoniusweg bei Dill/Hunsrück wurde ein röm. Wachturm rekonstruiert und ein Teil der ehemaligen Straße ebenfalls. Man kann da auch gut picknicken und hat eine schöne Sicht. Die Rekonstruktion ist meiner Meinung nach aber nicht so gut gelungen. An der Mosel gibt es zwei rekonstruierte gallo-römische Umgangstempel, einmal bei Pommern einen Marstempel auf dem Martberg und einen auf dem Calmont mit herrlicher Sicht auf eine Moselschleife. Hier weiß man nicht, welcher Gott verehrt wurde, es wird angenommen einen Flußgott oder dergleichen.
Dort ist in der Nähe auch ein Winzer, der am WE Getränke und auch Kaffee und Kuchen auschenkt. Der Tempel ist neben der eigentlichen Ausgrabung erbaut worden. Die Fundamente des ursprünglichen Tempels sind auch noch zu sehen. Der Vorteil dort ist, dass relativ wenig Leute sind und man teilweise recht ungestört ist, weil alle beim Winzer sind. Auf dem Martberg ist die Anlage größer und man kann auch in den Tempel rein. Es kostet 3 Euro Eintritt und soweit ich weiß haben die am WE von 11 – 17 Uhr geöffnet. Es gibt aber auch eine Hompage dazu:
http://www.martberg-pommern.de/index.php/archaeologie-park.html
Vale
Susanne
LikeLike
Hallo Susanne,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!
Boppard steht bei uns noch auf der Reiseliste, das römische Kastell und das frühchristliche Taufbecken in der Basilika sind beides interessante archäologische Ziele!
Die beiden rekonstruierten Tempel an der Mosel kennen wir gut – zwei sehr empfehlenswerte Ausflugstipps, wobei der Umgangstempel auf dem Martberg mit seiner bemalten Cella natürlich besonders anschaulich ist. Wir haben sowohl über den Martberg als auch über den Tempel auf dem Calmont übrigens auch kleine Reiseartikel auf unserer Seite, denn man kann diese schönen Ziele gar nicht genug empfehlen!
Daß die meisten Leute eher an Kaffee und Kuchen (oder Wein) interessiert sind, als am Tempel, ist uns auch schon aufgefallen, aber das ist uns natürlich nur Recht 😉
Die Villen und den rekonstruierten Wachturm nehmen wir in unsere Liste auf. Wachtürme gibt es ja so einige, nicht nur am Limes – einige mehr, einige weniger gelungen. Auf jeden Fall sind es oft zumindest gute Aussichtspunkte über das Umland.
Hunsrück, Eifel und Mosel bieten auf jeden Fall noch eine Menge lohnenswerte Ziele für viele Reisesommer 🙂
Unsere eigene Liste mit antiken Stätten in unserer Region wird auch immer länger – viele Orte davon haben wir schon bereist, aber es steht noch ein Artikel dazu aus. Andere sind irgendwann auf jeden Fall an der Reihe.
Du findest unsere Liste übrigens unter:
https://incipesapereaude.wordpress.com/reisen/antike-statten/
Wenn Dir weitere antike Stätten begegnen, die darin noch fehlen (gerne auch kleine, wie eine Villa Rustica oder auch prominentere Orte), kannst Du sie gerne jederzeit als Kommentar unter unserer Übersichtsseite ergänzen. Gerade im Hunsrück haben wir noch einige Bildungslücken!
Viele Grüße!
Corvina
LikeLike
Ich empfinde den Mut der Forscher in keltische rekonstruierte Häuser Türen einzubauen, obgleich diese nicht wissenschaftlich nachweisbar sind, äußerst verwegen…
Super Artikel mal wieder 🙂
LikeLike
Hallo, danke für den interessanten Reisebericht. Ich kenne die meisten vorgestellten Orte und dennoch gibt es immer was neues dazu vor allem wenn man sich für altrömische Stätten, Geschichte etc. interessiert. Allerdings verläuft die Hunsrückhöhenstraße meines Wissens nicht direkt am antiken Ausoniusweges entlang. Ich bin zweimal diesen Weg nach Trier gegangen. Den Sironaweg kenne ich auch, bin in aber noch nicht gegangen. Eurer Reisebericht annimiert mich diese Route in nähere Zukunft auch mal befahren.
Außerdem gefallen mir eure Seiten sehr gut. Viele Dinge des täglichen Lebens der röm. Zeit erfahre ich hier und das finde ich bereichernd.
Grüße Susanne
LikeGefällt 1 Person
Liebe Susanne,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Schön, daß Dir unsere Website gefällt und sie nützlich für Dich ist 🙂 Wenn Du noch andere römische Stätten in der Gegend kennst, freuen wir uns immer über weitere Reisetipps!
Du hast natürlich Recht, nicht die gesamte Hunsrückhöhenstraße liegt exakt auf der Ausoniusstraße, sondern sie verläuft nur auf Teilstücken auf der ehemaligen römischen Straße, zum Beispiel im Raum Morbach und bei Belginum. Teilweise verläuft der Ausoniusweg (heute als gut ausgeschilderter Wanderweg erschlossen) daneben oder in der Nähe.
Die Hunsrückhöhenstraße als solche wurde ja erst im Dritten Reich vor allem im Rahmen mit der Befestigung des Westwalls ausgebaut, so daß diese strategischen Überlegungen auch in ihrem Verlauf sichtbar sind. Insofern ist diese Straße ein Mischkonstrukt, aber im Gegensatz zu den anderen Straßen (wie die Agrippastraße quer durch die Eifel, die eher bruchstückhaft erwandert werden kann) immerhin im groben Verlauf noch komplett begehbar und in der Straßen- und Wegeführung auf modernen Bundesstraßen und Wanderwegen nachvollziehbar.
Vale optime!
Corvina
LikeLike